Frank Schirrmacher ist tot. Das ist ein großer Verlust für alle, denen etwas am Lesen und Diskutieren liegt, für alle Republikaner, die Politik und Kultur als öffentliche Sache sehen, für alle Liberalen, denen etwas an einer Streitkultur liegt, in der es nicht bloß um den Erhalt der Meinung und der Macht ihrer Produktion geht. Für alle Linken, die einen suchen, an dem sie sich reiben können ohne dabei das Gefühl zu haben, sie könnten auch mit einer Cervelatwurst reden und für alle Konservativen, die noch interessiert, was es denn eigentlich sein kann, das noch erhaltenswert ist.
Ich schrieb vor einigen Jahren bereits, dass es sein Zweifel ist, der Schirrmachers Diskurspflege ausmacht. Da war immer Bewegung, immer eine Frage hinter der Frage, die wichtiger war als die Antwort. Schirrmacher war ein philosophischer Journalist und damit sowohl einer, der sich vom traurigen Rest seiner Zunft wohltuend abhob als auch einer, der all das für eine lebendige philosophische Kultur getan hat, was Boulevardschwätzer wie Sloterdijk oder Precht vermissen lassen.
Was bleibt?
Ich war eher selten seiner Meinung. Ich habe nicht die Art konservativer Geisteshaltung, die sich als solche mitunter auch abgehoben und schwelgerisch verzettelt, wo die nackte somatische Not längst den Weg weisen müsste. Die Schwäche des Konservativen, dass er nicht zerstören mag, was nicht mehr zu retten ist, dass er nicht in Rage gerät angesichts einer Ungerechtigkeit, die keine Salonatmosphäre mehr aufkommen lässt, hat auch ihn beeinträchtigt. Andererseits liegt in dem Vermögen zu abstrahieren eine Kraft, die konkreter Kritik abgeht – wenn man den Weg zu dieser zurück findet.
Daher ist ein wirklich kritischer Konservativer eine seltene Erscheinung, der Verlust dementsprechend beklagenswert. Wir sind nicht bei Wünschdirwas, schon gar nicht im Spiel der Verlage um Profite, aber ich äußere einmal eine vage Hoffnung: Möge Frank Schirrmacher seine Redaktion schon so mit Niveau infiziert haben, dass es Früchte trägt. Wenn er schon nicht ersetzbar ist, dann vielleicht wenigstens ein Vorbild.
Juni 12th, 2014 at 23:06
Ich war manchmal gefühlt in der Nähe seiner Meinung, nie jedoch ganz. Zumindest gab mir Schirrmacher aber die Hoffnung, dass es doch noch eine gewisse Flexibilität unter (einigen) Konservativen gibt.
Das Feuilleton war für mich der einzige interessante und erträgliche Teil der FAZ. Ich schließe mich flatter an. Wünschen wir uns, dass Schirrmacher eine Saat legen konnte. Auf alle Fälle fehlt er zunächst in der derzeitigen Medienlandschaft (genauer Medienwüste).
Juni 12th, 2014 at 23:45
ja, lieber Flatter , dem kann ich mich anschließen
einem Herzinfarkt (tötlichen) Folgen mit so relativ jungen Jahren zu erliegen … ist schon recht traurig
ich erlebte den Tod vieler Menschen in ganz persönlicher Nähe, daher ist mir der Tod von Frank Schirrmacher auch sehr nahe gegangen……
gleichzeitig denke ich an eine Erlösung, wobei die Angehörigen die schwere Last der Trauer tragen.
Juni 13th, 2014 at 00:56
Einer deiner besten Texte. Ich moechte mich anschliessen.
Juni 13th, 2014 at 02:07
Der Quintessenz Deines Artikels – speziell der des verlinkten Aufsatzes von 2011 – kann ich, was die Diskurs- und Wirkungsaspekte betrifft, nur zustimmen. Sein Methusalem-Dingens hat mich eher abgeschreckt – bin auch sonst eher kein FAZ-Leser – aber einige Aufsätze von ihm habe ich dann doch interessiert gelesen und die beiden Gespräche bei Frank & Fefes “Alternativlos” angehört. Seine Diskussionskultur fand ich aufmerksam und sympathisch.
Ja, es gibt unter den “Konservativen” immerhin noch etliche Leute mit Geist und Verstand. In Deutschland fällt mir da gerade Willy Wimmer ein, in den USA z.B. Paul Craig Roberts und (der leider inzwischen verstorbene) Chalmers Johnson (Trilogie “Blowback”, “The Sorrows of Empire” und “Nemesis”). Lohnt sich durchaus, sich mit deren Analysen und Gedankenwelt zu beschäftigen.
Dem Feuilleton der FAZ hat er Charakter gegeben – möge daher Dein Wunsch im letzten Satz in Erfüllung gehen!
Juni 13th, 2014 at 06:59
als ich die meldung gestern gelesen habe, muss ich zugegeben, tatsächlich kurz in eine art schockstarre gefallen zu sein. schirrmachers haltung konnte ich im gegensatz so vieler wenigstens 1/2wegs nachvollziehen. das gespräch bei alternativlos hatte einen nicht unwesentlichen anteil daran, daß ich ihn als echten mensch wahrnehmen konnte.
geht mir nahe.
Juni 13th, 2014 at 09:11
Danke, flatter, Dein Nachruf bringt es genau auf den Punkt.
Juni 13th, 2014 at 10:02
Zitat:
… wo die nackte somatische Not längst den Weg weisen müsste.
Hier hast Du ein Beispiel der “nackten somatischen Not”
Why Riot against the World Cup?
Noch deutlicher?
http://crimethinc.com/texts/fx/horse1370.jpg
p.s.
‘The intercept’ … der erste empfehlenswerte Link in Deiner Blogroll. Wurde auch Zeit!
Juni 13th, 2014 at 10:49
Das ist einfach wahr (zumindest auch für mich) und hauchfein geschrieben. Mit Respekt und Anerkennung, ohne Anbiederung oder Distanzlosigkeit… so zumindet ist es mir ausnahmsweise möglich, mich einem Nachruf anschließen zu wollen. Danke.
Juni 13th, 2014 at 11:08
@Ahadaschaurija: Der ist aber schon recht lange drin, der Link.
Juni 13th, 2014 at 11:19
Wohl gewählte Worte. Danke.
Juni 13th, 2014 at 13:27
Das übliche Gesülze nach Todesfällen ist mir verhasst, aber Uena (@8) hat völlig Recht.
Ich bilde mir ein, auch vielerorts eine allgemeinere Betroffenheit ob dieser persönlichen Tragödie wahrzunehmen, da in den gesellschaftlichen “Schlüsselpositionen” langsam die zurechnungsfähigen Menschen ausgehen.
@7 Ein erschütterndes Bild. Was auch immer dort grad passiert, bringt den Mut der Verzweiflung auf den Punkt. Den Pferdepolizisten geht bestimmt auch der Arsch auf Grundeis (ist da Pfeilgift in der Kalebasse?).
Die Verantwortlichen sind weit und breit nicht zu sehen.
Juni 13th, 2014 at 13:36
@L´Andratté: mir normalerweise auch, aber dein “zurechnungsfähig” war genau das ausschlaggebende in diesem fall…
Juni 13th, 2014 at 13:52
Hoffen wir mal, daß es das FAZ-Feuillton nicht zerbröselt.
Juni 13th, 2014 at 20:45
Ich setz mal den Link hierhin. Lohnen sich wirklich, alle beide.
https://twitter.com/frank_rieger/status/477203951008628736
Juni 13th, 2014 at 21:55
Da gibt doch tatsächlich ein Chefredakteur der “Zeitung für Deutschland” ein paar oberflächlich kritische und tiefergründig apologetische Artikel und Bücher (“EGO- Das Spiel des Lebens”) heraus, und schon hat er sich eine Elegie auf einem linken blog verdient…
Augenblick mal- was?!
Anzuerkennen, das intellektuelle Gegner gewisse Qualitäten haben, ist das eine- ihnen paradoxe Eigenschaften (“wirklich kritischer Konservativer”) anzudichten jedoch etwas völlig anderes.
In dem Sinne: Lasst die Toten ihre Toten begraben, beschäftigen wir uns mit den Lebenden.
Juni 13th, 2014 at 22:19
@Salvador Ich würde mal sagen, oberflächlich kritisch und sonst nix trifft es nicht. Gar nicht. Und anzuerkennen, dass sich jemand (gerade mit dem Background) wirklich bewegt und sich kritisch auseinandersetzt verdient kaum so eine despektierliche Betrachtungsweise.
Ehrlich gesagt kannst du ja mal drüber nachdenken, wie beweglich du so bist, wie viel neuen Horizont du zulässt. Nicht so viel, ne? Quasi nix? Mach dir nix draus, ist ein weit verbreitetes Phänomen, unter Lebenden und Toten. Spricht aber dafür, dass es so einfach offenbar nicht ist.
Juni 13th, 2014 at 22:28
R.I.P. Frank Schirrmacher. Einer der wenigen Konservativen, für den ich so was wie Respekt und Achtung empfunden habe.
Juni 13th, 2014 at 23:17
@SalvadorArachnor: Was soll daran paradox sein, dass einer, der erhalten will auch trennen kann? Siehe oben: Wenn sich einer die Frage stellt, was denn da erhaltenswert ist, ist das originär kritisch. Es ist ein anderer Weg, der aber durchaus zur Erkenntnis führen kann. Wenn man freilich mit der absoluten Gewissheit unterwegs ist, dass nur dialektischer Materialismus nach MEW² zu gültigen Einsichten führt, ist das alles falsch, egal was dabei herumkommt.
Juni 13th, 2014 at 23:39
So so… einer der Kapitalismus, Nationalismus, Christentum und die bürgerliche Familie “bewahren” will, wird auf einmal zum “wirklich kritischen Konservativen” wenn er ein bisschen Banken- und Ökonomenbashing betreibt.
Was die Paradoxie im “wirklich kritischen Konservativen” angeht, so besteht der Witz ja gerade darin, dass die geübte Kritik sich immer an Oberflächenphämomenen abarbeitet, während die zugrunde liegenden sozialen Bedingungen weiter “bewahrt” werden.
Es soll die Profitwirtschaft gerettet werden, aber bitte zukünftig ohne angelsächsische Spieltheorie, der Nationalismus, nur “verfassungspatriotisch” gewendet, dass Christentum so freundlich- liberal eingefärbt, dass sein antirationaler Kern nicht mehr durchscheint…
Wenn dieser Schirrmacher das Beste ist, was die bürgerliche Presse der BRD hervorbringt, dann spare ich mir auch weiterhin ihren “Genuss”.
Juni 14th, 2014 at 06:51
salvador; ich habe schirrmacher als lernfähig und offen wahrgenommen, etwas, was dir anscheinend gerade erheblich abgeht. und ihm zu unterstellen, er hätte den nationalismus “bewahren” wollen, spricht bände gegenüber deiner nichtvorhandenen auseinandersetzung mit seiner gedankenwelt. no offense, aber so kommen wir als gesellschaft nicht weiter…
ps. wenn nicht schon passiert (was ich nach deinem blödsinnigen kommentar nicht annehme), folge der empfehlung von vera bzw rieger, und gib dir alternativlos 20/29. vielleicht begreifst du ja dann die kommentare und insbesondere flatters post.
Juni 14th, 2014 at 08:38
Diskurs, Herr Materialist, es geht um Diskurs. Der entsteht nicht durch plötzliche wundersame Änderungen der Produktionbedingungen, sondern durch Kommunikation. Eine Sphäre, in der Paradoxie übrigens ebenso aufgehoben wäre wie Orthodoxie. Wenn es für dich nur eine Art der Kritik gibt, nenne ich das orthodox, da ist mir paradox sogar lieber.
Schirrmachers Entwicklung scheint dir derweil in der Tat entgangen zu sein.
p.s..: Ich frage mich sogar, ob du den nicht mit dem Matussek verwechselst.
Juni 14th, 2014 at 13:48
Wir sind hier an einem Punkt, an den solche Diskussionen regelmäßig kommen – nicht nur weil die Protagonisten gern dasselbe häufiger sagen. Um eine Diskussion sinnvoll zu führen, muss man wohl einige Differenzierungen vornehmen und berücksichtigen, u.a. die zwischen einem Abgleichvon Argumenten und Enschätzungen einer Person. Wenn ich z.B. mit einem streite. der in der oben skizzierten Weise konservativ eingestellt ist, versuche ich ihn hinter die Linie zu führen, an der das noch geht, vielleicht auch nur näher heran. Wenn ich gut bin, lasse ich das so stehen, wenn ich merke, dass er dichtmacht. Wenn ich schlecht bin, haue ich ihm seine Kurzsichtigkeit um die Ohren.
Die Einschätzung einer Person ist so etwas wie das letzte Mittel, im Guten wie im Schlechten, und daher für einen Nachruf sehr viel besser geeignet als für eine laufende Diskussion. Dabei ist es mir wichtig, dass andere noch irgendwo beweglich erscheinen, denn das bedeutet, dass sie sich eben auch bewegen lassen. Ich bin nicht als Marxianer geboren worden und habe selbst auch diese ‘Krisen’ gebraucht, um mir endgültig einiges klar zu machen – wobei ich übrigens Heinz-Josef Bontrup als sehr hilfreich empfand.
Ich kann daher nicht verstehen, wieso ich jemanden verdammen soll, der sich bewegt hat – mehr als ich vielen zutraue, deren Meinung meiner näher ist – und der hat erkennen lassen, dass nachhhaltiges Denken sogar dann nach links führt, wenn es (anfangs) konservativ strukturiert ist. Ich will nicht recht haben, ich will wissen, was richtig ist. Vor Menschen wie Schirrmacher muss man keine Angst haben. Ich fürchte Menschen, die jahrzehntelang ihre Meinung nicht ändern und ihre Argumente nicht erneuern. Ich halte sie für gefährlich, wenn es ihnen gelingt, andere auf einen einzigen wahren Weg einzuschwören.
Juni 14th, 2014 at 14:43
Na, bei ehemaligen Spiegel jedenfalls wird man bestimmt nicht mehr umdenken.
Aktuell wird dort lieber die Botschaft einers gewissen Hasspredigers namens Al-Gauck verbreitet:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/aussenpolitik-gauck-warnt-vor-tabuisierung-von-militaer-einsaetzen-a-975165.html
Juni 14th, 2014 at 16:57
@19, SalvadorArachnor
Ich habe mich nicht dazu aufraffen können, mir etwas Positives zum Herrn Schirrmacher abzuringen.
Seinen frühen Tod,was sind 54 Jahre Lebenszeit, finde ich tragisch. Mich hat es Ende 30 erwischt und ich habe es überlebt.
Seitdem hat sich, trotz des viel beschworenen Fortschritts in der Medizin, wenig verändert. Symptomkurierei!
Vielleicht passt das zu Frank Schirrmachers Einlassungen,zu deren Opfer er jetzt, möglicherweise, selbst geworden ist.
Sein Schicksal berührt mich, wie das von anderen Menschen in meiner Umgebung auch, die an einem “plötzlichen” Herztod sterben, und es gehört verdammt viel Glück dazu einen Arzt zu finden, der diese Gefahr erkennt.
Alles andere hast Du für mich auf den Punkt gebracht!
Juni 14th, 2014 at 17:09
Es wäre auch sehr tragisch, ließe man sich auf Argumente ein. Lieber wissen, wo der Feind steht.
Juni 14th, 2014 at 17:43
@25, flatter
Da schiesst Du für mich zu hoch! Feind? Nein, nie und nimmer.
Dafür habe ich ihn zu sehr ignoriert, wie auch die FAZ.
Für mich eher ein kluger, konservativer Stratege , der es verstanden hat, auf aktuelle, nicht nur linke Befindlichkeiten einzugehen und in seinem persönlichem Zweifel-Habitus den Anschein zu erwecken, als gebe es auch von Konservativen
tatsächlich Zweifel an diesem Gesellschaftssystem.
Die FAZ und auch ein Frank Schirrmacher stehen für mich gerade dafür nicht.
Vielleicht hast Du ihn besser gekannt?
Juni 14th, 2014 at 17:53
Ich lese (und höre) seine Texte, beobachte, wie sich das Feuilleton der FAZ entwickelt hat und sehe reichlich Mut, eine Erweiterung von Horizonten, wie man sie seltenst beobachtet und absolut nichts von einem “Zweifel-Habitus”; solche Vorwürfe sind für mich nah an einer Verschwörungstheorie. Die Zweifel, die daraus resultierende Entwicklung und Auseinandersetzung sind völlig konsistent. Die Desavouierung solcher Persönlichkeiten und ihrer Entwicklung hat für mich etwas Fundamentalistisches. Weil der Mann kein Marxist mehr geworden ist, ist alles bloß Täuschung und Attitüde? Dann seid ihr noch einsamer als ich, und das finde ich verdammt traurig.
Juni 14th, 2014 at 18:55
Hallo flatter! Was willst Du von mir?
Ich bin der Letzte, der sich mit Verschwörungstheorien anfreunden kann.
Ich hatte ja bereits geschrieben, dass mir ein Frank Schirrmacher und seine FAZ nicht sonderlich gefallen haben.
Ich habe nie viel Zeit darauf verwendet dieses Journal zu lesen, auch wenn es mir neben der BILD, selbst im Flieger,kostenlos angeboten wurde oder mir kostenlos in den Briefkasten gesteckt wurde.
Mir geht es keineswegs um die Desavouierung der Person Schirrmachers. Ich habe darauf nur eine andere Sichtweise, die Dir offenbar nicht gefällt.
Und ich finde es auch ziemlich langweilig, wenn die Marxisten-Keule wieder einschlagen soll, damit verstehst Du ja ganz gut umzugehen.
Ich fühl mich damit aber auch nicht unbedingt angesprochen.
Marx ist für mich immer noch wichtig, zugegeben.
Aber ist das nicht schon ein böser Witz von einem Schirrmacher zu erwarten, dass er Marxist werden könnte.
Einsamkeit muss nicht von Nachteil sein, wenn man umgeben ist von Menschen, die sich in ihrer Gleichgesinntheit wohlfühlen.
Ausdrücklich nicht auf Dich bezogen!
Juni 14th, 2014 at 19:52
Du unterstelltest ihm, er habe es verstanden, mit einem Habitus einen Eindruck zu erwecken. Seine nachvollziehbare, begründete, öffentlich und in Diskussionen entwickelte Überzeugung als “Habitus” als Mittel zum Zweck (des Eindrucks) zu bezeichnen, nenne ich eben Desavouierung, das dahinter stehende Gedankengebäude deucht mich vt. Ein Konservativer muss ja, wenn er kritisch daherkommt, etwas völlig anderes im Schilde führen? So verstehe ich dich, und so interpretiere ich das.
Die Marxismus-Keule trifft jeden, der den passenden Kopf dazu hat. Ich stehe als Marxianer und Marxismus-Allergiker eh ziemlich zwischen den Stühlen.
Juni 14th, 2014 at 20:31
Zwischen den Stühlen muss nicht der schlechteste Platz sein.
Juni 14th, 2014 at 21:48
@flatter, wenn Du jetzt die Allergie noch auf alle ‘Ismusse’ ausweiten könntest, ach ja, wäre ich nicht mehr so allein… – ob das dann “Marxianer” ist, vielleicht, jedenfalls wohl eher.
Einbetoniert sitzt es sich so nicht, eher bisken ergonomisch, odda so ;)
Ob das ohne ‘materialistische Sicht auf die Dinge’ ginge, da melde ich vorsichtige Zweifel an.
Edit zu Schirrmacher: Schade, ich hätte ihm nicht nur wie jedem anderen Menschen auch ein längeres Leben gewünscht, den konnte ich irgendwie immer ernst nehmen…, trotz oder gerade wegen seiner anderen Meinung. Schließlich ist er von einer ganz anderen Ecke ‘losmarschiert’ und erweckte überzeugend (für mich) den Eindruck ‘Erklärungen’ jenseits des Offiziellen zu suchen…
… so was mag ich immer, egal von wem.
R.I.P.
Juni 14th, 2014 at 21:55
troptard, deine ausführungen klingen fatal nach der “anderen seite” derer, die sich ebenfalls mit bestimmten publikationen bzw menschen nicht beschäftigen, bzw diesen nicht zugestehen wollen, daß sie eben nicht im “auftrag moskaus” handeln, sondern ihren eigenen kopf innerhalb einer politischen strömung haben. ja, zugespitzt, aber allein schirrmachers FAZ-Feuilleton auf eine stufe mit BILD zu stellen, zeugt nicht gerade von differenzierung, geschweige den von einer bereitschaft der lohnenden auseinandersetzung. aber bitte, jeder wie er mag in seiner filterbubble.
Juni 14th, 2014 at 22:07
Guten Abend Wat !
Es ist kein schlechtes Gefühl für mich, wenn Du hier fast unerwartet auftauchst, eher ein Gutes!
Juni 14th, 2014 at 22:16
Ups, guten Abend @Troptard, klingt mir irgendwie gut, ich sag mal: Danke.
(Wofür auch immer, ist mir grad nicht so klar, klingt aber einfach gut)
Juni 14th, 2014 at 22:25
@Wat.: Ohne materialistische Sichtweise? Ich? Muss ich jetzt verschnupft tun? ;-) Meine Liebe, du kennst doch den Unterschied zwischen materialistischer Sichtweise und ausschließlich materialistischer Sichtweise …
Juni 14th, 2014 at 22:37
@flatter: Quak, mußte nicht mal so tun. Den Unterschied meinte ich zu kennen, bis – ja, bis – mir Hinweise auf eine materialistische Sicht(weise) als ausschließliche um die Ohren ‘gehauen’ wurden. Ok, meine Ohren sind sensible. Aber der ‘Vollständigkeit halber’ wartete hier ab und an diese Sicht(weise) auf so was wie mindestens Erwähnung ;-)
Juni 14th, 2014 at 22:47
Wie so oft – Unentschieden? :-)
Juni 14th, 2014 at 22:48
Viele haben keinen Instinkt für Macht. Frank Schirrmacher hatte diesen und in den letzten 5 Jahren den FAZ Feuilleton Schritt für Schritt zum Machtzentrum ausgebaut. Wenn man die Debatte in der FAZ seit Anfang 2014 genau nachzeichnet begann seine Arbeit langsam Früchte zu tragen. Man muss nur den Wandel Döpfners sehen. Schirrmacher als Konservativen zu bezeichnen verschränkt den Blick. Er war ein neuer Pol und in seiner Funktion der Bündelung einzigartig auf der Welt.
Juni 14th, 2014 at 22:51
“Satz und Spiel” frühestens in hundert Jahren… Klar doch @flatter
Juni 14th, 2014 at 23:14
@32, DKT
Ich weiss ja nicht, was ich hier für einen Eindruck hinterlasse?
Aber zunächst sehe ich es mal so, dass wenn ich in dieser Gesellschaft schon ein freier Mensch per Diktum sein darf, mich damit beschäftige, was mir am Herzen liegt.
Ich habe hier nicht die Bild mit der FAZ gleichgesetzt und schon gar mit dem FAZ-Feuillton und auch keinen Vergleich zu Schirrmacher gezogen.
Ich verweise für Dich noch einmal auf meinen Kommentar unter @26 hin.
Was mir hier wohl abgesprochen wird, ist mein Verdacht, dass konservative Befindlichkeiten, auch wenn sie überzeugend vorgebracht werden, für mich ein taktisches Kalkül enthalten.
Dieses Kalkül beinhaltet in einer aktuellen Krise Probleme aufzugreifen, sie kritisch zu bewerten, diese sogar als systemgefährdend darzustellen, um sie dann in den meist überlesenen Nebensätzen als dennoch unabdingbar vorauszusetzen.
Es gehört wohl zu den Eigenheiten von Linken, dass sie ausserhalb des eigenen Ofens noch nach einer anderen Wärmequelle suchen.
“Lohnende Auseinandersetzung!” Das tägliche Leben ist so reich davon, da muss ich nicht nach suchen.
Ich muss nur handeln. Und wo mir das möglich ist, da zögere ich nicht. Da schaue ich noch nicht einmal auf meinen eigenen Geldbeutel, wenn er das hergibt.
Darüber hinaus habe ich geschrieben, dass mich das persönliche Schicksal von Frank Schirrmacher zwar beeindruckt hat, aber dieses Schicksal in meinem Umfeld schon so alltäglich geworden ist, dass man es nicht mehr als ein aussergewöhnliches wahrnimmt, sondern als das normale Leben in den Zeiten des Kap.
Juni 14th, 2014 at 23:39
@34, Wat
“(Wofür auch immer,ist mir gerade nicht so ganz klar… .)”
Mir selbich vielleicht auch nicht so ganz! Aber ich habe Dich schon erwartet. Und das über das virtuelle Medium Internet.
Ups, das ist schon ganz schön verrückt finde ich!
Juni 15th, 2014 at 00:11
@flatter: 12 Punkte!
“Ich habe nicht die Art konservativer Geisteshaltung, die sich als solche mitunter auch abgehoben und schwelgerisch verzettelt, wo die nackte somatische Not längst den Weg weisen müsste.”
Vernichtender, nichtsdestoweniger überwältigend häufig zutreffender Vorwurf an das konservative Lager.
Umgekehrt müsste es jedoch auch heissen: “Links” ist keine Einstellung, sondern eine Haltung, vor der Welt die Augen nicht zu verschliessen. Wieviele SOLCHE Linke kennst du? Ich bin mir nicht sicher, ob das Verhältnis da besser aussieht als bei den Konservativen.
Einerlei, an diesem Punkt wird man getrost die ganze “Farbenlehre” in die Tonne hauen.
“Andererseits liegt in dem Vermögen zu abstrahieren eine Kraft, die konkreter Kritik abgeht – wenn man den Weg zu dieser zurück findet.”
Das gesamte Erkenntnisdilemma, in einem unscheinbaren Satz verpackt :-)
Marx hat sich an beiden Sätzen abgearbeitet. Den ersten hat er mit Bravour bestanden. “Schaut hin” ist seine Kernbotschaft.
Den zweiten “und denkt darüber nach” nur zur Hälfte:
Der Marxismus als Theorie ist im Grunde ahistorisch. Er ist die erste Erzählung vom Ende der Geschichte. Hätt er eigentlich selber draufkommen können, dass das zu kurz gesprungen sein muss. Ja, das Kreuz mit der Abstraktion …
Juni 15th, 2014 at 00:15
“Wieviele SOLCHE Linke kennst du?”
Das sind die, mit denen ich gern zu tun habe. Zu wenige, aber es gibt sie und man kann sie finden. Ich halte es daher mit dem Motto, das ich jetzt endlich mal oben an die Gitarre hefte.
Juni 15th, 2014 at 10:24
wie benjamin schon meinte, konnte man bei schirrmacher eigentlich nicht von “konservativ” reden, genau das war er in seiner entwicklung ja eher nicht, keiner der in seinem gedankegebäude wie so viele stehengeblieben ist.
@troptard: aber ja hast du qua durch die blume die FAZ mit der BILD auf eine stufe gestellt, jedenfalls für dich selber und dir damit auch den “anderen” blick verbaust.
“Was mir hier wohl abgesprochen wird, ist mein Verdacht, dass konservative Befindlichkeiten, auch wenn sie überzeugend vorgebracht werden, für mich ein taktisches Kalkül enthalten.”
? nö, absprechen tut dir dein verdacht hier keiner, hä?
“…diese sogar als systemgefährdend darzustellen, um sie dann in den meist überlesenen Nebensätzen als dennoch unabdingbar vorauszusetzen.”
im gegenteil hatte ich eher den eindruck, als würde schirrmacher das system *selbst* gerade “in den nebensätzen” als schlussendlich nicht “reformierbar”, da inhärent zum scheitern verurteilt, einstufen. jedenfalls in den letzten 2-3 jahren.
“Es gehört wohl zu den Eigenheiten von Linken, dass sie ausserhalb des eigenen Ofens noch nach einer anderen Wärmequelle suchen.”
dann war schirrmacher selbst wohl ein linker. und was spricht dagegen, offen zu sein? hart am kalenderspruch mein bester.
““Lohnende Auseinandersetzung!” Das tägliche Leben ist so reich davon, da muss ich nicht nach suchen.”
ich sprach von bereitschaft, nicht von suche.
& was meintest du konkret mit der aussage, daß dich das persönliche schicksal von ihm beeindruckt hat?? daß er mit 54 gestorben ist? was ist daran “beeindruckend”? warum schreibst du *überhaupt* was zum thema? weil dich sein “schicksal berührt”? oder wegen dem versteckten “schul”-medizinbashing (“Symptomkurierei!”)?
“Ich weiss ja nicht, was ich hier für einen Eindruck hinterlasse?”
egoschwurbeln?
nevermind.
Juni 15th, 2014 at 11:42
Den einen muss ich aber auch noch mal eben zitieren:
“Es gehört wohl zu den Eigenheiten von Linken, dass sie ausserhalb des eigenen Ofens noch nach einer anderen Wärmequelle suchen.”
Wtf? Wenn es eine politische Ecke gibt, in der die Wärme des Nachbarofens als Kälte gilt, weil sie die falsche Wärme sei, dann doch wohl weit draußen links. Ich will das Fass jetzt gar nicht aufmachen (also die Frage, ob dieser Spaltpilz vermeidbar wäre), aber einfach mal das Gegenteil zu behaupten ist schon mutig.
Juni 15th, 2014 at 13:05
Ich würde ja allzu gerne fragen, wie eine potenzielle Lichtgestalt aussehen müsste, damit man sie lebenslang als politisch korrekt einstufen und sie dadurch gerade noch als Referenz akzeptieren kann.
Mich befällt allerdings schon bei dem bloßen Gedanken an diese Frage die Angst, es könne sich in der Vorstellung mancher nicht um ein menschliches Wesen handeln. Weitere Fragen wie “Darf ein Golem vorehelichen Sex haben?” oder “Muss dieser ehrbarste aller Linken asexuell sein?” schlössen sich an.
Bevor ich dann vor Lachen oder Ärger platze, beerdige ich lieber Fragen solcher Art und gehe stillschweigend von der Annahme aus, dass selbst Buddha und Jesus onanierten.
p.s.: Habe jetzt ein paar Mal an den lustlos dahin geschleuderten Sätzen herum editiert. Ich merke, dass mir seit längerem der Spaß am kommentieren hier vergangen ist, was ausdrücklich nicht an flatters Texten liegt.
p.p.s.: Kennt jemand die Geschichte von dem Ehepaar in Kishons “Arche Noah, Touristenklasse”, das ein Kind adoptieren will und am Schluss übereinkommt, dass es nur Ben-Gurion sein kann?