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Oktober 2017


 
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Der diesjährige Zusatz-Feiertag lässt mich fragen, warum wir nicht gleich den Geburtstag Johannes Agricolas zum Feiertag erhoben haben. Darüber darf man ja wohl noch reden. Aber widmen wir uns noch einmal der Reformation und ihrem großen Helden:

Martin Luther war ein Anti-Aufklärer, dessen Eifer nur die kniefällig-religiöse Ahnung einer (verlorenen) Vernunft zuließ. Eine säkulare Vernunft war für Luther das schlimmste Teufelszeug, die “Teufelshure”. Nach Luther ist Gott unbegreiflich, grausam und gnadenlos. Hierin besteht dann auch die Kulturleistung Luthers und seiner Kirche, die die deutsche Seele, ihr Narrativ, so fatal geprägt hat. Die Abschaffung der Beichte unter diesen Umständen erschuf einen gnadenlosen völkischen, religiös-fanatischen Eifer.

Psychohölle

Der Ablasshandel, das Erlassen von Sünden gegen Geld (vor allem um den Petersdom zu finanzieren) war für die Christen deshalb so niederschmetternd, weil sie ohne Beichte ihre Sünden nicht loswurden – eine Erpressung von enormer psychischer Gewalt. Sie hatten sehr reale Angst in die Hölle zu kommen. Dann kam Luthers Reformation mit einem Heilsversprechen, das seine Schäfchen vordergründig von der Beichte unabhängig machte, ihnen aber keineswegs die Angst nahm – im Gegenteil. Es war ein Rückschritt zum Sündenbockprinzip.

Und wirst du sündigen, so wird er dich auffressen.“, so Luthers Gottesbild. Hubertus Mynarek kommt zu dem Schluss: “Luther hat allen Lutheranern ein extrem inhumanes, krankmachendes Gottesbild vererbt. Seine “Theologie” ist das Spiegelbild seiner Persönlichkeit, die sich als willenloses Werk- und Spielzeug in der Hand übernatürlicher, sich in seiner Seele tummelnder göttlicher und teuflischer Mächte empfand und erlebte.” In Luthers Kirche fand dieser Wahn ein Zuhause, in dem Sünden fortan nicht mehr vergeben wurden.

Druckablass

Es gibt in dieser Psychohölle nur einen Ausweg: Die Projektion des Leids und der eigenen Sünden auf etwas noch Minderwertigeres. Schon Luther bot dafür die Juden an, sein Judenhass ist haltlos und mörderisch. Zudem verlangte er absoluten Gehorsam gegenüber den Feudalherren. Zweifellos hat er damit einen Samen gesät, der auch im Nationalsozialismus aufging. Zuvor hatten sich schon in der Neuzeit Protestanten besonders eifrig an der Hexenverfolgung beteiligt.

Aber nicht Luther allein hat die Voraussetzungen für die totalitäre brutale Gesinnung der Deutschen geschaffen, sondern in seiner Folge vor allem die preußischen Calvinisten. Die Staatsverwaltung der Hohenzollern, ebenso calvinistisch geprägt wie die Landesherren, reicherte die Gnadenlosigkeit der neuen Konfession mit einer Arbeitsethik an, die den verzweifelten Sündern ein weiteres Angebot machte: Arbeite, sei wirtschaftlich erfolgreich und verdiene dir so Gottes Gnade!

Traditionen

Die religiöse Wurzel des Kapitalismus wurde in Preußen in trauter Eintracht mit dem Lutheranismus gehegt. Gehorsam gegen die Obrigkeit wurde durch das allgegenwärtige Militär und strenge Hierarchien zum Markenzeichen: die „preußischen Tugenden“ sind seitdem so sprichwörtlich wie “Wir tun nur unsere Pfilcht”.

Das Ergebnis ist eine Mischung aus Eifer, Fleiß, Antisemitismus und Sadomasochismus. Einzig Luthers Irrationalismus erhielt unter den Hohenzollern einen gewissen Dämpfer. Im Rahmen der gegebenen Hierarchien, versteht sich, denn “wahre Aufklärung beleidigt die Majestät nie”, wie selbst die Rebellen unter den evangelischen Theologen stets wussten. Dass Demokratie die Majestät an sich beleidigt, war daher bis 1985 auch Leitlinie in der evangelischen Kirche. Inzwischen hat sie sich zähneknirschend angepasst und predigt uns nunmehr Freiheit in Verantwortung®.

p.s.: Weiterhin Erbauliches dazu gibt es hier und bei Charlie.

 
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(Zu Teil 1)

(Zu Teil 2)

Auf vielen Ebenen und mit vielen Techniken wird an den Schulen sozial selektiert und die Klassenzugehörigkeit festgelegt. Teils subtil, teils brachial werden Verhaltensmuster antrainiert, die dafür sorgen, dass die vorgezeichneten Bahnen nicht verlassen werden. Am unteren Rand stehen Dynastien, aus denen noch nie ein Kind die gymnasiale Oberstufe erreicht hat. Solche Familien sind ein Integrationsproblem, und zwar exakt dasselbe wie ghettoisierte Ausländer. Wenn man “soziale Brennpunkte” etwa “Stadtteil mit Entwicklungsbedarf” nennt, ändert das nichts an der Lage im Asiviertel. Dem entrinnt kaum jemand.

Dabei ist auch das wie bei den Migranten: Die Unterschicht bildet ihre eigene Kultur. Für viele Kinder wäre es ein Horror, das Gymnasium zu besuchen, weil sie dort niemanden kennen und von Fremden umgeben wären. Umgekehrt ist es für das Kind der Mittelschicht unmöglich, sich mit solchem Pöbel abzugeben. Ich selbst enstamme der Unterschicht, freilich einem Aufsteigerhaushalt (die gab es damals noch). “Sage mir, mit wem du umgehst und ich sage dir, wer du bist”, hieß es selbst bei uns. Selbst der obere Bodensatz hielt sich für etwas Besseres.

Kommunistische Demagogie

Dementsprechend ‘solidarisch’ ist die hiesige Arbeiterklasse. Dass auch der Filialleiter der Sparkasse dazugehört, kann er nicht wissen. Die große Suggestion, dass du bist, was du leistest, sitzt in der Mittelschicht am tiefsten. Wenn aus der jemand abstürzt (was derzeit massenhaft geschieht), sieht er das als furchtbaren Schicksalsschlag und als Ungerechtigkeit an, weil er nicht begreifen kann, dass der Boden schon immer unter ihm war. Es wird uns gelehrt, dass wir Konkurrenten sind, wir werden zu gehorsamen Strebern erzogen, die noch glauben, unerhört individuell zu sein. Alles, was die Identifikation mit der Arbeiterklasse ausmacht, wird systematisch ausgemerzt. Divide-et-impera wird in den Schulen angelegt.

Auf keiner politischen Ebene herrscht dafür ein Bewusstsein; im Gegenteil wird schon semantisch ausgeschlossen, dass darüber gesprochen werden könnte. “Klasse”, “Arbeiterklasse” gar, sind verbotene Vokabeln aus dem Arsenal kommunistischer Kampfrhetorik. Sie zu verwenden ist schlimmer als Rülpsen und Furzen. Wo ein Hauch von Ahnung aufkommt, dass Schule selektiert, wird das klammheimlich begrüßt. Selbstverständlich geht Thorben-Malte zum Gymi und Schackeline-Schantall zur Hauptschule. Schließlich geht das hier streng nach Leistung.

Den finalen Kopfschuss verpassen dann die Bologna-Hochschulen der Idee von einem durchlässigen Bildungssystem. Um die Unis endlich von linken Revoluzzern zu befreien und ihnen die Bildung auszutreiben, mit dem schönen Nebeneffekt, dass Milliarden für langjährige Studienverläufe eingespart werden, gibt es noch drei Jahre akademische Grundausbildung. Man nimmt gar den Effekt hin, dass junge Akademiker/innen völlig planlos in ihre Anschlussverwendung rutschen und viele komplett untauglich sind für das, wozu sie angeblich ausgebildet wurden. Die Priorität in diesem System ist offensichtlich. Mit Bildung hat sie nichts zu tun.

 
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(Zu Teil 1)

Das Bildungssystem, insbesondere das deutsche, ist eine ganz eigene Erzählung, Der freidrehende Fleiß, dessen Produktivität bei der Massenvernichtung ebenso zuverlässig wirkt wie bei der Massenproduktion, folgt einer Leistungsreligion, deren Gottheit ebenso unsichtbar und außerweltlich bleibt wie ihr Vorgänger im Himmel. Es ist nicht nachweisbar, eher schon widerlegbar, dass einen Zusammenhang gebe zwischen Leistung und Einkommen, aber das ganze System ist durchzogen von Sinnsprüchen, die das Gegenteil behaupten.

Schon in der Grundschule werden Karrieren zerstört, lange bevor so etwas wie Leistungsfähigkeit und kognitive Reife überhaupt beurteilt werden können. Das wird auch von niemandem bezweifelt, den auch nur ein Hauch von Sachkompetenz umweht. Warum ist es dann noch immer so? Hat sich doch bewährt! Sehr zuverlässig ist schon an den Gymnasien das Gros der Unterschicht ausgesiebt. Was von denen noch an der Uni ankommt, frisst nicht allzu viel Brot. Spätestens bei der Drucklegung der Dissertation kann man das noch ausbremsen, und selbst wenn es jemand zur echten Bildungselite schafft, ist das ja keine Garantie auf einen Platz im Stall der Superhengste.

Den Armen helfen

Wie reagiert der sozialdemokratische Teil des Systems, der noch Mitgefühl simulieren muss, darauf? Nicht etwa so, dass die Klassenschranken und Schützengräben im System auch nur diskutiert werden. Ihre Antwort sind Bildungsalmosen. Vielleicht lernen sie ja wenigstens, mit Messer und Gabel zu essen, die “Bildungsfernen”.

Das war übrigens früher® keinesfalls besser. Zu meiner Grundschulzeit gab es noch Noten im Bereich “mündlicher Ausdruck”; da konnte man die Kinder gleich ungehemmt für ihre Herkunft bestrafen. Allein dass in der Unterschicht eine andere Grammatik, ländlich auch noch eine ganz andere Sprache vorherrscht, ist ein ein kaum beachtetes Problem. Das Bildungssystem ändert nichts an diesen Makeln, weil sie erwünscht sind, und zwar vor allem von denen, die den Betrieb besorgen. Die Mittelschicht hält sich hier erfolgreich Konkurrenz vom Hals.

Selbsthilfe abgelehnt

Ein Weiteres tut der Einfluss der Eltern. Während eben diejenigen, die ihren Stand verteidigen, dies recht forsch tun und aktiv auf das Geschehen Einfluss nehmen, sind diejenigen, deren Kindern benachteiligt sind, zum Schweigen verdammt. Die Rollen sind klar verteilt: Hie die Leistungsträger und Helikoptereltern, dort die Versager, denen stillschweigend jede Kompetenz in Bildungsfragen abgesprochen wird. Wenn Schantall Probleme hat, liegt das an ihr oder ihrer Hartzer-Familie, ganz sicher nicht an der Schule oder ihren Lehrern. Wenn Sie anderer Ansicht sind, lernen Sie erst einmal, das in angemessener Form vorzubringen!

Die Mär von der Durchlässigkeit, von Gleichberechtigung und Demokratie, wird in den Bildungseinrichtungen in Grund und Boden gestampft. Das hat zur Folge und kann nur so funktionieren, dass dieser Umstand ignoriert und umgedeutet wird, wo er nicht geleugnet werden kann. Dann werden halt “Anreize” geschafft für die “Bildungsfernen” und der “Eigenverantwortung” überlassen. Wenn die Dynastien der Asozialen davon keinen Gebrauch machen oder nur Geld für das Essen ihrer Brut sparen, ist das schließlich der Beleg dafür, dass sie gar nicht wollen. Da kann man dann nix machen.

((Zu Teil 3))

 
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Ich hatte eh eine quasi literarische Frage im Vorlauf, als ich dieses Gespräch las. Eribon analysiert die aktuelle politische Situation immer wieder präzise; was ihn aber vielleicht noch mehr auszeichnet, ist sein Stil. Er erzählt oft anstatt zu dozieren, womit er mehr Menschen erreicht. Dabei verliert sein Blick keineswegs an Schärfe. In dem verlinkten Gespräch geht es außerdem um Bildung und die Frage, ob es ein Entrinnen aus der Klasse gibt, der man abgehört (also in der Regel der Arbeiterklasse).

Ich werde einmal versuchen, das zusammenzuziehen. Aufklärung und Bildung waren nie unmittelbar mit der Idee verbunden, Klassenschranken zu überwinden. Aufklärung war eine Waffe gegen den Adel, dann aber gleichsam für die Bourgeoisie als neue Herrscherklasse. Die Bildungskonzepte der frühen Moderne wie bei Humboldt sahen ebenfalls höhere Bildung nur für höhere Söhne vor. Erst die Nachkriegszeit öffnete kurz das Fenster zu einer Bildung, die Aufstieg ermöglichen sollte. Es wurde halt eine neue industrielle Mittelschicht gebraucht.

Ungenutzt

Mit dem Internet sind Möglichkeiten zu Information und Bildung gegeben, von denen man noch vor einem Wimpernschlag der Geschichte kaum träumen durfte. Wir wissen, wie viel Gebrauch davon gemacht wird. Dass die Menschen, vor allem die Arbeiterklasse, auf das Potential von Bildung verzichtet, ist erst in letzter Instanz eine durchaus beklagenswerte Faulheit. Sie ist vor allem Ergebnis der Erziehung, der Konditionierung von Menschen in den Schulen und anderen Einrichtungen.

Man kann die Gegenaufklärung mit Händen greifen. Die Errungenschaften des 18. Jahrhunderts sind eine Art Wandschmuck, und wo es nicht verboten wird, verschwindet auch der noch hinter einem Kruzifix. Ich kann es noch immer kaum begreifen, wie in allen Schulformen regelmäßig die Kinder sprichwörtlich auf die Knie gezwungen werden. Wie viel Zeit mit Beten und mystischem Firlefanz zugebracht wird und wie wenig mit einer Erziehung zur Mündigkeit.

Zurechtgestutzt

Die Kirchen, deren Anhängerschaft dahinschmilzt, haben nach wie vor Bildung und Politik im Würgegriff ihrer teils verfassungsmäßig gesicherten Verdummungsmaschine. In/im Bewusstsein der “Verantwortung vor Gott und den Menschen” heißt es in den Verfassungen von Bund und Ländern. Man beachte die Reihenfolge! Die göttliche Ordnung geht vor; Demokratie gibt es nur in diesem Rahmen, das halt, was von ihr noch übrig bleibt. Menschen werden schon in den Schulen zugerichtet, auf dass sie sich der Ordnung unterwerfen.

Das deutsche Schul- und Bildungssystem wird seit Jahrzehnten in Grund und Boden ‘reformiert’; Ziel und Zweck dieser Reformen sind Unterrichtsinhalte und die Organisation der Bildungseinrichtungen nach den Anforderungen des ‘Arbeitsmarktes’. Die wichtigste Funktion des Bildungssystems ist dabei gar nicht Gegenstand der Diskussion: Die Klassenzugehörigkeit festzulegen. Das ist kein Nebeneffekt. Im Gegenteil steht und fällt jede Möglichkeit von Bildung mit dieser Funktion.

(Zu Teil 2)

 
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Endlich gesiegt! Wir haben die rechte Hand Bin Ladens erwischt. Das ist ein Running Gag bei Fefe seit vielen Jahren. Dessen Leser wissen das. Wer in diesem Land die Schrottmedien konsumiert, weiß es nicht. Keine Ahnung, wie deren Leser und Zuschauer es fertigbringen, sich jahrzehntelang dieselben Lügen auftischen lassen; wie das noch immer funktioniert, obwohl sie inzwischen allesamt auffliegen.

Wir erinnern uns an Taliban aus der “Nordallianz”, die “gemäßigten”, die dann Al Kaida wurden. Dieselben Leute, ‘unsere Verbündeten’, waren plötzlich so schrecklich, dass wir seit 16 Jahren Krieg führen – niemand weiß, wohin das führen soll. Zuletzt gab es eine “gemäßigte Opposition” von “Rebellen” in Syrien, die sich kurz nach dieser medienweiten Einheitsbezeichnung dabei haben erwischen lassen, wie sie einem Teenager gemäßigt den Kopf abgeschnitten haben.

Gemäßigt brutal

Heute wird gemeldet, wie eine Drohne den “Anführer der brutalsten und aktivsten pakistanischen Talibangruppe” getötet hat. Nicht gemeldet wird, wer dabei noch getötet wurde. Nicht gemeldet wurde, was so brutal an ihm ist. Einziger Hinweis: “JuA steckte zum Beispiel 2016 hinter einem schweren Anschlag in der Großstadt Lahore, wo sich ein Selbstmordattentäter in einem Park voller Ostern feiernder Familien in die Luft sprengte. 70 Menschen starben.”

Schon 2015 betrug die Zahl der Opfer der NATO-Kriege von Irak bis Afghanistan über eine Million Tote. Eine Million Menschen in unserem gerechten, “Krieg gegen den Terror”, der gemäßigt ist, rücksichtsvoll und für die Menschenrechte. Wie kann man so etwas glauben? Wie kann man so etwas schreiben? Wie kann man dann noch erwarten, dass die Leser das auch alle glauben?

Die andere Baustelle, unsere von Gestapo und anderen Nazis in Kooperation mit den Faschisten der McCarthys aufgebauten Geheimdienste und Sonderpolizeien, wird derweil noch immer behandelt als seien das nette Leute, die sich öfter mal in der Tür vertun. Pannen über Pannen. Immer mehr Geld für immer mehr Pannen und immer mehr Anschläge, die mutmaßlich oder bewiesenermaßen von ihnen selbst begangen werden. Wer darin keine Panne sieht, ist Extremist oder irre.

So dumm sind die Leute nicht

Ein geschlossenes Weltbild ist nötig, um die offensichtlichen Zusammenhänge zu leugnen und anstelle derer welche zu konstruieren, die so verstrahlt sind, dass sie im Dunkeln leuchten. Ein Nebeneffekt dieser Märchen ist der, dass in einer Atmosphäre, die so etwas als Narrativ durchprügelt, wirklich jede Idiotie zur attraktiven Alternative wird. Wahrheit ist eine Behauptung, es regiert die These als Beweis. Der Versuch etwas zu widerlegen, ist Ketzerei.

Seit dem 11.09.2001 gilt: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Wer Fragen stellt, ist nicht für uns. Das führt längst nicht mehr zu der Trotzreaktion, jetzt erst recht alles zu hinterfragen und sich auf die Suche nach konsistenten Antworten zu machen. Inzwischen bastelt sich jeder Verein seine eigene Religion. Ständig höre ich von Halbgescheiten, die es wagen, mir Diskussionen aufzudrängen, “das glaube ich nicht“, wenn ich ihnen Hintergrundinformationen gebe.

Diese Simulation von Verstand beleidigt meine Intelligenz. Erst stellen sie Fragen als sei ich Google, und wenn ihnen die Antwort nicht gefällt, kommen sie mir mit ihrem Glauben. Für euch, hiermit beschlossen und verkündet: Das nächste Mal, wenn ihr mich fragt, schreib’ ich für die Antwort eine Rechnung. Vielleicht glaubt ihr ja an Mahnbescheide.

 
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In einer Verkaufsstelle für Elektronikwaren hielt ich heute Ausschau nach einem Fernsehgerät und fragte gezielt nach Produkten aus der Region. Es sollte umweltbewusst hergestellt worden sein, kurze Transportwege zum Einzelhändler aufweisen, von deutschen Arbeitern mit Fleiß und Schweiß erbaut nach den Plänen deutscher Ingenieurskunst, wie es seit Jahrhunderten zuverlässig und einzigartig der Fall war. Es ist nicht einfach. Da muss der Kunde beharrlich sein und sich nicht abspeisen lassen mit irgend einem herkömmlichen Schund, den halbgescheite Fließbandsklaven im Dienste des internationalen Finanzkapitals billig zusammenschustern.

Das taugt nichts, und man muss ja angesichts der Haltbarkeit solcher Erzeugnisse mutmaßen, dass der etwa asiatische Produzent es geradezu darauf anlegt, dass seine Massenware so schnell als möglich funktionsuntüchtig wird, damit er noch mehr davon seinem eigens dazu dumm gehaltenen Käufer andrehen kann. Das entspricht nicht der Mentalität des Deutschen, sei es als Kunde, als Arbeiter oder als Techniker. Deutsche Technik hatte einmal Weltruf. Was Thyssen, Krupp und Siemens seinerzeit an Qualität ablieferten, war für tausend Jahre gebaut. Ich ging unverrichteter Dinge heim.

Ist es heute besser?

Ich habe dann, meine Neigungen eisern beherrschend und der Pflicht gehorchend, einen deutschen Rasen gemäht, wie er noch nie auf deutschem Boden gemäht wurde. Halm um Halm, Kraut um Kraut erbarmungslos niedergemäht. Jeden Auswuchs einer unverschämten Länge zurechtgestutzt und die Reste auf dem Komposthaufen der Geschichte verklappt. Wir dürfen jetzt wieder stolz sein auf unseren Boden. Das Schicksal hat mich zum Werkzeug einer höheren Verheißung gemacht und ich nahm diesen Auftrag, diesen Ruf der abendländischen Kultur nach einem entschlossenen willensstarken Meister der Gartenpflege wahr.

Dem Tüchtigen sei dann auch das kleine Glück nach deutschem Reinheitsgebot gegönnt. Ein rustikales Brot auf der Terrasse, dazu eine Flasche Bier und eine Zeitung. Ich lese, dass die Kinder immer dicker werden. Bewegungsmangel, schlechtes Essen, keine Erziehung. War man früher stolz auf ranke und schlanke Racker, die wie die Wiesel herumtollten und den Älteren Respekt zollten, sitzen sie heute mit ihrer Lustelektronik auf dem fetten Hintern und lassen sich verwöhnen. Dabei haben sie für jene, die ihnen das ermöglichen, nur mehr Verachtung übrig.

Wo bleibt der starke Arm des Vaters, der das in Ordnung bringt? Oder ist das vielleicht erstrebenswert, dass die Zukunft des deutschen Volkes von fetten Faulpelzen abhängt, die kaum lesen und schreiben können, nicht mehr aus den Sessel hochkommen und mit 40 ihren zweiten Schlaganfall haben? Muss man sich schämen für Disziplin, Fleiß und Sauberkeit, während diese Brut gehätschelt und getätschelt wird? Darf man das noch sagen? Muss man sich dafür als “Nazi” beschimpfen lassen?

 
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Ein Fisch setzt sich auf meinen Schreibtisch und grüßt freundlich. Ich grüße zurück und versuche mich an einem Lächeln. “Grinst du denn so?”, fragt der Fisch. Für einen Augenblick flirtet der Bully in mir mit der Gegenfrage, ob der Fisch mit mir rede – um nach der zu erwartenden Antwort zu präzisieren, dass ich nicht meinte, ob er mit mir rede, sondern wieso ein (obendrein offenbar toter) Fisch mit mir rede. Weiß er, dass ich kein Vegetarier bin?

Aber ich lasse das und entscheide mich für das Thema, das ihn unter den Flossen juckt: “Trotzdem. Ich grinse trotzdem. Trotz Redefisch und SPD.”
“Aha”, sagt er, “du weißt einem Fisch zu gefallen.”
“Ich will dir nicht zu nahe treten, aber SPD? Da möchte ich kein totes Pferd sein. Ich meine: Ich werde doch lieber Lasagne als mich von den Sozen reiten zu lassen. Das riecht doch schon … also im Vergleich zu denen duftest du wie eine frisch gemähte Frühlingswiese.”

Gemähte Wiese

Eine Kellnerin kommt vorbei, stellt ihm einen grünen Cocktail hin und mir ein Pils. Dankbar haue ich ihr auf den Hintern. Sie mir dafür in die Fresse. Ich seufze. Weinstein müsste man heißen!
“Die AfD ist drin”, sagt der Fisch.
“Was schert’s einen Fisch?”, frage ich; er retourniert: “Ich sprach ja auch zu einem Menschen.”.
“Unentschieden”, sage ich und bestelle noch eine Runde “für mich und meinen Freund”.
Wir schweigen eine Weile, dann stellt er fest: “Wo ist der Unterschied.” Wir zitieren abwechselnd:

Es muss erstaunen, dass eine so hoch entwickelte Stadt wie Bremen ihre Liebe zu Roma und Sinti entdeckt, die, sozial und intellektuell, noch im Mittelalter leben, in einer uralten patriarchalischen Gesellschaft. (…) Es ist ein Patriarchat, dessen Männer keine Hemmungen haben, die Kinder zum Anschaffen statt zur Schule zu schicken, ihren Frauen die Zähne auszuschlagen und sich selber Stahlzähne zu gönnen. Viele der jungen Männer schmelzen sich mit Klebstoffdünsten das Gehirn weg.

Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert. Das gilt für 70 Prozent der türkischen und 90 Prozent der arabischen Bevölkerung in Berlin.”

Noch ein bisschen mehr Sauce?

Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate.

Der Rabbi hatte hohe Fortpflanzungschancen, weil er die reiche jüdische Kaufmannstochter heiraten konnte.”

Biologen verwenden für ‘Organismen, die zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen auf Kosten anderer Lebewesen – ihren Wirten – leben’, übereinstimmend die Bezeichnung ‘Parasiten’. Natürlich ist es völlig unstatthaft, Begriffe aus dem Tierreich auf Menschen zu übertragen. Schließlich ist Sozialbetrug nicht durch die Natur bestimmt, sondern vom Willen des einzelnen gesteuert.

So spielen bei Migranten aus dem Nahen Osten auch genetische Belastungen, bedingt durch die dort übliche Heirat zwischen Verwandten, eine erhebliche Rolle und sorgen für den überdurchschnittlich hohen Anteil an angeborenem Schwachsinn und anderen Erbkrankheiten.

“Wer braucht da die AfD”, sagt der Fisch, “die würden sich das doch gar nicht trauen. Ich bin sicher, die SPD wird diese verlorenen Schäfchen bald wieder einsammeln.”

p.s.: Die Geschichte mit dem Fisch ist selbstverständlich frei erfunden. Ich spreche schon aus religiösen Gründen mit Fischen nur über meinen Tierrechtsanwalt. Tatsächlich hat sich dieses Gespräch zwischen einem Wikinger („dicke Kerls mit Hörner“) und einem Kobold zugetragen.

 
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Als Linker – trägt man da eher Sneaker oder Wanderschuhe? Schaut man Tennis oder geht man ins Stadion? Eishockey oder Handball? Ist man für oder gegen E-Bikes? Nichtrauchender Veganer oder freigeistiger Weintrinker? Wie stehst du zum Mauerbau, zur Souveränität von Åland oder zum bedingungslosen Grundeinkommen? Ach ja? Und du willst ein Linker sein? Auf welcher Seite stehst du?

Im Rahmen der Diskussion zu Katalonien sind mir vergleichbare Fragen begegnet, und ich wundere mich noch immer, immer wieder über die Setzkästen, in denen viele nicht nur denken, sondern die sie auch noch anderen aufdrängen. Es ist nicht links, freilich schon gar nicht rechts, eine offene Diskussion zu führen; eine, bei der nicht von vornherein feststeht, was am Ende dabei herumkommt. Am besten finde ich tatsächlich den vermessenen Gesinnungstest à la “auf welcher Seite stehst du”?

Seite, Seite, Mitte, Breite

Sorry, ich bin eigentlich meistens in Bewegung. Periodisch verweise ich auf den Untertitel dieses Blogs. Das ist eine sehr gelungene Formel, auf die ich mein politisches Streben gebracht habe. Wo sie nicht anwendbar ist, gilt sie daher auch nicht. Ob ich den Rasen mähe oder die Hecke schneide, hängt davon nicht ab. Ich kann das trotzdem entscheiden. Ich kann mich sogar für politische Ereignisse interessieren, auf die ich weder diese Formel noch Marxens Analyse des Kapitals oder die Grundrechenarten anwenden kann.

Ich versuche zu verstehen. Dazu formuliere ich Texte, die man diskutieren kann oder auch nicht. Ich kann in diesen Texten meine Überzeugung darlegen oder deren Gegenteil. Beides kann dazu beitragen, etwas am Ende besser zu verstehen. Wer hier länger und intensiver liest, kann sich zusammenreimen, was ich ganz persönlich denke und wie ich zu diversen Fragen ‘stehe’, jedenfalls weitgehend. Das ist aber völlig unerheblich. Ich finde hier niemanden, auch nicht unter denjenigen, die mir am nächsten sind, mit dem ich immer übereinstimme.

Fällt das eigentlich so wenigen Menschen auf, dass es eigentlich niemanden gibt, der wirklich durchgängig ihrer Meinung ist? Dass dieser Umstand den Begriff Meinung gar definiert? Ist es wirklich ein Problem, dass immer ein kleiner oder größerer Dissens bleibt? Kann man sich nicht trotzdem – oder gerade in diesem Bewusstsein – einigen? Was bringt es eigentlich, “auf derselben Seite zu stehen”? Diese Formulierung benennt Barrikaden. Ich stehe ungern in deren Nähe und mag auch nicht schießen. Fragt mich also nochmal, wenn ich eine Knarre in der Hand habe.

Murxismus

Da auch dieses Missverständnis (wie auch immer provokativ) hier aufkam: Nein, ich bin kein Marxist. Ich wäre es nicht einmal, wenn ich es wäre, weil da draußen gefühlt 90% der Leute, die das meinen, eigentlich Leninismus meinen, wenn sie Marxismus sagen. Außerdem bin ich Marxianer exakt so weit, wie dessen Analyse des Kapitalismus zutrifft. Als Motorradfahrer, Katzenbesitzer oder Gintrinker bin ich kein Marxist. Nicht einmal als Partei in einem Rechtsstreit.

Nicht einmal der Konflikt zwischen den USA und Nordkorea oder deren Vorturnern ist ein Anwendungsgebiet für das, was ich von Marx gelernt habe. Nope. Ehrlich nicht. Kann ich da nicht brauchen. Um das zu verstehen, kann ich Freud oder ein paar Vulgärsoziologen heranziehen, die helfen mir eher, das zu begreifen. Ich bin in Betrachtung dieses Trauerspiels auch kein ‘Linker’. Ich stehe auf keiner Seite, und doch maße ich mir an, mich damit zu beschäftigen.

 
Ein dezenter Lesebefehl: Raul Zeliks “FAQ”.

 
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Quelle: Pixabay

Moral ist so lustig, insbesondere, wenn sie sich mit Politik mischt. Sehr gern genommen: Sätze nach der Art “Jedes xy ist eines zu viel“, Topfavorit hier: “Jeder tote …“, Championsleague-Sieger: “Jedes tote Kind“. Selbstredend. Völlig klar. Uneingeschränkt. Aber … also wir können ja nicht jedem helfen. Sagen wir mal: “Jedes tote Kind der christlichen weißen Mittelschicht, Eltern Nichtraucher, festangestellt und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet”.

Obwohl … also selbstredend gelten für unsereinen nicht die Ausnahmen, die bei aller Universalität von Freiheit, Menschenrechten und Moral dort gemacht werden müssen, wo wir unsere Lebensart noch nicht haben durchsetzen können. Eine Drohne ist schließlich nicht katholisch (selbst wenn gesegnet), das Gas von Degussa kennt keinen Gott und im Kampf um Freiheit, Hindukusch und Handelswege … also kurzum: Das sind alles bedauerliche Einzelfälle, gern gehäuft anfallend, aber im Grunde würden wir schon wollen.

Jeder Euro einer zu viel

Auch wenn rund um die Flüchtlingswahl zum Deutschen Bundestag deutlich wurde, dass die Wanderungsbewegung in die Sozialsysteme nicht hinnehmbar ist mit all ihren oft unästhetischen Folgen, so will ich an dieser Stelle auch davon nicht sprechen. Strandgut und Schlepperbanden, das wird die Koalitionsverhandlungen hinreichend belasten, auch ohne dass man sie obendrein moralisch auflädt.

Nein, aber es ist vielleicht doch darüber nachzudenken, was die vernünftige Sparsamkeit der scheidenden schwäbischen Hausfrau im Finanzministerium und ihrer Kolleginnen angerichtet haben. Ich weiß, es gibt keine Alternative; der faule Grieche hat das zurecht zu spüren bekommen. Was aber ist mit den armen Kindern unserer fleißigen Angestellten und Angesteltinnen? Müssen die wirklich verbrennen? Für 3000 Euro? Kann man nicht wenigstens eine Spendengala …?

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