ks

Wenn ich etwas über Politik wissen will, dann sind die zentralen Fragen: Wer fällt welche Entscheidungen, wie und wann, unter welchen Bedingungen? Mit diesem Einstieg kann man sehr schnell erkennen, wie die Qualität politischer Betrachtungen ist, vor allem sogenannte “Berichterstattung”. Gelegentlich erfahren wir noch, was auf einer bestimmten Ebene entschieden wird, z.B, im Bundestag. Das Wie und die dazugehörigen Bedingungen sind in der Regel schon kein Thema mehr.

Dies aber wäre die Aufgabe aller Aufklärung, der selbstredend jede Geheimhaltung im Wege ist. Es gibt Gelegenheiten, da blitzt so etwas auf, weil Vorgänge öffentlich werden. Es wäre die Aufgabe der Medien, das dann zu verbreiten und zu erläutern, ohne sich “mit einer Sache gemein” zu machen. Heute lese ich etwa folgendes:

Dass der Westen “ISIS” unterstützte, konnte man bisher wissen, wenngleich im medialen Freund/Feind-Schema immer der Eindruck erweckt wird, dergleichen seien Pannen oder Versehen. Wenn jetzt aber das Pentagon selbst mitteilt, dass es die Entstehung von ISIS hat kommen sehen, kann man das so nicht mehr darstellen.

Keine Überraschung

Den Amerikanern war bekannt, dass die gegen Assad ausgerüsteten Kämpfer “ein salafistisches Kalifat gründen” wollten und den “Irak destabilisieren” könnten. Sie hielten aber selbst das Entstehen des Kalifats für begrüßenswert, als Einflusszone gegen Assad. Die Strategie der ‘Hurensöhne’, die zu 100% gescheitert ist, von Pahlevi über Saddam und Gaddafi bis hin zu Al Qaeda, wurde auch auf ISIS angewendet. Das erwartbare Chaos folgte. Wer also an Politik und Geostrategie interessiert ist, muss fragen, wer warum dennoch so entschieden hat. Ich kenne kein deutsches Massenmedium, dass dieser verdammten Pflicht nachkommt.

Stattdessen wird jeder, der im inflationär Geheimen nach Erklärungen sucht – und sie womöglich findet – diskreditiert. Die Medien, hier ein Beispiel aus dem Bahnstreik, (JavaScript erforderlich, Kommentar und via hier) verbreiten lieber ein eindimensionales Bild, das politische Leitlinien erkennen lässt.

Dazu passt auch, dass ein Bericht, der sich vordergründig kritisch gibt, sogleich auf das Dementi der ‘Kritisierten’ hinweist. Der Geheimdienst, der ständig versagt und nichts weiß, aber wichtig ist, weil er durch seine ‘Aufklärung’ für Sicherheit sorgt. Der direkte Vergleich zur Darstellung Weselskis zeigt: Es wird stets die Meinung einer bestimmten politischen Linie verstärkt, einmal als “Kritik” “aus der Politik”, ohne zu benennen, wer damit gemeint ist, einmal als “Zurückweisung” von Kritik, ohne auf die Motive derer hinzuweisen, die da etwas zurückweisen, was nur zu offensichtlich ist.

Ebenso verhält es sich mit der Kooperation bzw. Identität von Nazis und “Verfassungsschützern”. Nachdem(!) ein Verbotsverfahren gegen die NPD gescheitert war, weil der VS überall seine Leute in der Partei hatte, sind jetzt wieder elf seiner Mitarbeiter als Funktionäre der Partei genannt worden. Es werden viele mehr sein, vermute ich, aber was haben allein diese elf noch dort zu suchen? Wo vor allem wird diese Frage erörtert, wer weist darauf hin, dass Nazis und Verfassungsschützer dutzendweise dieselben Personen sind?

Darf nicht, kann nicht

Wenn einmal, in aller Kürze, kritische Fragen gestellt werden, muss man sich schon darüber freuen, selbst wenn wieder die harmloseste mögliche Interpretation gleich zur Überschrift wird. Totales Versagen hat als Ursache für die Vorgänge zu gelten, Absicht wird von vornherein ausgeschlossen. Niemand fragt sich, wie totale Versager so erfolgreich für eine Sache arbeiten können, die eben ausgeschlossen wird. Der Verfassungsschutz steuert Nazis? Der BND bespitzelt Bundestag und heimische Industrie? Kann ja gar nicht!

Eine gute Alternative zur Verschwörungstheorie ist die Religionssoziologie. Will man eine Religion verstehen, nutzt es nichts zu mutmaßen, es hätten sich einige Mächtige zusammengetan, um die Menschen mit Märchen abzuspeisen und in Knechtschaft zu halten. Solche Systeme entwickeln sich und bilden stabile Strukturen aus. So wie die Religion der Soziale Marktwirtschaft® mit ihrer Parlamentarische Demokratie®. Deren Anhänger klären ebenso wenig auf wie ein Pfarrer über den Glauben an höhere Wesen.

Die um sich greifende Besetzung politischer Posten mit Pfarrern und Kirchenfunktionären ist kein Zufall. Aufklärung ist der Feind des Glaubens, daher arbeiten alle Instanzen daran, sie einzudämmen. Die kurze Blüte aufklärerischer Massenmedien ist vorbei, ihre Produktion unterliegt denselben mythischen Zwängen wie die Verteidigung des modernen Glaubens gegen jeden Fortschritt. Der Kampf ist derselbe wie immer, und wer sich trösten will, mag auf die Macht der Wahrheit setzen. Die kann man unterdrücken, manchmal für Jahrhunderte, aber nicht für immer. Das Sein ist da ein unverwüstlicher Verbündeter des aufgeklärten Bewusstseins.