Ich möchte nicht, dass jemand, der 1500 Euro Grundeinkommen hat und keine Perspektive auf einen Beruf, auf die Idee kommt, fünf Kinder zu kriegen.

Spätestens mit diesem von Christoph Butterwegge “sozialreaktionär” genannten Statement hat sich Richard David Precht nicht nur als Philosoph disqualifiziert, sondern auch den Stab von seinem nicht minder reaktionären Kollegen Sloterdijk übernommen. Was deutsche Medien als Vorzeigephilosophen herumreichen, ist schon recht bezeichnend für den jeweiligen Zeitgeist. Mit Adorno und Marcuse war in den späten 60ern ein Denken am Werk, das versucht hat, das unbegreifliche Geschehen zu verstehen und unmöglich zu machen. In deren Fußstapfen verschwand bereits der Sozialdemokrat Habermas, der Vernunft zwanghaft restaurieren wollte, wo sie längst gescheitert war.

Inzwischen turnen Schwätzer vor den Kameras herum, die nur mehr eine medial passende Attitüde beherrschen. Ich hatte Precht bislang für harmlos gehalten, weil er halt belangloses Zeugs ohne Relevanz und Tiefgang von sich gegeben hat. Das hat sich mit dem da oben erledigt, denn es ist relevant, wenn das Schwiegersohnmodell, das eben den “Philosophen” als solchen berufsmäßig darstellt, seine obszöne Naivität dem Klassenkampf von oben zur Verfügung stellt.

Geschwätz mit Wirkung

Warum hat er sich disqualifiziert? Als Philosoph habe ich den Anspruch, Gedanken, die ich für relevant halte, zu Ende zu denken – so weit ich eben komme. Was Precht da veranstaltet, ist das Gegenteil. Das beginnt mit “Ich möchte nicht …“. Es ist vollkommen belanglos, was Sie wollen oder nicht, Precht. Danach fragt Sie niemand, und es ist schon gar nicht Aufgabe eines Philosophen, seine angebliche Ausbildung dazu zu missbrauchen, unreflektiert seine Präferenzen hervorzuwürgen. Wollen Sie nicht? Dann gehen Sie doch nach China!

Weiter geht’s mit “… Perspektive auf einen Beruf …”. Mit welchem Recht? Auf welcher Weltsicht beruht der Anspruch, jemand müsse einem “Beruf” nachgehen, um zu leben und sich fortzupflanzen zu dürfen? Wüsste dieser Hanswurst irgend etwas, es fiele ihm auf, dass er da auf genau der Straße marschiert, die vom protestantischen Eifer über die Zuteilung von Lebensrechten an die Rampe führt. Mir ist unerklärlich, wie ein gebildeter Mensch so etwas sagen kann ohne zu kotzen. Zudem ist selbst die neoliberale Ideologie an der Stelle gnädiger, geht sie doch davon aus, dass jeder Mensch ‘aktiviert’ werden kann. Für Precht sind das Penner, die für immer verloren sind.

Lebensunwert

Nächster Punkt: “… auf die Idee kommt …” – schon der Gedanke daran erscheint Precht unverschämt. Minderleister haben demnach zu verinnerlichen, dass ihnen das Recht, eine Familie zu gründen, nicht (uneingeschränkt) zusteht. Sie haben sich dem völlig zu unterwerfen und selbst in Gedanken nicht dagegen aufzubegehren. Schließlich: “… fünf Kinder …” – wieso fünf? An dieser Stelle hat Prechts Gesellschaft zwei Möglichkeiten: Entweder sie schreibt per Strafgesetz exakt vor, wer unter welchen Bedingungen wie viele Kinder haben darf oder er verbietet es bestimmten Bevölkerungsgruppen ganz.

Selbst wenn man hier nicht konsequent an Zwangssterilisation denkt, ist diese prechtsche Gesellschaft schlicht faschistisch, wenn sie das real durchsetzt, was er da “möchte”. Hier öffnet sich dann immerhin der Rettungsfallschirm, der die Aussage, er sei ein Faschist, in dieser Form nicht zulässt. Seine Willensbekundung bezieht sich ja wiederum auf die Ideenwelt der Minderleister. Diese sollen ja von selbst das tun bzw. lassen, was von Staats wegen bewirkt eben Faschismus wäre. Es ist eine idealistische Ansicht, die er formuliert. Viel besser macht es das nicht, zumal das Bild von dem Verlierer, der sich fünf Kinder hält, die er sich nicht leisten kann, ein Stereotyp bedient, das schon ‘richtig’ verstanden werden wird.