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September 2020


 
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Man kann quasi einen beliebigen Artikel über ‘Politik’ lesen und wird fast immer über dieselben Fehler stolpern: Personen handeln aus einem Willen heraus in einer Absicht und bestimmen dadurch das Weltgeschehen. Diesen Unsinn haben wir hier schon vielfach seziert; es darf aber ein Element nicht fehlen, das das Elend nicht nur komplettiert, sondern die ‘Story’ jeweils erst attraktiv macht: Moral.

Moral ist attraktiv in alle Richtungen: Sie zieht die Propaganda an, weil sich in moralische Kategorien und damit verbundene – stets unbelegbare – Behauptungen jede Form von Propaganda einwickeln lässt. Ist die moralische Empörung selbst Gegenstand der zu propagierenden Weltsicht, wird direkt festgelegt, wer gut ist und wer böse, wer edel und wer bloß egoistisch. Eine Stufe darunter dienen moralische Betrachtungen immer noch dazu, den Blick von den drögen Fakten, Rahmenbedingungen und konkurrierenden Interessen abzulenken.

Wer was will

Diese sind das große Manko der großen Medien: Es spricht niemand darüber, dass diejenigen, die das moralisch Gute (Freiheit, Menschenrechte, Demokratie) für sich reklamieren, damit knallharte Interessen vertreten – vertreten müssen, um im globalen Kampf um Ressourcen zu bestehen. Nach innen wird der schlimme Druck der globalen Konkurrenz stets beschworen (um Löhne zu drücken), geht es aber um konkrete Außenpolitik, sprich: Geostrategie, Rohstoffe, Kontrolle, Kapital, sollen alle eben glauben, es gehe um hehre Ideale.

Ist der ‘Diskurs’ (der hier aufhört, einer zu sein) derart satt mit Moral aufgeladen, kommt nur noch Kasperletheater. Da will das böse Krokodil eben nur noch Böses tun, weil es Böses tut. Die Bomben und Leichenberge des Kasperle hingegen sind alternativlos – im Kampf gegen das Krokodil eben. Und seht, da kommt auch noch der Drache! Aber die gute Fee beschützt uns. Das ist das Niveau.

Tugend, Sünde, Buße

Nun ist die gute Fee ein hässlicher Depp mit einer furchtbaren Frisur. Egal. Was lese ich also von Interessen, die er vertritt? Wer verspricht sich Profit von ihm, wer verfolgt andere Interessen? Welche Industrie erhofft sich was davon und wer welche geostrategischen Entscheidungen? Nichts. Gar nichts. Der erste Artikel, den ich heute lese: Trump hat keine Steuern gezahlt. Okay, das mag ja sogar nicht völlig irrelevant sein, aber was fällt dem Schreiber dazu ein? “Offenbar ohne Skrupel“. Was der Leser wissen soll: Trump ist böse und bereut nicht. Guten Abend, das Wetter!

Das Publikum soll stets etwas verwerflich finden oder, alternativ, tugend- wo nicht heldenhaft. Sünde, Tugend, Verbrechen, Rettung: Moral und Tamtam, Empörung eben. Man ist wohl nicht ganz zu Unrecht der Ansicht, das verkaufe sich gut. Und hier sind wir an dem Punkt meines großen Bedauerns: Ich Naivling hatte die Hoffnung, eine publizistische Alternative im Netz könnte mit weniger aufgesetzter ‘Seriosität’ und noch weniger moralischer Tendenz auftreten, um aus der Analyse der Bedingungen zu Aussagen darüber zu kommen, was im Kampf der Interessen tatsächlich geschieht und welche Optionen sich daraus ergeben. Was wir stattdessen haben, sind Twitter, Instagram und Youtube.

 
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Ihr Medienkonsortium für Nunft und Glimpf möchte Sie gern zu einer großen Feier einladen. Nicht weniger als fümpfzehn Jahre sind bereits ins Land gezogen, seit wir dem Journalismus in Deutschland ein ganz neues Stück Storytelling hinzugefügt haben. Um ehrlich zu sein, sind wir nicht ganz unschuldig am tiefen Sturz eines großen Talentes. Er eiferte dem großen Vorbild nach und fiel tief.

Die Rede ist selbstverständlich von Claas Relotius, ein Name, erst wie Donnerhall, nunmehr wie eine Stalinorgel, die das Pfeifen im Blätterwalde und das Zischen des Champagners mit dem Sirren der Stukas und dem Einschlag der Verluste zu einer Kakophonie vereint, als spielten die Berliner Symphoniker auf LSD den Walkürenritt. Der erbrochenen Metapher folgt unbarmherzig der allegorische Blitzkrieg; was sind wir doch gebildet!

Where the Cookie Crumbles

Aber das war, das ist noch längst nicht alles. Wer den redaktionellen Teil noch von der Reklame, Reclam von Woolworth, Recherche von Fiebertraum oder Kriegserklärung von Pressekonferenz unterscheiden kann, braucht mehr zielgenaues user-centered Design, ist noch nicht hinreichend vermessen, durchschaut und betreut. Wir arbeiten daran, und wir kriegen Sie – alle!

Das soll die Bevölkerung aber keineswegs verunsichern; die Meisten haben wir längst, und der Rest wird sehr bald den Komfort erkennen, der im Verzicht auf lästige Entscheidungen ruht. Wir kennen Ihre Interessen in der Regel ohnehin besser als Sie selbst. Lassen Sie also die Experten machen, während Sie sich von des Tages Mühen erholen. Modernste Algorithmen versorgen Sie stets mit dem, was Sie sich gerade so leisten können. Nie wieder Geldsorgen!

Das alles ist bei Feynsinn längst gratis, Plus- und Plusplus-Content für alle freigeschaltet gegen, Sie haben dem ja unlängst durch Unterlassung zugestimmt, klitzekleine Häppchen Ihrer Datenaura, die wir sorgsamst hegen, pflegen und nur dem allerseriösesten B2B-Customer-Care zuführen, zu unser aller Wachstum und Wohlstand. Thank you for travelling with Feynsinn, und auf die nächsten fümpfzehn!

 
wb

Die Antifa und die politisch korrekte Linke sind hinter mir her. Ich werde ignoriert, unterdrückt und verunglimpft. Meine Werke sollen begraben und ich mundtot gemacht werden. Ich wende mich hiermit an die Öffentlichkeit, um diese Angriffe auf meine Freiheit und meine Lebensgrundlage publik zu machen. In der Folge werde ich Petitionen, Unterschriftenaktionen und Kundgebungen ankündigen.

Fangen wir mal mit dem Offensichtlichsten an: Wo ist mein Wikipedia-Beitrag? Hm? Einst einer der einflussreichsten Publizisten in diesem Land, bin ich zudem einer der Letzten der Ersten, gar in der Lehre tätig, Buchautor, Kingkiller und nicht zuletzt weithin beliebtes Feindbild. Dennoch werde ich von diesem Auswurf der Schwarmblödheit nur zitiert, wenn es um andere Dödel geht. Zufall?

Try Harder

Meine Beiträge zu ‘Werken’ anderer Anbieter wurden und werden regelmäßig unterdrückt, sogar von einflussreichen Sozialdesolaten wie Roberto de Püntes. Das ist Kanzelkultur vom Übelsten. Ich werde meine Anwälte einschalten, was sage ich, Dieter Nuhr! Und wo wir bei den Heinis aus der (ehemaligen) Nachbarschaft sind: Seit Jahren werde ich nicht mehr von den Naschdenkseiten verklinkt. Niemand hat mir je gesagt, warum. Ich kann es mir denken: Dieser Hanswurst Berger ist neidisch; nicht nur auf meine Schreibe, auch auf meinen geilen Arsch. Das ist sexistisch!

Obwohl alle alles tun, um mich irrelevant erscheinen zu lassen, werde ich seit eineinhalb Jahrzehnten ungemindert attackiert, im Inneren wie im Äußeren. Trolle in den Kommentaren und solche, die sich für ‘Blogger’ halten, pöbeln und rotzen ein Zeugs, das jedem Schweinestall zur Unehre gereicht. Ja, und Morddrohungen waren auch darunter. Also das, was man dafür hält, wenn ein Spacko mit dem Finger im Arsch am heimischen Pezeh seine Vernichtungsphantasien in die Tastatur adlert.

Wo bleibt die verdiente Ehrung? Das Beste, was mir widerfuhr, war bislang die Verglimpfung als Zensor. Auf der anderen Seite schrecken die Hetzer nicht einmal vor der Verballhornung meines Namens zurück, womit sie auch meine Mutter beleidigen, was wiederum eine zünftige Vendetta legitimiert. Ich weiß, wo eure Autos wohnen! Was ist das hier für ein Land, das seine intellektuelle und literarische Elite mit Faustschlägen in die Tonne treibt? Es wird euch nichts nützen. Nennt mich Oscar; ich werde immer wieder den Weg ans Licht finden!

 
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Die Sozialdemokratie, deren eminenter Nachteil es ist, nicht nur eine Partei zu sein, sondern auch noch so zu heißen, kann in ihrem Stammland die Tapeziertische jetzt in aller Ruhe zum Museum tragen. Am Stammtisch ist gerade eh nix los, die alten Kneipen pleite, viele Genossen schon tot, also kann man – das Wetter spielt ja wunderbar mit – in den Park gehen und Enten füttern. Oder gleich durch zum Friedhof, warten, bis man dran ist.

Die Komik daran ist so verschlungen, filigran und vielschichtig, dass keiner lacht, weil es niemand kapiert. Die beste Voraussetzung dafür – also das Nichtkapieren – liegt schon in den Tiefen des Wurzelwerks, heißt “sozialdemokratisch” doch ungefähr “zu doof für Kapitalismus”. Ihr findet das polemisch? Ich nenne es beschreibend, denn sie setzt seit hundertfuffzich Jahren auf den Bürgerlichen Staat. Die vermeintliche Arbeiterpartei setzt ausgerechnet auf den Bürgerlichen Staat!

USP: Es war einmal

Sagt, was ihr wollt, aber schlau ist das nicht. Was die Eigentümer, Profiteure, Kapitalisten, heute hochgeehrt als “Arbeitgeber” und “Investoren”, brauchen konnten an Sozialstaat, haben sie zugelassen, bei anderer Gelegenheit wieder einkassiert, und was davon übrigblieb, verwaltet die bürgerliche “Union” allemal besser als der entsetzlich deprimierende Rest eines SPD-Personals. Wer Bürgerlichen Staat will mit ein bisschen Sozialleistungen (aber bloß nicht zu viel; die Faschisten in der SPD haben ja sehr deutlich gemacht, dass man die Unnützen besser verhungern ließe), ist mit Merkel, Laschet und Söder gut versorgt.

Dann diese ‘Linke’, omfg. Noch mehr Sozialdemokraten, und wenn ihnen etwas Eigenes einfällt, ist es blödes Zeugs. Kann weg. Weil nämlich unter anderem alles, was diese verwöhnten Mittelschichtsrevoluzzer können, bei den verwöhnten Mittelschichtsgutmenschen der Grünen einfach besser aussieht. Die stehen für gutes, professionelles Design. Es ist immer noch Kapitalismus, aber mit gutem Gewissen, weil man es ja immerhin wollen würde. Und irgendwas mit Umwelt. Genau, was die verblödeten VW-Kunden brauchen. Kauf’ ich!

Der Rest geht an die Hassgesichter einer neidischen braunen Truppe mit dem Herz der FDP, dem Spirit eines SA-Stammtischs und dem Verstand eines besoffenen Hauptschülers. Überall immerhin Alleinstellungsmerkmale. Das der SPD ist Gestern. Vorbei, verpasst, unnütz. Wie ein Blind Date, bei dem du versetzt wirst. Immer wieder. Jedes Mal verspricht die Braut dir weniger und schickt dir ein hässlicheres Foto. Das braucht kein Mensch. Wer soll das wählen?

 
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Die Merkel-Junta macht das doitsche Volk fix und fertig. Ihre neueste, perfekte Perfidie: Warnungen vor Warnungen, die dann nicht stattfinden. Das ist die Hölle! Und wer denkt denn an die Kinder?!! Die armen Kleinen mit den großen Augen, die vor dem drohenden Sirenengeheul unter Tischen und Aktentaschen kauernd auf ihr jähes Ende durch den Atomschlag warten, sie werden nicht einmal mehr erlöst und müssen dort bis zum nächsten Probealarm verharren – wenn der jemals stattfindet.

Unsere Alten, die das alles noch von Vierzigfünfundvierzig kennen, haben sich im Keller verbarrikadiert, wo – mit brutaler Präzision geplant – ihre Alarm-Äpp nicht funktionieren kann, weil sie keinen Empfang haben. Sowieso nicht, wegens (was ist eigentlich das Gegenteil von Digitalisierung? Fingeramputation?), sondern eben wegens Keller. Dann, obendrein, weil funktioniert eh nicht. So elendig im Stich gelassen, paniken unsere Senioren ein letztes Mal und sterben ohne Corona – um die Statistiken aufzuhübschen!

Kaputt? Profitabel!

Dass in diesem Land nichts funktioniert, das irgendwie unter “Infrastruktur” gebucht werden kann und keine Fernschnellstraße ist, kennt man ja schon. Nunmehr wird es als Waffe eingesetzt. Dazu hat unter anderem die Dachorganisation deutscher Inkassovampire einen ganz neuen Service im Portfolio: Nicht nur, dass Energieversorgung, Telefon, Gesundheitsdienste und so fort den Profiteuren zum Schmaus auf den Grill gelegt worden sind, nein:

Jetzt haben sie eine freshe Idee, wie sie “Kundenbindung” wörtlich nehmen dürfen: Einfach Fesseln anlegen. Du wechselst deinen Anbieter, weil er dich mit Lockangebot angelockt und konsequent mit Abzockpraxis abgezockt hat? Ha! Das gehen wir sagen! Dann ist es aus – erst mit Wechseln, dann mit Versorgung; denn du gehörst uns, Melkviech, Kundenpack, Zahlsklave!

Und ihr so, (Ossis) …

Hand in Hand, Seit’ an Seit‘ woll’n wir schreiten, Kapital und Politik, Neo und Liberal, Arsch und Zwirn. Das Beste an dem ganzen Geraffel: Das hat alles einmal euch gehört. In der DDR sowieso, tzia. Dann kam der Bananenaufstand, gefolgt von den Kohlwählern und der gerechten Strafe. Und das Allerallerbeste, ich mache mir fast ins Hemd vor Vergnügen:

Dass wir euch ein paar Dollars überweisen, die wir vorher den Arbeitern (also auch euch) abnehmen, nennen wir, ich krieg mich nicht mehr ein, erst “Solidarität” und dann “Enteignung der Steuerzahler”. Enteignung! Nachdem wir euch aber auch wirklich alles abgenommen haben, das ihr-seid-das-Volkseigentum war und ihr noch brav “Danke!” gesagt habt. Echt jetzt. Ich liebe diesen Staat. Ich stehe einfach auf gute Satire.

 
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Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1987-0909-423 / Sindermann, Jürgen / CC-BY-SA

Kommen wir zum Kern des Begriffs: “Demokratie”, eine Herrschaft des Volkes. Im Grunde reicht das schon, um den mythischen Charakter der Idee festzumachen. Was soll das sein, ein “Volk” und wie soll es (über sich selbst) herrschen? Nicht zufällig ist “Volk” ein politisch rechts zu verortender Begriff, der entsprechend mit allen möglichen Mythen aufgeladen wird.

Es gibt Entstehungsmythen, Abstammungsmythen, rassische Mythen und religiöse Mythen, auf denen sich der Begriff aufbauen lässt. Einer rationalen Definition entzieht er sich. Und gerade wenn man ihn entkleidet und auf die eben anwesende oder eingeschriebene Bevölkerung bezieht, zerfällt er.

Mitbestimmung

Herrschaft nämlich, Macht, ist keine rein politische und Politik schon immer abhängig, das sollten nicht nur Marxisten verstanden haben, von der Ökonomie – viel mehr als umgekehrt. Das deutsche Projekt “Bundesrepublik” war u.a. darum von Anfang an ein sozialdemokratisches. Prototypisch für diesen Ansatz steht die Idee “Betriebliche Mitbestimmung”.

Nicht nur der Staat sollte vermeintlich von innen und außen durch seine Bewohner kontrolliert werden, auch die Wirtschaft, nämlich über die Betriebe und ihre innere Organisation sowie über Gewerkschaften, an deren Macht vorbei kein Unternehmen sollte walten können. Das sah anfangs auch beinahe so aus, als könne es funktionieren.

… geht vom Kapital aus

Nehmen wir den Schnelldurchlauf: Ehe jemals wirklich Arbeiter und Angestellte über ihren beruflichen Alltag oder gar die Produktionsbedingungen bestimmen konnten, wurde ihnen das bisschen, das sie hatten, wieder genommen. Der Trend geht seit Langem zum Mietsklaven, Hire and Fire, Lohnstagnation und sowieso Befehl und Gehorsam. Ja, die ‘Demokratie’ postuliert “Gleichheits- und Freiheitsrechte, die sie aufgrund ihrer Eigentumsverhältnisse gar nicht einlösen kann.” Man hätte das wissen können, zumal in den 50ern Marx noch gelesen wurde.

Der Staat, jene Demokratie, die sich ausdrücklich “liberale Demokratie” nennt, schwächt sich absichtsvoll und seiner Grundideologie folgend selbst und gleichermaßen innerhalb seines schwindenden Einflusses den der Arbeiterschaft. Der Verzicht auf die Bestimmung der Produktionsbedingungen – was ja kommunistisch gewesen wäre – und die Beschränkung auf ‘Mitbestimmung’ hat nicht gehalten. Das Kapital, der Verwertungszwang, bestimmt über Arbeit und Staat, am Ende total.

 
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Die Idioten mit ihrer Idiotenpropaganda sind unterwegs. Was macht man da bloß? Nun, das ist wie Fußball-WM und Olympia gleichzeitig: Man haut mal so richtig alles das raus, wofür sich selbst die strammsten auf Linie gebürsteten Trommelschläger sonst schämen. Dass ihnen nicht einmal irgend etwas Neues dazu einfällt, belegt einen unbändigen Vernichtungswillen gegen jeden Intellekt.

Einmal mehr wird ein russischer Staatsbürger ‘vergiftet’; einmal mehr mit “Nowitschok”. Von dem wurde die Öffentlichkeit bei Ersterscheinung informiert, es sei speziell von russischen Giftspezialisten erschaffen worden, um das tödlichste, nein das Tödlichste zu sein, das je den Erdball verseuchte.

Zu doof zum Töten

Seitdem hat fast jedes Opfer dieses Zeugs überlebt, und jetzt kommt einer hinzu, der das Kontaktgift sogar saufen kann, ohne daran zu verenden. Hört man da Zweifel? Es kommt drauf an, was man hört. Auf gleich drei Sendern dudelte mir im Radio der Stuss in die Ohren: “Gift, das mit dem russichen Geheimdienst in Verbindung gebracht wird“. Wie herrlich verschämt unverschämt; nur dass wir die B-Note leider abziehen müssen, müsste es doch heißen: “Das wir immer mit den Russen in Verbindung bringen”.

Und kaum ist der Dreck geworfen, werden (das muss diese KI sein) automatisch “Sanktionen” gefordert. Prompt springt der Chefschaumschläger der Atlantiker und Lautsprecher des Militärisch-Industriellen Komplexes, Wolfgang Ischinger, aus dem Trump Busch, um die Sabotage von Nord Stream 2 zu fordern. Gut, dass die Russen so blöd sind.

Die publizistische Strategie ist offenbar die, dass der Niveaulimbo nie zu Ende gehen soll. Mit dem Straßenkarneval der Aluhüte wähnt man sich sicher, alles abledern zu können, das den Mief hier riecht, denn nur Verschwörungstheoretiker können ja an den Produkten der Freien Presse® zweifeln. Weiß man doch jetzt, wo die anderen alle so irre sind.

Na dann …

Zu dumm nur, dass diese neuerliche Attacke der unsäglichen Atlantiker, die durch ihren NATO-und Rüstungslobbyismus die totale Verwüstung der Außenpolitik in Parlament und Redaktionen zu verantworten haben, nicht nur die Aluhüte auf die Palme bringt, sondern jeden, der nicht die Tagesschau einschaltet, um eine Heilige Messe zu feiern. Nicht unerwähnt sei am Rande auch, dass sogenannte Think Tanks wie die INSM von Gesamtmetall innenpolitisch ebenso ganze Arbeit geleistet haben.

Es werden Glaubenssätze gesprochen, Satane bekämpft und Rituale bedient. Es wird gesungen und gefeiert, und wenn das nicht reicht, eben gebrüllt und gemobbt. Es wird phantasiert, gefiebert und gefordert, projiziert und halluziniert. Ganz Gallien? Nein. Ein paar Unbeugsame stehen noch immer am Dorfrand und kratzen sich. Einen Zaubertrank haben sie freilich nicht. Was uns bleibt, ist der Alkohol.

 
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Die Rechten fühlen sich derzeit pudelwohl; wollen sie doch nichts anderes als das, was ist, nur angereichert mit offener Diskriminierung, ethnisch gesäubert und klarer Befehlsgewalt für einen, den sie als Übervater anbeten können. Kapitalismus ist okay, nur nicht mit Juden; Willkür ist okay, nur nicht von Ausländerfreunden; Ungerechtigkeit ist okay, wenn nur die Richtigen bevorzugt werden.

So weit, so blöde. Nicht weniger blöd ist aber das, was von einer vermeintlich ‘Linken’ übrig ist, was ich ausnahmsweise einmal ausdrücklich auf die von ‘Corona’ bestimmte Lage beziehe. Eine Linke ohne Theorie, ja, ohne jedes Verständnis von Ökonomie, Rechtswissenschaft und den systemischen Zwängen der politischen Sphäre, ist so nahe an der Blödheit des vermeintlichen politischen Gegners, dass die Verschwörung zum gemeinsamen Offenbarungseid naheliegt.

Der ‘Linken’ ist Marx längst zu kompliziert, selbst Bontrup zu hoch. Sie haben sich in einer Parallelwelt eingekuschelt, in der politische Entscheidungen allein vom Willen der Entscheider abhängen und diese eben verantwortlich sind für die politische und wirtschaftliche Realität. Sie folgen dem Niveau journalistischer Narrative, in denen immer Personen im Vordergrund stehen und Macht die der “Mächtigen”, “Eliten” und “Herrschenden” ist. Eben das “Danke, Merkel!“-Niveau.

Starke Männer

Nun wird im Alltag selten etwas herausragend entschieden, was ihnen eine Art Passivität bedeutet oder eben Stabilität – alles gut! – und nicht etwa das mitgerissen Werden im Fluss des Kapitals. Seit Jahrzehnten verhält sich Politik unauffällig alternativlos im Kielwasser von Industrie und Kapital. Alles, was einer ‘Linken’ dazu einfällt, sind Forderungen einer Restauration, aber das hat dann auch wieder keine Eile.

Faschisten und Sozialdemokraten sind sich einig: Sie wollen zurück ind die 70er Jahre. Die Einen eben ins neunzehnte, die Anderen ins zwanzigste Jahrhundert. Auf einen Willi könnte man sich auch einigen. Beide Fraktionen sind sich, außerparlamentarisch, auch darin einig, dass man sich mit den realen Bedingungen politischer Entscheidungen (rechtlich und ökonomisch) nicht lange zu befassen hat. So eine Aktentasche ruiniert bloß die rebellische Pose.

Und dann kommt Corona daher, eine Ausnahmesituation, in der man tatsächlich Entscheidern beim Entscheiden zugucken kann, Beratern beim Beraten und Praktikern beim praktizieren. Als sei dies nun endlich der Beweis für das Willkürregime einerseits, das auf die Theorie der Willkür (s.o., “Mächtige”) ja ganz gut passt, erhebt sich Rinks wie Lechts, und sie klagen an, weil sie das Regime entlarvt haben.

Rebellion

Zudem fühlt es sich alles so unmittelbar an: Man darf dies nicht und muss das, ganz ungewohnt und plötzlich. Anders als bei jahrzehntelang eingeschliffenen Unterdrückungsregimen wie Hartz-Gesetzen oder Angriffskriegen (die einem ja eh nicht wehtun). Da ist dann Rebellion angesagt gegen die große Mutti, ohne sich für irgendetwas selbst verantworten zu müssen. Zum Tragen kommen dabei wie bei anderen Pubertierenden auch alle ‘Argumente’, die jede Diskussion im Keim ersticken.

Und so zieht man dann zusammen los mit seinen Allmachtsphantasien, ohne rechts rüber zu schauen, wo komische Leute herumlaufen, die bestimmt von Mutti geschickt wurden, um den Spaß an der Fete zu trüben. Dass das Nazis sind, waschechte Faschisten, mit denen man sich da auf einer Ebene trifft, muss ausgeblendet werden.

Nicht nur, dass die Jungs mit den Hakenkreuzen auf die Dauer eine echt unangenehme Gesellschaft sind und man nicht weiß, wie man sie wieder loswird. Die Ähnlichkeit der Motive und das, worauf solche Experimente hinauslaufen, kann die Psyche auf keinen Fall zur Kenntnis nehmen. Lieber schnell zur nächsten Demo, dem Zweifel immer einen Schritt voraus.