2015


 
tf

Da ich kein Techniker bin, kein Programmierer und kein Mitglied einer Crew, beschäftige ich mich mit Hacken auf einer allgemeineren Ebene. Ich habe das einmal so skizziert:

"Hacken bedeutet, sich in ein System hinein zu denken, es zu verstehen und es zu nutzen, ohne sich dabei an Handbuch und offizielle Regeln zu halten." Ein schönes Beispiel dafür ist der Lifehack. Geht ganz ohne Computer.

Dabei steht die Tätigkeit im Fokus und nicht etwa eine Mitgliedschaft in einem esoterischen Zirkel. Hacken kann jeder, der sich mit den Grundlagen dessen befasst, was er tut. Wahrnehmen, verstehen, kreativ eingreifen.

Die Idee

Dass die Idee dazu aus von Nerds und Codern kommt, ist kein Zufall, weil die eben aus Berufung oder Leidenschaft Systeme teils komplett entwerfen, auf jeden Fall aber den Durchblick brauchen bei dem, was sie veranstalten, denn sonst geht nichts mehr. Daher darf die unbeteiligte Öffentlichkeit auch gern mal zur Kenntnis nehmen, dass nicht jede Manipulation an einem Rechner ein Hack ist und schon gar nicht etwas, das sinnlose Zerstörung hinterlässt.

Hacker gibt es in jeder Branche. Erzieher zum Beispiel oder Hundeerzieher. Das System Hund muss man erst mal lesen lernen. Es spricht eine völlig andere Sprache als wir. Will ich einen Hund zu einer Handlung bewegen, nützt es nichts, das zu verlangen oder ihn zu überzeugen. Auch Zwang ist ein schlechter Weg. Selbst die Timleline darf ich umkehren, etwa: Handlung-Kommando-Belohnung. Ich warte also darauf, dass der Hund etwas quasi zufällig macht, dann sage ich "Cola" und belohne ihn. Mache ich das oft genug, wird er dasselbe tun, wenn ich "Cola" sage. Es gibt auch in diesem Bereich viel komplexere Hacks, aber das wäre ein Beispiel.

Nehmen wir die Medizin. Operationsverfahren, Heilmittel, eigentlich alles, was damit zu tun hat, kann durch Hacks befördert werden. Das fing mit der mutigen Operation am lebendigen Körper an. Einen Menschen aufzuschneiden, um ihn zu heilen? Welch ein grandioser Hack! Maden in eine Wunde legen? Genial! Knochen auf einen Silberdraht auffädeln? Schimmelpilz gegen Infektionen? Musst du drauf kommen. Solche Beispiele gibt es aus jedem Bereich menschlicher Betätigung.

Fröhliche Wissenschaft

Hacken ist angewandte (wissenschaftliche) Kenntnis ohne Rücksicht auf gegebene Regeln. Dazu bedarf es einiger Voraussetzungen: Erstens grundlegender Kenntnis des Gegenstands. Was passiert? Wie funktioniert es? Was kann man noch damit machen? Zweitens eine konkrete Phantasie: Was wäre, wenn ich dies und jenes täte? Kann das funktionieren? Passiert vielleicht etwas Unberechenbares? Drittens den Mut zu tun, was "man nicht tut". Seien es Konventionen, Regeln oder Gesetze, die sind nicht in Stein gemeißelt. Der Kreidestrich ist keine Wand, und auch gegen die gibt es Mittel.

Eigentlich ist Hacken klassischer experimenteller Wissenschaft sehr ähnlich, nur ohne den verkrusteten Betrieb. Vielleicht fragt ihr euch, warum das Thema sich hier gerade ausbreitet. Nun ja, ich frage mich, ob man die große Maschine auch hacken kann. Dazu später mehr.

 
33

Abb.: Screenshot 32c3-Logo [Der Säzzer sagt, er will das als Tattoo.]

Ich bin traurig, dass ich es dieses Jahr wieder nicht zum C3 geschafft habe, zumal das Thema mir sehr nahe liegt. In der Key Note hat Fatuma Afrah erklärt, wo "Gated Community" anfängt, wie sie funktioniert und dass sie keine physikalischen Gitter braucht. Die Gesellschaften schotten sich selbst ab.

Das Motiv "Gated Community" als logische Konsequenz kapitalistischer Gesellschaften hatten wir hier immer mal wieder, ich zitiere einige Passagen:

Der neoliberale Traum vom Nachtwächterstaat, einer Variante der Gated Community, wurde in Griechenland schon ansatzweise umgesetzt, man kann dort Polizei kaufen.

Schlank, billig, käuflich

"Die einen fahren dann in ihren gepanzerten Wagen zwischen den Gated Communities hin und her, die anderen leben im Dreck und nehmen sich, was im geschäftsmäßigen Bürgerkrieg für sie abfällt. Je mehr Waffen im Land sind, desto fürchterlicher wird das alles. So sieht er aus, der “Nachtwächterstaat”. Er braucht keine Ausgangssperren, weil sich ohnehin niemand auf die Straße wagt."

Denn so geht Klassenkampf: "Die Griechen gegen die Deutschen, die Deutschen gegen die Griechen, die Mittelschicht gegen die Unterschicht, die Lohnarbeiter gegen die Arbeitslosen und die Hellgrünen gegen die Dunkelgrünen. Das ist derzeit die beste Lösung, die nichts Grundlegendes an den bestehenden Verhältnissen ändert. Vorläufig jedenfalls. In der nächsten Stufe werden wir die Ghettoisierung der Reichen erleben, in Gated Communities und anderen postmodernen Trutzburgen. Das alles kennen wir längst aus Afrika und Südamerika, wo die ultimativen Märkte entstehen: Drogenhandel, Entführungen, Piraterie. Solange das Volk eben nicht erkennt, dass es Volk ist und sich in unterschiedlichen Waffenbrüderschaften aufeinander hetzen lässt."

Volk, das sind Menschen, Leute, "the people", die eben, die irgendwo gemeinsam leben. Deren Herkunft ist ebenso irrelevant wie die Haarfarbe oder die Schuhmarke. Was nicht Volk ist, lässt derweil in dessen Namen Recht sprechen und beugen, weltweit und von oben herab.

Knast für alle

In einem Dialog in den Kommentaren haben wir das Prinzip auf den Punkt gebracht:

"Tantalus - Tatsächlich sind gerade die Mächtigen nie frei, sondern immer nur die ranghöchsten und damit bestbewachten Gefangenen der jeweils herrschenden Mythen, die deshalb auch nicht mal etwa 'ihre eigenen' genannt werden dürfen. Das sollte man den denen mal stecken.
-
Sie werden in einem Szenario, das es bereits zu beschauen gibt, hinter Gittern leben, 'Gated Communities', mitsamt ihrer Mittelschichtssklaven, vor denen sie sich als nächstes fürchten dürfen. Ich sage das ohne Triumph. Es ist eine absurde Tragikomödie."

Das Prinzip zieht sich durch alle Ebenen und Systeme der sozialen Wirklichkeit. Klassenschranken in der Bildung, Informationsschranken in der Politik, Corpsgeist bei den Atlantikern, Bomben gegen Afrika, Frontex, Grenzzaun, Naziterror. Diese Prozesse sind zutiefst illegitim und müssen revidiert werden. Daher ist das Thema bei Hackern bestens aufgehoben, die sich nicht von Schranken, Verbotsschildern oder Konventionen limitieren lassen.

 
mf

Terrorisiert unser schönes Land: Balladenrumäne Krauss-Maffey

Igitt, jetzt klettern sie alle aus den Gruben ihrer biederen Ödnis und schleimen sich gegenseitig an. Im Radio sorgen sie wie jedes Jahr mit einem Overkill dreiakkordiger Balladen für ordentliche Suizidraten, und schon heute morgen grinsen dieselben gewienerten Gebisse aus dem krawattierten Hals, die sonst stets gefletscht werden. Was soll das?

Die lieben 'Kollegen' schließen sich dem auf breiter Front an und danken ihren Lesern, damit sie vielleicht doch noch ein bisschen was vom Weihnachtsgeld abstauben. Wie durchsichtig!
Bei mir ist das etwas anderes. Ich habe vor Kurzem kundgetan, dass ich in die anstehende Nur-Selbständigkeit eine Starthilfe gut gebrauchen könnte, und das scheinen da draußen einige zum Anlass zu nehmen, mir ihre Unterstützung zu gewähren.

Thanks a lot

Ich bin ziemlich geflasht über große und kleine Gesten, nicht zuletzt von Menschen, die ich nicht kenne und solchen, die ich kenne. Mancher trägt es mir gar nicht nach, wenn ich mich mit ihm zanke, und das rührt mich tatsächlich. Andere lassen mich anonym wissen, dass ihnen viel an meinem Blog liegt oder zeigen sich schlicht solidarisch. Herzlichen Dank dafür!

Na und weil ich gerade dabei bin und man das von mir am wenigsten erwartet, auch gleich Dank für den ganzen Kommentarfisch, eure Geduld mit dem gnarzigen Säzzer und überhaupt das Durchhaltevermögen, mit dem ihr euer Hirn noch immer zwischen den Ohren tragt. Ich wäre ziemlich arm ohne euch.

Hurra!

And now for something completely different: Wenn ich es irgendwie schaffe, meide ich Reden aus dem Bundesgrüßaugustinum, das zum Jahresende den deutschen Gruß ans Volk gerichtet hat. Beim Überfliegen der Pressestellungen zu Gauck las ich etwas von "Flüchtlingen" und wie großartig die Nation mit denen blabla. Ja, wir können stolz sein, exportieren wir doch Verantwortung® in die ganze Welt. Da freuen wir uns ganz besonders über das Fest der Liebe und des Friedens.

Dieses Jahr kommen die Kinderlein aus der Heimat des Erlösers gleich massenweise zu uns. Etwas Böses muss sie aus ihrer Heimat vertrieben haben. Der Terror! Gleich nach den Feiertagen wollen wir uns daher wieder verantworten und ihn bestrafen, nach allen Regeln deutscher Ingenieurskunst. Denn Verantwortung ist eine Maschine aus Deutschland.

 
wi

Es ist so gut wie Weihnachten. Die Läden werden einige Tage geschlossen sein, obwohl in dieser Zeit so viel konsumiert wird wie sonst im ganzen Monat. Das weiß der Honk und macht sich auf den Weg zum Hamsterkauf. Was er nicht weiß: Er ist nicht der einzige. Wäre er der einzige, würde sein Einkauf auch schon länger dauern, weil er mehr Waren einsammeln, bezahlen und verpacken muss. Er könnte das bereits kennen. Aus dem letzten Jahr oder dem davor, dem davor oder dem davor.

Den Honk aber ficht nicht Erfahrung noch Logik an. Er hat es eilig. Das zeigt er schon auf der Straße. Süßer die Hupen nie klingen. Eigentlich könnte der Honk auf Dauerton stellen. Vielleicht einfach nicht anschnallen, den Warnton mit dem Bassbooster koppeln und das Fenster auf, es sind eh weihnachtliche 17 Grad. Der Cabriohonk ist hier ganz weit vorn. Um seinen Geifer zu illustrieren, stellt der Profihonk die Düsen seiner Scheibenwaschanlage nach oben und rotzt auf alles, was sich bewegt.

Vorwärts immer

Er hat es eilig, was bedeutet, dass das ohnehin seltene Reißverschlussprinzip Sonderurlaub hat. Keiner lässt niemanden rein, worüber sich alle aufregen, um sich bei nächster Gelegenheit zu rächen. Der Honk von nebenan stand eine halbe Stunde in seiner Ausfahrt, bis ihn endlich wer vorließ. Dem rief er dafür dankbar zu: "Das wurde auch Zeit, du blöder Wichser!". Fest der Freude!

Nach der Schlacht um den Parkplatz geht es in den Kampf um den dümmsten Stellplatz für den Einkaufswagen. Es gibt reichlich Engpässe, in die man seine Karre stellen kann. Sind die alle besetzt, nimmt man einfach eine zweite. Es gibt zwei Arten, selbst durch die Schikane zu kommen: rammen oder brüllen. Am besten beides. Das Wort "bitte" setzt man dabei nur ein, um es Zischen zu lassen und den Feind mit Spray einzudecken. Eigentlich zeugt aber auch das schon von Schwäche.

An der Kasse ziehen nach wie vor die Klassiker. Die Ware muss aufs Band, und zwar zügig. Wer wartet, bis der Vordermann alles ausgepackt hat, ist ein Penner, der anderen die Zeit stiehlt. Was kann der Honk dafür, dass der Loser vor ihm so ein Versager im Tetris ist? Darf er endlich bezahlen, ist der einzige Punkt erreicht, an dem gut Ding Weile braucht. Wozu hat man das ganze Kleingeld in der Tasche, wenn das nicht benutzt wird? Kann nicht sein, dass das nicht reicht! Mehrfaches Zählen muss einfach dazu führen, dass es mehr wird. Wenn nicht, wird halt die Zahlungsmethode gewechselt. Wie war noch die Geheimzahl?

Step Aside!

Was den Honk ausmacht, ist seine sportliche Einstellung. Die Grunddisziplinen Hektik, Ignoranz und Tunnelblick wollen ganzjährig trainiert sein, nicht jeder ist ein Naturtalent. Wer sich Einkaufslisten macht, lange Wege meidet oder sein Verhalten den Gegebenheiten anpasst, kann zu Hause bleiben. Ööde! Der Spitzenhonk ist immun gegen jeden Lerneffekt und frei von Behinderungen wie Höflichkeit oder Wahrnehmung. Seine Devise ist "Unterm Strich zähl' ich" und sein Strich hängt verdammt hoch.

Niemals käme ihm in den Sinn, sich Zeit zu nehmen und damit zu rechnen, dass es trotzdem später wird. Wer so etwas tut, isst auch mit Messer und Gabel und bremst vor Kurven. Dafür hat der liebe Gott nicht das Adrenalin erschaffen.

 
3k

Stefan Raab hat gestern seine vorläufig letzte TV-Show abgespult. Da ich solche Veranstaltungen und ihre Hintergründe hier viel zu selten bespreche, nehme ich das einmal zum Anlass, über das Phänomen "Brot und Spiele" zu räsonieren. Wie ich las, hat am Ende der Circenses jemand eine Million Euro 'gewonnen', indem er mit einem Spielzeug einen Ball in die Luft "klackerte" und wieder einfing. Dies war wohl Anlass zu dem entgeisterten Ausruf: "Mit Klackern!", was soviel bedeutet wie dass er fürs erfolgreiche "Klackern" mit 900.000 Euro entlohnt wurde.

Irrtum; das ist der Warenpreis, den der Investor bestimmt hat. Es hat seine Gründe, und die heißen "Profit". Jeder hat seinen Preis, jederzeit, für alles. Wie oft habe ich schon gehört: "Das würdest du doch auch tun für das Geld!", und meist glaubt man mir nicht, dass ich es eben nicht täte. Es fällt dabei schon auf, dass es immer dieselben Wege sind, die einem da zum Glück angeboten werden: Spielshows und Lotto. Der Lottogewinn ist längst sprichwörtlich, wie viele Phantasien beginnen mit den Worten: "Wenn ich einmal im Lotto gewinne ..."!

In der Raab-Show musste die Summe Geldes verpulvert werden, die das Management einkalkuliert hatte, um einen adäquaten Profit zu erzeugen. Diese Summe war eingepreist. Am Schluss musste irgendwer die Kohle mitnehmen, denn es gehört zu dieser Form des Entertainments, primitive Anteilnahme zu erzeugen. Sei es Neid, sei es Gönnen, sei es die sehr willkommene Vorstellung, man habe selbst einmal solches Glück. Der 'Gewinner' war zur rechten Zeit am rechten Ort. Seine Funktion ist die des Exemplars, das belegt, dass es jeder schaffen kann.

Ein Raabvergleich

Raab wird derzeit gern mit Jan Böhmermann verglichen. Das hinkt ganz ordentlich. Raab ist ein höchst effizienter Medienmanager, der von genialischer Kreativität bis zu primitivem Mobbing alle Register gezogen hat, um mit Erfolg, sprich Gewinn zu unterhalten. Böhmermann ist noch ein Provokateur mit Niveau, ein konstruktiver Troll, der sich eine Nische zunutze gemacht hat.

Wo Raab klassische Reflexe genutzt hat, spielt der Neue auf dem Deck der Titanic schmutzige Lieder, die zu spät gekommene Wahrheiten ausplaudern. Dies nicht zuletzt, indem man nicht so recht weiß, ob das noch Ironie ist oder schon Zynismus. In seinem aktuellen Schlager "Ich hab' Polizei" verherrlicht er die Macht der Staatsmacht, hinter der sich der Bürger verstecken kann und disst so die (Möchtegern-)Gangster mit ihren begrenzten Gewaltmitteln. Besonders gefällt mir die Zeile: "Ich ord're owne Polizei, denn ich zahl' Höchststeuersatz".

Ich habe neulich schon geschildert, wie die Zukunft auf Endzeit gepolt ist. Das gilt wohl auch fürs Entertainment. Wo Raabs konstruierte Frechheit noch den bürgerlichen Radfahrer und Möchtegerngewinner von vorn und hinten bedient hat, liefert Böhmermann das Pendant zur Zombieapokalypse. Polizeistaat gegen Gangster, Überlegenheit der Gewalt statt Freiheit - wenn man sich's leisten kann. Das ist ebenso lustig und genau so traurig wie auf der anderen Seite radebrechende Sachsen und Money for Nothing. Nur dass der Lack ab ist.

 
pt

Alle Jahre wieder dasselbe. Warum? Weil sich nichts ändert, wo niemand nach den Ursachen fragt. Vor gut vier Jahren schrub ich:

"Schwarzfahren ist ein Delikt. Im Jahr 2009 wurden 50000 Deutsche wegen “Erschleichung von Leistungen” verurteilt, während in demselben Zeitraum 10000 wegen Steuer-und Zollzuwiderhandlungen verurteilt wurden. (Ich beschränke mich auf Deutsche, da Ausländer bei Zollzuwiderhandlungen aus naheliegenden Gründen die Statistik verzerren).

Man mag zwar meinen, angesichts der zu erwarten höheren Zahl von Schwarzfahrern sei das normal, allerdings geht es hier nicht um alle, sondern nur um solche, die von einem Gericht verurteilt wurden. Es gibt fünf mal so viele verurteilte kriminelle Schwarzfahrer wie Schmuggler und Steuerhinterzieher in diesem Land. Das spricht schon für gewisse Prioritäten. Wenn man dann noch weiß, dass der gemeine Hinterzieher sich durch Selbstanzeige und Nachzahlung seiner einfachen Steuerschuld reinwaschen kann, wird klar, dass der Schwarzfahrer eben ein vergleichsweise besonders schändlicher Mensch sein muss.

Breitmaulfrösche?

Noch deutlicher wird das, was man “Klassenjustiz” zu nennen nicht umhin kommt, wenn man auf den Umgang mit Korruption schaut. Die Anzahl der Verurteilten bei den Delikten “Vorteilsannahme”, “Bestechlichkeit”, “Vorteilsgewährung”, “Bestechung” und “Bestechlichkeit und Bestechung in Besonders schweren Fällen” betrug 2009 insgesamt 248! Davon ist Bestechung mit 129 Fällen die häufigste Straftat. Auf der anderen Seite – dort wo sich der Einfluss auswirkt, gibt es quasi keine Kriminalität."

Die Frage steckt im Begriff "Klassenjustiz", bekannt aus verbotenen Texten und dem gleichnamigen Kampf. Das muss der Leser nicht wissen, das darf der Journalist nicht schreiben, der Bürger nicht denken und der Politiker schon gar nicht so nennen. Wer die Allgemeinheit um Millionen betrügt, muss sich nur rechtzeitig selbst anzeigen, während hier Kinder aus der Bahn geworfen werden, weil sie nicht rechtzeitig ihr Ticket bezahlt haben. Habe ich auch bereits berichtet.

Verschwörung? Ihr seid doch irre!

Was hat sich getan? Ach ja, nachdem die Berliner Richter vor Jahren bereits ihren Unmut über die Kriminalisierung der Bagatelle geäußert hatten, sind noch immer ein Drittel der Knackis in Plötzensee Schwarzfahrer, so der "Tagesspiegel". Das war in 2010 auch schon so, schrieb die TAZ. Na da muss man jetzt wohl dringend aufstocken, damit das Pack nicht die Ordnung zum Einsturz bringt.

Die Steuerfahnder um Rudolf Schmenger und Frank Wehrheim haben derweil, mehr als zehn Jahre nachdem der Terror gegen sie begann, einen weiteren juristischen Sieg eingefahren und bekamen für das Gutachten des korrupten Psychiaters Schadenersatz zugesprochen.

Lediglich Putins Verschwörungssender RT stellt jetzt die Frage nach den Konsequenzen für die damaligen Machthaber. Na klar, denn da es in Deutschland keine Verschwörungen gibt für den deutschen Q.Journalismus, ist der ganz weit raus aus dem Fall. Wenn der Pressesprecher sagt: "Vertrauen Sie der Regierung", tut der deutsche Redakteur seine Pflicht. Schließlich sind wir im Krieg.

Update: Die Situation um Schwarzfahrer ist wesentlich dramatischer als zunächst berichtet.

 
uf

Die Frage nach einer Alternative zum Kapitalismus, die nicht wieder im Staatssozialismus endet, schwebt immer über den hiesigen Diskussionen wie etwas, von dem man weiß, dass es vor der Tür steht, aber man findet die Tür nicht. Wenn ich dazu nur eine Ahnung hätte außer eben der, dass der Kapitalismus sich wieder einmal abschafft und es irgendwo irgendwie ohne wieder losgehen muss.

Wir haben da doch einiges längst zusammengetragen, und ich bin seit Langem überzeugter 'Kommunist': Die Hegemonie muss bei der Kommune liegen, bei überschaubaren regionalen Zusammenschlüssen, in denen alle Beteiligten Einfluss haben auf ihre 'Arbeit' (selbst ein problematischer Begriff) und ihr Leben. In den Städten wird das wie gesagt komplizierter, und daher braucht es eben überregionale Koordination und Kooperation. Deren Struktur muss zunächst so beschaffen sein, dass die Grundversorgung steht. Darüber hinaus geht eine Menge, und ich kann mir lebhaft Foren vorstellen, in denen Menschen konstruktiv zusammen kommen können, weil sie eben etwas für sich bewegen können.

Kommunismus

Wenn die Kommune Priorität hat, werden Entscheidungen dort getroffen, wo man sich kennt und sich auskennt, da muss niemand Macht übertragen oder sich repräsentieren lassen. Das geht zwar nicht so geölt wie im Kapitalismus, dafür aber im Sinne derer, die damit leben müssen. Eigentlich sollte das selbstverständlich sein. Es wird dabei immer irgendeine Form von Verwaltung geben, und die darf halt nicht an die dunkle Seite abgegeben werden, sondern sie muss Selbstverwaltung sein. Was sie verwaltet und wie sie verwaltet, wird durch die bestimmt, deren Sphäre da verwaltet wird.

Überregionale Kooperation muss natürlich organisiert werden, und man wird nicht umhin kommen, das in einer Art Quid pro Quo zu regeln. Die Kommunalen Einheiten in den Städten (auch diese müssen übersichtlich gehalten werden; ganze Stadtteile wären dafür meist schon zu groß) sind von den ländlichen abhängig, da sie sich nicht selbst ernähren können. Dafür können die Städte nicht nur aufwendigere Produktionseinheiten bieten, sondern auch Umschagsplätze für Produkte anderer Regionen. Das klingt nicht zufällig nach Tausch, und mir fiele auch nicht ein, wie man den komplett abschaffen könnte.

Tausch mit mir selbst

Es kann aber ein Tausch sein, an dem niemand Mehrwert abschöpft, und es kann vor allem einer sein, bei dem es gar keine unterschiedlichen Parteien gibt. Wenn in einer Stadt, die von Landkommunen versorgt wird, Düngemittel produziert oder umgeschlagen werden und für beide etwa Fahrzeuge hergestellt werden, tauscht hier nicht der eine mit dem anderen, sondern alle versorgen sich gegenseitig und damit sich selbst. Was wo wie produziert werden soll, muss ebenfalls eine Entscheidung aller Beteiligten sein. Den Bedarf festzustellen, ist in Zeiten elektronischer Kommunikation eine lösbare Aufgabe.

Das wäre mein zweiter Teil zum Modell, ebenso grob gestrickt wie der erste. Hatten wir wie gesagt auch schon alles hier in den Diskussionen, ich fasse das aber zusammen, um in eine Vorstellung einzusteigen, wie so etwas aussehen kann. Grundvoraussetzung ist selbstverständlich, dass Produktionsmittel, Rohstoffe, Land und Wege allen gehören. Die sollten sich dagegen schützen können, dass ihnen wieder wer mit dem Staat kommt, der es ihnen nimmt und "Eigentum" draus macht oder einer "Partei" und ihren Verwesern zuschanzt.

 
te

Ich hatte gar keine Lust irgendetwas über diese Klimarevolution zu lesen. Es erscheint wie eine TV-Serie, die alle seit Jahren glotzen und über die man halt redet. Die TAZ hat hier etwas, meldet am Ende schwache Zweifel an, macht aber natürlich nicht den nächsten Schritt, den ganzen Karneval zu hinterfragen. "Not my job".

Um zum Kern der Sache zu kommen, gehe ich hier noch einen zurück und gebe meiner Verwunderung Ausdruck, dass mir neulich, als ich den Staat abschaffte, niemand den hier um die Ohren gehauen hat. Vor wenigen Jahren habe ich mich so aufgestellt, dass ich - hauptsächlich gegen Wat.s Argumente - auf einer verfassten gesellschaftlichen Ordnung beharrte, die ich aus guten Gründen "Staat" nannte.

Kein Recht, nirgends

Ich sehe auch keinen wirklichen Widerspruch dazu, das abzuschaffen, was heute Staat ist. Die Krux, das Paradoxon, besteht nicht in meinen Ansichten zu beidem, sondern in dem, was der Kapitalismus von seinem Staat übriggelassen hat. CETA, TTIP, NATO-Kriege, ESM, und so weiter, das sind alles gravierende Beispiele dafür, dass die de jure geltenden Gesetze de facto nicht mehr wirken, wenn sie der Macht, die auf ihnen beruht, im Wege sind.

Was der Kapitalismus und seine überstaatlichen Organisationen mit dem verfassten Recht angestellt haben, ist verheerend. Recht fußt immer auf dem Vertrauen der Bürger, dass es auch gilt. Dieses Vertrauen ist im Kern zerstört. Dass sich die Mehrheit der Bürger noch an Gesetze hält, liegt längst nicht mehr daran, dass sie die Ordnung befürworten, sondern nur noch daran, dass sie die Nachteile nicht in Kauf nehmen. Das ist die Grundordnung des autoritären Regimes, nicht des Rechtsstaats.

Man müsste nur - glauben

Auch deshalb ist der Kapitalismus nicht zu retten, auch deshalb sind die Sozialdemokraten auf dem Trip in den kompletten Irrsinn, wenn sie das Monster an die Kette legen wollen. Es gibt nicht einmal mehr das Fundament für die Legalität, mit der die "Auswüchse" begrenzt werden sollen. Im konkreten Fall muss man doch bescheuert sein, wenn man glaubt, den Worten des Klimagipfels folgten entsprechende Taten. Das ist doch der Grund für diese 'Einigung', dass die relevanten Kräfte im Zweifelsfall drauf pfeifen werden.

Die guten Absichten sollen zudem bis zum Jahr 2100 zu Resultaten führen. Man stelle sich bitte vor, 1915 wären Pläne für Das Jahr 2000 geschmiedet worden, Absichtserklärungen, wohlgemerkt. Das hätte die Welt verändert, aber sicher! Genau so wird sich diese "Revolution" (eine semantische Unverschämtheit übrigens) jetzt auswirken. Sie haben die Wirklichkeit endgültig hinter sich gelassen, die politischen Funktionsmöbel ebenso wie ihre Hofreporter.

 
hi

Ein Journalist, der keine verschwörerischen Vorgänge sucht, taugt nichts. Ich wollte eigentlich schreiben "ein politischer Journalist", aber ich weite es durchaus auf alle aus. Der Grund ist schlicht: Egal ob in der Politik, im Sport oder in der Mode, es gibt überall den Kampf um Profite; Einfluss, Geld, Aufmerksamkeit und Macht - in diesem Zusammenhang auch Deutungsmacht. Das Ganze System wird durch eine billionenschwere PR-Maschinerie beeinflusst; sicherlich nicht, weil die Guten, die uns damit versorgen, wollen dass wir prima informiert sind.

Nehmen wir einen Sportreporter, der über Veranstaltungen im Leistungssport berichtet. Hat er auch nur den Hauch einer Ahnung vom Objekt seiner Reportagen, so weiß er, dass es unter der polierten Oberfläche eine Kanalisation gibt, in der Tonnen von Dope transportiert werden. Er darf berichten, dass es Dopingkontrollen gibt und wer dabei 'erwischt' wird. Er darf aber keinesfalls auch nur mutmaßen, dass flächendeckendes Doping die Bedingung für Leistungssport ist. Da muss man sich entscheiden: Wirklich recherchierten und berichten oder den Job behalten?

Woodward-Bernstein-Syndrom

In der Politik ist die Sache noch einfacher. "Watergate" wird bis heute als Sternstunde des Journalismus gefeiert. Woodward und Bernstein haben dabei nichts anderes als eine Verschwörung aufgedeckt. Heute dürften sie nicht einmal die Vermutung äußern, dass es so etwas gibt. Wohlgemerkt: Nicht weil staatliche Zensur das verbietet, sondern, weil die lieben Kollegen über sie herfielen und die Redaktion für solche Spinnereien kein Verständnis hätte.

Dabei gibt es immer wieder mal einen, der plaudert und dem man doch nur zuhören müsste. Wenn ein hochrangiger Journalist von "Veranstaltungen, von denen nicht berichtet werden darf" spricht (wir hatten das auch hier schon), muss einem doch der Hut wegfliegen. Es ist dann nicht weiter überraschend, dass die Herrschaft permanent zu geheimen Treffen lädt, um den Edelhurnalisten das Gefühl zu geben, Elite zu sein und ihnen mit solchen Trüffeln das Maul zu stopfen.

Geisteskrank

Natürlich haben diese Funktionäre der öffentlichen Meinung Angst davor, wenn wer nach geheimen Absprachen, sinistren Zirkeln und hinterfotziger Einflussnahme fragt. Das fängt doch schon damit an, dass kein Journalist sich als Lohnschreiber verstehen darf, der im Auftrag von Geldgebern arbeitet. Da ist für Realität wenig Platz, also schiebt man sie am besten komplett auf die andere Seite: Wer nach der Wahrheit fragt, muss irre sein; wer zweifelt, lügt.

In diesem Club der hirntoten Dichter ist derweil alles unmöglich, was nicht sein darf, während die Guten das Land der unbegrenzten Möglichkeiten bewohnen, sprichwörtlich. Da kommt dann wie gerufen eins zum anderen, und das Kapital, das sich die Wahrheit kauft, bestimmt, was gesunder Menschenverstand zu denken hat. Nämlich, dass man alles kaufen kann und alles uns gehört. Was pfeift der Verschwörungstheoretiker da: "... und morgen die ganze Welt"? Der ist doch reif für die Psychiatrie!

 
xx

Ja wo laufen sie denn? Es gab eine Zeit, da wurden sie gefragt, da fand man sie, weil sie bekannt waren. Sie schrieben Bücher, die von Massen Interessierter gelesen wurden und überzeugten durch die Qualität ihrer Gedanken und Argumentationen. Man denke an die Frankfurter, vor allem Adorno und Marcuse. Ja selbst Reaktionäre wie ein Nolte belebten noch einmal die Diskussion, indem ihnen Widerspruch entgegen schlug. Immer ging es um Inhalte und benennbare Standpunkte. Es wurde gestritten. Die Themen ließen sie sich nicht von Politik oder Medien vorgeben, aber wenn ihnen daran etwas nicht passte, äußerten sie sich.

Es folgte, in der Phase nach 1968, die Ära der akademischen Sozialdemokratie. Schriftsteller und Platzhalter wie Böll, Grass und Habermas definierten, was und wie Demokratie zu sein hätte. Immerhin noch in einer gedanklichen Auseinandersetzung, aber schon begrenzt aufs Tagesgeschäft und innerhalb des Narrativs. Marxist sein ging nicht mehr und etwas anderes, das in fundamentaler Opposition stand zum System, blieb aus. Der Vorzeigephilosoph Habermas, ein Abklatsch und Revisionist seiner Lehrer, wurde prominent ohne dass je wer hätte sagen können, wieso. An seinen Werken kann es nicht liegen, die wurden ja nicht einmal von seinen Claqueuren zitiert.

Tief schießen

Danach das nackte Grauen. "Ökonomen" übernahmen, Hand in Hand mit der Springerpresse und dem anderen Boulevard, zu dem auch die verkommenen Reste eines ehedem kritischen Journalismus gehören. "Deutschlands klügster Professor", ein neoliberaler Hardliner. Der Holocaust, das ist für ihn inzwischen Kritik an Managern, Zitat:

"Auch in der Weltwirtschaftskrise von 1929 wollte niemand an einen anonymen Systemfehler glauben. Damals hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager." Ein Intellektueller ganz nach dem Geschmack der Diekmanns.

Flankiert wird dieser Kotau vor der Herrschaft durch Entertainment, gern wird beides im Mix angeboten. Letzterer wurde geradezu verkörpert durch Peter Sloterdijk, einem schon modisch ausgewiesenen 'Intellektuellen' mit dem Chic des Existenzialisten. Leider ist seine 'Philosophie' ein geseiftes Manifest der Beliebigkeit. Die Reflexionen gar nicht einmal uninteressant, leider nur liegt die Spannung darin, dass statt gedanklicher Qualität launisches Lamentieren herrscht. Man weiß nie, was als nächstes um die Ecke kommt. Von Sloterdijks Genie sind vor allem Weisheiten überliefert wie:

"In solchen Anschauungen gründet der für den Marxismus, aber nicht nur für diesen, charakteristische moderne Habitus der Respektlosigkeit vor dem geltenden Recht, insbesondere dem bürgerlichsten der Rechte, dem Recht auf die Unverletzlichkeit des Eigentums."

Der Laberfachmann

Philosophie als neoliberale Talkshow. Das Beste aus dieser Charge hat wenigstens gar nichts mehr zu sagen und schwätzt munter heute dies und morgen jenes, an das man sich schon Minuten später nicht mehr erinnern kann. Richard David Precht steht für die Verschwiegersohnung des geisteswissenschaftlichen Treibguts. Attitüde konnte Sloterdijk vielleicht sogar besser, aber Precht ist dabei noch sympathisch. Vielleicht wird er einmal Rektor der Günther-Jauch-Universität.

Wenn das der Führer wüsste! Der hatte mit dem Großschwätzer Heidegger wenigstens einen korrupten deutschen Geistesdackel, dessen Plappermechanik man sich erarbeiten musste. Das hatte mehr Stil und Unterhaltungswert und war auf einer Ebene reaktionär, die wirklich nur Experten verstehen. Völlig untauglich für ein Schaulaufen eitler Propagandisten. Höchstens Matusseks finden an dergleichen heute noch Gefallen, weil man das so schön beten kann. Kostprobe:

"Der Brauch lässt, Fug und Ruch verfügend, in die Weile los und überlässt das Anwesende je seiner Weile."

Ja sicher! Gibt es denn gar keine Menschen mehr, die durch klare Gedanken, gute Ideen oder wohlorganisiertes Wissen den Diskurs bereichern können? Na klar, aber die sind nicht nur Verschwörungstheoretiker, sondern auch einfach zu anstrengend. Entweder man versteht sie nicht, oder, was wirklich furchtbar wäre: man verstünde sie und gäbe das ganze Gewese des Betriebs der angemessenen Lächerlichkeit preis.

Nächste Seite »