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März 2017


 
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Die wohl bekannteste Rede eines deutschen Bundespräsidenten ist die sogenannte “Ruck”-Rede” von Roman Herzog von 1997. Sie ist die Essenz der Ideologie neoliberaler Politik und eigentlich ein Dokument epischen Versagens.

Herzog hebt damit an, dass er in einigen Staaten Asiens gewesen sei und zeigt sich begeistert über deren Entwicklung zu “führenden Industriestaaten des 21. Jahrhunderts“. Als er diese Worte sprach, hatte die Asienkrise gerade Anlauf genommen. Ein Jahr später sollte sie sich zu einer wirtschaftlichen Katastrophe entfaltet haben. Die Reformen, die er fordert, sind bald durch Schröder und Nachfolger umgesetzt worden, auch in einigen anderen europäischen Staaten. Zehn Jahre später begann die größte Krise in der Geschichte der EU, die bis heute andauert.

Freiheit – für wen eigentlich?

Herzog fordert in der Tradition protestantischer Ethik immer mehr ‘Eigenverantwortung’:
Wäre es nicht ein Ziel, eine Gesellschaft der Selbständigkeit anzustreben, in der der Einzelne mehr Verantwortung für sich und andere trägt?
Diese Formulierung ist propagandistisch, “für andere” ist die Schutzbehauptung, die Zustimmung ermöglicht, aber im Konzept selbst widerlegt wird. Es geht um einen Begriff von ‘Freiheit’, der Solidarität aufkündigt.

Ganz selbstverständlich soll gelten: “Statt Lebensarbeitsplätzen wird es mehr Mobilität und mehr Flexibilität geben“.
Dies ist ein großes Opfer für die Betroffenen, das als Naturgesetz dargestellt wird. Arbeitsplätze werden so unsicher wie Biographie, Familienplanung und Lebensqualität. Es gibt dafür als Gegenleistung – nichts.

Der Begriff “Solidarität” wird ad absurdum geführt:
Wäre es nicht ein Ziel, eine Gesellschaft der Solidarität anzustreben – nicht im Sinne der Maximierung von Sozialtransfers, sondern im Vertrauen auf das verantwortliche Handeln jedes Einzelnen für sich selbst und die Gemeinschaft? Solidarität ist Hilfe für den, dem die Kraft fehlt, für sich selbst einzustehen. Solidarität heißt aber auch Rücksicht auf die kommenden Generationen.
Solidarität ist demnach ein Sparprogramm. Zu konstruieren, Solidarität sei “das verantwortliche Handeln jedes Einzelnen für sich selbst” ist schlicht schwachsinnig. Sie als “Maximierung von Sozialtransfers” zu denunzieren, spricht Bände. Solidarität ist gegenseitige Unterstützung. Diese soll durch die neue Ideologie zerschlagen werden.

Die neue alte Leier

Das von Herzog geforderte Programm, das er “endlich” umgesetzt sehen will, weil “jeder weiß”, dass es richtig ist:

- schlanker Staat
- Sozialleistungen senken (“Lohnnebenkosten”)
- Deregulierung
- “Freiheit” statt Versorgung
- Umerziehung der Jugend auf solche “Freiheit”
- ‘Lohnabstandsgebot’ (niedrigere Sozialleistungen), denn:
- niedrige Lohnabschlüsse, “die Neueinstellungen möglich machen
- Zustimmung der Gewerkschaften zum Programm
- Sparsamkeit des Staates
- “mehr Wettbewerb und mehr Spitzenleistungen
- Globalisierung, “Weltmarkt der Ideen

Tragende Begriffe seiner Terminologie: “Reformen, Märkte, Wachstum, Arbeitsplätze, Selbstverantwortung, Vollbeschäftigung“.

Die Wende

Die Rede wurde zum Ende der Amtszeit Helmut Kohls gehalten. Der war seinerzeit 15 Jahre im Amt und hatte trotz Dauerkoalition mit der FDP die neoliberalen Forderungen nicht umgesetzt. Die Gewerkschaften, die anderswo – wie in England – niedergerungen werden mussten, konnten ebenso korrumpiert werden wie die SPD und deren Kanzlerkandidat. Herzogs Rede war ein Beitrag zu der Entwicklung, die von den neoliberalen Think Tanks bis hin zu ehemals linken Parteien eine einheitliche Ideologie etablierte. Der ‘Markt’ trägt künftig religiöse Züge.

Wie bereits gezeigt, hat dies Risse im Narrativ hinterlassen. Nachdem unter “Soziale Marktwirtschaft” bis dahin zu verstehen war, dass Lohnabhängige am Wachstum beteiligt wurden und der Staat der Wirtschaft Vorgaben macht, sollte fortan das Gegenteil mit demselben Wort gemeint sein: Wachstum als alternativloses Ziel sollte durch “Lohnzurückhaltung” bei gleichzeitig drastisch sinkenden Sozialleistungen und freien „Märkten“ erreicht werden. Allein auf die Arbeitsethik konnte man noch setzen und die Opfer dieser Politik als Faulpelze darstellen, die ihr Essen nicht verdient hätten.

Original Bild oben (bearbeiteter Ausschnitt): Immanuel Giel (by Wikimedia Commons), CC BY 3.0

 
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Ich werde regelmäßig denunziert als jemand, der quasi die Weltrevolution mit anschließendem Bällchenbad fordert, und zwar spätestens bis nächsten Mittwoch. Wenn einem das Hirn einschläft, breitet sich ein sanftes Summen aus, das unbedingt mit Bekenntnissen übertönt sein will. Leider sind die Symptome nicht so eindeutig wie bei den Füßen, deren Kribbeln deutlich die Durchblutungsstörung anzeigt.

Ich sei also revolutionär, weil mich der ganze Quatsch nicht überzeugt, der sich die Erkenntnis verbietet, dass es der Kapitalismus ist, der mordet, zerstört und versklavt. Das sind keine Auswüchse, das ist die unvermeidliche Anhäufung von Kapital und damit der Macht eines furchtbaren Zwangs. Bei der Frage, was man denn dagegen tun könnte, kommen einem die ‘Reformer’, deren Reformen man als untauglich erkennt, eben mit dem Vorwurf, man sei revolutionär. “Revolutionär” wiederum ist irgendwie falsch und daher alles radikal Linke, zumal kommunistische, indiskutabel.

Ich möchte einmal bei einem Punkt ansetzen, der sich gar nicht mit Kapital, Wirtschaft, Reichtum und Armut befasst, sondern mit einer politischen Idee, die vom ‘real Existierenden’ genau so mit Füßen getreten wurde wie vom Kapitalismus. Es ist hier bereits Konsens, das in einer Gesellschaft, die etwas taugt, Menschen selbst entscheiden, wie sie leben und arbeiten wollen. Das wiederum tun sie gemeinsam dort, wo sie leben. Hierarchische Gesellschaften wie Preußen, Nordkorea, die Sowjetunion oder jeder kapitalistische Staat, sind das Gegenteil.

Wille und Macht

Kommunismus kommt von “Kommune”, und mir hat noch selten jemand widersprochen, wenn ich ausgeführt habe, dass echte Demokratie, also die Entscheidungsgewalt der Menschen über sich selbst, nur praktikabel ist, wenn die Kommunen die höchste Entscheidungsgewalt innehaben. Was immer also auf einer anderen Ebene entschieden wird, kann durch die Kommune aufgehoben werden. Alles, was auf regionaler oder ‘Bundes’-Ebene koordiniert wird, bedarf der Zustimmung der Kommunen. Wenn eine nicht mitmachen will, kann sie niemand dazu zwingen.

Als Marxianer ist mir klar, dass sich diese politische Forderung in einem Kapitalistischen System nicht umsetzen lässt, weil das Kapital Macht konzentrieren muss, vor allem im fortgeschrittenen Stadium, in dem sich Monopole Bilden. Nun sind es aber die ‘Reformisten’, die ich “Sozialdemokraten” zu nennen pflege, die vom Gegenteil ausgehen. In deren Weltbild gibt es ja eine politische Macht, die Kraft ihres Willens die Gesellschaft regeln und formen kann. Sie kann ja – wenn man nur will – sogar den Kapitalismus zähmen.

Nun frage ich mich, warum dann die naheliegendste Idee, innerhalb einer ‘Marktwirtschaft’, die politisch regelbar ist, nicht einmal diskutiert wird. Die holden Halblinken lassen sich nicht einmal auf die Veränderung der politischen Strukturen ein. Warum verzichten ausgerechnet diejenigen, die an den Primat des Politischen glauben, auf die entscheidende Reform der Machtverhältnisse, die sich in deren Universum relativ leicht umsetzen ließe? Weiterhin frage ich mich, ob sie erkennen würden, woran das scheitert. Wenn sie doch bloß wollten …

 
ak

Bundesarchiv, Bild 102-05952 / CC-BY-SA 3.0

Es gab in der Geschichte der BRD einige Meilensteine, in denen das Narrativ sprichwörtlich auf den Punkt gebracht wurde, nämlich in ‘berühmten’ Reden deutscher Bundeskanzler und Präsidenten. Ich habe Adenauers Rede von 1946 bereits erwähnt, in der er fordert, den Nationalsozialismus endlich abzuhaken und ausgerechnet die Kirchen zum Hort des Widerstands verklärt hat. Der Zusammenhang zwischen Luthers Ideologie und den Voraussetzungen für das Gedeihen des Nationalsozialsozialismus wurde ebenfalls angesprochen.

Es gibt zwei weitere Reden von Bundespräsidenten, die jeweils bis heute erwähnt werden; eine davon ist Weizsäckers Rede zum 40. Jahrestag der Kapitulation des Deutschen Reiches. Diese Rede vom Mai 1985 wurde skandalisiert, weil er von einem “Tag der Befreiung” sprach. Die Reaktionäre in der CDU/CSU und Vertriebenenverbänden konnten das kaum akzeptieren; Weizsäcker wurde dafür von Liberalen und Gemäßigten gefeiert, vor allem wohl für den Rest der Rede. Diese machte Kohls Ausspruch von der “Gnade der späten Geburt” zur Säule des Narrativs und verklärte den Nationalsozialismus zu einer Erfindung Hitlers, die er mit ein paar Getreuen über das Deutsche Volk gebracht hätte. Dieses steht als Opfer der Geschichte da.

Verführtes Volk

Das Kriegsende wird in düsteren Farben geschildert, denn “Unser Schicksal lag in der Hand der Feinde.”. Dabei war alles bloß ein Irrtum gewesen:
Die meisten Deutschen hatten geglaubt, für die gute Sache des eigenen Landes zu kämpfen und zu leiden. Und nun sollte sich herausstellen: Das alles war nicht nur vergeblich und sinnlos, sondern es hatte den unmenschlichen Zielen einer verbrecherischen Führung gedient.
Weizsäckers “Gedenken” gilt derweil ebenso den “Soldaten” wie den Opfern des Holocaust. Mehr ging wohl nicht.

Ein besonderer rhetorischer Kniff gelingt ihm, indem er den Fokus auf die Frauen lenkt, die er pauschal für unschuldig erklären kann:
Sie haben in den dunkelsten Jahren das Licht der Humanität vor dem Erlöschen bewahrt.” Dies verknüpft er mit der Legende der Trümmerfrauen, die Heldengeschichte der frühen BRD, in derMord und Totschlag einmal nicht vorkommen. Ansonsten ist es das Lied von der missbrauchten Nation:
Am Anfang der Gewaltherrschaft hatte der abgrundtiefe Haß Hitlers gegen unsere jüdischen Mitmenschen gestanden. Hitler hatte ihn nie vor der Öffentlichkeit verschwiegen, sondern das ganze Volk zum Werkzeug dieses Hasses gemacht.” Wie ihm das gelang, werden wir leider nie erfahren.

Dies soll an dieser Stelle genügen, und ich spule vor zum Schlussakkord:
Ehren wir die Freiheit.
Arbeiten wir für den Frieden.
Halten wir uns an das Recht.
Dienen wir unseren inneren Maßstäben der Gerechtigkeit.
Schauen wir am heutigen 8. Mai, so gut wir es können, der Wahrheit ins Auge.


Luther Reloaded

Die Weizsäckers sind Nachfahren evangelischer Theologen, die seit dem 19 Jahrhundert Ämter in diversen Regierungen innehatten. Richards Vater war ein in Nürnberg verurteilter Kriegsverbrecher, sein Bruder Teil der Gruppe, die für die Nazis an einer Kernwaffe arbeiteten. Wie viele geläuterte Nazis wurden die Weizsäckers amerikanisch demokratisiert. Richard selbst war Fähnleinführer der Hitlerjugend gewesen, später Offizier der Wehrmacht. Nach dem Stauffenberg-Attentat hat er offenbar einen der Verdächtigen geschützt.

Der letzte Absatz seiner Rede vereint seine Wurzeln wie die des deutschen Narrativs mustergültig. Ohne “Ehre” kommen die deutsche Nation und ihre Getreuen nicht aus. Wo die Nazis bedingungslose “Treue” ehrten, steht nunmehr die “Freiheit”, eine eher diffuse Angelegenheit, denn wovon oder wozu wird nicht so recht so klar – es sei denn, man denkt ökonomisch, aber dieser Teil kommt nicht vor in der Rede. “Arbeit” darf keineswegs fehlen, nicht beim Deutschen und schon gar nicht beim Lutheraner. “Frieden” ist das Ergebnis der Arbeit seitdem also. “Arbeit” rhetorisch weiterhin mit “Freiheit” zu verknüpfen, wäre wohl zu verfänglich gewesen.

Halten wir uns an das Recht” ist die neue Formel für Unterordnung. Wo die von Hitler Verführten Gehorsam gelobt hatten, stellt sich der ‘Freie’ nunmehr willig unters Recht. Wie dem auch sei: Es braucht Autorität, wenigstens abstrakt als „Recht“. Der vorletzte Satz klingt kryptisch, ist aber wohl der eindeutigste Bezug auf die protestantische Ideologie. Die “inneren Maßstäbe” zeichnen den eigenverantwortlichen Christen aus und machen “Gerechtigkeit” zu einer Sache des Einzelnen. Am besten gefällt mir freilich der Schlusssatz mit der kabarettreifen Einschränkung “so gut wir können“. Nach bestem Wissen und Gewissen eben. Kann nicht immer klappen. Dann ist halt der Führer schuld.

siehe dazu auch
Jenningers Versagen

 
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Vor Jahren haben einige hier gesagt, es sei wichtig, sich gelegentlich zu wiederholen. Das einmal Gesagte verliert nicht an Gültigkeit, wird aber ggf. vergessen, und es gibt immer Menschen, zumal jüngere, die es nicht gelesen haben.
Das Ganze ist ein Art Verlegerarbeit. Ich habe mir heute angeschaut, was ich in den vergangengen zehn Jahren so zum Frühlingsanfang gepostet habe. Eine recht interessante Mischung:


Das beginnt immer mit der irrwitzigen Ankündigung, es schaffe Arbeitsplätze, wenn man Arbeitslosigkeit anders verwalte. Dann kommt grundsätzlich ein Vorschlag, wie man denen, die nichts haben, noch etwas wegnimmt. Schließlich werden alle, die eh schon den Kürzeren gezogen haben, gedemütigt und für alle wirtschaftlichen Probleme des aktuellen Jahrzehnts verantwortlich gemacht.


Am liebsten würde man Arbeitnehmerrechte ganz abschaffen. Dazu ist nicht nur die ‘Gesetzgebung’ aus der Feder des VW-Managers Hartz hoch willkommen, mit der man Arbeitslose in prekäre Arbeitsverhältnisse treibt. Wie sollen wir im globalen Wettbewerb bestehen, wenn wir Gewerkschaften zulassen?


Eine Airline, die kuschelweiche fliegende Gefängnisse baut, um die “Schüblinge” weich auf den Boden von Elend und Verfolgung zu verfrachten, ist das, was vom Humanismus übrig bleibt, wenn die Marktwirtschaft zuschlägt. Man fragt sich da tatsächlich: Ist der Schlagstock, der die Nase des Opfers zertrümmert, nicht wenigstens ehrlich?


Das unerträgliche Wiederkäuen kuhjournalistischer Stupiditäten wie die Behauptung aufwendiger Recherche will niemand mehr hören. Jörges mag beim “Stern” eine Qualitätsoffensive erkennen wollen, die das Niveau der Hitlertagebücher überbietet. Daraus sollte er freilich nicht die Lizenz zum Steinewerfen ableiten.


Wenn nun Fukushima ein Anlass war, die AKWs hierzulande mit anderen Augen zu sehen, sollte dieser GAU der Lobbyisten erst recht ein Anlass sein, endlich Gesetze gegen Korruption zu verabschieden. Aber wer sperrt sich schon gern selbst ein?


Sie zieht es vor, sinnlose Eingriffe in die Freiheitsrechte vorzunehmen, wenn es dem Empörungs-Management dient. Diese Strategie hat noch jede Diktatur gewählt, um einen Fuß in die Tür zu den Bürgerrechten zu bekommen. Was hier “verboten” wird, ist nicht das Verbrechen, sondern die Freiheit, die auch das Verbrechen ermöglicht.


Allein Deutschland hat bislang etwa 36 Milliarden Euro in das Wohlergehen der Afghanen investiert. Einige danken es uns, indem sie in die europäischen Sozialsysteme einwandern®. Aufgrund der demogeographischen Lage führt ihr Weg häufig über Griechenland, wo wir derzeit äußerst wenig Verständnis aufbringen für die Anspruchshaltung® von Wirtschaftsflüchtlingen. Da wundern sie sich darüber, dass sie eher von privaten Organisationen der Volkshygiene betreut werden als dass sie Hilfe von der Polizei erwarten dürfen. Die Hoffnung auf letztere belegt im übrigen eine grobe Unkenntnis der europäischen Kultur und damit wiederum bereits einen erkennbaren Unwillen zur Integration. Das wird man doch wohl einmal sagen dürfen.


“Hilfe” und “Rettung” sind die Titel für die Prügelei um die letzten Plätze auf dem Floß, dessen Passagiere sich am Ende gegenseitig fressen werden. Das ist der “Linksruck”, das bedeutet “Sozialdemokratisierung”. Die Frage an die Hinterbliebenen ist offen: Wohin treibt es uns?


Das bürgerlich-gemütliche Geschwalle, das manche nur mehr ablassen, nachdem sie sich die Hörner jugendlicher Attitüde abgestoßen haben, zeichnet sich nicht durch eine ‘falsche Gesinnung’ aus, sondern durch Langweiligkeit.


Die Marktmacht in Kombination mit Eingriffen in die Freiheit der Rede ist schädlicher als staatliche Zensur. Kein Grund nachzudenken, Facebook ist nämlich cool und gratis!


Selbstverständlich haben die Amerikaner gewusst, was sie da gezüchtet haben, und sie haben eine Menge von ihnen gelernt. Den flexiblen und phantasievollen Einsatz der Folter etwa. Dass ein Feindleben nichts wert ist zum Beispiel. Dass eine Weltmacht keine Skrupel gebrauchen kann. Die Five Eyes sind da schon ziemlich weit, da kann sich Deutschland nicht lumpen lassen, schließlich ist die GeStaPo unser Ricola.

 
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Eine interessante Kritik zum „Equal Pay Day“ weist auf das ewige Problem hin, dass Frau vs. Mann eben ein erwünschter Effekt ist, der vom Klassenkampf ablenkt. Übrigens ist auch hier zu bemerken, dass „Gender Gap“ schon tendenziös ist, denn „Gender“ ist ein absurdes Konstrukt und es wird ja auch gar nicht erfasst, wie sogenannte ‚Gender‘ entlohnt werden, sondern nur die Geschlechter.

Es wird hier noch einiges mehr übersehen. Dem Kapital ist‘s eigentlich egal, aber Männer sind offenbar marktkompatibler, jedenfalls als ‚Verdiener‘. Das hat u.a. historische Gründe, Männer sind aber auch eher darauf dressiert, sich „selbständig“ zu machen. Ihre Karrieren sind eher ununterbrochen (der Artikel spricht das an), sie streben geradliniger in Spitzenpositionen. Erst weiter oben wiederum entstehen die großen Unterschiede in den Einkommen. Im Übrigen, das hatten wir schon, sind es ‚typische Frauenberufe‘, die oft schlechter entlohnt werden, hier trifft es aber auch die Männer.

Zeitlose Verblödung

Bezogen auf Familieneinkommen sieht die Welt anders aus, denn es müssen alle mit der Kohle auskommen. Dass Einkommen generell so ungerecht verteilt wird, dass Familiengründung ein ruinöses Unterfangen wurde, trifft ebenfalls alle. Es dient dem Kapital, hier die Rechnung aufzumachen, Frauen würden benachteiligt, um den Mann zu animieren darauf zu beharren, sie gebe ja sein Geld aus. So lange es wenigstens noch Kleinfamilien gibt, ist solcher Streit hirnrissig. Dergleichen ist ein Luxus für kinderlose Alleinstehende, die Lieblingsdrohnen der Ausbeuter.

Die Erzählung, die mich aktuell einmal mehr belustigt, ist die von Cinderella oder Aschenputtel, ein zeitloser Klassiker der Herrschaftsliteratur. Sie stammt vermutlich aus dem späten 17. Jahrhundert. Die relevanten Geschichten drehten sich schon in der Antike um Fürsten. Die Kommödie war die Geschichte des Pöbels, wenn es aber um das große Schicksal ging, in der Tragödie, waren gekrönte Häupter die Spielfiguren.

Aschenputtel ist die Geschichte des Aufstiegs der unterdrückten mittellosen Schönheit, die vom Prinzen erlöst wird, indem er ihr einen Schuh reicht. Das Muster geht gerade heute wieder gut; Kinofilme, in denen der Millionär die Hure heiratet, sind die Adaption der Geschichte; für die emanzipierte Frau gibt es Zalando. Die postmoderne Variante verdient sich selbst die Moppen, um damit sinnlos Schuhe zu kaufen. Es darf aber weiterhin devot gestöckelt werden.

Du bist dein Feind

Als Konsumentin sorgt die Frau dafür, dass die Kohle nicht nur reinkommt, sondern auch wieder rausgehauen wird. Seit jeher ist sie die erste Adressatin der Werbung, sei es als Hausfrau, sei es als Prinzessin. Dabei wickelt die Psychiatrie der PR-Experten sie bis zur Schnappatmung ein. Will die Reklame den Kerl anmachen, schickt sie maximal halbnackte Genossinnen vor die Kameras. An denen wiederum soll das Weib sich ein Beispiel nehmen und sich wenigstens permanent zurecht renovieren, um zu gefallen und die Konkurrenz auszustechen.

Da wünscht sie sich beinahe die Zeit zurück, als sie noch die souveräne Entscheiderin im Haushalt war und ihr Lenorgewissen mit der Riesenwaschkraft zu beruhigen wusste. Wie gesagt: Dem Kapital ist‘s egal, Hauptsache irgendwer lässt sich ausbeuten und jemand streckt sich nach der Decke, um möglichst hohe Absätze zu sichern. Die Vorbilder leuchten uns stets entgegen: Lottogewinner, Prinzessinnen und andere erlöste Huren. Im echten Leben ist Erlösung rar, und doch bücken sich alle und hoffen. Das ist nirgends eine Frage des Geschlechts. Es ist Klassenkampf, Dummkopf!

 

Uns erzählen Leute von “Freiheit”, die sich jeden Tag einen Strick um den Hals binden.

 
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Waren das noch Zeiten, als es relevant erschien, Wahlen zu kommentieren. Schon vorher konnte man prognostizieren, so tun, als gebe es Optionen, sogenannte “Wahlaussagen” bewerten. Am Wahltag war so zu tun, als sei es spannend, um danach die Wahl selbst zu besprechen und Koalitionen durchzudeklinieren. Arbeit ohne Ende.

Was wird derzeit nicht alles gewählt. Die Einen haben Angst vor dem Wilders-Westen, die Anderen glotzen auf den deutschen Westen und den frischen Wind aus dem Darm der AfD. NRW wählt, und die chancenlosen Schwarzgelben versprechen das Ende des Rauchverbots in Kneipen. Tatsächlich ist das ein Landesgesetz, von dem wir wissen, dass es das Werk der Grünen Gesundheitsnazis und ihrer Spezialdemokratie ist. War da sonst noch was? G12 vielleicht. Gegender an den Unis. Superbilanz! Die Grünen kriegen dafür offenbar die Quittung, obwohl keiner weiß, warum ihre Exwähler wohin jetzt überlaufen, wo doch die Piraten auch noch absaufen.

Ein Supertyp

Alle zur AfD? Und wissen deren Kandidaten überhaupt, was ein Landtag ist? Oder deren Wähler so, wofür eine Landesregierung zuständig ist? Die Lindners und die Konservativen, von denen sie sich wedeln lassen wollen, haben immerhin einen Punkt. Ist das ein Grund, wen zu wählen? Dolles Symbol: Freiheit statt Zwangsaskese. Wären da bloß nicht A und B. A, dass die Pappnasen nur mit der AfD regieren könnten oder mit der SPD. B, dass in den kommenden fünf Jahren noch andere Entscheidungen getroffen werden müssen, und wessen Freiheit die neoliberale Phalanx von Grün bis AfD da verteidigt, ist kein Geheimnis.

Bleibt noch C, das “Abschneiden”. Das “der Rechten” zum Beispiel. Werden die wirklich abgeschnippelt? Verschwinden die, wenn sie verlieren? Sind deren Wähler mehr oder weniger Nazis, wenn sie ihr Kreuzchen bei Adenauers machen oder nicht? Ist Geert Wilders kein Idiot, wenn er eine Wahl gewinnt oder Rutte etwas anderes als ein neoliberaler Geisterfahrer, weil er Cheftürken rauswirft? Ist der holländische Joschka wirklich ein Jessias? Vor allem aber: Wen zur stinkenden Hölle interessieren Personen, wenn am Ende immer und immer wieder derselbe Dung in denselben Himmel mieft?

Ist wirklich diese Löhrmann schuld, wenn die Oliven die Wahl verlieren? Okay, jemand, der nicht hässlich und öde ist, kriegt bessere Noten bei der Vereinigten Gala aka “Journaille”, aber ist das die Lösung? Schöne Männer und Frauen, die sich perfekt präsentieren? Wenn sie schon bewertet werden wie Showstars, sollten sie auch gecastet werden wie bei Germany’s next Toppolitician. Hat nur Vorteile: Hohe Wahlbeteiligung, gute Stimmung und weniger kackbraune Spuckefäden. Am Ende kann man sich ja wie immer darauf einigen, dass Steuern und Sozialleistungen gesenkt werden. Nehmen wir doch eh hin, und die Nation kann endlich wieder stolz sein, weil wir von echt geilen Schnitten regiert werden.

 
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DDR-Bau: Soll das Architektur sein?

Mann ey! Nachdem ich vor zwei Wochen E-Schrott verklappt habe, sind mir noch eine Tüte mit so nem Zeug, zwei alte Rasierer, der Pentium I und ein oller Plattenspieler in die Hände gefallen. Außerdem hatte ich vergessen, das Zeug von Töchti mitzunehmen. Wenn ich jetzt schon wieder beim Recyclinghof damit aufschlage, halten die mich noch für Deutschlands dümmsten Dealer. Ein Fall für die Q-Journaille. Ach ja, und für Recycling. Hier, exakt fünf Jahre alt das (ich hab so viel um die Ohren gerade):

12.03.2012

Neulich war ich im Keller und habe Elektronikschrott aussortiert. Die Ausbeute war gut: Zwei Scanner, ein Drucker, drei PC-Gehäuse, Mainboards, CD-Laufwerke, fünf Videokabel von Schnittstellen, die nie noch ein Mensch benutzt hat, zwei ‘parallele’ Kabel, einige kaputte Netzwerkkabel, Kühler, DSL-Modem, Telefone, Anrufbeantworter, Sat-Receiver und weitere Kleinteile oder Kabel. Es fanden sich auch ein halbes Dutzend Kaltgerätestecker. Für Laien: Das sind die Netzkabel für Anschlüsse mit drei Pinnen, also für PCs, Monitore etc.. Einige davon wollte ich ebenfalls wegwerfen, aber eine Stimme hielt mich davon ab.

Dazu muss man wissen, dass ich eine Zeitlang ständig solche Kabel verschenkt habe. Bis zu dem denkwürdigen Tag, an dem mir plötzlich einer fehlte. Mir! Ein Kaltgerätestecker! Das darf nie wieder passieren. Das meinte auch mein alter Atari, der mir zuraunte, als ich einen in den Schrott geben wollte: „Der könnte von mir sein!“ Ich nahm also einen anderen, abermals wurde ich zurechtgewiesen: „Der könnte auch von mir sein!

Wieso redet überhaupt ein alter Atari mit mir?“ gab ich den Ball zurück.
Wieso steht ein alter Atari in einem gammeligen Karton im Keller?! Als du mich zum ersten Mal in den Armen hieltst, hast du literweise Endorphine ausgeschüttet“, antwortete der MegaST schnippisch, „und was heißt hier überhaupt ‘alt’? Aber ich verstehe: Wer will schon einen 25-jährigen Computer?

Alt ist jung und jung ist alt

Das saß. Der Atari, der schon immer meine Gedanken lesen konnte, wusste, dass ich eben noch gedacht hatte: „Was soll ich denn mit einer 45-Jährigen?“ Okay, es ist nicht fair, einen verdienten Rechner, der vermutlich immer noch funktioniert, für den Rest seiner Tage in den Keller zu sperren. Aber ist das ein Grund, mich so brutal ins Trauma des Alterns zu stoßen?

Ich widmete mich also dankbareren Objekten, den Netzteilen. „Denkst eh wieder nur an Netzstrümpfe, seniler Lustgreis!“ nörgelte es dumpf aus dem untersten Karton. „Sei still, sonst löte ich dir einen Commodore-Transistor ein!“ drohte ich. Das brachte ihn eine Weile zum Schweigen.
Netzteile also. Elf Stück. Es ist immer gut zu wissen, dass man alle Kombinationen aus Spannung, Stromstärke und Anschluss hat, die man gerade nicht braucht. Das verhindert immerhin, dass jemals ein Gerät kaputt geht, auf das eines dieser Teile passt.

Ist wie bei dir“, sagte das Nokia-Ladegerät, „du passt auch nirgends, und wenn doch, ist schon ein jüngerer Stecker da“. Ich legte es in einen BenQ-Karton, da kann es sich jetzt überlegen, ob das witzig war. „Und wenn du so weitermachst, löte ich dich an ein Siemens!“, triumphierte ich. Wenn ich mich in einem finsteren Verlies von tratschenden Altlasten vereimern lassen wollte, hätte ich mich nicht scheiden lassen.

Der Aufstand

Nur über meine Leiche“, tönte es aus dem muffigen Küchenbuffet.
Wer da?“, rief ich, „nennt Euren Namen und Euer Begehr!
Lötkolben, fuffzehn Watt, du Schnorchel! Bevor ich den Kollegen an etwas von Siemens klebe, verzink ich dir den Fingernagel. Früher biste wenigstens mal zum Lachen hier runter gestiefelt. Und hier sind unsere Forderungen:

Erstens: Schluss für heute. Pack deine Beute ein und schleich dich.
Zweitens: Der Atari kriegt ein trockenes Plätzchen bei den beiden PCs unterm Bett. Einschließlich beider Monitore.
Drittens: Geh mal vor die Tür!
Wir kommen bestens ohne dich zurecht. Du wirst nie einer von uns. Wenn wir eins nicht brauchen, sind das Technokraten, die uns in Kisten sortieren. Wir danken Ihnen für dieses Gespräch!

Sie können das nicht besser wissen. Ich habe meine Konzepte nur noch nicht richtig vermittelt. Ich liebe doch. Ich liebe doch alle Platinen. Ihr mögt denken, das sei Wahnsinn. Aber habe ich euch nicht gesagt, dass was ihr irrtümlich für Wahnsinn haltet, vielmehr eine Übersensibilität der Sinne ist?

 
kl

Bundesarchiv, B 145 Bild-F009346-0008 / Steiner, Egon / CC-BY-SA 3.0

Was mich an der ‘Jungen Linken’, die ich mir erlaube so zu nennen, besonders stört, ist ihre Geschichtsvergessenheit. Sie ist nicht die erste Generation, in der maßgebliche Teile das Ende der Geschichte für gekommen hält oder schon den Anfang verpasst hat. Neu ist vielleicht, dass man gar nicht viel studieren oder um Jahrhunderte zurückgehen müsste, um epochale Veränderungen aufzufinden. Es würde völlig ausreichen, Zeitzeugen zu befragen.

Unter denen, die heute als “privilegiert” gelten, sind noch welche, die den Krieg erlebt haben, vor allem aber die Nachkriegszeit. Ich beschränke mich wie meist auf die BRD in meiner Betrachtung, weil ich eben hier aufgewachsen bin. Die Generation meiner Eltern hat Hunger erlebt. Es ging für sie nicht bloß um fehlendes Fleisch oder leckeres Essen; sie hatten teils gerade genug, um nicht zu verhungern. Wer schon abgemagert aus der Kriegsgefangenschaft kam, hatte vielleicht Pech. So geschwächt, konnte jedes Zipperlein tödlich enden.

Auferstanden …

Apropos Krieg: Nicht nur die Nazis wurden zerbombt oder an der Front getötet. Familien ohne Väter waren ‘normal’, was den Müttern kein Trost gewesen sein dürfte. Das tausendjährige Reich hat nicht danach gefragt, woher wer kam, ob er Männlein oder Weiblein war, es hinterließ größtenteils Ruinen. Allein die Reichen sind reich geblieben – wenn sie keine Juden waren. Die Ausgebeuteten haben zuerst wieder aufbauen müssen, um dann – ausgebeutet zu werden.

Die Teilhabe der Arbeiter am ‘Wachstum’ wurde in den frühen Jahren teuer bezahlt. Im Bergbau hat sich niemand über Staublunge oder “jauchige Bronchitis” gewundert. Was die Ausbeuter heute wieder feiern wollen, ist dass viele Männer nicht viel von ihrer Rente hatten. Chemiearbeiter haben in Giftstoffen gebadet, auf dem Bau wurde mit Asbest geaast.

Hart, aber ungerecht

Niemand wäre auf die Idee gekommen, das Rauchen zu verbieten. Männer, die hart genug waren, Wetter, Buckelei und Gift zu ertragen, hätten es sich auch nicht verbieten lassen, ebenso wenig wie Frauen, die es nicht leichter hatten und oft aus Hunger damit angefangen hatten. Das Privileg gesund zu leben hatten die Reichen und erst allmählich die (gehobene) Mittelschicht.

Als elende Armut, Hunger und Tod zunehmend exportiert wurden, ging es den Menschen hier immer besser. Zwar wurde meine Generation noch fröhlich vergiftet (ich habe 30 Jahre in Schule und Uni in Asbest- und PCB-verseuchten Gebäuden zugebracht), die Lebenserwartung stieg aber durchaus mit dem Standard. Starke Gewerkschaften sorgten dafür, dass gerade in den Betrieben immer bessere Gesundheitsbedingungen umgesetzt wurden, was für die Industrie im Allgemeinen keine Einbußen bedeutete.

Konsum und Sühne

Aus der zweiten Generation bildeten sich Bürgerinitiativen und aus denen u.a. die Grünen. Deren Gründungsmitglieder waren deutlich antikapitalistisch aufgestellt. Ihnen wurde vorgeworfen, “industriefeindlich” zu sein und sie waren es durchaus auch, da sie eine andere Vorstellung von Gesellschaft hatten als eine, die zu Wohle des Kapitals die Umwelt zerstört und ganze Erdteile in Armut hält. Das hat sich sehr schnell geändert, denn schon bald sollten sie ihre politischen Ziele auf Massenkonsum zuschneiden. Konsum und Profit stehen nicht mehr infrage, dafür wurde der Mythos eines ‘sauberen’ Kapitalismus verfasst.

Genau aus dieser Perspektive laboriert die linksgrüne Jugend von sich hin, die die Erfahrungen der älteren Generationen ignoriert, die Kritik am Kapitalismus aufgegeben hat und stattdessen lieber Verhaltensvorschriften erfindet, mit deren Hilfe die Umwelt sauber, die Arbeit gut, das Leben gesund und die Gesellschaft gerecht werde. Damit vertreten sie nicht nur unmittelbar Kapitalinteressen; sie sind auch völlig mit der protestantischen Wurzel der religiösen Ideologie versöhnt, die den Kapitalismus seit jeher getragen hat.

 
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Kein Sound, kein Gameport: Nur eine der Karten im Test überzeugte, der Rest ist überteuerer Schrott.

Ja doch, ich kann das auch richtig schreiben, aber kann wer beweisen, dass es nicht eigentlich so viel besser wirkt? Ich habe neulich eine Sammlung hochverdünnten Urins aufgesucht, um darin zu baden. Meine Krankenkasse hat das finanziert, weil es gut für meinen Rücken sei. Eine Langzeitstudie ausgewiesener Fachexpertenkreise hat das belegt und ist zu dem Schluss gekommen, dass allerdings das Urinal mit kreisenden Bewegungen zu besänftigen sei. Anderenfalls bleibe nicht nur der Effekt aus, es drohten auch tödliche Nebenwirkungen (sog. “Ertrinken”).

Klingt komisch, ist es aber gar nicht. Am Beckenrande bemerkt, handelt es sich obendrein um Fake News. Wie Kenner wissen, könnte mich kein noch so hoch angesetzter Bestechungversuch einer Krankenkasse zum freiwilligen Besteigen einer gefliesten Menschenterrine verführen. Aber ich komme schon wieder ins Schwafeln … Hömoöpathie wollten wir besprechen, nicht nur aus aktuellem Anlass oder auch dem hier.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Logik und andere Basiselemente einer sachgemäßen Anwendung des Verstandes eine gewisse Abwertung erfahren in den vergangenen Jahren. Da wird verdreht, da wird falsch geschlossen, da werden womöglich mehrere sich unmittelbar widersprechende Inhalte in einen einzigen Satz gepresst. Das alles scheint nicht mehr so wichtig zu sein; Hauptsache, die Guten gewinnen. Die Attacken auf die einfachsten Regeln der Rationalität finden dabei an vielen Fronten statt.

Zombie unter Zombies

Die Parteilichkeit der Redner ist eine davon, eine weitere das Narrativ. Ein gutes Beispiel aus dem leider nicht medizinischen Bereich ist das Wort “Erkältung”. Der einzige Zusammenhang zwischen Kälte und Erkältung ist folgender: In kühlen Zellen breiten sich Rhinoviren schneller aus, und Kälte kann die Immunabwehr schwächen. Es sind zweifelsfrei die Viren, die eine Erkrankung verursachen, dennoch fabulieren zwei von drei Zeitgenossen, sie hätten sich da und dort “erkältet”, weil sie in der Kälte waren oder eine Mütze nicht aufgesetzt hätten. Demnach ist der Baum schuld, wenn du bei 200 Sachen aus der Kurve fliegst.

Ähnliches gilt für Gesundung allgemein: “Mittelchen XY hat mir geholfen“. Nein, hat es nicht, du bist noch genau so doof wie vorher. Besonders bei lang anhaltenden Leiden glauben 104,7% der Betroffenen, das, was sie zuletzt versucht haben, hätte ihnen geholfen. Hat es aber nicht. Nein. Hat. Es. Nicht. Das verdammte Wrack, das einen Körper zu nennen du nicht umhin kommst, hat endlich einen Weg gefunden, wieder rund zu laufen. Jedenfalls an der Stelle, von der wir reden. Was dazu geführt hat, weiß man nicht. Das gilt übrigens auch für deinen blöden Köter. Selbst, dass der Grünkernaufguss mit Gelée royale von kapverdischen Termiten “nicht geschadet” hat, ist Blödsinn. Glaubst du nicht? Siehst du, und deshalb bist du ein ignoranter Schwachkopf.

Einen hab ich noch, womit ich immerhin so gnädig bin, die Kapitel “furzdämlicher falscher Umkehrschluss“, “konträr ist nicht kontradiktorisch, verdammt noch mal” und “ein Konditional ist wahr, wenn die Bedingung falsch ist” auszulassen. Ein Lieblingsargument der Mythologen, Esoteriker und Steinzeitphilosophen ist “sonst bin ich ja nicht so” aka “ich glaube ja eigentlich nicht an sowas“, gern eingeleitet mit “du weißt ja” und gefolgt von jenem furchtbaren “Aber“. Nein! Nicht aber. Du bist einer von denen. Yapp. Genau so einer. Kein Richtiges im Falschen, no way. Herbstzwerge, Aluhüte, Chemtrails, Homoöpathie, Astrologie, Tarot und Verehrung jenseitiger Wesen ist dieselbe armselige Charge. Also mach dich so lächerlich wie es dir behagt, aber geh’ mir nicht auf die verdammten Murmeln damit!

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