testtrip

Ja, ich weiß doch, dass Vergleiche nicht vergleichen, weil sie Unterschiedliches beinhalten. Mancher hinkt nicht mehr, kommt auch hinter dem Rollator nicht mehr voran, ja selbst dem Rollstuhlreifen fehlt die Luft. Macht aber nix. Ich werde gleich wieder auf die Medien zu sprechen kommen. “Wer sind die Medien?” trollt es sogleich wieder von den hinteren Rängen. Na die Massenmedien. Manchmal sage ich “Mainstreammedien”, dann fragt sofort wieder wer: Was sind “Mainstreammedien”? Sagst du aber “Massenmedien”, kommen sie dir mit “ja aber doch sicher nicht alle”, womit wir uns gemeinsam freuen dürfen, dass wir mal wieder geredet haben. Was aber ist das, wenn es keinen Inhalt hat und doch kommuniziert wird? Genau. Davon rede ich.

Eine Standardreaktion von Pressesprechern und anderen stellvertretend Beleidigten besteht in der Behauptung, wer hätte wen mit wem “verglichen”. So hat Brandt Kohl* mit Goebbels “verglichen” und Kohl Gorbatschow mit Goebbels, niemand aber Gorbatschow mit Kohl – letzteres nur der Vollständigkeit halber. Der Vorwurf des Vergleichs ist sprachlich nachlässig und daher inhaltlich unkorrekt, es ist nämlich der Vorwurf der Gleichsetzung gemeint. Die deutsche Sprache hält hier zwei Begriffe aus gutem Gutem Grunde vor, die schon schwer zu vergleichen, keineswegs aber gleichzusetzen sind.

*edit: Es war Geisler, aber ich lasse mir davon nicht die Dramaturgie zersetzen. Säzzer

Surreal egal

Ganz sicher nicht gleichzusetzen ist etwa die DDR mit der heutigen BRD. Man kann sie sehr wohl vergleichen. Vergleichen kann man auch Äpfel mit Birnen, wobei im übrigen erstaunliche Übereinstimmungen festzustellen sind. Ich habe schon lange das Gefühl, dass die Propaganda der DDR nicht dümmer war als unsere, mich beschleicht schon lange das Gefühl, das mich damals beschlich, wenn ich die lächerlichen Sprechblasen der Honeckeria zu hören bekam. Einmal befragte ich eine gelernte DDR-Bürgerin intensiver nach diesem Gefühl, und sie bestätigte mich.

Eines der Merkmale solchen Umgangs mit Informationen und Sprache, welches die Medien der (späten) DDR prägte, war die Abkopplung des Sprechers vom Wort, des Wortes vom Sinn und des Sinns vom Gefühl. Es schien, als hätten weder der Urheber des Textes noch diejenigen, denen er dient, irgend etwas mit den losgelassenen Worten zu tun gehabt. Jeder noch so geringe Zweifel, jede Beteiligung am eigenen Sprechen, jedes Leben, das noch zwischen Botschaft und Sendung anzufinden wäre, müsste den Vorgang durchbrechen. Egal wie – lachen, weinen, sich weigern oder einen Schwachsinn “Schwachsinn” nennen – es müsste etwas dergleichen geschehen, um das Geschehen nicht in eine surreale Apathie gleiten zu lassen.

Heute wieder eine dieser beinahe schreienden Verwerfungen in der Routine, die zu benennen keiner wagt, dessen Tagesbefehl das wiederholte Wort ist: Kanzlerin Merkel sprach dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel ihr „volles Vertrauen“ aus. Wer noch nicht vollends sediert ist, feiert feixend das Ende des so Geehrten. Nachdem der Landwirtschaftsminister so hektisch zurückgetreten war, dass sie ihm das Vertrauen nicht rechtzeitig hatte aussprechen können, musste sie das heute wohl nachholen? Der Treppenwitz, zuverlässiger Ausdruck der Wirklichkeit, schafft es nie in die Scheinwelt der Majestäten und ihrer Verkünder. Welcher Journalist, welcher Sprecher, welcher Redakteur schafft es, diese Worte ohne Ironie und unkommentiert zu verbreiten, ohne vor Scham im Boden zu versinken?

Aber das ist Deutschland hier. Hier tun wir nur unsere Arbeit, unsere Pflicht. Auch die journalistische.