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Juni 2014


 
daisy

Das Internet ist ein Tummelplatz für Losgelassene. Es gibt in wohl in jedem Viertel, in jeder besser besuchten Kneipe mindestens einen, der Tag für Tag Leuten auf den Keks geht und durch die ungeheure Energie zu beeindrucken weiß, mit der er sich immer wieder zum Horst macht. Tatsächlich erfordert das Mut, was gut ist, denn derart bleibt die Zahl der Probanden begrenzt. Nicht so im Netz. Hier verdichtet sich die Häufigkeit des Auftretens jenes Phänomens zu einem Horstschwarm, der mit dem krudesten Stuss durch die Foren mäandert. Außer regelmäßigem lautem Seufzen und gelegentlichen Ausfällen ordnungsliebender Sadomasochisten, die solche Leute gern gevierteilt sähen, nimmt man das aber inzwischen seit Jahrzehnten schulterzuckend hin.

Ich erwähne dieses Phänomen, weil es deutlich macht, wie die Entwicklung der schieren Meinungsmasse im Netz die Wirkung einzelner Strömungen und Argumentationen neutralisiert. Man kann schlicht alles sagen, man wird Gleichgesinnte finden und damit nichts erreichen. Für die Chemtrail- und Aluhut-Fraktion ist das vielleicht tröstlich, schützt es doch vor der gesteigerten Gefahr einer Zwangseinlieferung. Für Nazis ist das einfach nur geil, weil die zweihundert Breimurmeln mit ihren fünf Sprüchen für jede Lebenslage das Gefühl genießen dürfen, sie seien überall, und zwar in der Mehrheit. Für Linke hingegen sieht das alles ein bisschen anders aus.

In einer See von Lügen

Natürlich gibt es auch hier die Fehleinschätzung der eigenen Relevanz, weil ein paar Blogs und Foren eine gewisse Reichweite haben. Natürlich gibt es auch hier Trolle, die mit immer demselben Sermon aufschlagen. Wo aber linke Ideen und Diskussionen entwickelt werden, fühlt man sich meist schlecht repräsentiert. Wem daran gelegen ist, die Herrschaft von Menschen über Menschen zu kritisieren und zu beenden, wer darum (oder auch aus anderen Gründen) die fatale Entwicklung des Kapitalismus erkennt, wer sieht, wie tief die Korruption bereits sitzt im bestehenden System (aktuelles Beispiel hier), fragt sich zwangsläufig, warum man mit solchen Gedanken einer Randgruppe anzugehören scheint.

Das Establishment ist korrupt und verlogen, noch ein aktuelles Beispiel: Die Totalüberwachung der elektronischen Kommunikation erfolgt unter Mithilfe der Dienste aller verbündeten Staaten, deren Repräsentanten die Stirn haben, das noch “Demokratie” zu nennen. Seit durch Snowden bekannt wurde, dass wir alle überwacht werden, dementieren und leugnen die politischen Funktionäre und das Gros der Medien jedes Detail der Wirklichkeit, bis es durch Snowden und seine Mitstreiter doch bekannt wird. Dann macht halt irgend ein Verlag damit Kasse und die anderen sitzen es aus.

Klares Feindbild

Unter solchen Bedingungen kann man als Linker mit relevanten linken Ideen nicht vorankommen, weil solche Ideen an die Realität anknüpfen. Kommuniziert wird aber keine Realität, sondern die Wahnvorstellungen von einer Welt, wie sie von Geheimdiensten, Eliten und ihren publizistischen Adabeis gepflegt werden. Daher werden andererseits ganz folgerichtig schon alle diejenigen als linksextrem eingestuft [Klickbefehl!], die sich gegen Korruption und idiotische Projekte engagieren. Jetzt muss ernsthaft eine “wissenschaftliche Studie” her, um zu erklären, was diese Linksextremen so furchtbar linksextrem macht.

Das Leben ohne Großhirnrinde kann anstrengend sein, zumindest wenn man Zusammenhänge erklären soll. Dabei reicht ein Blick nach Südeuropa, wo diejenigen, die sich gegen Korruption und Verarmung auf die Straße wagen, einfach zusammengeknüppelt werden. Das hat in Stuttgart doch auch geklappt ohne dass jemand erklären musste, warum die auf der anderen Seite “linksextrem” seien. Bei uns waren das bislang solche und vor allem solche, die gegen Nazis sind. Damit haben die Dienste schön ihre Datenbanken gefüllt und wissen somit, wo sie ihre Feinde finden. Muss das jetzt wirklich von ‘Wissenschaftlern’ kaputtgemacht werden, um am Ende festzustellen, dass der Linksextreme an sich nur unter mangelndem Realitätsverlust leidet?

 
Der Pazifismus der Nazis hat uns doch erst die Niederlage eingebrockt. Hätten die Nationalsozialisten auf ihren Patriotismus gesetzt statt sie zu verbieten, wäre die SPD ein regierungsfähiger Partner gewesen. Das muss man doch einmal sagen dürfen.

Zwangsarbeiterpartei

Der Präsident ist der Richtige, denn wir müssen endlich diese Kommunisten besiegen, die zum Beispiel für Zwangsarbeit in Gefängnissen verantwortlich sind. Zwangsarbeit in Gefängnissen! Für Ikea!! Oh, ich höre gerade, das ist in der BRD seit deren Gründung auch üblich. Böses Foul. Links geht einer steil und skandiert “Abu Ghraib, Guantanamo und Fuhlsbüttel ebenso!“, au weh. Oppermann, übernehmen Sie!

Mascolo und das nächste Dementi

Geheimdienst-Mascolo weiß wieder was. Das nämlich keiner was gewusst hat. Dass der BND hierzulande die Totalüberwachung für den großen Bruder besorgt hat. Ganz neu weiß Geheimdienst-Mascolo jetzt, dass niemand weiß, dass “seit 2007″ fröhlich weiter abgeschnorchelt wird. Das glaubt er nämlich, der Mascolo, dass die Affäre da beendet war. Wir glauben das jetzt auch alle, ja sicher!

Da kann ja jeder kommen

A propos Unsicherheit: Deutsche durchrassen Wien und zwingen Östärraich zu weiteren orrdnungssichernden Maßnahmen. Die Hautfarbe des deutschen Staatsbürgers soll dabei keine Rolle spielen. Der Junge gilt aber als besonders gefährlich, weil man ihn nicht als Piefke erkennt. Daher wurde das “Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren” eingeleitet, ein Bürokratismus von Weltformat.

Wir schützen dich, du Opfer!

Für eine gewisse Klientel, die das Internet mit ihrem desolaten kognitiven Gesamtpaket verseucht, hätte ich nach deren religiöser Kommunikationsweise eben wohl “Triggerwarnung, Triggerwarnung!” rufen müssen, um die bösen Geister der Unmoral zu vertreiben. Meine ungewaschene Fresse, was hat sich da eine Rotte von Vollidioten zusammengetan; die Ableger intellektuell ruinierter Postchristizisten werden immer bizarrer. Ein „Trigger“, ihr Schwachmaten, ist kein Wort aus einer Liste böser Schimpfe, die man verbieten muss. Ein Trigger kann alles sein: Ein Geruch, eine Geste, eine Verhaltensweise, ein Stein, ein Geräusch, ein harmloses Wort. Wer wirklich Probleme hat mit Trauma und Angst, den könnt ihr nicht schützen, das will auch gar niemand, hört ihr? Kein. Mensch. Braucht. Euch! Was zum Beispiel kein Trigger ist, ihr Semantiknazis: “Woman Is the Nigger of the World.” Traumatisch hingegen der Gesang der Dame. Jetzt bloß nicht drüber nachdenken, Kopfschmerzwarnung!

 
dildusa

Eine wunderbar konzentrierte Geschichte haben wir da über das Erpressungspotential der Dienste und ihrer Totalüberwachung, die Essenz quasi dessen, was geschieht, wenn der Mob die Politik kontrolliert, der sich von Gesetzen unabhängig wähnt und sich als Schutz der Staaten aufspielt, die er unterwandert. Der Mob, der eigentlich genau umgekehrt der Politik, den Parlamenten und letztlich den Bürgern Rechteschaft ablegen müsste.

Wenn nun ein Minister abgehört wird, dann ist er selbst dann zu schützen, wenn er sich einer Gesetzesverletzung schuldig gemacht hat. Das gilt in einem Rechtsstaat überhaupt für jeden Bürger, so lange nicht offizielle Untersuchungen damit verbunden sind und selbst dann nur in Ausnahmen (über die man auch noch diskutieren kann). Aber nein: Eine willfährige Presse – wir hatten das bereits im Zusammenhang mit Edathy und anderem – zieht Gewinn aus der Veröffentlichung, und anstatt diesen Sumpf einer Kampagne zu verurteilen, gibt es Rücktrittsforderungen.

Fuck you, fuck you and fuck you!

Die Spitzel sind nicht identifiziert, es ist auch egal, wer die Gespräche von Radolsaw Sikorski mitgeschnitten hat. Auch ein Minister darf und muss private Ansichten äußern. Gerade der Tonfall, in dem er es tut, ist seine Privatangelegenheit. Inhaltlich muss ich im konkreten Fall obendrein feststellen, dass da endlich mal einer merkt, was läuft. Behandeln die USA ihre Partner wie Schlampen, die sie für ein paar Dollar ficken und dann wegwerfen? Ich kann dem im Kern nicht widersprechen.

So kommen wir also zu den Konsequenzen des Abhör-Pingpongs, das im Sinne der Spitzel immer wieder in Erpressungs-Squash mündet. Man kann sich dem nicht entziehen. Die technischen Voraussetzungen machen es zu leicht, und die Staaten, die vor der widerwärtigen Praxis schützen sollten, fördern sie stattdessen, vermutlich, weil ihre Repräsentanten längst deren Opfer sind. Sie versuchen sich offenbar unter der Gefahr zu ducken und die blütenweiße Unschuld zu mimen. Wer weiß, was da alles getan wird, um nicht selbst ins Rampenlicht zu geraten.

Das ist keine Lösung. Geheimhaltung ist auf jeder politischen Ebene fatal, und wenn es den politischen Entscheidern nicht mehr möglich ist, sich vor Überwachung und Erpressung zu schützen, gibt es nur die Flucht nach vorn. Wir brauchen mehr Leute, die sich nicht mehr ficken lassen und erkennen, dass es sich nicht lohnt, jedem einen zu blasen, dessen Einfluss man sonst fürchten müsste. Was habt ihr denn zu befürchten? Eine Titelstory? Wir werden uns dran gewöhnen und Skandälchen wie diese noch mit einem wohlwohlenen Nicken quittieren. Wohlan denn: Fickt die Spitzel, aber ordentlich, das ist nämlich ganz nebenbei euer verdammter Job.

 
waha

Von der FIFA lernen heißt siegen lernen. Es gibt milliarden Anhänger dieses komischen Ballsports auf der Welt, und ein paar gut vernetzte Mafiosi, altes runzliges Pack, das im Leben noch nichts anderes getan hat als die Arbeit und das Talent anderer Menschen auszusaugen, modelt einen wunderbaren Sport und die Begeisterung darum in ein ödes Business um, stopft sich die Taschen bis zum Platzen voll und bildet zur Erklärung eine Ethikkommission. Für den ungestörten Ablauf der damit verbundenen fortgesetzten Schutzgelderpressung gehen zwar ein paar Sklaven drauf – im globalen Wettbewerb ist die Quote nicht einmal zu hoch, aber es müssen nicht einmal Kriege darum geführt werden. Das ist Management auf Weltniveau.

Ehe wir ans andere Ende der Nahrungskette springen, wo deutsche Geheimdienste die gottverlassen dämlichste Figur abgeben und es dabei an keiner Geschmackssorte des Abschaums missen lassen, wollen wir uns kurz mit den aktuellen Kapriolen des eumerikanischen Oligarchismus befassen: Die neoliberale Doktrin wird weiter zementiert und durch ein nur mehr mit den Verabredungen von sizilianischen Mobstern vergleichbares Vorgehen umgesetzt. Die abstoßendste Erniedrigung der Rechtsstaatlichkeit wird da als Vorbereitung eines “internationalen Vertrages” verkauft, als seien Verträge ohne rechtliche Grundlage nicht der schlichte Irrsinn. Aber nein, sie glauben, sie müssten das so nennen, meinen, sie müssten den Völkern vormachen, das sei alles verbindlich und verpflichtend.

Nichts ist da verbindlich, im Gegenteil, es ist absurd. Macht aber nix: Da es nämlich niemanden interessiert, können sie das machen. Ich bin allerdings dafür, dass sie aufhören, sich noch Rechtfertigungen dafür auszudenken und diese durch ihre Presse propagieren zu lassen. So viele Schmerzmittel kann nämlich kein Mensch fressen, um diesen Stuss noch auszuhalten.

Völlig uninteressant

Genau so sieht das aus mit dem bizarren hirnschmelzenden Ritual ‘Terrorwarnung-kein Terror-mehr Überwachung-Terrorwarnung …’. Heute tamtamt die FAZ, die böse Isis plane Anschläge in Europa. Ja nee is klar, die haben ja reichlich Kapazitäten frei. Satte dreizehn Jahre nach der Zündung der höchsten Stufe des Daueralarms und der gleichzeitigen totalen Destabilisierung der islamischen Welt diesseits von Indonesien hat sich immer noch keine Terrortruppe aufgemacht und den Krieg hierher getragen. Ja was muss man denn noch anstellen, um endlich echte Panik zu schüren? Wieso helfen die uns nicht?

Auch hier aber ist es doch längst so: Interessiert niemanden, alle machen alles mit, und der virtuelle Terrormann ist mindestens so gut wie der echte. Die größte Ausländerfeindlichkeit herrscht ja eh bekanntlich dort, wo sie gar keinen kennen. Und natürlich bei den deutschen Diensten, wo der Burschenschaftler Chef ist. Die uns vor Nazis und Kinderfickern schützen, indem sie Nazis und Kinderficker einstellen.

Was soll’s, es ist FIFA-WM, und nicht mal die wäre mehr nötig, um alles zu tun, was möglichst vielen Menschen schadet, so gut wie niemandem nützt, echt widerlich daherkommt und jeden Tag ein bisschen mehr Faschismus auf dem Globus etabliert. Interessiert niemanden. Man kann ja doch nichts machen, und die Kanzlerin ist so beliebt wie nie ein Mensch zuvor.

 
So, der Herr De Lapuente bezichtigt mich der Religionsgründung, ausgerechnet. Dann will ich ihm hier noch einmal ausführlicher antworten, drüben habe ich das als Kommentar bereits getan, den ich hier erweitere:

Nun, der Vorwurf der “Theologie” wäre schon besser, käme er begründet, aber Schwamm drüber. Wirf mir getrost Religionssoziologie vor, damit könnte ich schon besser leben, zumal mir ein erweitertes Verständnis von Weber und seinem Fokus auf das Problem der Thedodizee sehr zusagt. Hier in den Kommentaren wehre ich mich etwa gegen die Ontologisierung der Produktionsbedingungen und pflege die Überzeugung, dass ein Bewusstsein, welches das Sein bestimmt, Ziel der Veranstaltung sein sollte – wobei die Produktionsweise, da bin ich durchaus Marxianer, eine zentrale Rolle spielen wird.

Das Grundmissverständnis ist, dass es mir nicht um Revolution geht. Es geht mir um Analyse. Alle historische Erfahrung zeigt und die aktuelle brennt es uns ein: Kapitalismus führt zwangsläufig zu diesem Resultat. Aus Geld mehr Geld zu machen, führt in Unterdrückung und Ausbeutung. Ich predige keine Zukunftsmodelle, ich versuche sie zu entwickeln. Aber eines ist mir völlig klar: Wir müssen über Marx reden. Den kannst du nicht links liegen lassen und nicht mit einem Federstrich übergehen. Das ist der Kreidestrich, vor dem die meisten noch Männekes bauen: “Hier ist verboten”. Wer behauptet, Kapitalismus, auch im Euphemismus “Marktwirtschaft” könne funktionieren, muss Marx widerlegen, implizit oder explizit. Ist bis heute aber niemandem gelungen.

Derselbe Zufall vs. Klassenkampf

Der Herr Berger, mit dem ich bereits zu Ähnlichem die Klingen kreuzen durfte, hat sich kommentarlos von der Diskussion zurückgezogen. Das war anders verabredet, auch das. Ich kann aber aus dem Fundus hier meinen letztem Opener gern weiter geben, denn mit ihm bin ich an dieser Stelle stehen geblieben. Er hatte gesagt:

Wichtig ist dabei nur, dass man die Realwirtschaft abschirmt und das ist möglich; vorausgesetzt man will das.

Nun, das war sein Ansatz, nicht deiner, aber ich unterstelle, dass auch dir vorschwebt, man könne Kapitalismus (nein, ich weigere mich, das “Marktwirtschaft” zu nennen) derart zähmen, dass das Gute erhalten bleibt? Dann sage mir bitte, wie. Sage mir im übrigen, wie du außer Kraft setzt, dass ein funktionierender Kapitalismus auf der Vermehrung von Kapital beruht, das sich auch dann vermehren muss, wenn es schon so viel davon gibt, dass es um ein vielfaches das Weltsozialprodukt übersteigt. Oder willst du hingehen und alle paar Wochen sagen: “So, genug Geld verdient, gebt mir das wieder, dann könnt ihr von vorn anfangen.”? Könnte man machen, dann würde aber keiner mehr “Geld verdienen” wollen und man hätte die Nachteile beider bekannter Systeme endlich vereint.

Widerlegt mir wenigstens den Bontrup, der hat meiner Ansicht nach das Wichtigste gesagt. Gebt mir irgend etwas, das mich davon überzeugt, dass die x-te Wiederholung derselben Misere – zumal in einem Paradoxon bitterer Armut inmitten unendlich anmutender Produktivität – schon wieder nur ein Zufall sein soll. Knüpft, das wäre meine Bitte zum Schluss, an die hiesige Diskussion an und zeigt mir, dass es doch der Wille Einzelner ist, der das Ganze bestimmt und nicht der rohe Systemzwang. Und zieht euch etwas Warmes an!

 
nausaZwei Beispiele: Mitten in Europa, ich hatte mich beizeiten schon dazu geäußert, regieren Faschisten mit Nazis, nämlich in Ungarn, wo das oberste Gericht neulich festgestellt hat, dass man Leute, die SS-Runen und Hakenkreuze in die Hülle ihrer leeren Bremsbirnen eingravieren lassen, nicht “rechtsextrem” nennen darf. Dorthin verschlägt es Bomben-Gauck, der nicht müde wird, Kriegseinsätze zu verharmlosen und zu verherrlichen. Er nimmt dort an antikommunistischen Gedenkveranstaltungen teil, der Freiheit wegen natürlich.

Der Mann, der so beherzt gegen den Kommunismus in Europa kämpft, fordert unentwegt in seiner Orwellschen Rhetorik “mehr Verantwortung” für Deutschland, was bedeutet: mehr verfassungswidrige Auslandseinsätze der Bundeswehr, mehr Waffen, mehr Tote, mehr Chaos. Denn während Gauck unbedingt wieder mit dabei sein will, wenn Helden geehrt und Trauerfeiern mit großem Zapfenstreich begangen werden, dämmert es sogar bei Obamas, die sich genötigt fühlen, ihre gesamte Kriegspolitik in die Tonne zu hauen und mit dem Iran zu paktieren. Woran liegt das?

Kriegsterror

Eine halbwegs brauchbare Zusammenfassung der Lage im Nahen Osten finde ich bei ria novosti. Was ich bislang nicht verstehe, sind allerdings Sätze wie “Die radikalen Sunniten haben sieben wichtige Städte, darunter die zweitgrößte Stadt Mossul und die Heimatstadt Saddam Husseins, Tikrit, unter Kontrolle genommen “, lese ich doch allenthalben, dass es sich nur um einige tausend Kämpfer handelt. Wie können die mehrere Großstädte “kontrollieren”? Selbst wenn man berücksichtigt, dass sie offenbar überall die Knäste leeren und dort reichlich Verbündete finden, können sie damit wohl kaum Städte regieren. Sie schaffen also Angst und Chaos und rufen sich unwidersprochen zu Herrschern aus. Kontrolle ist das nicht, und ich spekuliere hier einmal, dass das bald wieder zusammenbrechen wird.

Was wir sicher sagen können, ist dass der Kriegsterror der NATO, denn allmählich kann man die Rechnung aufmachen, dass Trümmer und Chaos alles sind, was Bush, Blair und Obama hinterlassen, zum Flächenbrand wird. Afghanistan kann man da schon beinahe ausnehmen, denn das liegt fernab und dort gab es nicht viel Ordnung zu zerstören. Anders im Irak, wo man den gehätschelten ‘Hurensohn’ Saddam durch Warlords und Machtvakuum ersetzt hat. Als sei das nicht genug gewesen, musste als nächstes der zuletzt ebenfalls noch hofierte Gaddafi dran glauben. Nach dem Umsturz in Tunesien und das durch westliche ‘Diplomatie’ und Antiislamismus dauernd destabilisierte Algerien war damit das Chaos total. Nach dem Verlust der Ordnung in Libyen hatten sich bereits alte Warlords, mit dem Etikett “Al Qaeda” versehen, in Nordwestafrika etabliert, weitere Ausläufer richteten sich gegen Syrien.

Mehr davon!

Dort regiert noch immer Assad, ein fieser Kerl, dem man alles mögliche andichten kann, zur Not auch die Verantwortung für die Lage in der Region. Hätte Russland nicht auf die Bremse getreten, wäre er bereits Geschichte und womöglich noch ein Staat ohne jede Ordnung. Dass Ägypten ebenfalls zwischen Islamismus und Junta pendelt, verdankt sich derweil derselben Politik, die nur die Unterstützung von Diktatoren, die Bombardierung ihrer Regimes und die Überschwemmung der betroffenen Regionen mit Waffen kennt. Fleißig unterstützen die treuen Freunde der USA diese Politik, die von Saudi-Arabien und den benachbarten Öltürmen mit Staatsflaggen aus ebenfalls Geld und Waffen besorgen. Na klar:

Die Gegner von US-Präsident Barack Obama halten die Eskalation im Irak für eine Folge der Fehlentscheidungen des Weißen Hauses, das auf Waffenlieferungen an die gemäßigten Oppositionellen in Syrien verzichtet hat.”

Zu wenig Intervention, zu wenig Waffen, da sind sie sich einig, die Genies in Washington und unser Kriegspräsident. Weit und breit keine Idee, wie man Menschen leben lässt. Wie man irgendwie die Waffen einsammelt, mit denen bitterarme Unschuldige abgeschlachtet werden. Keine Ahnung, wie man Gewalt eindämmt, vor allem aber nicht die Spur eines Willens dazu. So regiert die NATO, gehetzt von ihren Geheimdiensten und repräsentiert von seelenlosen Sprechpuppen. So sieht er aus, der Dritte Weltkrieg, und seinen Generälen ist er noch immer zu kalt.

[Update:] Ein guter Beitrag zum Thema ist das Interview hier mit Jürgen Todenhöfer.

 
Es ist ein Systemproblem. Ein Spielansatz, der lange erfolgreich ist, scheint irgendwann zwangsläufig verkrusten zu müssen. Der Fehler liegt schon darin, an ihm festzuhalten, so lange er Erfolg hat. Man weiß, dass er kopiert werden wird. Man weiß, dass sich andere darauf einstellen, und sofern es sich um Konkurrenz handelt, zumal die der international stärksten Konkurrenz, kann das irgendwann nicht mehr gutgehen. Eine ursprünglich revolutionäre Strategie wird auf die Dauer zur Last. Eine Weile erntet man die Früchte und genießt den Erfolg, dann kommt das Bewahren, dann das Festhalten an schon untauglichen Mitteln und schließlich der Untergang.

Was hätte der Welt- und Europameister anders machen können? Vielleicht nicht warten bis es zu spät war. Kenner der Materie haben schon lange davor gewarnt, dass Übersättigung einhergeht mit der Gefahr des Zusammenbruchs. So weit, so richtig, aber hätte man ernsthaft ein erfolgreiches System auf der Höhe seiner Effizienz ändern sollen? Umbauen, gar abbauen, etwas völlig anderes ausprobieren? Nehmen wir an, das wäre richtig gewesen, wer hätte es wie durchsetzen sollen? Schon der Versuch wäre bei den geringsten Anzeichen von Nebenwirkungen von wütenden Protesten begleitet worden. Die Anhänger hassen Veränderungen, für die ihnen die Einsicht fehlt. Sicher, bleiben die Veränderungen aus und führen ins Unvermeidliche, ist das Geschrei ebenso groß. Wo aber waren die Mutigen, die es dennoch angepackt haben – bevor es zu spät war?

Rücksichtsloses Beharren

Unter den Europäern ist die Konkurrenz besonders groß, auch wenn sowohl traditionell die amerikanischen Mitbewerber als auch die Gegner aus Asien – Japan, aber auch Südkorea waren hier Vorreiter – nicht außer acht zu lassen sind. Die innereuropäische Konkurrenz ist aber schon allein aufgrund der höheren Leistungsdichte viel größer als die globale. Dass nun aber die europäische Konkurrenz den Titelverteidiger derart rüde vom Thron stoßen würde, ist doch überraschend. Dessen rücksichtsloses Beharren auf überkommene Erfolgsrezepte musste sich aber über kurz oder lang rächen.

Spanien bleibt dabei das Maß der Dinge, auch wenn zwischenzeitlich Griechenland die Messlatte zu sein schien. Deren System war freilich noch antiquierter und der direkte Einfluss des deutschen Chefs am Spielfeldrand allzu deutlich. Dennoch taugt Griechenland eher zum Symbol als zum Maßstab. Spanien bringt ein ganz anderes Gewicht in die Waagschale, und das Rumoren in einem Volk, das zumindest in einigen Regionen mindestens so temperamentvoll ist wie es ihm nachgesagt wird, ist nicht mehr zu überhören. Hier entscheidet sich, ob das alte System noch eine Zukunft hat, ob die Millionenschweren Spieler sich weiter ohne Sinn und Ziel die Bälle zuschieben können oder ob endlich andere Ideen zum Zuge kommen. Es ist zu fürchten, dass niemand eine hat, die sich durchsetzen lässt. Dennoch werden sich das alle bis zum bitteren Ende anschauen – und noch dafür zahlen.

 
Frank Schirrmacher ist tot. Das ist ein großer Verlust für alle, denen etwas am Lesen und Diskutieren liegt, für alle Republikaner, die Politik und Kultur als öffentliche Sache sehen, für alle Liberalen, denen etwas an einer Streitkultur liegt, in der es nicht bloß um den Erhalt der Meinung und der Macht ihrer Produktion geht. Für alle Linken, die einen suchen, an dem sie sich reiben können ohne dabei das Gefühl zu haben, sie könnten auch mit einer Cervelatwurst reden und für alle Konservativen, die noch interessiert, was es denn eigentlich sein kann, das noch erhaltenswert ist.

Ich schrieb vor einigen Jahren bereits, dass es sein Zweifel ist, der Schirrmachers Diskurspflege ausmacht. Da war immer Bewegung, immer eine Frage hinter der Frage, die wichtiger war als die Antwort. Schirrmacher war ein philosophischer Journalist und damit sowohl einer, der sich vom traurigen Rest seiner Zunft wohltuend abhob als auch einer, der all das für eine lebendige philosophische Kultur getan hat, was Boulevardschwätzer wie Sloterdijk oder Precht vermissen lassen.

Was bleibt?

Ich war eher selten seiner Meinung. Ich habe nicht die Art konservativer Geisteshaltung, die sich als solche mitunter auch abgehoben und schwelgerisch verzettelt, wo die nackte somatische Not längst den Weg weisen müsste. Die Schwäche des Konservativen, dass er nicht zerstören mag, was nicht mehr zu retten ist, dass er nicht in Rage gerät angesichts einer Ungerechtigkeit, die keine Salonatmosphäre mehr aufkommen lässt, hat auch ihn beeinträchtigt. Andererseits liegt in dem Vermögen zu abstrahieren eine Kraft, die konkreter Kritik abgeht – wenn man den Weg zu dieser zurück findet.

Daher ist ein wirklich kritischer Konservativer eine seltene Erscheinung, der Verlust dementsprechend beklagenswert. Wir sind nicht bei Wünschdirwas, schon gar nicht im Spiel der Verlage um Profite, aber ich äußere einmal eine vage Hoffnung: Möge Frank Schirrmacher seine Redaktion schon so mit Niveau infiziert haben, dass es Früchte trägt. Wenn er schon nicht ersetzbar ist, dann vielleicht wenigstens ein Vorbild.

 
buehne

Wenn man in diesen Zeiten lebt, wird man sehr schnell sehr alt. Jahrhunderte alt. Was ich allein in den letzten zehn Jahren an Jahrhundertwettern erlebt habe, dafür muss in normalen Zeiten ein Stein verdammt lange vor sich hin erodieren. Ich habe am vergangenen Montag einen Sturm erlebt wie noch nie in meinem Leben. So etwas gibt es hier eigentlich gar nicht. Man hätte es ahnen können: Das Pfingstwochenende war “das heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen“.

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Schon in der Nacht hatte ich erlebt, wie uns eine halbe Tanne in den Garten geworfen wurde und der Essigbaum sich endgültig flachgelegt hatte. Am nächsten Tag bin ich dann noch einmal um den Block gezogen, zum Festivalgelände und zurück. Kaum drei Schritte gelaufen, lag der erste halbe Baum auf der Straße. Hundert Meter weiter lehnte einer entwurzelt am Brückengeländer, gegenüber ein anderer. Eine Birke ruht derweil auf einem Haus. Zweihundert Meter.

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Unten an der Ruhr überall dasselbe Bild: Die Welt ist grün, nur irgendwie tiefergelegt. Verwüstung. Kyrill, der “Jahrhundertsturm” von 2007, war ein lauer Fön dagegen. Der hatte sicher eine größere Fläche betroffen als nur das halbe Rhein/Ruhr-Gebiet, aber bei diesem Kahlschlag hier fehlen mir die Worte. Ach, ich habe oben noch den Biergarten vergessen, der war übrigens offen, als die Hölle aufbrach. Das Festivalgelände kann man kaum richtig darstellen, denn das Grün hier unten, das aussieht wie Büsche, täuscht. Es gibt hier keine Büsche, das ganze Zeugs kam von oben auf die panische Masse herab. Der Weg zum Ausgang ist besonders dicht mit Gehölz bestreut. Die Bühne (Bild oben) ist verdammt stabil gebaut, der hat es nur die Segel komplett zerfetzt.

exit

Zum Festival ist noch zu sagen, dass die “Love Parade” hier für sehr gute und notwendige Änderungen gesorgt hat. Dass da keiner zu Tode gekommen ist trotz der verheerenden Umstände – Hut ab! Früher war das ein völlig überfüllter enger Schlauch. Hätte wenn und wäre das vor ein paar Jahren passiert, gäbe es eine Riesentrauerfeier.

Ich bin gestern durch die Stadt gefahren und habe viel telefoniert. So wie hier sieht das überall aus, Rheinruhr fährt einspurig und ohne Oberleitungen. Dieses Monster von einem Gewitter wird nicht das letzte seiner Art gewesen sein. Es wird kuschelig, und das Wort “Klimapanik” bekommt eine nette neue Wendung. Ob wir daraus lernen? Wie immer jein. Dass der Kioskmann mitten in der Nacht seinen Laden aufgemacht hat und plötzlich Leute miteinander reden, die sich sonst kaum grüßen, ist schön. Dass das größte Problem der meisten zu sein scheint, dass sie pönktlich!! am Arrbeitsplatz zu erscheinen haben und dass sie ernsthaft Sanktionen befürchten, das Übliche. Et hät noch immer jootjejange.

Hier stand eben ein Artikel, den ich vorläufig auf privat stelle. Ich habe eben gehört, es habe Tote gegeben auf dem Pfingst Open Air. Hoffentlich eine Fehlinformation.

(Update:) Da sich die Nachricht zum Glück als Ente erwies, stelle ich das Ding wieder online. Ist zwar nicht mehr lustig, aber der Chronismus will das so.

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