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Auch in diesem bewusst coronaarm gehaltenen Blog muss ab und an einmal reagiert werden, weil es eben das beherrschende Thema ist. Heute zitiere ich einmal Zitate und erweitere sie ein wenig, um anhand weniger Beispiele einem der unerträglichsten Schwurbelsprallos ein bisschen seines Gewäschs vor dessen eigene Haustür zu kübeln. Wohl bekomm’s!

Es war schon von Beginn an die Masche der Covidioten, anderen zu unterstellen, was sie selbst veranstalten, zu projizieren, was der desaströse Schädelschwamm so ausspuckt, und das Ganze in wochenschaureifes Tamtam einzuweben. Der Kandidat, mit dem wir es hier zu tun haben, verbindet das obendrein mit der epischen Vertextung von politischen Versatzstücken, die ebenso wirr und inkonsistent daherkommen wie die Wahnvorstellung einer Pandemie, die keine sei, dafür aber von langer Hand geplant.

Schön, wenn die Projektion einmal ihre Mutter, die Paranoia, mitbringt: “Auch eine Lüge kann gestanden werden. Oder bedauerliche Irrtümer eingeräumt. Eigene Ängste zugegeben” – wirft er in Siegerpose denen vor, über denen er turmhoch thront. Ihr Verirrten, Geängstigten dürft zu uns kommen, denn ‘wir’ – wer auch immer das sein mag – sind unterwegs, obwohl ihr Lügner seid; ernsthaft, “mit Gottes Hilfe” (auch das noch). Klar. Hier spricht die Wahrheit selbst; angstfrei, mutig, hochprozentig.

Don’t Panic

Nun, wer war das jetzt noch gerade mit der Angst? Komisch, ich bin immer noch niemandem begegnet, der sich schlimm fürchtet, obwohl das seit fast einem Jahr so an die Wand gemalt wird. Aber halt, warte, er spricht von ‘ihnen’ (“Sie”, “die uns alle in Todesängste versetzten“). Wer hier nun schon wieder “wir” sind, weiß ich auch nicht, aber er zählt sich dazu. Vielleicht weiß er das nur nicht, was interessiert ihn auch sein Geschwätz?

Angst haben sicher die hier, denn man hört ihre Zähne förmlich klappern: “Regierung, Leitmedien und Konzerne: Den früheren »Stützen der Gesellschaft« zerbricht ihre Basis völlig. Ihnen bleiben nur noch Rücktritt, Entschuldigung und die Hoffnung auf ein mildes Urteil.

Aah, man sieht ihn schon durch den Gerichtssaal stiefeln, den Volksrichter, der die Schuldigen benennt und ihnen ihre gerechte Strafe auferlegt. Denn mit ihnen werden wir fertig! Hoffnung auf Milde – kann man diese Allmachtsphantasie noch steigern? Die “Eliten“, sie sind ihm ausgeliefert und können nur noch hoffen. Brauchst du ein Taschentuch, Alter?

Überhaupt lebt er gern in der Phantasie, wörtlich gar “in Filmen wie ‘Dr. No’, ‘Matrix’, ‘Die kommenden Jahre’“. Zwei von dreien gibt es unter diesen Titeln nicht als Filme. Macht aber nix. Zitate, Fakten, Kausalität, das ist was für Schlafschafe. Bei uns hier geht es um die Richtung. Und um die Stimmung natürlich. Gruselschauerschocker, komm auf die Dunkle Seite!

Komm mit mir …

Es geht halt immer gegen die Macht, “die sich und alle in den Untergang führt“. Weniger als Untergang geht nicht. Nicht bei Rechtsextremen und ihren zumindest am Rande der Wahnvorstellungen wandelnden Mystikern – oder meinetwegen auch umgekehrt. Das Volk halt, das nicht zufällig unter Reichsflaggen nebeneinander marschiert durch die Rabatten marodiert.

Ein Letztes noch aus dieser Quelle: Ich höre und lese bis zum kalten Erbrechen auch seit einem Jahr immer wieder von diesem “Impfterror“. Worin genau besteht der jetzt? Dass Milliarden darauf warten, geimpft zu werden? Dass Impfzentren von einer braunen Möchtegernguerilla angegriffen werden? Versteh ich nicht. Aber das ist ja auch nicht zum Verstehen gedacht, sondern zum Mitschunkeln. Guckt mal in den Kalender, Aschermittwoch ist rum.

Schließlich ein Abgleich mit der Realität des Impfterrors: Mir berichtete eine Ärztin heute von ihrem Dienst im Impfzentrum, der guten Stimmung und ihren positiven Erfahrungen dort, die sie sehr beeindruckt hätten. Sie könnte natürlich auch eine von diesen Gechippten sein, die das sagen müssen. Vielleicht bin auch ich einer von denen und weiß bloß nix davon.

 
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Gefragt, was denn kein Narrativ sei bzw. nicht von Narrativen beeinflusst, nannte ich Wissenschaft bzw. Wissenschaftlichkeit. Wie notwendig ein solches Denken ist und wie mächtig Narrative sind, zeigen die aktuellen Verschwörungstheorien von QAnon bis zu denen über Covid 19.

Narrative werden bedient, weil sie als Geschichten nicht nur das Bedürfnis nach Erzählungen befriedigen, sondern auch eine Einbindung der Zuhörer auf allen menschlichen Ebenen ermöglichen: Emotionen, Aktivität, Interpretation/Bedeutung, Unterhaltung und Rationalität. Letztere ist dabei keineswegs zu verwechseln mit Logik oder Wissenschaftlichkeit. Auch Mythen beinhalten Rationalität, ebenso wie viele Wahnvorstellungen.

Die Vermittlung dieser Ebenen findet geradezu perfekt statt in einer Spielsituation, einem Abenteuer. Spiele werden längst auf Basis dieser Erkenntnis konzipiert. Nicht anders als Rollenspiele, mit oder ohne virtuelle Realität oder den Übergang von dieser in die Außenwelt, funktionieren verschwörungstheoretische Strukturen.

Mythologie und Erzählung

Man ist Teil einer Geschichte, die in einer Gemeinschaft erlebt wird, deren Mitglieder sich gegenseitig in ihren Ansichten bestärken. Die Interpretation der Wirklichkeit wird dabei einem Ziel (gern einem vorher festgelegten Resultat) unterworfen, alle Zeichen haben eine Bedeutung, die darauf hinweist. Da die Mitglieder jeweils die Hinweise und ihre korrekte Auslegung ‘finden’, sind sie eng in den Prozess eingebunden, der so die Realität als Bezugssystem ersetzt.

Ich werde dies ggf. in weiteren Beiträgen vertiefen. Für den Augenblick möchte ich nur darauf hinweisen, dass die narrative Struktur der öffentlichen Kommunikation – alles wird in Erzählungen verpackt, von politischen Inhalten über ‘Nachrichten’ bis hin zu vermeintlich realitätsbezogenen Unterhaltungsprodukten – Verschwörungstheorien nicht bloß fördert, sondern zwangsläufig hervorbringt.

Allein eine Darstellung von Sachverhalten unter Anwendung wissenschaftlicher Kriterien entkommt dieser Dynamik. Journalismus hat seinerseits durchaus Kriterien entwickelt, die dem nahekommen, diese fallen aber den Notwendigkeiten des Betriebs zum Opfer. Das geht so weit, dass die meisten Medien Whistleblower, die eigentlich das grundlegende Element der Investigation liefern, regelmäßig als Verräter brandmarken, die dem ‘Guten’ schaden.

Der Fall Relotius war in Bezug auf ‘Journalismus als Erzählung’ Sinnbild für die Kapitulation der Medien vor dem Narrativ, und zwar nicht erst bei der Entlarvung des Fälschers, sondern vor allem zuvor, bei der mehrfachen Auszeichnung dieses Spitzenjournalisten. Die Reaktion auf dieses Phänomen ist in Zeiten des Internets die Kreation von Alternativerzählungen.

Spaß und Spannung

Das ist es, was ‘alternative Medien’ im Übermaß leisten. Hier kann jeder an seiner vermeintlich eigenen Story mitschreiben, in seinem Adventure täglich neue alte Artefakte entdecken. Die Struktur ist religiös: Es gibt Schamanen, die mystische Wahrheiten enthüllen, und zwar umso verbindlicher, je weiter sie von Realität und Common Sense abweichen.

Eine Irrtumsprüfung findet ebenso wenig statt wie Reflexivität (die Anwendung angeblich gültiger Regeln auf das eigene Denken) oder die Überprüfung eigener Prognosen. Wo solche erhoben werden, wird lediglich die Interpretation angepasst. Wirklichkeit selbst gerät zu einer endlosen Prüfung des Glaubens und Anpassung der Auslegung der Schriften. Das freilich haben wir schon alles, seit Jahrtausenden.

Die Konsequenz vieler Foristen im Jahr 2021 ist der Zweifel an der Wissenschaft – es sei denn, es findet sich wer im Betrieb, der die ‘eigene’ Erzählung bestätigt. Dann kann das Abenteuer weitergehen, in dem die Rollen – wir hatten das schon reichlich hier – der Helden und Opfer im vermeintlichen Krieg nach Gusto besetzt und eingenommen werden können. Es ist ein Spiel, und jeder kann mitmachen.

 
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Wenn die Massenmedien, ihre Verlagshäuser, Redakteure und Lohnschreiber, den großen Holzhammer rausholen und ihren Kritikern “Verschwörungstheorien” vorwerfen, dann müssen wir das im Grunde ignorieren. Zu tief ist längst die Kluft zwischen den Erzählern der Mittelschichtsmärchen und den Werktätigen, mit denen sie außerordentlich hohen Kontakt haben. Dabei wirkt das Versagen der Medienprofis doppelt: Sie sind selbst auf Ignoranz getrimmt und ihre eindimensionale Kommunikation ermutigt auf der anderen Seite die größten Deppen, sich auch für qualifiziert zu halten.

Für das, was sich hierzulande noch “Journalismus” nennt, habe ich keine Hoffnung mehr. Gerade in den letzten Tagen und Wochen bin ich kurz vor der Verzweiflung, wenn ich ‘Berichte’ lese über Russland, Katalonien oder die Feiern zur “Reformation”. Sie sind geprägt durch Unwissen, Dummheit und schlicht dreiste Lügen. Da helfen dann auch keine ‘journalistischen Standards’ mehr. Die verlangen etwa so etwas wie zwei unabhängige Quellen; wenn man aber ohnehin planvoll die ganz eigene Realität bastelt, fährt man halt auf Standspur und Gegenfahrbahn. “Du sollst nicht lügen” steht nicht im Pressekodex.

Wenn man das besser machen will, empfiehlt es sich, anders zu denken und dann anders zu sprechen bzw. zu schreiben. Beginnen wir hinten unten: Wenn mir die Galle überläuft, habe ich zwei Optionen: Ich halte die Klappe oder lasse laufen. Letzteres muss schon mal sein; dann gibt man es als Ranting zu erkennen und lässt keinen Zweifel daran, dass man sich gerade gehen lässt. Ein solcher Text ist unanständig, ungerecht und persönlich. Er sagt viel über den Sprecher aus und wenig über das Objekt seiner Rage. Es ist Pöbelei. So etwas kommt vor, aber es kann nicht den Anspruch auf irgendeine Seriosität erheben.

Wer wie was

Ansonsten halt sachlich. Wie macht man das? Indem man sich nicht mit dem befasst, was irgendwer will, wünscht oder für gut und richtig hält. Anders gesagt: Nur eine strikt materialistische Sichtweise schützt vor Spekulationen, die in VTen enden können. Es ist völlig nutzlos, sich vorzustellen, was mächtige Leute aufgrund ihres Charakters wollen, was sie planen oder verabreden; vor allem, wenn es nicht öffentlich ist. Schon die Vorstellung, ein Regierungschef könne quasi einen Befehl geben, der dann gehorsam umgesetzt wird, ist Unsinn.

Die erste Frage ist: Was kann ich wissen? Was ist wann wo wie passiert? Welche Kräfte sind wirksam? Mit wieviel Geld, wie vielen Waffen, Rohstoffen und Ressourcen sind bisher welche Ziele verfolgt worden? Welche davon wurden erreicht, welche nicht? Woran liegt das? Welche Interessen werden wie verfolgt? Dies klingt jetzt nach einem Widerspruch, schrieb ich doch gerade noch, man solle sich nicht mit “wollen, planen oder verabreden” befassen. Hier kommen wir zum zentralen Unterschied:

Interessen sind weitgehend objektiv; in der Regel handelt es sich um das, was uns als ‘Wachstum’ verbrämt wird und “Profite” meint. Profite brauchen Ressourcen, Rohstoffe, Handelswege, Einfluss, Militär. Es gibt hier Konzerne, Staaten, Verträge, Koalitionen. Einige davon bestehen seit Jahrzehnten, andere nur kurzfristig. Interessen werden in solchen Strukturen verfolgt, dazu gibt es Strategien. Diese sind teils erkennbar (NATO-Osterweiterung, Kriege im Nahen Osten), teils werden sie öffentlich kommuniziert (Weißbuch, Think-Tanks, Regierungserklärungen …). Aus diesen Daten und Quellen ein konsistentes Bild zusammen zu fügen, ist die Kunst. Irrtümer stets vorbehalten, Korrekturen immer wieder nötig.

Haltbar bis

Das bedeutet von Alpha bis Omega, seine vermeintlichen Erkenntnisse täglich zu hinterfragen. Es gibt kein Wissen, das ewig währt und schon gar keine Mächte, die immer überall das Geschehen bestimmen. Nein, nicht einmal die NATO. Auch nicht Rockefeller oder die Bilderberger. Das liegt schon allein daran, dass ihnen ob ihrer Dummheit, Ignoranz, Eitelkeit oder schlicht der Grenzen des menschlichen Denkens die Fähigkeit fehlt, einen ganzen Planeten zu regieren. Wer sich schließlich mit den Gesetzen und Zwängen kapitalistischen Wirtschaftens beschäftigt, weiß, dass dessen Eigendynamik ohnehin nicht beherrschbar ist. Gerade die Reichen und Mächtigen rennen den Problemen längst hinterher, die das System erzeugt.

Verschwörungstheorie und Propaganda gehen Hand in Hand. Dem kleinen VTler aus der Klapse nebenan kann man freilich keine “Propaganda” vorwerfen, weil sein Gebrabbel zu irrelevant ist. Den großen Verlagen muss man hingegen Propaganda vorwerfen, wo sie statt der materialen Analyse regelmäßig mit Personenkult, Schuld, Gut und Böse und sonstigem alltagstheoretischen Kitsch daherkommen. Die Rollen sind darin vorab festgelegt und das Ganze wird in Endlosschleife wiederholt.

Auch das ist aber keine Verschwörung, sondern das Narrativ ihrer kleinen Welt. Sie sind vor allem so blöd, dass sie das selbst glauben; auch ihnen ist die Welt längst zu komplex geworden. Sie neigen daher selbst zu Verschwörungstheorien, die in ihre Propaganda einfließen (Russen, Hacker, Trolle, Terroristen). Sicher, ein paar von ihnen wissen, was sie tun. Aber selbst für die ist der Rahmen festgelegt, in dem sie sich bewegen können. Limousine und Golfclub wollen schließlich bezahlt sein.

 
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Die Süddeutsche [via Klaus Baum] veröffentlicht aktuell die Auszüge aus TTIP, die “Bundestagsabgeordnete und Europaabgeordnete in Leseräumen lesen dürfen” (Hervorhebung von mir). Immer wieder sei darauf aufmerksam gemacht, dass die verhandelnden Konzerne und ihre politischen Komparsen denen, die ihrer Verabredung gefälligst die entsprechenden Gesetze erlassen sollen, verbieten, sich über den Inhalt dieser Gesetze zu informieren. Das wäre Skandal genug.

Jetzt zeigt sich, wie wir in den kommenden Tagen aufdröseln werden, worin die inhaltlichen Skandale bestehen. Wir dürfen uns dann kurz über die Lügen ereifern, die uns vorab dazu von Funktionären aufgetischt wurden, die vermutlich den Inhalt ebenso wenig kannten wie alle anderen. Was allein Sigmar Gabriel für unerträglichen Mumpitz dazu geredet hat, ist eine Anleitung “Fremdschämen für Profis”. Bei der Gelegenheit: Gabriel hat sich kürzlich seinen Platz in der Hall of Fame der Urheber blödester Argumente verdient. Er meinte, eine Krankenschwester, von deren Lohnsteuer unbezahlbare Autos subventioniert werden, habe doch auch etwas davon – wenn sie mit einem Angestellten der Herstellerfirma verheiratet sei. Das ist das Niveau, auf dem wir uns bewegen.

Irre vernünftig

Erfreulich, dass die eine oder andere Zeitung doch noch ihren Job macht und informiert. Witzig, dass es dieselbe Redaktion ist, aus der Marc Beise seine unerträglichen neoliberalen Predigten hält. Dieser Widerspruch ist kein Zufall und liegt schlicht in der Beliebigkeit, die sich aus dem Business ergibt. Zeitungen sind zuallererst Ware. Der eine lobpreist daher den Gott des Erwerbs, der andere veröffentlicht solches Material, weil es ein Geschäft ist, das man sich nicht entgehen lassen darf, wenn man in der Branche überleben will.

Mit dieser Beliebigkeit wiederum geht einher, dass kritische Leser immer häufiger spekulieren müssen, was wirklich so gemeint ist, was wahr, was zurechtgebogen und was dreist gelogen. Jeder Leak ist eine überführte Verschwörung und deckt die Lügen auf, mit denen sie vertuscht werden sollte. Teils sind die Aufdecker und die Vertuscher dieselben, zumal juristischen Personen. Daraus folgt, dass ohne Theorien über Verschwörungen kritisches politisches Bewusstsein gar nicht mehr zu haben ist.

 
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In unserer allseits beliebten Serie „Was ist die Verschwörung und wo ist die Theorie dazu“ will ich heute einmal in Augenschein nehmen, was eigentlich das Adabei-Prinzip ist, bzw. das erweiterte Adabei-Prinzip. Wie gesagt ist die wirksamste Manipulation von politischen, journalistischen und sonstigen mittelbeschichteten Funktionsmöbeln, sie einfach mitmachen zu lassen. Lasst sie sich wichtig fühlen und sie tun automatisch das, was ihr tut, trinken, was ihr trinkt und sagen, was ihr sagt.

„Da bin i a dabei“ prahlt er dann im Nachgang, da bin ich auch dabei, bei den Atlantikern, der Sicherheitskonferenz, dem Ball, dem Empfang, dem Kongress, dem Treffen im Café Wichtichmann. Man klopft sich die Schulter und haut sich auf den Arsch; wir sind die Großen der Welt oder zumindest ganz nah dran. Dass es sich bei den Herren (und Damen) der gehobenen Mittelschicht um solche handelt, die keinen Kontakt mehr zum Fußvolk haben, sich aber umso lieber leise im Schlagschatten des einen Prozents bewegen, hat Folgen.

Unter uns

Sie entwerfen ein Bild von Gesellschaft, das ihre Gastgeber durch ihre Kollegen aus der Abteilung fürs erweiterte Catering entwerfen lassen. Die Echokammer dieser exklusiven Gesellschaft ist das, was sie für das Optimum an Leistungsgerechtigkeit halten, mithin das Ideal demokratischer Wirtschaft und Gesellschaft. Das muss ganz selbstverständlich verteidigt werden, denn es ist die beste aller möglichen Welten. Abweichungen davon können nur niederen Motiven entspringen.

Dies bestätigen sie sich, wann immer sie sich treffen, und sie treffen sich andauernd. Das Management, die Verleger, Spitzenjournalisten, Investoren, Militärs, Berater und Lobbyisten. Man kennt sich; aus der Burschenschaft, dem Golfclub, dem “Young Leaders“-Programm, man ist ‘einer von uns’. Man ist immer wieder der Kritik von unten ausgesetzt, der Gosse des Internets, der Neider, der Radikalen und Extremisten, der Verschwörungstheoretiker. Man weiß, wie damit umzugehen ist.

Kritisch eingebettet

Alle, die dazugehören, haben nicht nur das gute Essen, die angenehme Atmosphäre und das Prestige davon, sondern auch gute Gründe dafür. Diese Gründe lassen sich am Ende stets als „Interessen“ formulieren oder auch schnöde auf Zahlen in allen konvertierbaren Währungen bringen. Das gilt auch für die Adabeis aus den Medienhäusern. Allein: Sie leben ein Dilemma. Wie soll das einträgliche Verhältnis der Medienbosse und ihren Edelhelfern zu den anderen Bossen und deren Edelhelfern „kritisch“ sein?

Sie behängen sich gegenseitig mit Preisen, für ihre Unabhängigkeit, ihren kritischen Geist, ihre unbeirrten Recherchen und stilprägenden Beiträge. Alles, was es dazu braucht, ist eine Anstellung mit entsprechendem Salär. Was können sie dafür, dass Unabhängigkeit, kritischer Geist, Stil und Recherche nicht auf der Gästeliste stehen? Was weiß der Rezipient schon davon? Sie allein entscheiden, was das alles bedeutet. Sie, die „Gatekeeper“, die geistigen Türsteher der Gated Community.

 
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Die Theorie der Verschwörung ist ein notwendiger Blickwinkel, um die Gegenwart zu verstehen. Man kann sie auch anders nennen oder den Hebel woanders ansetzen, aber grundsätzlich ist es hilfreich, den Begriff “Verschwörungstheorie” aufzugreifen. “Verschwörungstheorie” ist ein aktuelles Schlagwort, das das Zeug hat, das Narrativ erheblich zu beeinflussen. Gegner der gängigen Hoftheorie werden reflexartig von Journalisten und Politikern damit belegt, was Grund genug ist, sich das Vehikel öfter und genauer anzusehen.

“Verschwörungstheorie” behauptet, jemand habe die wahnhafte Idee einer geheimen Absprache mächtiger Kräfte, die das Schicksal der Welt bestimmt. Das mag irre sein und einem bestimmten psychischen Krankheitsbild entsprechen (ich möchte dabei die Psychiatrie selbst an dieser Stelle nicht problematisieren). Aber schon die gröbste Differenzierung wirft eine sehr interessante Frage auf: Gibt es geheime Absprachen mächtiger Kräfte? Es reicht aus, CETA, ACTA, und TTIP zu erwähnen, um sie zu beantworten. Diese antidemokratischen geheimen Verabredungen mächtiger Konzerne und Staatspolitiker sind real und sie entsprechen tatsächlich dem, was mit Recht als “Verschwörung” bezeichnet werden darf.

Geheim vs. demokratisch

Diese Verabredungen haben sogar weltpolitische Dimensionen. Obendrein ist die NATO mit den beteiligten Staaten im Bunde, ein Militärbündnis, das sich ganz selbstverständlich vorbehält, geheime Entscheidungen zu treffen, die zu kriegerischen Handlungen führen – immer öfter ohne die Legitimation durch nationale Parlamente oder die UNO. Man kommt also nicht umhin, einen gewissen Albtraum als Realität zu betrachten. Die Ermächtigung der NATO-Geheimdienste zur Totalüberwachung der Welt, die an keiner rechtlichen Hürde scheitert, sondern nur an der Machbarkeit, rundet das Bild ab zu etwas, das man früher “Dystopie” genannt hätte. Da hat sich wohl die Wirklichkeit gegen die geistige Gesundheit verschworen.

Was das Ganze bizarr anmuten lässt: Diese Geheimstrukturen sind völlig öffentlich, das heißt sie werden medial begleitet und für ‘gut und richtig’ befunden. Es haben sich Entscheidungsstrukturen gebildet, die aus lauter Black Boxes bestehen. Man sieht, was hineingeht und was herauskommt, aber was darin vorgeht, soll von Öffentlichkeit, d.h. von den Betroffenen nicht beeinflusst werden. Demokratie, selbst die schwächste, stört das Geschäft. Das Ungewisse ist nötig, um Kritik zu zerstören: Da sich diese auf nichts Handfestes beziehen kann, kann jede Kritik als heillose Spekulation, Bosheit, “Verschwörungstheorie” abgetan werden.

Das Ende der Wahrheit

Wahrheit im klassischen Sinne ist so nicht einmal mehr konstruierbar, aber es kommt noch dicker, was eigentlich auch jeder wissen müsste: In einer Welt der Vernunft und des Interessensausgleichs ist die Lüge ein zerstörerisches Mittel. Der Kapitalismus aber fordert für sich – übrigens schon in den am besten kontrollierten Spielarten – das Recht zur Lüge ein. Er nennt das “Werbung”. Die hat sich, um Produkte abzusetzen, jedes psychologischen Tricks bedient, jeder perfiden Manipulation, um Menschen zu verführen. Im nächsten Schritt hat sich ganz selbstverständlich die Politik derselben Techniken bedient, und zwar nicht bloß in Wahlwerbespots, sondern permanent. Die Plapperpuppen sind auf Dauerwerbesendung.

Noch nicht genug? Gut. Es erhob sich aber das Internet, um die Wahrheit zu retten. Jeder kann mitmachen. Ein wirres Chaos von Stimmen, aus dem man sich filtern konnte, was man für relevant hielt. Ein sehr schwieriger Job, bis Google kam und aufräumte. Es ist nur eine Suchmaschine. Deren Suchalgorithmus ist nicht nur geheim, dessen Resultate verändern die Wahrnehmung der Welt auch eklatant.

We Told You What to Dream

Eine Forschergruppe um Robert Epstein am American Institute for Behavioral Research and Technology hat in einer Reihe von Untersuchungen festgestellt, dass ‘Informationen’, die in Suchmaschinen weit oben angezeigt werden, die (politischen) Einstellungen der Probanden massiv beeinflussen. Derart massiv, dass man (meine Interpretation) schon von Lenkung sprechen kann. Dies ist eine reale Macht, die real genutzt wird; gemeinhin um Zeug zu verhökern. Sie kann aber nicht nur dazu genutzt werden, konkreten politischen Einfluss nehmen, sie wird zwangsläufig solche Wirkung erzielen.

Vor allem wird sie es als alternativlos und ‘natürlich’ erscheinen lassen, Produkte zu konsumieren und die Welt dieser Produkte zu befürworten. Im klassischen politischen Widerstreit der Kräfte hat das bereits verheerende Wirkung zugunsten einer aggressiven Variante von Kapitalismus. Der Witz im Aberwitz: Es ist der Kapitalismus selbst, der solche Strukturen geschaffen hat und derart grundsätzliche Kritik an ihm im Keim erstickt – jedenfalls wenn sie wirksam sein soll. Er lässt allenfalls die Frage zu, wie man ihn zähmen könnte. Wer meint, eine Welt ohne das Glücksgefühl beim Shopping sei auch nur denkbar, gilt bereits als Irrer.

 
hi

Ein Journalist, der keine verschwörerischen Vorgänge sucht, taugt nichts. Ich wollte eigentlich schreiben “ein politischer Journalist”, aber ich weite es durchaus auf alle aus. Der Grund ist schlicht: Egal ob in der Politik, im Sport oder in der Mode, es gibt überall den Kampf um Profite; Einfluss, Geld, Aufmerksamkeit und Macht – in diesem Zusammenhang auch Deutungsmacht. Das Ganze System wird durch eine billionenschwere PR-Maschinerie beeinflusst; sicherlich nicht, weil die Guten, die uns damit versorgen, wollen dass wir prima informiert sind.

Nehmen wir einen Sportreporter, der über Veranstaltungen im Leistungssport berichtet. Hat er auch nur den Hauch einer Ahnung vom Objekt seiner Reportagen, so weiß er, dass es unter der polierten Oberfläche eine Kanalisation gibt, in der Tonnen von Dope transportiert werden. Er darf berichten, dass es Dopingkontrollen gibt und wer dabei ‘erwischt’ wird. Er darf aber keinesfalls auch nur mutmaßen, dass flächendeckendes Doping die Bedingung für Leistungssport ist. Da muss man sich entscheiden: Wirklich recherchierten und berichten oder den Job behalten?

Woodward-Bernstein-Syndrom

In der Politik ist die Sache noch einfacher. “Watergate” wird bis heute als Sternstunde des Journalismus gefeiert. Woodward und Bernstein haben dabei nichts anderes als eine Verschwörung aufgedeckt. Heute dürften sie nicht einmal die Vermutung äußern, dass es so etwas gibt. Wohlgemerkt: Nicht weil staatliche Zensur das verbietet, sondern, weil die lieben Kollegen über sie herfielen und die Redaktion für solche Spinnereien kein Verständnis hätte.

Dabei gibt es immer wieder mal einen, der plaudert und dem man doch nur zuhören müsste. Wenn ein hochrangiger Journalist von “Veranstaltungen, von denen nicht berichtet werden darf” spricht (wir hatten das auch hier schon), muss einem doch der Hut wegfliegen. Es ist dann nicht weiter überraschend, dass die Herrschaft permanent zu geheimen Treffen lädt, um den Edelhurnalisten das Gefühl zu geben, Elite zu sein und ihnen mit solchen Trüffeln das Maul zu stopfen.

Geisteskrank

Natürlich haben diese Funktionäre der öffentlichen Meinung Angst davor, wenn wer nach geheimen Absprachen, sinistren Zirkeln und hinterfotziger Einflussnahme fragt. Das fängt doch schon damit an, dass kein Journalist sich als Lohnschreiber verstehen darf, der im Auftrag von Geldgebern arbeitet. Da ist für Realität wenig Platz, also schiebt man sie am besten komplett auf die andere Seite: Wer nach der Wahrheit fragt, muss irre sein; wer zweifelt, lügt.

In diesem Club der hirntoten Dichter ist derweil alles unmöglich, was nicht sein darf, während die Guten das Land der unbegrenzten Möglichkeiten bewohnen, sprichwörtlich. Da kommt dann wie gerufen eins zum anderen, und das Kapital, das sich die Wahrheit kauft, bestimmt, was gesunder Menschenverstand zu denken hat. Nämlich, dass man alles kaufen kann und alles uns gehört. Was pfeift der Verschwörungstheoretiker da: “… und morgen die ganze Welt“? Der ist doch reif für die Psychiatrie!

 
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Original: Bundesarchiv_Bild_183-11076-0006

Wenn Verschwörungstheoretiker Verschwörungstheoretikern Verschwörungstheorien vorwerfen, ist für Unterhaltung gesorgt. Martin Reeh schreibt für die TAZ. Den Berichten seiner eigenen Zeitung kann man entnehmen, dass er Mitglied bei den Grünen war, jener Partei, die sich kürzlich wieder einmal Pädophilievorwürfen stellen musste. Er war auch Mitglied der SED-Nachfolgepartei PDS. Der Ultralinke wurde in der WASG sogar von Stalinisten als Stalinist bezeichnet.

Zu dieser Zeit wurde wiederum Udo Ulfkotte, den er selbst einen Verschwörungstheoretiker nennt, als “Terrorexperte” hofiert, und zwar von der “Zeit”, für die Reeh auch schon geschrieben hat. Aus diesem sauberen Umfeld kommt also einer, der die “linke Tageszeitung” offenbar innenpolitisch auf Kurs trimmen soll. Das hat er ja gelernt, nur dass er inzwischen von ganz links nach ganz rechts gerutscht ist.

Na, macht’s Spaß? Solchen Vernichtungsjournalismus kann man sogar mit Quellenangaben aus der Hand schütteln, wenn man handwerklich nicht völlig unfähig ist. Herr Reeh verzichtet darauf, wo er sich mit Albrecht Müller befasst in einem unterirdischen Machwerk, das den Schmutz fleißig in den Ventilator schaufelt ohne jedwede Fakten zu benennen oder sich mit welchen zu befassen. Da sind eben alle finstere Gesellen, die mal einen anderen getroffen haben, alle “Verschwörungstheoretiker”, die in irgendeiner Weise anzweifeln, was Herr Reeh für Common Sense hält. Da ist es dann auch egal, wie und wo einer abweicht, sie sind allesamt “wahnsinniger Rand“.

Wer kennt wen

Zum Objekt seiner inquisitorischen Betrachtung lässt sich vieles sagen, ich fasse das einmal aus meiner Sicht zusammen: Dass Lieb die Nachdenkseiten verlassen hat, kann eine Chance sein. Ich persönlich bin mit vielem, was Müller zum Besten gegeben hat, auch nicht einverstanden; seine Wortwahl ist da durchaus hervorzuheben, und auch ich hätte hier und da mehr Abgrenzungsbedürfnis. Ausgerechnet aber die Netzwerke von Atlantikern, die die NDS benannt haben, eine schlichte Tatsache also, zur Verschwörungstheorie zu erklären, stinkt. Dieser Unverschämtheit kommt man nur mehr mit Verschwörungstheorie bei; ich halte es da aber mit Überprüfbarem und prognostiziere schlicht, dass wir von Herrn Reeh noch mehr in dieser Richtung hören werden.

Ich habe die NDS vor einiger Zeit aus meiner dynamischen Blogroll entfernt, weil ich dort immer dieselben Quellen angezeigt bekomme und stets eine bestimmte politische Richtung. Das machen andere auch, aber wo ist dann der besondere Wert der NDS? Vor allem, dass sie sich nicht (mehr) streiten, finde ich bedauerlich (schönen Gruß an Herrn Berger). Was die Substanz anbetrifft, nicht zuletzt die Arbeit mit Quellen, sind aber selbst die NDS jenen Journallikern turmhoch überlegen, die nur noch aus der Arroganz ihrer vermeintlich höheren Warte die Wahrheit® verkünden.

Am Ende habe ich keinen Grund, die NDS zu verteidigen, es sei denn gegen eine schon stilistisch entlarvende Verleumdung. Dies auch nicht, weil sie es nötig hätten oder nicht selbst könnten, sondern weil ich einen derart konzentrierten Dreck wie den aus Reehs Giftspritze unerträglich finde. Es bleibt also die Frage, die wir Verschwörungstheoretiker alle irgendwann stellen: Cui bono? Die besseren von uns lassen sie offen.

 
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Eine schulbuchmäßige Übung zur Lesekompetenz, einhergehend mit einem sehr lehrreichen Bericht, hat Katrin McClean in der Telepolis hingelegt. Das ist äußerst bedauerlich, denn ich hätte gern nur geschrieben, dass es sich um einen interessanten Bericht handelt. Gegenstand ist ein Dinner beim “Spiegel”, der kritische Leserbriefautoren eingeladen hatte. Was Redakteure und Mitarbeiter dort offenbaren, wirft ein Licht auf deren Arbeit, in der endlich etwas sichtbar wird von den Motiven und Einstellungen, die zu einer teils bizarren journalistischen Haltung führen.

Der Begriff “Verschwörungstheorie”, der häufig von Journalisten gegen ihre Kritiker gewendet wird, ist deutlich überstrapaziert; es empfiehlt sich aber, ihn hier einmal als Arbeitsbegriff anzunehmen, denn es werden mehrfach verschrobene Ansichten deutlich, die den Fokus verschiedener Diskutanten bestimmen. Leider eben auch den der Autorin, die mit ihrem Schlussatz den bis dahin hervorragenden Artikel zur leichten Beute ihrer Kritiker macht. Dort brandmarkt sie “den fortlaufenden menschenverachtenden Einsatz nuklearer Waffentechnik durch die USA“.

Was wie wer wann wo

Der hat nun leider nichts mit dem Rest des Artikels zu tun, weder mit journalistischer Arbeit noch Russenfeindlichkeit oder der Personalisierung auf Putin. Er schwebt da vor sich hin, ohne dass wir auch nur erführen, was damit gemeint ist. Es gibt keinen “fortlaufenden menschenverachtenden Einsatz nuklearer Waffentechnik durch die USA”, denn dieser Begriff ist recht eindeutig auf Kernwaffen festgelegt, die seit Nagasaki nicht eingesetzt wurden. Es ist ein Leichtes, hier festzustellen, dass nur ein Spinner so etwas schreiben kann.

Vielleicht – das schlimmste, was man einem Bericht antun kann, ist darüber zu spekulieren, was gemeint ist – meint sie Uranmunition. Die wird nicht nur eingesetzt, sondern hat schon bei ‘Übungen’ zum Beispiel Sardinien verseucht. Der Vorwurf hätte zwar Substanz, hat aber leider nur sehr am Rande mit dem Thema zu tun. Es bleibt also festzustellen, dass hier noch fix ein verschrobener Vorwurf untergebracht wurde, der zusammenhanglos und unsachlich auftaucht. Dies wiederum ist zumindest ein Element, dessen sich Verschwörungstheoretiker gern bedienen.

Die anderen können das aber auch. Ein Highlight des Artikels ist die Aussage des Spiegel-”Faktenprüfers”, er “halte sowohl Obama als auch Putin für gefährlich, nur Putin fände er eben doch etwas schlimmer. Weil der eben nach der Weltmacht greifen wolle“. Das glaubt der Faktenchecker des ehemaligen Nachrichtenmagazins, womit er der VT noch einen zünftigen Schritt näher kommt als die Autorin. Da will einer die Weltmacht, und alles, was er tut, folgt diesem Motiv. Daraus lässt sich logisch ableiten, dass der böse Weltherrscher aufgehalten werden muss. Obendrein passt die gesamte Russland-Politik des Spiegel unter diese Prämisse.

Tiefer hängen

Es gibt weitere erhellende Aussagen im Bericht, den ich dringend zur Lektüre empfehle. Hier noch einmal zurück zum Problem ‘VT’: Tatsächlich sind hier wie gesagt verschrobene Weltbilder am Werk, die einen unheilvollen Einfluss auf die Debatten, Beiträge, Berichte und Meinungen nehmen. Für respektable journalistische Arbeit sind diese völlig inakzeptabel, und so etwas hat in einer vernünftigen Debatte nichts verloren. Es hilft aber gar nichts, jeden solchen Ansatz “Verschwörungstheorie” zu nennen, um den Gegner zu pathologisieren und als Person wie als Teilnehmer an der Debatte zu diskreditieren.

Wer nicht nur den Kriegshammer schwingen kann, sondern auch das Skalpell zu nutzen weiß, kann durchaus auch solchen Beiträgen Erkenntnisse entnehmen, die irgendwo in Paralleluniversen abdriften. Es gibt freilich auch Beiträge, in denen Dogmen, Korruption oder Unwissen derart das Zepter schwingen, dass es keinen Zweck mehr hat. Auch das aber kann man nachweisen. Es gibt journalistische Standards, die recht brauchbar formulieren, was zu tun ist, um nicht zu verschleiern oder zu manipulieren. Die entscheidende Frage ist, ob diese eingehalten werden oder nur noch auf dem Etikett stehen.

 
ks

Wenn ich etwas über Politik wissen will, dann sind die zentralen Fragen: Wer fällt welche Entscheidungen, wie und wann, unter welchen Bedingungen? Mit diesem Einstieg kann man sehr schnell erkennen, wie die Qualität politischer Betrachtungen ist, vor allem sogenannte “Berichterstattung”. Gelegentlich erfahren wir noch, was auf einer bestimmten Ebene entschieden wird, z.B, im Bundestag. Das Wie und die dazugehörigen Bedingungen sind in der Regel schon kein Thema mehr.

Dies aber wäre die Aufgabe aller Aufklärung, der selbstredend jede Geheimhaltung im Wege ist. Es gibt Gelegenheiten, da blitzt so etwas auf, weil Vorgänge öffentlich werden. Es wäre die Aufgabe der Medien, das dann zu verbreiten und zu erläutern, ohne sich “mit einer Sache gemein” zu machen. Heute lese ich etwa folgendes:

Dass der Westen “ISIS” unterstützte, konnte man bisher wissen, wenngleich im medialen Freund/Feind-Schema immer der Eindruck erweckt wird, dergleichen seien Pannen oder Versehen. Wenn jetzt aber das Pentagon selbst mitteilt, dass es die Entstehung von ISIS hat kommen sehen, kann man das so nicht mehr darstellen.

Keine Überraschung

Den Amerikanern war bekannt, dass die gegen Assad ausgerüsteten Kämpfer “ein salafistisches Kalifat gründen” wollten und den “Irak destabilisieren” könnten. Sie hielten aber selbst das Entstehen des Kalifats für begrüßenswert, als Einflusszone gegen Assad. Die Strategie der ‘Hurensöhne’, die zu 100% gescheitert ist, von Pahlevi über Saddam und Gaddafi bis hin zu Al Qaeda, wurde auch auf ISIS angewendet. Das erwartbare Chaos folgte. Wer also an Politik und Geostrategie interessiert ist, muss fragen, wer warum dennoch so entschieden hat. Ich kenne kein deutsches Massenmedium, dass dieser verdammten Pflicht nachkommt.

Stattdessen wird jeder, der im inflationär Geheimen nach Erklärungen sucht – und sie womöglich findet – diskreditiert. Die Medien, hier ein Beispiel aus dem Bahnstreik, (JavaScript erforderlich, Kommentar und via hier) verbreiten lieber ein eindimensionales Bild, das politische Leitlinien erkennen lässt.

Dazu passt auch, dass ein Bericht, der sich vordergründig kritisch gibt, sogleich auf das Dementi der ‘Kritisierten’ hinweist. Der Geheimdienst, der ständig versagt und nichts weiß, aber wichtig ist, weil er durch seine ‘Aufklärung’ für Sicherheit sorgt. Der direkte Vergleich zur Darstellung Weselskis zeigt: Es wird stets die Meinung einer bestimmten politischen Linie verstärkt, einmal als “Kritik” “aus der Politik”, ohne zu benennen, wer damit gemeint ist, einmal als “Zurückweisung” von Kritik, ohne auf die Motive derer hinzuweisen, die da etwas zurückweisen, was nur zu offensichtlich ist.

Ebenso verhält es sich mit der Kooperation bzw. Identität von Nazis und “Verfassungsschützern”. Nachdem(!) ein Verbotsverfahren gegen die NPD gescheitert war, weil der VS überall seine Leute in der Partei hatte, sind jetzt wieder elf seiner Mitarbeiter als Funktionäre der Partei genannt worden. Es werden viele mehr sein, vermute ich, aber was haben allein diese elf noch dort zu suchen? Wo vor allem wird diese Frage erörtert, wer weist darauf hin, dass Nazis und Verfassungsschützer dutzendweise dieselben Personen sind?

Darf nicht, kann nicht

Wenn einmal, in aller Kürze, kritische Fragen gestellt werden, muss man sich schon darüber freuen, selbst wenn wieder die harmloseste mögliche Interpretation gleich zur Überschrift wird. Totales Versagen hat als Ursache für die Vorgänge zu gelten, Absicht wird von vornherein ausgeschlossen. Niemand fragt sich, wie totale Versager so erfolgreich für eine Sache arbeiten können, die eben ausgeschlossen wird. Der Verfassungsschutz steuert Nazis? Der BND bespitzelt Bundestag und heimische Industrie? Kann ja gar nicht!

Eine gute Alternative zur Verschwörungstheorie ist die Religionssoziologie. Will man eine Religion verstehen, nutzt es nichts zu mutmaßen, es hätten sich einige Mächtige zusammengetan, um die Menschen mit Märchen abzuspeisen und in Knechtschaft zu halten. Solche Systeme entwickeln sich und bilden stabile Strukturen aus. So wie die Religion der Soziale Marktwirtschaft® mit ihrer Parlamentarische Demokratie®. Deren Anhänger klären ebenso wenig auf wie ein Pfarrer über den Glauben an höhere Wesen.

Die um sich greifende Besetzung politischer Posten mit Pfarrern und Kirchenfunktionären ist kein Zufall. Aufklärung ist der Feind des Glaubens, daher arbeiten alle Instanzen daran, sie einzudämmen. Die kurze Blüte aufklärerischer Massenmedien ist vorbei, ihre Produktion unterliegt denselben mythischen Zwängen wie die Verteidigung des modernen Glaubens gegen jeden Fortschritt. Der Kampf ist derselbe wie immer, und wer sich trösten will, mag auf die Macht der Wahrheit setzen. Die kann man unterdrücken, manchmal für Jahrhunderte, aber nicht für immer. Das Sein ist da ein unverwüstlicher Verbündeter des aufgeklärten Bewusstseins.

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