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Februar 2014


 
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Ich kann es noch immer nicht recht verstehen, warum so viele, deren Selbstverständnis sich irgendwie “links” verortet, den Kapitalismus verteidigen, ihn am Ende behalten wollen. Eine merkwürdige Übereinstimmung von Heiner Flassbeck bis Jochen Hoff hat mich in der vergangenen Woche verärgert. Letzterer schrieb ernsthaft: “Man kann den Kapitalismus in Ketten legen ohne ihn zu zerstören. Man muss es nur wollen.” Das aber ist kompletter Unsinn.

Ich beginne einmal mit Heiner Flassbeck, der Sahra Wagenknecht verteidigt. Flassbeck wiederholt seine weithin bekannte Kritik, dass nämlich Deutschland sich nicht an die Inflationsziele gehalten habe und damit die Axt an den Euro legt. Etwas anderes hat Wagenknecht im Endeffekt auch nicht gesagt. Warum aber wird solch berechtigte Kritik am Euro tabuisiert, warum erst recht nicht eingelenkt im Hinblick auf die Reallohnentwicklung, warum hält sich Deutschland partout nicht an das Inflationsziel? Weil es irgend eine dem Kapitalismus fremde Macht nicht will? Woher kommt dann solcher Unwille, woher käme ein anderer und wieso gibt es überhaupt ein dem System äußeren Willen, der angeblich für die Wirklichkeit verantwortlich ist?

Kapitalismus als Wille und Vorstellung

Jochen Hoff schreibt, man solle den Kapitalismus beibehalten, weil man ihn nicht abschaffen könne und ihn daher “an die Kette legen“. Beginnen solle man dabei mit einer Bodenreform, der schrittweisen Abschaffung von Grundbesitz. In einem Kommentar meint er, man solle mit dem einen Schritt anfangen, weil sonst keiner getan würde. Damit nimmt aber auch er eben nicht die Behauptung jenes ominösen Willens zurück.

Dabei kann man Jochen Hoff nicht einmal wirklich vorwerfen, nie die Machtfrage in seine Betrachtungen einzubeziehen. Umso seltsamer erscheint mir das Beharren auf die Möglichkeit des beherrschten Kapitalismus. Jene anderen Bändiger des Kapitalismus hingegen, die Keynesianer oder ‘linken’ Ökonomen, stellen die Machtfrage noch weniger als die Rechten, die mit ihrer gestutzten Sandkastenwissenschaft immerhin den Trend unterstützen, den sie befürworten. Was ist das aber für eine “Wirtschaftswissenschaft”, die völlig ausblendet, welche Aussichten auf Realisierung ihre Konzepte haben? Schlimmer noch: Eine Denkschule, die nicht einmal die Bedingungen nennen kann oder will, unter denen ihre Ideen zur Entfaltung kommen könnten?

Orthodox paradox

Wo nämlich ist denn die Manifestation des ‘Willens’, wo die wissenschaftliche Beschreibung, Analyse, Geschichte eines solchen Willens? Sie findet nicht einmal statt. Schlimmer noch: Der ‘Wille’ in Form von Entscheidungen, Bestrebungen und Machtstrukturen, wie er zutiefst mit dem kapitalistischen System verflochten ist, wird obendrein ausgeblendet. Die Ausrichtung des Kapitals hin zu seiner Vermehrung bindet doch nahezu alle Entscheidungen und beeinflusst inzwischen jedwede Alltagssituation. Wo sollte also ein anderer ‘Wille’ herkommen, eine Entscheidungsgrundlage, die nicht auf Gewinn, Profit, Konkurrenz setzt? Innerhalb kapitalistischer Strukturen ist ein solches Vorgehen schlicht paradox. Wollen mir die Raubtierbändiger also weismachen, wenn man nur wollte, könnte man eine permanente Paradoxie durchsetzen?

Ein weiteres aktuelles Beispiel zu diesem Problem: “Laut einer DIW-Studie sind die Vermögen in keinem Euro-Land so ungleich verteilt wie in Deutschland. Der durchschnittliche Besitz von Arbeitslosen hat sich seit 2002 fast halbiert.” (via Burks) Deutschland ist das reichste und ‘erfolgreichste’ Land der Eurozone. Ist das ein Zufall, dass ausgerechnet hier diese Kluft am größten ist? Ist das so etwas wie ein deutscher Wille? Nein, es ist die stringente Logik des Systems. Was zur Hölle geht in Köpfen vor, die glauben, man könne dieses Prinzip ausschalten? Man will die Ursache unverändert lassen und glaubt die Symptome vermeiden zu können? Durch einen Willen? Das ist keine Wissenschaft, das ist mittelalterlicher Geisterglaube.

 
Ich muss irgendetwas richtig machen, denn mir wirft niemand ein Stöckchen zu, obwohl sie in der Nachbarschaft nur so umher fliegen. Ich brauche daher auch keine schalen Disclaimer, ich nehme sie einfach nicht auf. Doppelter Vorteil: Ich lasse mich nicht in solche Albernheiten einbeziehen und kann trotzdem damit Zeilen schinden, wenn sie mich inspirieren. Im übrigen empfehle ich für den Fall, dass jemand etwas von jemandem wissen will, ihn doch einfach zu fragen, und zwar nicht, weil man dasselbe gefragt wurde, sondern weil man interessiert ist. Dann können die Fragen sogar richtig sinnvoll werden; man nennt das dann unter Fachexperten auch “Interview”.

Das Stöckchen, das der Kiezneurotiker aufgeschnappt hat und das mir schon bei Pantoufle begegnet ist, hätte ich dem Hundetrainer vermutlich in den Hals gestopft, allein der Frage wegen: “Pädophile sollten …”. Was ist das für ein Niveau; anders gefragt: Wo ist vom Erdkern aus betrachtet “unten”?
Der Kollege vom Exkiez aber ist kein Dummer nicht und spielt nach anderen Regeln, hat er doch die Liste der Fragen komplett gefraggt und seine eigene aufgesetzt. Die will ich doch gleich mal bearbeiten, weil auch er mich nicht gefragt hat:

1. Ukraine. Russland. EU. Wer hat eigentlich Recht?

Ähm; ist das eine offene Frage oder eine dumme? Ich sage mal: Ja. Weil das Thema aber aktuell ist und ich darüber nicht schreibe, zitiere ich mich:
“Ich werde mich nach wie vor nicht in einem Posting zum Wirrwarr in der Ukraine äußern, weil es mir einfach nicht möglich ist, die Informationen zu bewerten.” Nicht nur das, ich klaue auch dem Rainer seine und nehme ihr jede Ironie:
Ich warte jetzt einfach ein paar Monate, bis ich mir eine Meinung bilde.

2. Olympia? Kuckst du?

Okay, ist vorbei. Und: Nein. Wintersport interessiert mich nicht. Deutschland interessiert mich nicht. Deutsche Sportreporter interessieren niemanden. Das einzige, was ich wirklich interessant finde, wurde nie beantwortet: “Wo ist Behle?“, vor allem aber: Was ist Behle?

3. Edathy. Verschwörung, Dummheit oder was ganz anderes?

Habe ich hinreichend beantwortet, bei der Gelegenheit nutze ich eine weitere, auf die Kommentare aufmerksam zu machen. Da ist auch der Link auf den Prantl. Ansonsten: Edathy wurde zurecht zurückgetreten, weil er hirngefickt ist. Bezahlt mit seiner Kreditkarte und lässt sich seinen Läppi “klauen” anstatt seine Platten zu verschlüsseln. Zu Unrecht bleiben derweil Hunderte andere im Amt.

4. Bedingungsloses Grundeinkommen. Sinnvoll?

Och nee, nicht schon wieder. Nicht in der Form. Schaffen wir erst Hartz IV, dann den Grundbesitz und dann den Rest des Kapitalspiechens ab; wer dann noch möchte, spricht über BGE. Das Nähere regelt die Eurobankenfinanzwirtschaftsschuldenkrise.

5. Europawahl. Wählen gehen?

Wozu? Um zu dokumentieren, dass wir auch dann noch unsere Pflicht tun, wenn ein inkompetentes Kasperleparlament ohne Kompetenzen legitimiert werden soll, dessen Beschlüsse von der korruptesten Truppe nach der FIFA in die Tonne getreten werden? Come on!

6. Bloggen. Bringt das noch was?

Yip. Ich schreibe was, du liest es. Du schreibst was, ich lese es. Wie beschissen wäre das Leben, wenn ich darauf auch noch verzichten müsste. Was käme als nächstes? Kein Bier mehr? Kippen alle? Verbot von Sex am Steuer?

7. Was würdest du arbeiten, wenn für dein Einkommen gesorgt wäre?

Wozu der Konjunktiv, was genau bedeutet “arbeiten” und darf man auch essen, wenn man nicht arbeitet? An deiner Stelle wüsste ich es: An der Präzision meiner Fragen.

8. Was wollen wir trinken?

Ja, gern.

9. Wo wollen wir das trinken?

Bei mir oder bei dir? Meinetwegen auch auf der Straße, ich habe nur noch meinen Ruf, und man sollte sich nicht von so etwas abhängig machen. Der Arbeitsmarkt verlangt ja auch Flexibilität.

10. Was singen wir dazu?

Keine Ahnung. Sing’ du was, ich spiele ein Solo drüber.

11. Und wen laden wir noch ein?

Hemmungslose Weiber. Damit aber auch wer kommt, auch die üblichen Verdächtigen: Hässliche alte Männer, die uns alles wegsaufen.

So, wem werfe ich jetzt das Stöckchen zu? Genau. Vergiss es.

 
c3

Facebook wird sich also WhatsApp einverleiben. Die beiden gierigsten Datenkraken für die Inhalte von Kommunikation fusionieren. Dieser Vorgang wäre erschütternd, atemberaubend, entsetzlich, müsste man mit dergleichen nicht täglich rechnen, zumindest wenn man die wissenschaftlich erfassbaren Zusammenhänge kapitalistischen Wirtschaftens nicht ignoriert und verdammt, weil sie ‘marxistisch’ seien.

Es ist immer noch die Endphase, immer noch der klassische Werdegang. Was wir erleben, sind Konzentrationsprozesse der dritten Art. Ich habe vor Jahrzehnten aufgehört mich zu fragen, wozu so etwas wie ein “Kartellamt” eigentlich gut ist. Hat es jemals die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens anders begrüßt als auf Knien rutschend noch das bizarrste Monopol für harmlos zu erklären? Allein anhand der Fusionen seit den 80er Jahren sollten jene, die den Kapitalismus “in Ketten legen” wollen, eigentlich erkennen, wie aussichtsreich dieser Ansatz ist und endlich schweigen.

Vulgärmarxismus im Freiland

Selbst die noch klassischere These der Bildung eines Staatsmonopolkapitalismus’ durch Fusion der großen Konzerne mit den sie schützenden Staaten bestätigt sich in einer neuen Dimension. Hier die Geheimpolizeien, die Datenschutz und Bürgerrechte auf kaltem Wege abschaffen und sich allenfalls von ihren Regierungen Unbedenklichkeitsbescheinigungen dafür ausstellen lassen. Dort ‘private’ Unternehmen, die sich alles unter den Nagel reißen, was die Menschen sagen, schreiben und abbilden. Wissen über Personen als Handelsware und Erpressungsbasis, eins sickert fließend ins andere. Das gemeinsame Ziel: Der nicht nur gläserne, sondern steuerbare Bürger.

Die ‘Dienste’ maßen sich an, alles über jeden zu erschnüffeln, wie wir seit Snowden wissen. Ihr Vorteil: Sie tun das heimlich und auch gegen den Willen der Betroffenen. Bislang haben sie dabei keinerlei wirksamen Widerstand erfahren, denn selbst wo der besteht (z.B. in parlamentarischer Kontrolle), wird er ohne weitere Konsequenzen ausgehebelt,

Die privaten Datenkraken haben den Vorteil, dass ihre Opfer auch noch einwilligen in die Zerstörung ihrer Privatsphäre und ihre Entrechtung. Facebook lässt sich sogar das Recht aufs eigene Bild und den eigenen Namen übertragen, wenn ein Werber dafür bezahlt. WhatsApp erlaubt sich, alle Inhalte der Kommunikation über ihren Dienst zu speichern und zu nutzen. Das ist dasselbe, als ob die Post alle unsere Briefe kopiert und die Inhalte behandelt, als seien es ihre. Normal. Kein Problem. Dafür ist es ja umsonst. Die Würde des Menschen ist frei veräußerlich. Face. Palm.

Milliarden Fliegen

Das Ziel der Reise ist nicht nur die schnelle Vermarktung, irgendwie Gewinn zu generieren. Natürlich haben Die Eigentümer und die beteiligen Banken das vor. Damit das aber überhaupt funktioniert, müssen sie an die Vision glauben, die Ausbeutung der Nutzerdaten mache diese am Ende so berechenbar, dass man quasi deren Kaufkraft kauft. Die ganze Infrastruktur auf dieser Seite soll den User unmittelbar zum Kunden machen. Wenn der Befehl ergeht, etwas zu kaufen, soll er befolgt werden. Ob und wie das funktioniert, ist ein Thema für sich.

Die Geheimpolizisten freuen sich ein goldenes Chaplinbärtchen, weil sie jetzt über eine einzige Schnittstelle abgraben können, was sie vor ein paar Jahren noch nicht einmal in Einzelfällen hätten finden können. Längst teilt sich die Welt der Nutzer in solche, denen die nur zu berechtigte Paranoia das Hirn aufweicht und solche, deren Ignoranz jeden Lemming vor Neid in den Suizid treibt. Es war kein Putsch nötig, keine Revolution, kein Rückfall in eine Diktatur. Es ist einfach eingesickert. Was soll man auch machen? Es sind doch alle bei Facebook und bei WhatsApp!

 
testtrip

Ja, ich weiß doch, dass Vergleiche nicht vergleichen, weil sie Unterschiedliches beinhalten. Mancher hinkt nicht mehr, kommt auch hinter dem Rollator nicht mehr voran, ja selbst dem Rollstuhlreifen fehlt die Luft. Macht aber nix. Ich werde gleich wieder auf die Medien zu sprechen kommen. “Wer sind die Medien?” trollt es sogleich wieder von den hinteren Rängen. Na die Massenmedien. Manchmal sage ich “Mainstreammedien”, dann fragt sofort wieder wer: Was sind “Mainstreammedien”? Sagst du aber “Massenmedien”, kommen sie dir mit “ja aber doch sicher nicht alle”, womit wir uns gemeinsam freuen dürfen, dass wir mal wieder geredet haben. Was aber ist das, wenn es keinen Inhalt hat und doch kommuniziert wird? Genau. Davon rede ich.

Eine Standardreaktion von Pressesprechern und anderen stellvertretend Beleidigten besteht in der Behauptung, wer hätte wen mit wem “verglichen”. So hat Brandt Kohl* mit Goebbels “verglichen” und Kohl Gorbatschow mit Goebbels, niemand aber Gorbatschow mit Kohl – letzteres nur der Vollständigkeit halber. Der Vorwurf des Vergleichs ist sprachlich nachlässig und daher inhaltlich unkorrekt, es ist nämlich der Vorwurf der Gleichsetzung gemeint. Die deutsche Sprache hält hier zwei Begriffe aus gutem Gutem Grunde vor, die schon schwer zu vergleichen, keineswegs aber gleichzusetzen sind.

*edit: Es war Geisler, aber ich lasse mir davon nicht die Dramaturgie zersetzen. Säzzer

Surreal egal

Ganz sicher nicht gleichzusetzen ist etwa die DDR mit der heutigen BRD. Man kann sie sehr wohl vergleichen. Vergleichen kann man auch Äpfel mit Birnen, wobei im übrigen erstaunliche Übereinstimmungen festzustellen sind. Ich habe schon lange das Gefühl, dass die Propaganda der DDR nicht dümmer war als unsere, mich beschleicht schon lange das Gefühl, das mich damals beschlich, wenn ich die lächerlichen Sprechblasen der Honeckeria zu hören bekam. Einmal befragte ich eine gelernte DDR-Bürgerin intensiver nach diesem Gefühl, und sie bestätigte mich.

Eines der Merkmale solchen Umgangs mit Informationen und Sprache, welches die Medien der (späten) DDR prägte, war die Abkopplung des Sprechers vom Wort, des Wortes vom Sinn und des Sinns vom Gefühl. Es schien, als hätten weder der Urheber des Textes noch diejenigen, denen er dient, irgend etwas mit den losgelassenen Worten zu tun gehabt. Jeder noch so geringe Zweifel, jede Beteiligung am eigenen Sprechen, jedes Leben, das noch zwischen Botschaft und Sendung anzufinden wäre, müsste den Vorgang durchbrechen. Egal wie – lachen, weinen, sich weigern oder einen Schwachsinn “Schwachsinn” nennen – es müsste etwas dergleichen geschehen, um das Geschehen nicht in eine surreale Apathie gleiten zu lassen.

Heute wieder eine dieser beinahe schreienden Verwerfungen in der Routine, die zu benennen keiner wagt, dessen Tagesbefehl das wiederholte Wort ist: Kanzlerin Merkel sprach dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel ihr „volles Vertrauen“ aus. Wer noch nicht vollends sediert ist, feiert feixend das Ende des so Geehrten. Nachdem der Landwirtschaftsminister so hektisch zurückgetreten war, dass sie ihm das Vertrauen nicht rechtzeitig hatte aussprechen können, musste sie das heute wohl nachholen? Der Treppenwitz, zuverlässiger Ausdruck der Wirklichkeit, schafft es nie in die Scheinwelt der Majestäten und ihrer Verkünder. Welcher Journalist, welcher Sprecher, welcher Redakteur schafft es, diese Worte ohne Ironie und unkommentiert zu verbreiten, ohne vor Scham im Boden zu versinken?

Aber das ist Deutschland hier. Hier tun wir nur unsere Arbeit, unsere Pflicht. Auch die journalistische.

 
babicon

Abb.: “Am Rande der Kinderpornographie” und jetzt auf deiner Festplatte!

Vorab: Die Rolle der Medien in der Affäre Edathy ist von Anfang bis Ende die von Erfüllungsgehilfen eines nahezu perfekten Rufmords. Es wurde heillos spekuliert ohne jedes Wissen über die relevanten Vorgänge, ein Mann ohne die Formulierung eines Zweifels als Pädophiler dargestellt und schließlich eine sogenannte “Moral” in Anschlag gebracht, als der angebliche strafrechtliche Vorwurf zu kollabieren begann. Was bleibt, ist die Hetze.

Die Art und Weise, wie Sebastian Edathy politisch vernichtet wurde, fügt den Strategien sogenannter Verschwörungen eine weitere, besonders perfide Variante hinzu, und es ist dabei in keiner Weise tröstlich, dass das Opfer dieser Machenschaften einer ist, der selbst maßgeblich die juristischen Bedingungen dafür geschaffen hat. Markus Kompa macht sich hier übrigens derselben Geschwätzigkeit schuldig wie die versammelte Journaille, indem er Handlungen kommentiert, die Edathy nur unterstellt werden.

Es ist irrelevant, ob er etwas Illegales getan hat. Es geht um den Dreck, der an ihm haften bleibt. Dieser Dreck, auf diese Weise geschleudert, kann an jedem hängen bleiben, auf den damit gezielt wird, und es gibt kein Mittel dagegen. Das ist das Entscheidende an dem Fall. Es gibt vor allem deshalb keinen Schutz dagegen, weil der medial Beschuldigte eben kein Krimineller, ja nicht einmal ein wirklich Verdächtiger ist. Sonst hätte er nämlich bessere Karten. Ich schrieb das bereits in einem Kommentar:

Tödliche Dreckschleuder

Da und insofern es sich nicht um eine Straftat handelt, wird es auch keine Ermittlungen geben, in deren Verlauf sich klären könnte, dass die Vorwürfe auch inhaltlich haltlos sind. Es wird also keine Ermittlungen geben, die Edathy entlasten könnten. In der Tat ein Meuchelmord.

Edathy war ein prominenter Politiker, der sich viele Feinde gemacht hatte und offenbar keine mächtigen Freunde, die ihn vor einer solchen Kampagne hätten bewahren können. Der nächste Fall, der deutlich macht, welche Macht die großen Medienhäuser haben, vor allem im Verband mit ‘Sicherheitskreisen’ und deren ‘Informationen’. Wenn aus dem Sumpf der Dienste etwas kolportiert wird, können damit unmittelbar Karrieren zerstört werden. Es ist eigentlich nicht zu fassen, dass dergleichen behandelt wird als sei es wahr, ausgerechnet wenn es aus geheimen Ermittlungen stammt.

Der Eifer geht aber noch viel weiter; jedes Gerücht wird dankbar aufgenommen und gestreut. Es war und ist die Rede von “Kinderpornographie”, mit der es ersichtlich nichts zu tun hatte. Es wurde behauptet, Edathy habe Festplatten zerstört, was selbst die Staatsanwaltschaft dementiert. Egal, es bleibt mit jedem Satz etwas hängen. Selbst wenn er beweisen könnte, dass er nichts mit alledem zu tun hat, wäre er vernichtet.

Kein Entrinnen

Das Spiel über Bande geht dabei so: Es ist nicht bloß der Effekt, dass die Kopplung “Edathy/Kinderpornographie” in den Köpfen steckt, was allein seine Zukunft als Politiker ruiniert. Es ist vor allem das zerstörte Verhältnis zwischen ihm und seinen politischen Weggefährten. Einmal in diesem Verdacht, nehmen die meisten schon aus Selbstschutz Abstand, ehe der Hahn dreimal kräht. Wer will schon einen Kinderficker decken? Dessen Reaktion auf die Reaktion besorgt den Rest. Der Verein, in dem er Karriere gemacht hat, ist für ihn verbrannt.

Dabei ist es vollkommen irrelevant, ob der Betroffene so unsympathisch ist wie Edathy. Es ist egal, ob er kriminell ist oder nicht, es hilft gar nichts, unschuldig zu sein. Im Gegenteil ist es wie gesagt ein gewaltiges Handicap, wenn nicht einmal ordentlich ermittelt wird, weil man ja eh nichts verbrochen hat. Natürlich war es hilfreich für die Strippenzieher, dass der Innenminister rechtswidrig einen Kollegen verpfiffen hat. Natürlich ist es da hilfreich, dass die Staatsanwaltschaft offenbar nur nach Schuldbelegen hat suchen lassen, nicht aber nach solchen, die Edathy entlasten könnten.

Es ginge aber auch ganz ohne solchen Dilettantismus. Einfach irgendwen irgendwo auf der Welt finden, der einer Polizei oder Geheimpolizei angehört, dort Verdachtsmomente formulieren lassen und eine Untersuchung lostreten. Das kann jedem passieren. Vor allen wenn er mit der Aufsicht über jene Erpresser befasst ist, die ihm das antun können. Thomas Oppermann zum Beispiel hat das offenbar verstanden.

 
Nein, auch ich kann Sebastian Edathy nicht leiden. Spätestens nachdem er seine Möglichkeiten dazu eingesetzt hat, eine Journalistin mundtot zu machen, die ihn als Vorsitzenden des Innenausschusses zur Überwachung von Paketen durch US-Behörden befragt hatte. Damals nannte man das übrigens noch einen “Datenschutzsskandal”. Heute glaubt niemand mehr an Datenschutz, und vor dem Hintergrund der Enthüllungen Snowdens macht sich das aus wie ein müder Scherz.

Edathy hatte sich bis zur Untersuchung der NSU/Verfassungsschutz-Sache auch immer nur als Holzschnitt eines Innenpolitikers Präsentiert: Für Überwachung (Vorratsdatenspeicherung), alle Rechte den Strafverfolgungsbehörden! Gern trat er mit der in der Charge nicht unüblichen Arroganz auf. Als er dabei erwischt wurde, wie er auf seinen Facebook-Account urheberrechtlich geschützte Bilder verwendet hatte, quittierte er dies mit einem fröhlichen “Leck mich”. Ein Unsympath ersten Ranges.

Als die SPD beinahe kritisch war

Tatsächlich war ich überrascht, dass er im Untersuchungsausschuss deutliche Worte fand. “Das war eines Rechtsstaates unwürdig“, meinte er und und warf den Sicherheitsbehörden multiples und “historisch beispielloses” Versagen vor. Dies in jenem Wimpernschlag der Geschichte, als man der SPD beinahe so etwas wie eine kritische Haltung abnehmen wollte – Thomas Oppermann veröffentlichte bekanntlich das Bild von der komplett geschwärzten Akte.

Ausgerechnet jetzt finden ausgerechnet jene Versager bei ausgerechnet Edathy also “Kinderpornographie”. Ich sehe das im Groben zunächst einmal genau wie Fefe, der schrub:

Mir ist Edathy aber nie als jemand aufgefallen, der aktiv gegen die Dienste arbeitet. Der hat immer nur gefordert, was sich gerade nicht mehr vermeiden ließ. Daher glaube ich das erstmal nicht. Aber das Timing ist durchaus auffällig.”

Etwas anderes finde ich noch wesentlich auffälliger, nämlich dass “aus Ermittlerkreisen” mithilfe der wie immer heillos geschwätzigen Presse kolportiert wird, es handele sich um “einen minderschweren Fall“. Was zur Hölle soll das sein? Hat er ein Handtuch über den Monitor gelegt? Hat er die “Kinderpornographie” nur kurz ausgeliehen? Ist er nur Gelegenheitspädophiler?

Fall eröffnet, Mann erledigt

Nein, Edathy ist vernichtet, wenn er nicht seine Unschuld beweisen kann. Man hat ihm aber angedeutet, dass man ihn vorläufig nicht in den Knast bringen will. So lese ich das. Vernichtet wurde der Mann durch Vertreter jenes Konglomerats von Erpressern, Versagern und Geheimpolizisten, denen er die Leviten gelesen hat. Sollte ihm das also nicht untergejubelt worden sein, ist er eh erledigt. Falls doch, weiß er jetzt, dass sie das jederzeit steigern können. Vor allem aber: Es ist egal, ob etwas dran ist. Jemand hat beschlossen, ihn jetzt abzuschießen. Woher die ‘Informationen’ kommen, ob es nicht bloß eine Denunziation ist, wer soll das beurteilen?

Niemand kontrolliert die Datenströme aus der Jauche deutscher Behörden, die in einer mutigen Überbietung Orwellscher Sprachvergewaltigung auch noch “Aufklärer” genannt werden. Wie so oft zeigt sich, dass die Struktur dazu angelegt ist, unmittelbar vernichtende Macht auszuüben: Geheim werden Daten gegen jemanden gesammelt, die dann von Komplizen aus der Presse, die das Wasser nicht halten können, ausgeplaudert werden. Fall eröffnet, Mann erledigt. So einfach ist das.

Als kritischer Beobachter sieht man sich einmal mehr in der verzwickten Situation, entweder über eine Verschwörung zu spekulieren oder den ‘Sicherheitsbehörden’ zu glauben. Wem Letzteres noch gelingt, der muss völlig taub sein um die Nase. Der Gestank ist längst unerträglich.

 
Mich inspiriert mal wieder wenig heute. Ich hätte in eine Kneipe gehen können. Aber was soll ich da? Seit in NRW die grünen Nichtrauchernazis ihr Terrorregime zelebrieren, schicken die katzbuckligen Idioten von Wirten ihre besten Gäste zum Quarzen gnadenlos vor die Tür, denn die Obrigkeit ist jederzeit mehr gefürchtet als der Zorn ehemals zahlender Kunden. Ja, die bleiben dann zu Hause – was sollen sie auch die “dreihundert Prozent Kalkulation” auf pampig gezapfte Biere latzen, wenn sie sich danach entscheiden müssen, ob sie in Sturm und Regen qualmen oder lieber schmachtend saufen sollen.

Alles paletti, wenn daraufhin noch mehr Wirte die Rinne runtergehen. Wer sich das öffentliche Saufen noch leisten konnte, tut’s also trotzdem nicht mehr. Sehr gut, dann treffen die Leute sich nämlich nicht mehr, es sei denn sie kennen sich schon, und dann nach vorheriger Terminabsprache. Auf keinen Fall spontan. Wer weiß, was denen sonst noch einfällt. Das Nichtraucherrasseschutzgesetz trägt also ganz nebenbei zur inneren Sicherheit® bei. Divide er impera – es werden nicht nur die Nichtraucher gegen die Raucher gehetzt, sondern ganz allgemein die Menschen immer mehr separiert, vereinsamt oder in die Körperlosigkeit des Internets getrieben, wo sie nichts groß anstellen können.

Langeweile

Sie dürfen da ihre Innereien auf Dating-Plattformen feilbieten und sich im Fenster nebenan dazu Darstellungen zur restlosen Verkümmerung ihrer sexuellen Vorlieben angucken. Wenn da nicht der nächste Verbotsnazi wartet wie ein Cameron oder die ganze vertrocknete Sippe, die dauernd Moral predigen muss und es liebt, andere zu gängeln. Fügen Sie hier einen Satz ein, der “Pfaffen” “Pädophilie” und “Porno” enthält. Dann schauen Sie sich an, wer angeblich wie vor wem geschützt werden muss. Kaufen Sie Schusswaffen. Ziehen Sie Konsequenzen!

Wie komme ich jetzt darauf? Ach ja, Langeweile. Produzierte Langeweile. Staatlich geförderte Langeweile. Die steht sicher auch am Anfang. So ein Parteitag ist sicher extrem langweilig. Da muss man sich beschäftigen. Was machen wir denn mal? Kommt, lasst uns was verbieten! Au ja, was denn? Etwas, das unmoralischen Leuten Freude macht. Ficken, Saufen, Rauchen, andere Drogen? Au ja! Aber ist das nicht schon alles verboten? Noch nicht ganz. Und wie machen wir das? “Gesundheits-Schuhutz!” trällern sie da und lassen ihrem Göring-Eckardt-Syndrom freien Lauf.

Moralische Pflicht

Gegen diese Pharisäer ist der Vatikan nachgerade tolerant. Der vergibt einem wenigstens und ruft nicht das Ordnungsamt an, wenn du beim Ficken mal falsch abbiegst. Die Gesundheitsfaschos gehen dir derweil nicht nur auf den Sack, die nehmen dir jede Würde. Rauchen? Saufen? Fett fressen? Fremdficken? Das muss bestraft werden, bestraft! Wie soll die Jugend gesund gedeihen, wenn der Nachbar so ein schlechtes Beispiel abgibt? Es nützt doch nichts, der Jugend etwas zu verbieten, das Erwachsenen erlaubt ist, wenn die es dann auch tun!

Nein, das muss alles weg. Auch dieses Internet mit seiner Pornographie. Das muss man wegsperren, aussperren, verbieten, verfolgen, ausrotten! Leibesertüchtigung, Askese und harte Arbeit brauchen wir. Gesundes Wachstum durch gesunde Körper. Nicht jeder begreift das von selbst. Freiheit fördern heißt Disziplin fordern, das ist der Bildungsauftrag. Wer dabei auf der Strecke bleibt, hat es so gewollt. Mann kann Moral ablehnen, sicher. Draußen. Im Regen. Im Rinnstein.

 
Wir haben nämlich jetzt den deutschesten aller Schäferhunde Boxer in eurem Nachbargarten. Den lassen wir los, wenn ihr unsere Handelswege nicht respektiert. Seid mal lieber froh, dass ihr Olympia nicht wieder ganz alleine machen müsst, wir können nämlich auch anders. Ihr wisst schon, wie damals, als ihr in Afghanistan einmarschiert seid und tausende der von uns bewaffneten Unschuldiger ermordet habt. Nein, das ist keine “Verteidigung”. “Verteidigung” heißt das nur bei den Guten!

Damit ihr das auch mal versteht und um das mit einer echten Autorität zu untermalen, haben wir hier gleich ein Gedicht für euch. Von einem Patrioten. Patriot ist nämlich wieder gut. Patrioten braucht man, um aktive Außenpolitik zu machen und Initiative zu zeigen. Also nicht nur hinterherrollen und Logistik machen. Selbst ist der Handelsweg Freiheitskämpfer! Also, mal aufgepasst:

schtzngrmm
schtzngrmm
t-t-t-t
t-t-t-t
grrrmmmmm
t-t-t-t
s———c———h
tzngrmm
tzngrmm
tzngrmm
grrrmmmmm
schtzn
schtzn
t-t-t-t
t-t-t-t
schtzngrmm
schtzngrmm
tssssssssssssss
grrt
grrrrrt
grrrrrrrrrt
scht
scht
t-t-t-t-t-t-t-t-t-t
scht
tzngrmm
tzngrmm
t-t-t-t-t-t-t-t-t-t
scht
scht
scht
scht
scht
grrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr
t-tt
*

Na, soweit klar? Müsst ihr laut lesen, dann kapiert sogar ihr das. Man hätte natürlich auch ein Gedicht mit mehr Deutsch drin nehmen können. Wir meinen ja: Je deutscher je besser. Aber dann versteht ihr das ja nicht. Das andere versteht ihr mühelos, da sind wir ganz sicher.

So, nächster Punkt: Das mit dem Überwachen ist ja wohl eine Frechheit. Hallo! Meint ihr, wir lassen uns von jedem überwachen? Ist doch wohl nicht euer Ernst. Wir sind empört!

Und wo wir gerade dabei sind: Lasst mal schön die Schwulen und Lesben in Ruhe! Das ist die blanke Unverschämtheit, die zu dissen, wenn sie “vor Kindern” positiv von ihrer Lebensweise sprechen. Wo soll das enden? Dass sie ein Bekenntnis zu Ehe und Familie ablegen müssen? Womöglich noch die Leistungssportler?!

Wir können euch nicht leiden, konnten wir noch nie. Okay, jetzt habt ihr mal aufgehört, Kommunisten zu sein, da kann man euch keinen Vorwurf mehr machen. Aber wisst ihr was? Das reicht noch lange nicht. Weil: Russen seid ihr immer noch, richtig? Also hört mal auf Russen zu sein, ne? Dann können wir mal drüber reden, ob wir euch als vollwertige Mitglieder der Weltgemeinschaft akzeptieren.

p.s.: Damit ihr wisst, wie ernst es mir ist, werde ich unter dem Applaus einiger bekokster Burschenschaftler diese jungfräuliche Guitarre schänden.


*Ernst Jandl: schtzngrmm

 
dkspiegel

Wie bereits des Öfteren festgestellt, kann es nichts werden mit einer ‘Demokratie’, wenn die Menschen sich nicht für Politik interessieren und auch nicht für das, was ihre Stellvertreter so anstellen. Es interessiert sie so lange nicht, bis die Zeitungen sagen, man habe sich aufzuregen. Die Zeitungen und die Tagesschau werden schon gar nicht hinterfragt. Wissen will also niemand, was sich abspielt. Stattdessen wird magisches Denken gepflegt. Es werden Ikonen produziert und angenommen, denen bestimmte Kompetenzen innewohnen wie den religiösen Ikonen der Zauber.

So nehmen sich die Talkshows aus wie eine Fehde auf dem Olymp, nur sehr viel langweiliger. Da gibt es Götter für jede Abteilung, für Feminismus, Ökonomie, Geschichte, Terrorismus oder auch für allgemeines Fachexpertentum. Wie in der echten Religion kann man sich davon einen aussuchen oder nicht oder auch als Ketzer den abgehalfterten Figuren die Eigenschaften zuordnen, die man tatsächlich in ihnen erkennt. So ‘gilt’ ein Arnulf Bahring der Gemeinde als allkompetenter Professor (für Geschichte, das wird aber eher selten erwähnt), den anderen als neoliberaler Geiferer ohne Manieren. Letztere haben recht, sind aber eine kleine Minderheit.

Fachabteilung im Olymp

Für Wirtschaft ist immer noch einer da, der von der INSM geschickt wurde (wie Bahring selbst auch), gern ein Olaf Henkel oder ein Professor Hüther zum Beispiel. Für politische Autorität kommt ein alter Mann, von Dohnanyi (INSM/SPD) zum Beispiel, für das Linke an und für sich Lafontaine oder Wagenknecht, für Feminismus Alice Schwarzer und für Journalismus der Jörges. Vielleicht habe ich ein paar vergessen, aber das Prinzip dürfte klar sein: Jedes Thema wird in Abteilungen abgehandelt, für die eine Figur zuständig ist. Es werden nie unterschiedliche Perspektiven von wechselnden Gesprächsteilnehmern vertreten, sondern immer dasselbe immer durch dieselben.

Dabei entgeht den Wahldemokraten, die sich dabei politisch einbilden, dass die Vertreter ihrer selbst erstens selbst produziert sind und zweitens keine nachvollziehbare Meinungsbildung anbieten, sondern Stereotypen. Die werden entweder so oft wiederholt, dass man sie sich merkt oder man vergisst gleich wieder alles. Nehmen wir mal Schwarzer, die einzige Feministin in Deutschland. Was hat sie wozu gesagt? Kann sich irgendwer erinnern? Hat sie je etwas gesagt, das eine Debatte bereichert hat? So dass man sagen könnte: “Das habe ich durch Alice Schwarzer gelernt”? Aha. Immerhin sorgt sie seit Jahrzehnten dafür, dass feministische Ansätze jenseits ihrer Person nicht diskutiert werden. Also quasi gar keine.

Das kann man jetzt durch die Instanzen treiben, bis das Klopapier am Ende ist. Für jede Meinungsschablone eine Plapperpuppe. Ich spule daher vor und komme zur Talk-Chefetage, zum Chef, zu Zeus, zum Obergott. Wie es sich in einer am Ende doch monotheistischen Gesellschaft gehört, kann es da nur eine geben, die daher auch gern allein eingeladen wird. Die Kanzlerin – wie schon Vorgänger Helmut Kohl keine, die Augenhöhe verträgt.

Marke Merkel

An Merkel kann man alles finden, was die Ikone zur Marke macht und die Marke zur Ikone. Sie ist die “Mutti” der Nation, Gottvater und Mutter Gottes ineins. Sie ‘macht das schon’, wir “kennen” sie. Was genau sie macht, das spielt dabei keine Rolle. Es ist ihre Aura, ihre Herrlichkeit, das, was sie ist bzw. darstellt, nicht das, was sie tut. Ihre Handlungen sind rätselhaft und irrelevant für die Betrachtung – man beurteilt nicht die Handlung einer Gottheit, man deutet sie höchstens.

Dieser Hokuspokus kommt ihrem Leben als Marke enorm entgegen. Ich frage mich, ob die alberne “Raute”, die man ihr als Markenzeichen verordnet hat, ein hilfloser Versuch ist, einen Apfel darzustellen. Die Leute geben ja für jeden Dreck ihr letztes Hemd, wenn nur ein scheiß Apfel drauf klebt. Sie sagt heute ja, morgen nein, ist dabei niemals verbindlich und wenn dann widersprüchlich. Sie kann mit FDP, SPD und Grünen, sicher auch mit AfD, ADAC und den Muppets. Wofür sie steht, wer sie berät, wie das kommt, was sie als nächstes tun wird? Woher soll man das wissen, das ist nicht Sache der Untertanen. Die sollen ihre ewig dahergeleierten Schlagworte nachbeten, sie wiedererkennen und kaufen, was in der Packung ist.

Der religiöse Glaube, nicht etwa der Zweifel, ist auch Sache der Journaille. Deren Aufgabe ist es jeweils, die Herrschaft gut auszuleuchten. Das Bild muss die Aura wiedergeben, nicht Fähigkeiten, Taten oder Charakter. Deshalb wirkt der Lohnschreiber auch so desorientiert, wenn er einmal über kriminelle Machenschaften der Herrschaft schreiben soll, deren “Sünden”. “Steuersünden” zum Beispiel. Da muss er sich erst den Tagesbefehl holen: Ist Empörung angesagt oder Reinwaschen? Verharmlosen oder Verteufeln? Egal was er dann vertextet, es wird immer windschief und peinlich. Es muss ja eine Tragödie werden, das Spiel der Götter und Könige! Aber wo das Theater der Antike der göttlichen Erinnerung diente, taugt dieses Schauspiel nur zum Vergessen. Genau dafür wird es gespielt.

Neusprechdünnschiss wohin das Auge blickt: “Initiative ergreifen” nennen die Stürmer-Poeten von heute, was einst “Angriffskrieg” hieß, Menschen Abschlachten ja schon lange “Verantwortung übernehmen”. Eingebettet in die NATO, deren Geheimpolizeien den Marschbefehl jeweils ihren frisch erpressten politischen Pappkameraden zur Unterschrift vorlegen. Verschwörungstheorien, ja sicher! Powell hat nie die UNO belogen. Saddam, Gadhafi, Assad – sie hatten alle Massenvernichtungswaffen. Al Qaida bedroht uns am Hindukusch und in Mali, und die Piraten, die vor Somalia statt der ausgerotteten Fische eben Schiffe fangen, nehmen uns die Freiheit. Man sollte viel mehr Verantwortung übernehmen und Initiative zeigen – gleich beim Handlanger von nebenan.

Update: Großbritannien schafft die Pressefreiheit endgültig ab. Die Polizei soll nach einem Gesetzentwurf dort künftig jedwede Daten und Unterlagen von Journalisten beschlagnahmen dürfen. Dazu reicht eine geheime Anhörung. Die marktkonforme Demokratie walzt alles nieder, was ihrer ‘Sicherheit’ vermeintlich im Weg ist. Es wird von Tag zu Tag dramatischer.