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Dezember 2016


 
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Ich habe bei Fefe heute eine Argumentation gefunden, die ich inspirierend finde und die sich mit einem Gedanken überschneidet, der mir neulich kam zur ‘Toleranz’ der Rechten. Aber ich muss erst einmal ausholen:
Dass die Rechten es leichter haben, weil sie im Zweifel einfach nicht differenzieren und bei ihnen das Ergebnis, sprich Weltbild bereits feststeht, hatten wir schon. Eine gewisse ‘Linke’ holt da ganz gut auf, was das Weltbild anbetrifft, ist aber exakt so intolerant wie Fefe das skizziert.

Das ist bereits durch die jeweiligen Weltbilder bedingt. Was sich Antirassisten, Feministen und Ähnliche gezimmert haben, ist eine unterdrückerische Rechthaberei, die jeden Buchstaben bestimmen will, der richtig oder falsch sei. Ein Ziel, eine Vorstellung davon, wie die Welt aussehen soll, die sie damit begründen, gibt es hingegen nicht. Kein Wunder, denn positive Utopien scheitern sehr schnell an Analyse und Kritik, und aus der Bürokratie der Besserwisseria lässt sich auch eher eine Dystopie ableiten.

Ein Prosit …

Die Rechten sind eigentlich Alltagsmenschen. Sie glauben an alles: An Gott, Familie, Nation, Autorität, Rasse, Kultur. Alles ist gut, wenn es so ist wie es ist, wie es sein soll und – wie es die Werbung zeigt. Sie wollen ein Abziehbild leben, den totalen Kitsch als Realität. Damit sind sie vollkommen unpolitisch und nehmen eine recht universelle Haltung ein; denn wer hätte niemals solche Träume? Ihre ‘Utopie’ ist umfassend anschlussfähig. Jeder kann ihnen zustimmen, ja, sie sind sogar nicht einmal böse zu Fremden. Dazu muss erst ein Heinrich Himmler kommen, um unterschiedslos alle Juden zu verdammen, und der kommt gemeinhin nicht.

Der Fremde stört das Idyll und taugt daher im Zweifel immer wieder zum Sündenbock, aber im Grunde hat der Rassist gar nichts gegen Neger. Wenn er sagt: “Ich habe nichts gegen Ausländer, aber …”, dann meint er das nicht nur so; in seiner Welt stimmt das auch. Die Linken wiederum stören nicht bloß das Idyll, sie wollen es mit ungenießbarem Essen und anderen bizarren Zwängen kaputt machen. Die allermeisten Menschen, die ich kenne, haben nicht das intellektuelle Rüstzeug, um dem etwas überzeugendes Politisches entgegen zu setzen und scheitern episch beim Versuch, der rechten Romantik mit einem alternativen Weltbild beizukommen. Ich setze noch einen drauf: Die rechte Lagerfeuerromantik ist mir spontan um Längen sympathischer als die Vorstellung eines von ‘linken’ Tugenden geprägten Alltags.

Das soll Spaß machen?

Die Welt des Werbefernsehens ihrerseits unterscheidet sich von der Kommunikation der Berufspolitik ebenfalls nur durch die Bilder. Hier Sonnenschein, Glück und trautes Heim, da Sachzwänge, Alternativlosigkeit, hässliche alte Lallbacken und peinlichste Lügen. Die Werbung lügt schön, die Politik hässlich. Beides ist darauf angewiesen, dass niemand genauer hinschaut, prüft und sich die Zeit nimmt, die Wahrheit zu suchen. Die Rechte ist unkritisch, aber nicht bedürfnislos. Sie wollen schöne Lügen und wenden sich deshalb denen zu, die ihnen das Schöne versprechen. Sie geben sich nicht mit jeder Qualität von Lügen zufrieden, aber die triste Wahrheit muss es auch nicht sein. “Alternative” heißt für sie eben “nicht alternativlos”.

Die neoliberale Berufspolitik dreht uns eine Lüge als Realität an. Was ist die Alternative? Dass wir uns alle tagein tagaus disziplinieren müssen, um die Welt zu ändern – vegan, geschlechtslos und unter einem zwanghaften Schamgefühl, sollte man einer Mehrheit angehören? Oder, da kommen wir meiner Fraktion nahe, in der Geduld eines politischen Buddhisten, der weiß, dass es wahrscheinlich noch Generationen dauert, bis sich etwas substanziell ändert? Letzteres führt immerhin zu wirklicher Toleranz. Wenn du weißt, dass du es nicht zwingen kannst, erkennst du den Versuch als Fehler.

Toleranz bedeutet keineswegs, jede Meinung gutzuheißen, und das wird man bei den Rechten sehr schnell erfahren, wenn es zum Argument kommt. Gemeinhin ist ihnen aber ohnehin lieber, man streitet sich erst gar nicht. Ganz außen oder ganz unten in der IQ-Skala ändert sich das, ja, aber (nicht nur) bei den Nazis sind die Doofen eben gern am lautesten. Da ist das links anders, und wir streiten hier (auch wenn das gern Grabenkämpfe sind) um das, was möglich ist. Wenn es uns aber nicht gelingt, das Mögliche mit einem Ziel zu verbinden, das für jedermann attraktiv ist und uns auch mit denen zu vertragen, die anders denken, wird uns jede noch so blöde Kitschgeschichte der Rechten den Wind aus den Segeln nehmen.

 
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In einem Vortrag auf dem 33C3 (hier eine Zusammenfassung) werden die Kollateralschäden des Drohnenkrieges dargelegt, und zwar nicht nur die, dass ständig mehr Unbeteiligte getroffen werden, sondern die Auswirkungen auf Kriegsführung generell. Das betrifft ebenso die politische Ebene, sprich: Propaganda, wie die militärische.

Politisch, das bringt der Vortrag auf den Punkt, müssen Meuchelmord und Serienmord sprachlich verschleiert werden. Ich möchte an dieser Stelle nicht näher auf Framing und Zwiesprech eingehen, aber mir selbst fiel eben beim Verfassen des Artikels auf, dass ich beinahe von “unschuldigen” Opfern gesprochen hätte, den ermordeten “Kollateralschäden” – als seien die “Ziele” der Morde schuldig. Im Sinne eines Rechtsstaats ist nicht nur niemand schuldig, der kein ordentliches Gerichtsverfahren hatte, in dem er sich hätte verteidigen können. Es wird hier auch noch eine Todesstrafe in Abwesenheit verhängt über alle, die sich in dessen Nähe aufhalten. Diese Barbarei heißt so, weil sie in vorzivilisatorische Zustände zurückfällt.

Ein bisschen Krieg

Militärisch sind solche Programme desaströs, weil sie die Schwelle des Krieges so weit herabsetzen, dass der zu einer Frage der Laune des ‘Commander in Chief’ wird – oder wer auch immer den Daumen senken darf. Entsprechend wird hier auch entweder gar nicht von Krieg gesprochen oder dieser abstrahiert (“Krieg gegen den Terror”). Es gibt demnach gar keinen Gegner, sondern nur mehr ‘etwas’, das bekämpft wird. Dieses Etwas entspricht auf jeder Ebene dem ‘Bösen’ selbst wie die mittelalterliche Vorstellung vom Teufel. Der Unterschied, auch hier ein Rückfall in die Barbarei, ist dass selbst die Besessenen, Ketzer und Hexen des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit ein Gerichtsverfahren durchliefen. Die Gegenaufklärung verzichtet darauf.

Da der Drohnenkrieg sich also der aufklärerischen Errungenschaft eines modernen Rechtssystems entledigt, kann hier sprichwörtlich jeder machen, was er will. Es sind ja nur ‘Maßnahmen’, die daheim als militärisch verbrämt werden, damit sie nicht dem Strafrecht unterliegen, das Verdächtige als Unschuldige bis zum Beweis des Gegenteils behandelt, und auf fremdem Territorium als eine Art Strafvollstreckung gelten. Es ist absehbar, dass dieses Vorgehen in Konflikte führt, die als kriegerisch betrachtet werden. Wo die Interessen von Atommächten davon betroffen sind, ist dieses Spiel geeignet, der Schöpfung die Krone vom Kopf zu blasen.

Besuchen Sie Europa …

Ein politisches Korrektiv ist nicht in Sicht, ganz im Gegenteil. Ergänzt wird dieses Szenario durch eine schlicht infantile Haltung der Verantwortlichen in Europa, vor allem in Deutschland. Der Staat, dessen Exekutive in den vergangen Jahrzehnten für Dutzende Angriffsriege, willkürliche Morde, Folterung und den sehr gründlichen Abschied von einer aufgeklärten Rechtsauflassung verantwortlich ist, wird durchgängig als “Freund” apostrophiert. Dumm genug, dass ein Staat kein Freund sein kann und auch “Freundschaft” zwischen den Vertretern von Staaten bestenfalls irrelevant, wo nicht unmöglich ist, besteht in diesem kindlichen Konstrukt eines Verhältnisses die Unterwerfung des Grundschülers unter den Schulbully.

Wenn er befiehlt, marschieren wir. Seine Feinde sind unsere Feinde. Sein Urteil wird niemals in Zweifel gezogen. Was gestern noch galt, ist morgen hinfällig, wenn es ihm einfällt. Sein Kampf ist unser Kampf, sein Wohl ist unseres. Das ist kein Denken mehr, das ist blinder Gehorsam. Nun wird unser ‘Freund’ aktuell aber von innen angegriffen. Das Establishment, das bislang die Hierarchie angeführt hat, wurde ausgetrickst, und ein Unbefugter hat den Platz des ‘Freundes’ eingenommen. Da es bislang eben kein Denken gibt, kein Mittel der Kritik, mit dem sich die Beziehung zu den USA im Narrativ beschreiben ließe, herrscht Hilflosigkeit. Selbst das Feindbild Russland/Putin kommt damit ins Wanken.

Letzteres ist der einzige Lichtblick des Ganzen, denn die verbale Aufrüstung gegen die tödliche Atommacht hat bereits die Dimension einer konkreten Kriegsvorbereitung angenommen. Wenn man weiß, dass die transatlantischen Pläne im Kalten Krieg teils vorsahen, ganz Europa zu opfern, um den Sieg des Freien Westens® zu erringen, sollte man Angst haben. Fürwahr, wir leben in interessanten Zeiten.

 
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Januar: Donald Trump wird vereidigt und tritt sein Amt an. In der darauf folgenden Nacht erleidet er einen tödlichen Herzinfarkt. “Der Spiegel” beschuldigt Vladimir Putin des politischen Mordes und fordert offen den Krieg gegen Russland. Andere Medien schließen sich dem zunächst an. Auf eine Demonstration von 100.000 begeisterten Atlantikern folgt eine weitere von Putinverstehern. Die Veranstalter sprechen von zwei Millionen Kriegsgegnern, die Tagesschau nennt “mehrere Tausend”. Bundeskanzlerin Merkel versucht, “eine gemeinsame Lösung zu finden“. US-Präsident Pence erklärt den Austritt der USA aus der NATO.

Februar: Frank-Walter Steinmeier wird neuer Bundespräsident. In seiner Aufsehen erregenden Antrittsrede erklärt er nicht nur den Islam für einen Teil Deutschlands, sondern lässt auch durchblicken, dass er das Bundessicherheitserhöhungsgesetz (BSEG) in seiner vorliegenden Fassung nicht ausfertigen werde. Darin wird nicht nur der Abschuss von Verkehrsmitteln durch die Bundeswehr in Gefahrensituationen geregelt, sondern auch das Erstürmen privater Wohnungen durch die Feldjäger. “Bild” spekuliert über “private Probleme” Steinmeiers.

März: Die Wahrheitskommission des Abwehrzentrums gegen Falschmeldungen hat ihre Arbeit aufgenommen und begonnen, die Meldungen des vergangenen Aprils zu prüfen. Bis zur endgültigen Entscheidung über den Wahrheitsgehalt dürfen Meldungen nicht mehr veröffentlicht werden, es sei denn von zertifizierten Meldungsstellen. Zuwiderhandlungen werden strafrechtlich verfolgt. Die CSU hat bereits härtere Strafen gefordert. Die Regierungskoalition aus CDU/CSU, SPD und Grünen verhandelt noch darüber, ob mündliche Meldungen in kleinerem Kreise ebenfalls unter das FMAG (Falschmeldungsabwehrgesetz) fallen. Die Facebook-Aktien gaben dramatisch nach; Twitter hat bereits Insolvenz angemeldet.

April: In einem Kompromiss einigt sich die Koalition auf die weitere Aufnahme von gechipten Flüchtlingen. Einwanderer aus Krisenregionen erhalten Zugang zu unserem Vaterland, wenn sie sich elektronisch markieren lassen. “Das ist absolut zumutbar“, erklärt Cem Özdemir, der den Vorschlag des Innenministeriums begrüßte, “zumal das Material der elektronischen Begrüßungseinheit aus nachhaltigen Rohstoffen hergestellt wird.“. Der Chip enthält Informationen über die Physiologie sowie politische und religiöse Einstellungen von Einwandere_*en. Streit gibt es nur über die Erfassung des Geschlechts. Die Grünen lehnen dies als diskriminierend ab.

Mai: Das Wachstumsbeschleunigungsarbeitsplatzgesetz setzt die Vorschläge der Industrie zu einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten um. SPD-Chef Gabriel lobt die dadurch steigenden Löhne: “Da können sich die Arbeitnehmer mal einen vollen Schluck aus der Pulle gönnen. Zehn Prozent Lohnsteigerung hat es seit der Nachkriegszeit nicht mehr gegeben.” Die bevorstehende Einführung der 55,5-Stunden-Woche mache Deutschland wieder wettbewerbsfähig.
Der Bundeshaushalt investiert Steuerüberschüsse und kauft alle griechischen Inseln.

Juni: Nach dem Rückritt Frank-Walter Steinmeiers, bei dem Kinderpornographie gefunden wird, einigt sich die Deutschlandkoalition, der sich in den Zeiten der Krise auch die “Linke” angeschlossen hat, schnell auf einen neuen Kandidaten. Günter Jauch kann schon eine Woche später ins Schloss Bellevue einziehen. Seine beliebte Sendung “Wer wird Millionär?” führt er fort, da diese “eine wichtige Stütze des Inneren Friedens darstellt“, wie die Kanzlerin betont.

Juli: Bei der Gemeindewahl in Suppenstedt-Heimersiel müssen die Stimmen neu ausgezählt werden. Hier ist die Vaterländische Front auf nur 60% gekommen, was sogleich Verdacht erregt. Schnell stellt sich heraus, dass russische Hacker die Wahlen manipuliert haben. Die Neuwahl wird im Oktober unter strengster Aufsicht der Wahrheitskommission wiederholt werden.
Es wird mit Temperaturen von 45° ein heißer Sommer, den die Wahrheitskommission für das Resultat von Sonneneruptionen erklärt. Jörg Kachelmann leistet bei seiner Festnahme gewaltsamen Widerstand und kann nur durch einen sich lösenden Schuss unter Kontrolle gebracht werden.

August: Auslandseinsätze der Bundeswehr sollen künftig auf weniger bürokratische Hürden stoßen. Die neue Friedensarmee erhält ein umfassendes Mandat zur Sicherung der Grenzen von außerhalb und zur Wahrung der Bundesinteressen auf aktuell fremdbesetztem Gebiet. Insbesondere die Versorgungslage der Bevölkerung soll nicht durch unvernünftige Entscheidungen ausländischer Behörden gefährdet werden. “Fremdwahrheiten, die außerhalb unseres Prüfungsgebietes publiziert werden, können wir nicht einfach hinnehmen, wenn sie zu falschen Entscheidungen führen“, so der Minister des Globalen Inneren, Thomas de Maizière.

September: Angela Merkel wird wiedergewählt. Da ihre schon vor der Wahl geschmiedete Koalition “Die Vaterländische” in allen Gremien der Republik auf mindestens 75% der Mandate kommt, kann sie auf eine Ernennung auf Lebenszeit hoffen. Hinter ihr steht eine ganze Nation – Politik, Industrie, Gewerkschaften und Kirchen. Deutschland war lange nicht mehr so geeint und so stolz. Bundespräsident Jauch schlägt vor, die Kanzlerin auch zur Präsidentin zu küren und unverzüglich die Voraussetzungen dafür zu schaffen.

Oktober: Ein Bataillon russischer Fallschirmjäger landet in Suppenstedt-Heimersiel und beschlagnahmt die Wahlurne. Als Entschädigung bringen die Kosaken einen Hektoliter ihres besten Wodkas mit. Suppenstedt-Heimersiel erklärt sich noch in der Wahlnacht für unabhängig, um sich tags darauf der Russischen Föderation anzuschließen. “Geht doch“, kommentiert Machthaber Putin. Deutsche Politiker zeigen sich empört. “Ich kann in zwei Stunden auch in eurer hässlichen Waschmaschine am Spreebogen sitzen“, droht der Potentat. Die Bundeskanzlerin bemüht sich um eine “diplomatische Lösung“.

November: Ein Anschlag auf Deutschland an einem geheim gehaltenen Ort wird auf frischer Tat vereitelt. Am Tatort findet man den Ausweis des mutmaßlichen Täters, seine Geburtsurkunde, Kreditkarten, zwei Mobiltelefone, den Impfpass, eine Speichelprobe, seinen Briefkasten mit der Korrespondenz des vergangenen Jahres, Kontoauszüge und ein zehnbändiges Tagebuch. Bei der Auswertung der Fundstücke gehen die meisten Informationen durch spontane Selbstentzündung verloren. Dasselbe gilt für den Täter, der aber anhand der mitgeführten zahnärztlichen Unterlagen identifiziert werden kann.

Dezember: Die Wahrheitskommission entscheidet, Wahrheit® völlig neu zu organisieren und delegiert das Management an die Bertelsmann-Stiftung. Vom Springer-Verlag organisierte “Volksproteste” werden teils von Truppen des Bundesdienstes McKinsey-Berger niedergeschlagen, zeitigen aber dennoch Erfolg. Springer wird das Management der Volkswahrheit® zugesprochen, das Wahrheit® ergänzen soll. Thomas de Maizière wechselt zu Bertelsmann, bei Springer übernimmt Thilo Sarrazin den Vorsitz. Am Silvesterabend beendet eine weltweite Zombieapokalypse den ganzen Scheiß und es wird endlich wieder einmal ordentlich gefeiert. Selbst Deutsche tanzen sich an und haben Sex. Es ist das Ende der Welt.

 


Ich streite mich schon den ganzen Tag. Etwas von damals® muss es wohl sein, das hinter mir her ist und meinen Tinnitus überlagert: “Los, schreib’ was, ich will was anderes lesen als das Bullshitbingo.” Ich2 so: “Leck mich, ich bin krank!” Ich1, von dem Ich2 sich fragt, wie es eigentlich dazu kommt, dass es sich diesen Vorrang anmaßt, näselt dazu nur: “Ach kraank, wie süüß! Haben wir Männerschnupfen?!” Tatsächlich war ich drei Jahre nicht krank. So lange meine Liebste noch lebte und meiner bedurfte, habe ich das aufgeschoben.

Na jedenfalls hat Ich2 sich dann zwischen die Hunde auf die Couch gelegt, wie demonstrativ, und schlief ein Ründchen. Kaum erwacht, wurde es wieder bedrängt, und weil es den 1000-seitigen Schmöker, in den es eigentlich allmählich einmal eintauchen will, als zu schwer befand (davon kriegt es Rücken, Herrgott!), wurde es ins Archiv geschickt. Feyne Texte fand es dort aus den Anfangsjahren, richtige politische. Es kommen gar Parteien und Personen des Talkshowbiz darin vor, das kann man sich heute kaum mehr vorstellen. Inspiration ist dennoch etwas anderes.

Ichkannichmehr

Die Blockade war nicht zuletzt ausgelöst worden durch ein anfangs heiseres, dann schallendes Lachen, das in jenen Husten überging, der von außen nach Natodraht an betontrockenen Bronchien klingt und einen reflexhaft rückwärts hüpfen lässt, um dem zu erwartenden blutigen Auswurf zu entgehen, der sicherlich bald wie eine Strombolianische Eruption über die Umstehenden niedergehen würde. Doch ist es nur der Klang, der quasi postfaktisch einen deutlich hoffnungsvolleren Krankheitsverlauf begleitet und ihm diesen Schrecken verleiht.

Das Lachen wiederum wurde ausgelöst durch den Ausweis. Ich1 und -2 verlangten unverzüglich eine Statistik über Kriminalfälle außerterroristischer Art, die durch das galante Hinterlassen des Bundespersonalausweises oder vergleichbarer Papiere geklärt werden konnten oder die Fahndung wenigstens erheblich vereinfachten. Ach was, wir kennen das Resultat! Terrorist, so schlossen sie, muss ein Lehrberuf sein, zu dessen unverzichtbaren Grundqualifikationen das Hinterlassen eines Papiers gehört, und zwar unübersehbar, aber doch so, dass es einwzo Tage dauert, bis es gefunden wird. Ganz große Magie, davon verstehen Sie nichts, folgen Sie einfach den Anweisungen der Sicherheitskräfte!

Jetzt habe ich es doch wieder erwähnt, wenn auch implizit. Ich wollte das nicht, ehrlich, aber mein Zustand! Halt, lasst mich erklären, ihr macht einen Fehler!

 

Mein Hund sitzt vor mir und sieht, wie ich auf den Tisch klopfe. Dann rennt er zur Tür und schaut nach, wer da kommt.

NRW-Polizei sichert Weihnachtsmärkte mit Maschinenpistolen

 

 
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Einmal über die Dörfer heute. Ich kenne wen, der wen kennt, der mir eine “Büroleitung” bei der Schülerhilfe womöglich anzudienen gedachte. Die Aufgabe besteht darin, die Nachhilfetätigkeit, Termine, Kommunikation nach innen und außen zu koordinieren. Dafür gibt es einen Haufen Kohle, nämlich als Minijob (ggf. auch etwas mehr), jedenfalls bei einem Stundenlohn von “neun bis zehn Euro”. Dafür darfst du noch sehen, wie du hin und zurück kommst, was bei einer Arbeitszeit von drei Stunden täglich einen relativ hohen Aufwand bedeutet. Der Mindestlohn ist übrigens ab Januar bei 8,84 Euro vorgesehen.

Für das Geld arbeiten viele Reinigungskräfte nicht. Hätte ich mich von Hartz IV abhängig gemacht, müsste ich den Job jetzt antreten. Was mir dabei am meisten auf den Sack ginge, wäre die Tatsache, dass man mich zwingen könnte, einen solchen Job zu machen, weil das genau der Mechanismus ist, mit dem Hartz IV Löhne drückt. Überhaupt ist das wie schon so oft gesagt zumindest einer der Hauptaspekte dieser Sklaverei per Gesetz. Die Mentalität der Willigen, die sich nichts dabei denken, macht es allerdings noch einen Tick ekliger:

Lohn wird überbewertet

Schon mehrfach habe ich dieser Tage gehört, dass Leute solche Jobs machen, weil sie “Zeit haben” oder “sonst nur herumsitzen”. Ob das jetzt stimmt oder nur die Not übertünchen soll, für die sie sich auch noch schämen, sei dahingestellt, aber das ganze System läuft wie geschmiert und stinkt zum Himmel. Ergänzt wird dieses Downcycling ehemals bezahlter Arbeit durch “Helfer”-Ausbildungen wie Pflegehelfer, Erziehungshelfer oder Tagesmutter. Die Steigerung davon sind sogenannte “Ehrenämter”, die man tun darf, wenn man sie sich leisten kann und “Freiwilligendienste”, für die in der Regel ernsthaft erwartet wird, das man noch “Spenderkreise” aufbaut, um die Träger zu finanzieren.

Diese Maschinerie einer perfiden Ausbeutung haben wir bekanntermaßen der SPD zu verdanken, die bis heute stolz darauf ist, der nationalen Wirtschaft Exportweltmeisterschaften in Serie verschafft zu haben. Die SPD, die ihre Arbeiterschaft mit Lohndumping beglückt, die den Faschismus mit Zensur und Überwachung bekämpft, die internationale Solidarität durch Rassentheorien und Abschottung sichert, den Frieden durch Kriege, die die Armut durch Privatisierungen und Deregulierung bekämpft, Europa durch Russenhass stärkt, Menschenrechte mithilfe von Saudi-Arabien und der Türkei durchsetzt und die Freiheit durch eine gesetzliche Festlegung der gültigen Wahrheit® im Strafrecht schützt. Brüder, zur Sonne!

 
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Es ist wahr. Sie sind hier. Überall. Sie sind alle. Hier wird kein Wort Deutsch mehr gesprochen. Spanisch, Französisch, Englisch, Russisch, und das nur auf dem Weg zum Bäcker, der wegen der Unsicherheit, die diese Horden verbreiten, 42 Cent für ein Brötchen nehmen muss, das nur mehr aus politischer Korrektheit „Schrippe“ heißt.

Sie fotographieren alles. Ein kurzfristig leerstehendes Ding, das bald mit einer neuen tollen Geschäftsidee aufwarten wird, wie das mit den bunten Tellern und Tassen nebenan. Türen. Rinnsteine. Cafés. Fahrräder. Warum tun sie das? Was hecken sie aus? Wollen sie hier einbrechen?

Der einzige deutsche Satz, den ich höre – nein, das ist kein müder Witz – kommt direkt aus dem gammeligen Schlund der Hölle, Heise-Forum, Mülleimer, Spamfilter: „Armes Deutschland!“. Einer der letzten Einheimischen, dessen Verzweiflung über die Verlotterung der Sitten nach der Umvolkung seiner Stadt sich Bahn bricht.

Umvolkung abgeschlossen

Buschkowsky, wo bist du? Auf dem Weg hierher hörte ich auf einem der zwanzig Radiosender, deren Gedudel man keine drei Minuten aushält, dass du dort eine eigene Sendung hast. Wie nutzlos, sie verstehen dich hier doch gar nicht. Man braucht dich vor Ort, wo du das Schlimmste verhinderst. Oder hätte hätte Fahrradkette nicht verhindert hast.

Sogar eine Synagoge haben sie hier, aber die ist eingesperrt. Panzersperren, Ketten, Bullerei, und zwar nicht, weil der Terrormann sich angemeldet hat, nein, das ist hier offenbar Alltag. Man weiß ja nie, was diese ganzen Ausländer so im Schilde führen. Ich sage euch, es ist schlimmer als in der Bronx. Berlin hat wirklich furchtbare Seiten. Das hier ist “Mitte”. Tiefer kannst du nicht sinken.

Ich werde gleich durch die mit skurrilen Geschäftsangeboten gespickten Häuserschluchten mein Heil im nächsten Stadtteil suchen, aber mir wurde wenig Hoffnung gemacht. Dort sei es deutscher, heißt es, aber was dort noch übrig ist, sei kulturell schon völlig verwahrlost. Man verstehe sie nicht mehr; sie kennten gar den Unterschied von Mann und Weib nicht mehr.

In diesem Sumpf hält man es obendrein für Kultur, die Devotionalien einer der schlimmsten Banden der jüngeren Geschichte auszustellen, einer Rotte sogenannter Panker, die Haschgift spritzend ihre blutige Spur durch die einstige Kunst der Musik zogen und auf ihren Stromguitarren alles dafür taten, das Abendland total kaputt zu machen. Ich muss hier weg!

 
Es ist nicht ganz einfach, eine Institution zu schaffen, die sozusagen in Form einer Wahrheitskommission entscheidet, was ist wahr und was nicht. Dann muss ja auch noch entschieden werden, was ist relevant oder was ist nicht relevant.”
Zudem sind Internetauftritte nicht so leicht unschädlich zu machen wie Zeitungen oder Bücher. Auch ist es schwieriger, die Verantwortlichen zu finden und zu verhaften. Dann muss man ja auch noch ein Instrumentarium schaffen, um die Rädelsführer dauerhaft aus dem Verkehr zu ziehen. “Da befinden wir uns am Anfang einer Diskussion.

Gemeinsame Erklärung von Heiko Maas und Reccep Tayyip Erdogan
[via Schrottpresse]

Ich muss noch einmal nachlegen. Mir wurde heute gesagt: “Ein bisschen bedauerlich finde ich allerdings, dass du, flatter, in letzter Zeit nur noch ein Thema hast: Fake News, Postfaktisch, Narrativ uswusf.” Sagen wir “hauptsächlich”, denn ich arbeite mich gerade am Narrativ ab, derweil uns ein Tsunami dümmster Propaganda über den Kopf schwappt, der mich zu der Bemerkung veranlasste: “Selbst im Endstadium mag man nicht entscheiden, ob die jetzt derart verblödet sind oder der Faschismus ganz bewusst zum Halali bläst.”

Endstadium

Endstadium Kapitalismus, Endstadium Verlagspresse, Endstadium Demokratie. Wie der Faschismus noch den Staat vernichten muss, mit dessen Mitteln er die Menschen unterjocht, so ist die Propaganda noch um vieles schneller fertig mit der Wahrheit. Es bleibt etwas, dass sie zu glauben aufgibt, am Ende mit Gewalt, aber das bringt dann schon niemand mehr mit Wahrheit in Verbindung, Die Wahrheit der Partei ist keine, sei es die der NSDAP, die der KPdSU oder die der transatlantisch-neoliberalen Einheitsfront.

Was da jetzt ‘kommuniziert’ wird, ist Metagetrolle. Wie die Trolle werfen sie ihren Feinden vor, was sie selbst tun. Wie bei Trollen bleibt ihr Wissen pures Selbstverständnis ohne Beleg und gegen jede Vernunft. Wie bei Trollen geht es darum, eine Agenda zu setzen und das Resultat zu bestimmen. Sie trollen also, was das Zeug hält und werfen allen, die sich dem nicht anschließen wollen, vor, Trolle zu sein. Sie haben sich ganz offiziell davon verabschiedet, jemanden überzeugen zu wollen oder nach der Wahrheit zu suchen. Die soll vielmehr jetzt von Staats wegen festgelegt werden.

Abweichungen sind bestenfalls zu zensurieren, und wenn das einmal durch ist, muss der Delinquent spätestens im Wiederholungsfall bestraft werden. Als die allerersten Bücher gedruckt wurden, hat exakt dies der Klerus versucht, und obwohl die Zahl der Werke äußerst übersichtlich war, ist er damit gescheitert – genau so wie jede andere Diktatur mit ihren Dogmen. Aber jetzt wollen sie es mit dem Internet versuchen. Der Justizminister höchstselbst hat da seine faschistische Gesinnung offenbart, und – welche Überraschung! – es ist ein Sozialdemokrat.

 

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Neues vom Gegenteiltag, die heißesten Fake News vom Postfakten, Fakten, Faktenschredder. Man kommt nicht recht hinterher, wie sich die Journaille von einer Jauchegrube zur Scheißeschleuder entwickelt, um sich mit der ganzen Wucht ihrer eingeborenen Seriosität® über den Gestank zu beschweren. Fürwahr amüsant, wenn der designierte US-Präsident keilt: “Das sind dieselben Leute, die behauptet haben, Saddam habe Massenvernichtungswaffen” und die CIA meint. Der Präsident, den alle für doof halten sollen, traut seinem eigenen Geheimdienst nicht.

Weniger amüsant, wenn die Verlagsmedien dem am Boden liegenden Pressekodex so entschieden durchs Gesicht stiefeln, dass nur mehr eine blutige Masse übrig bleibt. Probleme mit Lügen? Hey, das ist gar nicht so schwierig – sucht man halt nach der Wahrheit! Eigens dazu und als Vorsichtsmaßnahme gegen furchtbare Blamagen gab es einmal sehr konkrete Regeln, die eine Lügenpresse verhindern wollten. Zetbe: Mindestens zwei unabhängige Quellen haben – und gefälligst benennen. Nein, ein Geheimdienst, der keinerlei Belege für seine in die Strategie passenden Behauptungen bringt, ist keine zwei Quellen. Er ist nicht einmal eine.

Magische Hacker

Das weiß sogar der dumpfe Drumpf, der trampelige Trump, und hat auch noch entwaffnende Argumente dafür. Was er nicht sagte, aber die ganzen Deppen von der Straße unausgesprochen einfordern, ist dass die Meldungen und Meinungen wenigstens der einfachsten Plausibilitätsprüfung standhalten. Die Russen, nein Putin, bestimmt alles. Wenn er will, dass Trump Präsident wird, dann macht er das. Er hat dazu magische Häcker, die die Welt häcken. Wohlgemerkt: Das sind alles Putins Russen. Andere können gar nicht häcken.

Die sind aber auch zu raffiniert und verschicken Phishing-Mails, diese Russen. Da stehen so raffinierte Sachen drin wie, dass man Millionen erbt, das Bankkonto gepfändet wird oder eine voll geile Schnecke sich in einen verliebt hat. Klickt man drauf, ist man geliefert, vor allem, wenn man auf Verlangen seine Passwörter eingibt. Sowas kann nur der Putinrusse; das hat die CIA herausgefunden. Ihr haltet das für einen albernen Scherz? Nein, das ist die Wahrheit der Verlagsmedien. Alles andere ist Fake®.

Wir werden alle …

Das sind die großen dämlichen Lügen der Presse, die nicht danach benannt werden will. Kommen wir mal zu einer kleinen klügeren. Die ist viel schwieriger zu entlarven und recht dezent formuliert. Eine “Studie” hat herausgefunden, dass “Populismus die größte globale Gefahr” ist. Wer es ein wenig mit der Wissenschaft hat, fragt hier nach einer Definition von “Populismus”, die valide Aussagen zulässt, zumal in Hinblick auf quantifizierbare Größen von “Gefahr”. Man sieht: Um zu erkennen, was das für ein Blödsinn ist, muss man schon ein bisschen was gelesen haben.

Nun ist “Populismus” ohnehin das Produkt einer Kampagne, was alle zumindest ahnen, die neuerdings mit der Vokabel vollgedröhnt werden. Das ist dann schon nicht mehr verdächtig, das ist dann schon entlarvend, denn das Wiederholen unplausibler oder undefinierter Inhalte erkennt jeder Depp als Propaganda. Mal schauen, wann Putin als Mastermind aller Populisten entlarvt wird. Nächste Station: Wer sagt das überhaupt, von wem ist die “Studie”? Von einer “Risikomanagementberatung Control Risks“.

Whois

Ich habe ein wenig recherchiert und keine genaue Vorstellung von dieser global operierenden Firma, die “darauf spezialisiert ist Organisationen zu helfen, politische, Integritäts- und Sicherheitsrisiken in komplexen und feindlichen Umgebungen zu managen”. (“specialising in helping organisations manage political, integrity and security risks in complex and hostile environments“). Das kann vieles bedeuten. Auffallend ist, dass Wikipedia den Laden unreflektiert zitiert (und nicht einmal die Grammatik anpasst) und denselben abstrakten Sermon ablässt wie die Firma selbst. Außerdem werden dort ohne erkennbaren Zusammenhang weitere Unternehmen (u.a. Pinkerton) verlinkt, die eine gewisse politische Richtung erahnen lassen.

Ich muss mir das also alles zusammenreimen: Mag da wohl eine Bude für strategische Kriegsvorbereitungen das Feindbild des Freien Westens® aktualisieren und seine guten Beziehungen zur Presse nutzen, die gern solche “Kreise” zitiert? Das ist bestimmt schon wieder eine Verschwörungstheorie. Man hätte aber auch zu gern erfahren, wie diese Quelle eigentlich einzuschätzen ist, wer das ist, was deren Blabla zur “Studie” macht und was jemand dazu sagt, der sich damit auskennt. Aber das “muss der Leser nicht erfahren“, gelle?

Wer Geheimdiensten glaubt, ist kein Verschwörungstheoretiker. Er ist ein Idiot.

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