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Juli 2018


 
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Es gäbe eine ganze Reihe von Anlässen, über Rassismus zu reden, aber damit sind wir schon bei einem der größten Probleme nicht nur dieses Themas: Es ist zu grundsätzlich, um es an einen Anlass zu knüpfen, zumal solche nur Trollen und ihrer Aufmerksamkeitsökonomie dienen. Ich bin gar nicht dagegen, auf Anlässe Bezug zu nehmen, sofern deutlich wird, dass der Bezug so oberflächlich ist wie das Ereignis untauglich, ein grundsätzliches Problem zu repräsentieren. Es ist dann eben ein Symptom, nicht mehr und nicht weniger.

Grundsätzlich also: Rassismus trägt Züge quasi unvermeidlicher Reaktionen. Es muss hier genau hingeschaut werden, wo es noch menschelt und wo schädliche Diskriminierung beginnt. Wenn unter elf Menschen zehn dieselbe Hautfarbe haben, fällt einer auf. Das festzustellen, ist noch kein Rassismus. Auch zu fragen, wo einer herkommt, ist es nicht. Festzustellen, dass jemand irgendwie anders ist, gehört zum Umgang. Ihn deshalb zu bewerten, ist Diskriminierung.

Wer bist’n du, ey?

Es ist auch egal, ob ein Verhalten rassistisch ist oder sonstwie diskriminierend. Es sind die Techniken, die das Ausgrenzen und Abwerten besorgen. Ja, und es gibt durchaus Denkmuster, die einen verkrusteten Rassismus beinhalten. Diese aufzubrechen ist ein dickes Brett. Im Einzelfall mag es helfen, freundlich darauf aufmerksam zu machen. In anderen hat man es mit Arschlöchern zu tun, die gar nicht wissen wollen, dass sie welche sind.

Ich habe jüngst vor einer Kneipe gesessen; es hatten sich vier Schwarze hinzugesellt sowie ein Weißer mit leichtem französischem Akzent. Mir fiel auf, dass sie alle Deutsch miteinander sprachen, fließend, man konnte aber hören, dass sie keine Natives sind (das kann man btw schon deshalb meist, weil kaum ein Migrant einen regionalen deutschen Akzent hat).

Die Jungs haben keine Ahnung, wie man sich in Deutschland benimmt. Sie hatten Pizza und boten mir an, mich daran zu bedienen. Ist es jetzt Rassismus, wenn ich das so sage? Wäre mir extrem egal. Es gibt eben Unterschiede. Ist es Rassismus, wenn viele meiner Bekannten Sachsen spontan unsympathisch finden? Tendenziell eher, würde ich denken, es kommt halt darauf an, was man daraus macht.

Die stinken doch

Es braucht Raum für Gespräch, für Missverständnisse, Fehler und Korrekturen. Es braucht vor allem Begegnung und bei der Begegnung entspannte Kommunikation. Das gilt ja nicht nur für kulturübergreifendes Kennenlernen, sondern für solches generell. Da braucht niemand einen inquisitorischen Verhaltenskodex, da sollte man locker bleiben.

Auf der ganz anderen Seite kommt es gar nicht zu Begegnung, was in einen Teufelskreis mündet: Weil man das Fremde nicht kennt, versteigt man sich in wüste Projektionen (“Die sind so”) und weil man nur diese Projektionen kennt – die in Deutschland quasi automatisch mit Abwertung einhergehen – hält man sich fern. Daher bin ich der Auffassung, dass zu begrüßen ist, was Begegnung fördert und abzulehnen, was sie hemmt. In diesem Lichte kann man durchaus auch Konzepte sogenannter ‘Antirassisten’ betrachten.

 
pn

Vier Jahre ist es jetzt her, da der ‘Spiegel’ seinen erfolgreichsten Titel designt hat: “Stoppt Putin jetzt!“. Tja; bis heute ist der Hintergrund ungeklärt, aber germanischer Spitzenjournalismus mit heißestem Draht zu den Diensten® ist schneller als jeder andere. Wir sind Weltspitze (im vor-die-Wand-Rasen und gleich die nächste Ansteuern)!

Wir erinnern uns: Über einem Bürgerkriegsgebiet, dass hie von der NATO und dort von Russland mit Mordspielzeugs versorgt wird, wird ein Linienjet abgeschossen. Nun könnte man so etwas titeln wie “Obacht bei der Routenplanung” oder “Shortcut to Hell”, aber nein: Erst mal einen Schuldigen hängen, dann eine Klickstrecke einrichten und seine eigene Airline in der Nase explodieren lassen. Willkommen in der Ericusspitze!

Überholspur, Lichthupe

Dass sie, um Putin zu bespucken, ungefragt Fotos der Absturzopfer missbraucht haben, trug ihnen dann obendrein hochwillkommene Publicity durch den Presserat ein.
Hahaha, friss das, ‘Bild!’ ist noch Koks da? Ich bin so geil, ich könnte mich selbst von hinten ficken. Genial!” soll mutmaßlich offenbar ein Insasse gesagt haben, der als Redakteur gilt. Protokolle der nämlichen Redaktionssitzung konnten auf dem Weg in die Botschaft Ecuadors abgefangen und rechtzeitig neutralisiert werden.

Aber auch in anderen Redaktionen wird feste gefeiert. Schließlich wird journalistisches Spitzenpersonal herumgereicht wie ein Wanderpokal und bringt daher entsprechende Ressourcen an den je neuen Arbeitsort mit. Nie wieder nüchtern! Die Schreibroboter aus der Etappe werden mit billigem Fusel versorgt, der gute Stoff (“Atlantiker-Popcorn”) ist nur für die Erwachsenen.

Neuland über alles

Die Kriterien für Qualitätsjournalismus® haben sich kaum geändert: Brauchte es einst eine hervorragende Orthographie und Interpunktion, sind heute die Bedienung einer Office-Software und souveränes Auftreten gegenüber Praktikanten die entscheidenden Skills. Wer trotz hohen Bildungsgrades das Mobbing der Kollegen überlebt, wird Sportredakteur. Nutzer mehrerer unabhängiger Quellen (Gras, Rum, Zigarren) mit guten Beziehungen zum Chef werden befristet als Kolumnisten gehalten.

Am schwersten zu leiden hat die Branche nach wie vor unter den hektischen Anpassungen an das komplexe und weitgehend unbekannte neue Medium “Internet”. Vor allem die Millionen Hacker (“User”, “Foristen”, “Verschwörungstheoretiker”) nutzen die riesige Angriffsfläche des sog. “Web 2.0″, um durch kriminelle Akte wie Schmähungen, Morddrohungen und Kritik Angst und Schrecken zu verbreiten. Viele Medienhäuser sahen sich daher gezwungen, Sicherheitsdienste damit zu befassen (“Facebook”, “Google”, ukrainische Mafia).

Dings, äh …

Um die Deutungshoheit nicht an Kriminelle und Diktatoren zu verlieren, werden mithilfe von Bundeswehr, BND und T-Systems derzeit ‘Zentren für Fairness in der Meinungsfreiheit’ eingerichtet. Hier sorgen Fachkräfte dafür, dass die öffentlichen Meinungsäußerungen einem repräsentativen Querschnitt entsprechen. Außerdem bereichert dieses Angebot die Kommunikation durch interessante Produktinformationen, die zwanglos in Kommentare eingeflochten werden.

Wie ein Sprecher aus gut unterrichteten Kreisen gegenüber Medienvertretern nach Berichten zuverlässiger Quellen gemäßigter Rebellen verlautbaren ließ, hat der Machthaber ein Regime. Bundeserweißesauchnichtsogenau Seibert wiederholte vor Pressevertretern, er kaufe nichts an der Haustür es lägen ihm keine neuen Erkenntnisse vor als diejenigen, die bereits nur den Schluss zuließen, es gebe keinen.

Wer ausschläft,
ist ein dreckiger Schmarotzer.

Heinz Luther

 
xx

Es wird fürchterlich viel Unsinn geschrieben über Fußball in den letzten Wochen. Da ich mich durchaus auch intellektuell mit dieser Sportart befasse, muss ich jetzt ein paar Worte zu dem ganzen Hustle um WM und Özil loswerden.

Was war das für ein Auftritt? Auffallend unmotiviert, nach dem Motto: “Renn’ du doch, wenn du es eilig hast!”. Kann man sich prima im Spiel gegen Südkorea angucken. Es gab Raum und Gelegenheit zu Kontern, aber es ist sprichwörtlich keiner gerannt. Warum? Der Trainer muss erkennen, wenn es Motivationsprobleme gibt. Hat er nicht. Die Auswahl der Spieler ist ebenfalls seine Entscheidung. Über Sané wurde viel gesagt (wieso Draxler und nicht Sané?). Die Kombi Götze/Reus wäre auch ein Thema, aber lassen wir das – bis auf einen Punkt, wir kommen dazu.

Keine Hektik!

Kurz zu den Säulen des Spiels, Kroos und Özil. Beide hatten technisch und körperlich das gewohnte Niveau. Kroos nahm das bisschen Tempo aus dem Spiel, das noch da war. Davor soll der 10er – Özil – in die Schnittstellen spielen. Wie macht er das? Indem er jemanden anspielt, der sich dort hinein begibt. Macht aber keiner. Wenn der 10er rennt, haben die anderen gefälligst eine Lücke zu finden. Da war aber nichts. Gar nichts. Wer hat eigentlich diese Schabe im Thomas-Müller-Kostüm auf den Platz geschickt? Haben sie dem die falschen Drogen verabreicht?

Das Spielsystem ist derart scheiße (Löw? Sind Sie noch da?), dass nur die Spanier einen ähnlichen Dreck spielen können. Tiki-taka ohne Ziel hatte bereits vier Jahre zuvor ausgedient, vor allem die horizontale Variante. Erinnert ihr euch an Rückpass-Ramelow? Er ist wiederauferstanden als Querpass-Kroos. Wo das System versagt, helfen derweil nur Standards. Die Wertung hierzu: Au weia!

Das Kernproblem: Seit 17 Jahren(!) ist in der Auswahl kein neuer Stürmer von Format mehr aufgelaufen. Es gibt keinen. Keinen einzigen Stürmer mit deutscher Plastikkarte. Was Miro Klose durch seine Qualität an Räumen geschaffen hat, ist das Paradies für Passgeber. Was hatten wir diesmal? Nicht einmal Sandro Wagner, der wäre wenigstens Stürmersurrogat gewesen.

Die Null steht

Nein, es kam Timo Werner. Den habe ich eher selten beobachtet, aber es bestätigte sich der schlimme Verdacht, dass dessen Ballannahme bestenfalls zweitligatauglich ist. Der kann nur kontern, sonst nichts, und das ist bei einer ständig hoch stehenden Mannschaft überflüssig. So wartet man also, dass sich irgendwann ein Innenverteidiger erbarmt und es mit der Schulter versucht. Der Herr Außenverteidiger (rechts) hält sich ja eh für einen Stürmer und nimmt den Offensiven das bisschen Raum, das sie hätten. Dafür fehlt er dann hinten, wenn er gebraucht wird (schon mal beobachtet, Löw?).

In einer solchen Gurkentruppe brauche ich keinen 10er. Da brauche ich gute Busfahrer und Piloten, die sie gesund nach Hause bringen. Ansonsten könnte ich einen Trainer gebrauchen, der nicht nahezu alles falsch macht, was man richtig machen könnte. Ich könnte auch Ausbilder gebrauchen, die wissen, dass zum Fußball Spielen auch Tore Schießen gehört. Am wenigstens brauche ich typisch deutsche Idioten, die Probleme nicht analysieren müssen, weil sie viel leichter einen Schuldigen finden. Komisch: Jetzt, wo das Ölauge am Baum hängt, hat sich gar nichts gebessert. Sehr merkwürdig.

 
bs

Wer ist Sigmar Gabriel? Jetzt sagen Sie nicht “Elder Statesman” – das wäre nämlich gleich doppelt übertrieben. Er ist der zu vorletzt ausgetauschte Vorsitzende der SPD, danach kam es noch zwei Mal schlimmer. Das ‘Denken’ der sozialdemokratischen Funktionäre ist dasselbe, nur die Rhetorik unterscheidet sich, und da hat es der Seelenverkäufer der deutschen Sozialdemokratie tatsächlich geschafft, jeweils noch deutlich tiefer ins Klo zu greifen.

Vermutlich deshalb – weil Gabriel reden kann ohne zu stottern und das, was er sagt auch aufzuschreiben vermag – fragt ihn beizeiten immer mal wer nach was, denn an ‘SPD’ haben wir uns Jahrzehnte lang gewöhnt, und was die Amtsträger stammeln, wenn sie überhaupt zu hören sind, taugt zu keinem Entertainment mehr. In der Sommerpause zumal, ist Gabriel daher gesetzt bei der Journaille.

Kampf gegen Heuschrecken

Jüngst hat er den Klassenkampf entdeckt, und es versteht sich, dass im Jahr 2018 niemand zusammenzuckt oder sich jedwede Sorgen macht, wenn so einer das tut. Man weiß, auf welcher Seite er steht. “Klassenkampf von oben“, das ist wenn Ausländer ‘deutsche’ Konzerne aufkaufen, Klassenkampf von unten, das ist Nazi. Beides mache Marktwirtschaft® total kaputt.

Das politische Yoga, das auf Kapitalseite ausländerfeindlich ist, die Ausländerfeinde im Proletariat aber schmäht, das nationalen Kapitalismus toll fände, den internationalen – zumal ‘Finanzkapitalismus’ aber mit Ekelsviech vergleicht, ist so etwas wie kontrollierter Nationalsozialismus. Doch, ist es, und das ist nicht einmal ein Vergleich. Es trägt dieselben Grundzüge, und wenn man Vorreiter wie Tilo Sarrazin berücksichtigt, steht auch das rassistische Feindbild bereit.

Den Pöbel zähmen

Die SPD ist schon traditionell nationalistisch und kapitaltreu. Ehe sie sich noch jemals “Vaterlandsverräter” nennen lässt, verrät sie alles andere, und ehe sie sich “revolutionär” schimpfen ließe, würde sie Arbeiterrevolten zusammenschießen lassen. Ach, hat sie ja schon. Ehe sie dem “Klassenkampf von unten” auch nur einen Schritt entgegen käme, desavouiert sie den als “rücksichtslos” und seine Kämpfer als rechtes Pack – sie mag ihn nur “gezähmt“. Zahmen Klassenkampf! Fehlt nur noch, dass sie Gewerkschaften verbieten lässt. Oops, hat sie ja quasi auch schon.

Sehr zurecht korrigiert Tom Strohschneider auch das Bild von Thyssen-Krupp und ihrer ach so sozialen Geschichte. [Der Artikel ist btw. inhaltlich sehr zu begrüßen, stilistisch hingegen abschreckend]. Geschichtsklitterung ist halt Pflicht, wenn man das Narrativ vom fleißigen Deutschen, der segensreichen Marktwirtschaft und dem heroischen Kampf gegen Ratten und Heuschrecken retten will. Was dabei herauskommt, begegnet den Rechtsextremen auf Augenhöhe. Das bestätigen nicht zuletzt sog. „Umfragen“.

 

Ich möchte nicht, dass jemand, der 1500 Euro Grundeinkommen hat und keine Perspektive auf einen Beruf, auf die Idee kommt, fünf Kinder zu kriegen.

Spätestens mit diesem von Christoph Butterwegge “sozialreaktionär” genannten Statement hat sich Richard David Precht nicht nur als Philosoph disqualifiziert, sondern auch den Stab von seinem nicht minder reaktionären Kollegen Sloterdijk übernommen. Was deutsche Medien als Vorzeigephilosophen herumreichen, ist schon recht bezeichnend für den jeweiligen Zeitgeist. Mit Adorno und Marcuse war in den späten 60ern ein Denken am Werk, das versucht hat, das unbegreifliche Geschehen zu verstehen und unmöglich zu machen. In deren Fußstapfen verschwand bereits der Sozialdemokrat Habermas, der Vernunft zwanghaft restaurieren wollte, wo sie längst gescheitert war.

Inzwischen turnen Schwätzer vor den Kameras herum, die nur mehr eine medial passende Attitüde beherrschen. Ich hatte Precht bislang für harmlos gehalten, weil er halt belangloses Zeugs ohne Relevanz und Tiefgang von sich gegeben hat. Das hat sich mit dem da oben erledigt, denn es ist relevant, wenn das Schwiegersohnmodell, das eben den “Philosophen” als solchen berufsmäßig darstellt, seine obszöne Naivität dem Klassenkampf von oben zur Verfügung stellt.

Geschwätz mit Wirkung

Warum hat er sich disqualifiziert? Als Philosoph habe ich den Anspruch, Gedanken, die ich für relevant halte, zu Ende zu denken – so weit ich eben komme. Was Precht da veranstaltet, ist das Gegenteil. Das beginnt mit “Ich möchte nicht …“. Es ist vollkommen belanglos, was Sie wollen oder nicht, Precht. Danach fragt Sie niemand, und es ist schon gar nicht Aufgabe eines Philosophen, seine angebliche Ausbildung dazu zu missbrauchen, unreflektiert seine Präferenzen hervorzuwürgen. Wollen Sie nicht? Dann gehen Sie doch nach China!

Weiter geht’s mit “… Perspektive auf einen Beruf …”. Mit welchem Recht? Auf welcher Weltsicht beruht der Anspruch, jemand müsse einem “Beruf” nachgehen, um zu leben und sich fortzupflanzen zu dürfen? Wüsste dieser Hanswurst irgend etwas, es fiele ihm auf, dass er da auf genau der Straße marschiert, die vom protestantischen Eifer über die Zuteilung von Lebensrechten an die Rampe führt. Mir ist unerklärlich, wie ein gebildeter Mensch so etwas sagen kann ohne zu kotzen. Zudem ist selbst die neoliberale Ideologie an der Stelle gnädiger, geht sie doch davon aus, dass jeder Mensch ‘aktiviert’ werden kann. Für Precht sind das Penner, die für immer verloren sind.

Lebensunwert

Nächster Punkt: “… auf die Idee kommt …” – schon der Gedanke daran erscheint Precht unverschämt. Minderleister haben demnach zu verinnerlichen, dass ihnen das Recht, eine Familie zu gründen, nicht (uneingeschränkt) zusteht. Sie haben sich dem völlig zu unterwerfen und selbst in Gedanken nicht dagegen aufzubegehren. Schließlich: “… fünf Kinder …” – wieso fünf? An dieser Stelle hat Prechts Gesellschaft zwei Möglichkeiten: Entweder sie schreibt per Strafgesetz exakt vor, wer unter welchen Bedingungen wie viele Kinder haben darf oder er verbietet es bestimmten Bevölkerungsgruppen ganz.

Selbst wenn man hier nicht konsequent an Zwangssterilisation denkt, ist diese prechtsche Gesellschaft schlicht faschistisch, wenn sie das real durchsetzt, was er da “möchte”. Hier öffnet sich dann immerhin der Rettungsfallschirm, der die Aussage, er sei ein Faschist, in dieser Form nicht zulässt. Seine Willensbekundung bezieht sich ja wiederum auf die Ideenwelt der Minderleister. Diese sollen ja von selbst das tun bzw. lassen, was von Staats wegen bewirkt eben Faschismus wäre. Es ist eine idealistische Ansicht, die er formuliert. Viel besser macht es das nicht, zumal das Bild von dem Verlierer, der sich fünf Kinder hält, die er sich nicht leisten kann, ein Stereotyp bedient, das schon ‘richtig’ verstanden werden wird.

 
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Wo wir herkommen, gab es Prügel, reichlich. Hat unseren Eltern auch nicht geschadet®. Die 60er und 70er waren – im Gegensatz zur Geschichtsschreibung und ihrer einschlägigen Wahrnehmung – mehrheitlich knallautoritär. Unsere Eltern sind die Generation, die von den Nazis erzogen worden ist. Wir waren ihre Kinder. Einige von uns wissen daher sehr genau, was Antifaschismus bedeutet.

Für die Macht und ihre soziale Wirtschaft® war die Generation unserer Großeltern schon optimal vorbereitet gewesen. Die Arbeiterschaft hatte nach zwölf Jahren ‚Tausendjährigem‘ ungeheure Macht. Der aufholende Kapitalismus brauchte sie. Sie waren organisiert. Man konnte es ihnen nicht schon wieder verbieten. Sie hätten den Laden übernehmen können.

Wo es lang geht

Nur gut, dass sie ihre Ketten gleich selbst mitgebracht hatten: ihre Identität als ‚Arbeiter‘, die sich nichts Anderes vorstellen konnten als abhängig zu sein und Bossen zu dienen und ihre Gewohnheit, widerspruchslos Befehle zu befolgen. Dass ihnen die Gnade zuteil wurde, Menschenrechte zu haben, bemerkten sie vielleicht gar nicht. So etwas Unverschämtes hätten sie gar nicht gefordert.

Zu den unangezweifelten Autoritäten gehörte auch 20 Jahre danach noch alles, was studiert hatte und einen Kittel trug. Allen voran die Ärzte. Patienten waren für sie gewohnheitsgemäß Stückgut, zumal wenn sie proletarischer Herkunft waren. Kinder machten da keine Ausnahme. Was sie mir als Kind alles amputiert haben, kennen manche gar nicht mehr. Ätherbetäubungen, Metzeleien, Deprivation und Ohrfeigen von Krankenschwestern waren Kollateralerscheinungen des Marschbefehls in den OP.

Verinnerlicht

Während sich dieses Segment in den 80ern allmählich zurück entwickelte, wurde die Kieferorthopädie als Marktchance entdeckt und erobert. Die Folterinstrumente wanderten ins eher unauffällige Mundesinnere, um dort die zeitgemäßen Untaten zu verrichten. Dass die Folgen neben bestenfalls kosmetischen Verbesserungen Zahnschäden und Migräne waren, tut nichts zur Sache. Der Deutsche mag es gerade.

Inzwischen ist vieles besser geworden. Man tut alles für seine Kinder. Sie sollen es einmal besser haben und ihre Chancen nutzen können. Das geht freilich nicht mit schiefen Zähnen und Sitzunruhe. Da tut man halt, was nötig ist. Wenn die Kinder etwas größer sind, machen sie ohnehin freiwillig mit. Hohe Absätze, Schönheitsoperationen, Zahnkorrekturen und Diäten gehören ebenso selbstverständlich zum Werkzeugkoffer der jungen Karriere wie der wohldosierte Einsatz typgerechter Psychopharmaka. Gelebte pluralistische Demokratie eben.

 
gz

Quelle: Pixabay

Donald Trump lässt in jeder Hinsicht die Hosen runter. Das US-Militär, die Geostrategie und die NATO sind Teil des Geschäftsmodells der USA, wobei „America First“ in dieser Beziehung heißt, dass der Rest der Welt – vor allem sogenannte „Partner“ – nützlich zu sein haben oder als Ballast abzuwerfen sind. Dass die NATO so einfach auch für den POTUS nicht zu handhaben ist, kann der intellektuell begrenzte Narzisst nicht verstehen.

Die Ansage an Deutschlands Europa ist derweil klar: Ihr zahlt dafür, dass wir euch benutzen, so wie die Mexikaner für ihr Einmauern. Geradezu wirr angesichts seiner Verstrickungen mit russischen Geschäftsleuten ist dabei die Drohung (mit) Russland. Was im Kern immer nur zum Alibi für hemmungsloses Aufrüsten taugte, soll Europa jetzt wirklich verschrecken: Tut, was ich sage oder der böse Russe kommt!

Es reicht

Man weiß ja nicht, wie viel Kompromat so in den Kanälen der Geheimdienste blubbert, aber erstens zerlegt sich die hiesige Nomenklatura gerade ohnehin selbst und kommt hervorragend mit ihrem ruiniertem Ruf zurecht, zweitens führen Trumps Schläge ins Wespennest sicher auch auf dieser Ebene nicht zu einem strategischen Vorteil für die USA. Wenn es jetzt nicht höchste Zeit für ein „Farewell, Ami!“ ist, wann dann?

Die Lösung liegt ebenfalls auf der Hand, und kein Mensch mit Verstand kann noch ernsthaft Angst davor haben: endlich realistische Beziehungen zu Russland aufzunehmen. Es geht nicht um Freundschaft, ebenso wenig um Feindschaft, sondern eine eigentlich selbstverständliche kontinentale Zusammenarbeit. Das müsste dem Kapital genau so gut gefallen wie den bislang klein gehaltenen politischen Kräften in Europa. Russland ist kein Feind, und was wir zur Verteidigung wirklich brauchen, ist übersichtlich, wenn das endlich auch offiziell so gesehen wird.

Eine Chance für den Weltfrieden, die schon 1990 hätte ergriffen werden können, aber das Imperium hatte andere Pläne. Es wäre ein Gewinn für alle, außer den frei drehenden USA, deren andauernde Propagandaschlacht gegen Russland vermutlich auch dessen Stabilität geschuldet ist. Was säße der POTUS doch gern ein paar Wochen so fest im Sattel wie der Putin!

Die Einzigen, denen das den Angstschweiß auf die Stirnen treiben muss, sind die Profiteure der deutschen Rüstungsindustrie. Die könnten allerdings am längeren Hebel sitzen.

 
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Hat vielleicht jemand einen Job für mich? Mein Hals ist nass und kein Taucher will mich aus meiner Höhle zerren. Warum berichtet bloß niemand? Ich bin doch sogar Blootsdoitschärr! Ich kann eine Menge Sachen machen. Schreiben, rechnen (elektronisch, schriftlich und köpflich), Algorithmen gießen, Jugendlichen suggerieren, ich sei eine Art Autorität, Spaß machen, Kollegen sortieren, Stromguitarren bedrahten und Fahrräder bereifen. Eher nicht möchte ich noch mehr lesen. Lesen tut weh. Zum Beispiel …

Christiane Nüsslein-Volhard ist geschieden und Nobelpreisträgerin“. Man weiß nicht, was schlimmer ist und ob das Eine wirklich das Andere entschädigt. “Geschieden” ist für mich persönlich “unintressant”. Geschieden kann jeder. Unter “geschieden und verwitwet” muss mir keiner kommen. Kriege ich eigentlich als Alterweißermann dafür auch ein paar Punkte? Zurück zur Dame: Nobelreisträgerin macht sich ganz gut, passt aber auf kein Klingelschild. Außer ggf. als Prof. Dr. Nbprstrg. Nee, das ist auch schon zu lang. Aber “Nüsslein-Volhard”?! Was muss sich eine hassen, um sich derart zu verheiraten? Deine Mutter is ne Hohlfrucht.

Wehret dem Ende!

Man muss sich ja dauernd “neu erfinden”, sagen bzw. schreiben Fachexperten, die eines sicher noch nie fertiggebracht haben: auch nur eine kreuzverdammte neue Formulierung zu finden, die beim Platzen nicht nach Pril schmeckt. Also wenn schon gebrochene Metapher, dann doch bitte Kleinholz. Womit wir zum Florida-Bob der kreischenden Metaphernsäge kommen und ich mich hiermit, jetzt ganz neu erfunden, um das Amt des Chefkittels der Zerebralproktologie bewerbe. Einer muss es tun – in die dunkle Höhle hinab tauchen und berichten, was nicht mehr zu retten ist.

Heute schon frugal klingend zum Abendessen geschritten? Muss man sich vorstellen: Da schreiten sie wieder – zum Abendessen. Wo sich unsereiner einfach am Tisch dran setzt. Nobel! Bei denen ihr Aldi wird Ware auch nicht verkauft, sie wird “weggegeben“. Dafür sind die Regale(!) billig, nicht etwas das Zeug, das dort (hä??) “im Fleischessaft” steht. Wtf? Wer liest so etwas? Ich? Schon wieder? Himmel, gebt mir was zu tun, sonst endet das noch, und zwar in Zeter und Gomorrha. So mancher an meiner Stelle hat schon aus Langeweile Tierbabys abgefackelt oder – schlimmer geht immer – wurde Sozialdemokrat.

 
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Ausgerechnet in einer Fernsehserie hörte ich den inspirierenden Satz: “Realität ist das Unveränderliche“. In diesen Zeiten frage ich mich quasi minütlich, wie so mancher durchs Leben marodiert angesichts dessen, was Menschen sich an Weltbildern zusammenzimmern. Eine extrem wichtige Rolle scheint mir dabei das Vergessen zu spielen. Es ist dieses nicht der Vorgang, dass man sich an etwas nicht mehr erinnert, weil es einem entfallen ist. Es muss vielmehr ein Vorgang sein, der nicht weniger Komplex ist als der gegenteilige, das Lernen.

Wenden wir uns noch für einen Augenblick der Realität zu, der unveränderlichen, dem, das ist: Realität ist konsistent. Wo immer man sich oder anderen etwas vormacht, entsteht ein Widerspruch, der bestenfalls in Beliebigkeit endet. Wahrheit hingegen (das betrifft gerade auch Wissenschaft) ist unveränderlich. Man kann Dinge unterschiedlich beschreiben, den Fokus ändern oder das Modell ändern, nach dem man sie einordnet. Es steht aber nicht zur Disposition, ob etwas ist oder nicht, ob zu einem bestimmten Zeitpunkt etwas geschieht oder nicht.

Welt vs. Narrativ

Die Lüge, die Fälschung, die Propaganda geraten in Konflikt mit der Realität. Diese muss daher in Erzählungen eingebunden werden oder die Erzähler ordnen Ereignisse von vornherein in ihre Erzählung ein und erfinden sich welche, die das Ganze passend machen. Das Narrativ, dem diese Strategien folgen, beschreibt aber nicht. Es steht auch nicht zur Überprüfung an. Es bestimmt etwas, das an die Stelle der Realität tritt; bloß, dass es eben nicht unveränderlich ist, sondern im Kern beliebig. Etwas, das Realität beschreibt, ist hingegen sowohl Historie als auch Prognose. Die nächste Realität, das nächste Ereignis muss denselben Regeln folgen wie alle anderen Ereignisse.

Jeder steht ständig (vor allem in Diskussionen) vor der Entscheidung, sich beliebig zu machen und sich damit als Teil der Wirklichkeit zu verlieren oder die Welt so zu sehen, wie sie unveränderlich ist. Nun ist die Welt extrem komplex; vermutlich so komplex, dass kein noch so kluger Kopf dem nachkommt und daher zwangsläufig irrt. Immer wieder. An diesen Punkten des Irrtums gilt es zu entscheiden, ein eigenes Narrativ an die Stelle der Realität treten zu lassen oder seine Weltsicht zu ändern. Wo sich das Narrativ gegen Veränderung wehrt, wird Realität beliebig. In der Konsequenz endet diese Realitätsabwehr in Psychose, dem endlosen Irren.

Vor allem in Diskussionen macht sich das bemerkbar. Wem es zu anstrengend ist, sein Narrativ zu justieren, seine Weltsicht zu verändern und zu versuchen, sich der Komplexität der Welt anzunähern, hat vor allem zwei Möglichkeiten: Die ehrliche Kapitulation oder wenigstens das Pausieren angesichts einer überwältigenden Schwierigkeit – oder die brutale Anpassung der komplexen Wirklichkeit an ein unterkomplexes Weltbild. Für die anderen bleibt die Aufgabe, immer weiter zu lernen und obendrein das Geschwätz der Stehengebliebenen zu ertragen, die das Gros ihrer Energie in systematisches Vergessen investieren.

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