Wenn die Massenmedien, ihre Verlagshäuser, Redakteure und Lohnschreiber, den großen Holzhammer rausholen und ihren Kritikern “Verschwörungstheorien” vorwerfen, dann müssen wir das im Grunde ignorieren. Zu tief ist längst die Kluft zwischen den Erzählern der Mittelschichtsmärchen und den Werktätigen, mit denen sie außerordentlich hohen Kontakt haben. Dabei wirkt das Versagen der Medienprofis doppelt: Sie sind selbst auf Ignoranz getrimmt und ihre eindimensionale Kommunikation ermutigt auf der anderen Seite die größten Deppen, sich auch für qualifiziert zu halten.
Für das, was sich hierzulande noch “Journalismus” nennt, habe ich keine Hoffnung mehr. Gerade in den letzten Tagen und Wochen bin ich kurz vor der Verzweiflung, wenn ich ‘Berichte’ lese über Russland, Katalonien oder die Feiern zur “Reformation”. Sie sind geprägt durch Unwissen, Dummheit und schlicht dreiste Lügen. Da helfen dann auch keine ‘journalistischen Standards’ mehr. Die verlangen etwa so etwas wie zwei unabhängige Quellen; wenn man aber ohnehin planvoll die ganz eigene Realität bastelt, fährt man halt auf Standspur und Gegenfahrbahn. “Du sollst nicht lügen” steht nicht im Pressekodex.
Wenn man das besser machen will, empfiehlt es sich, anders zu denken und dann anders zu sprechen bzw. zu schreiben. Beginnen wir hinten unten: Wenn mir die Galle überläuft, habe ich zwei Optionen: Ich halte die Klappe oder lasse laufen. Letzteres muss schon mal sein; dann gibt man es als Ranting zu erkennen und lässt keinen Zweifel daran, dass man sich gerade gehen lässt. Ein solcher Text ist unanständig, ungerecht und persönlich. Er sagt viel über den Sprecher aus und wenig über das Objekt seiner Rage. Es ist Pöbelei. So etwas kommt vor, aber es kann nicht den Anspruch auf irgendeine Seriosität erheben.
Wer wie was
Ansonsten halt sachlich. Wie macht man das? Indem man sich nicht mit dem befasst, was irgendwer will, wünscht oder für gut und richtig hält. Anders gesagt: Nur eine strikt materialistische Sichtweise schützt vor Spekulationen, die in VTen enden können. Es ist völlig nutzlos, sich vorzustellen, was mächtige Leute aufgrund ihres Charakters wollen, was sie planen oder verabreden; vor allem, wenn es nicht öffentlich ist. Schon die Vorstellung, ein Regierungschef könne quasi einen Befehl geben, der dann gehorsam umgesetzt wird, ist Unsinn.
Die erste Frage ist: Was kann ich wissen? Was ist wann wo wie passiert? Welche Kräfte sind wirksam? Mit wieviel Geld, wie vielen Waffen, Rohstoffen und Ressourcen sind bisher welche Ziele verfolgt worden? Welche davon wurden erreicht, welche nicht? Woran liegt das? Welche Interessen werden wie verfolgt? Dies klingt jetzt nach einem Widerspruch, schrieb ich doch gerade noch, man solle sich nicht mit “wollen, planen oder verabreden” befassen. Hier kommen wir zum zentralen Unterschied:
Interessen sind weitgehend objektiv; in der Regel handelt es sich um das, was uns als ‘Wachstum’ verbrämt wird und “Profite” meint. Profite brauchen Ressourcen, Rohstoffe, Handelswege, Einfluss, Militär. Es gibt hier Konzerne, Staaten, Verträge, Koalitionen. Einige davon bestehen seit Jahrzehnten, andere nur kurzfristig. Interessen werden in solchen Strukturen verfolgt, dazu gibt es Strategien. Diese sind teils erkennbar (NATO-Osterweiterung, Kriege im Nahen Osten), teils werden sie öffentlich kommuniziert (Weißbuch, Think-Tanks, Regierungserklärungen …). Aus diesen Daten und Quellen ein konsistentes Bild zusammen zu fügen, ist die Kunst. Irrtümer stets vorbehalten, Korrekturen immer wieder nötig.
Haltbar bis
Das bedeutet von Alpha bis Omega, seine vermeintlichen Erkenntnisse täglich zu hinterfragen. Es gibt kein Wissen, das ewig währt und schon gar keine Mächte, die immer überall das Geschehen bestimmen. Nein, nicht einmal die NATO. Auch nicht Rockefeller oder die Bilderberger. Das liegt schon allein daran, dass ihnen ob ihrer Dummheit, Ignoranz, Eitelkeit oder schlicht der Grenzen des menschlichen Denkens die Fähigkeit fehlt, einen ganzen Planeten zu regieren. Wer sich schließlich mit den Gesetzen und Zwängen kapitalistischen Wirtschaftens beschäftigt, weiß, dass dessen Eigendynamik ohnehin nicht beherrschbar ist. Gerade die Reichen und Mächtigen rennen den Problemen längst hinterher, die das System erzeugt.
Verschwörungstheorie und Propaganda gehen Hand in Hand. Dem kleinen VTler aus der Klapse nebenan kann man freilich keine “Propaganda” vorwerfen, weil sein Gebrabbel zu irrelevant ist. Den großen Verlagen muss man hingegen Propaganda vorwerfen, wo sie statt der materialen Analyse regelmäßig mit Personenkult, Schuld, Gut und Böse und sonstigem alltagstheoretischen Kitsch daherkommen. Die Rollen sind darin vorab festgelegt und das Ganze wird in Endlosschleife wiederholt.
Auch das ist aber keine Verschwörung, sondern das Narrativ ihrer kleinen Welt. Sie sind vor allem so blöd, dass sie das selbst glauben; auch ihnen ist die Welt längst zu komplex geworden. Sie neigen daher selbst zu Verschwörungstheorien, die in ihre Propaganda einfließen (Russen, Hacker, Trolle, Terroristen). Sicher, ein paar von ihnen wissen, was sie tun. Aber selbst für die ist der Rahmen festgelegt, in dem sie sich bewegen können. Limousine und Golfclub wollen schließlich bezahlt sein.
November 9th, 2017 at 15:11
OT: Völlig verpennt: Das hier war das 3000. Posting. Ich gratuliere mir ;-)
November 9th, 2017 at 15:52
Herzlichen Gluehstrumpf!
November 9th, 2017 at 16:04
So nimm denn auch meine herzlichste Beglückwünschung! Und den Dank!
So, nu aber…
November 9th, 2017 at 17:08
Jo, da schließe ich mich doch glatt mit Glückwunsch und Dank an!
November 9th, 2017 at 18:08
(So war das gar nicht gedacht, mehr so als Info …)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich nehme den Dank an, auch als Pauschallobpreisung durch den Rest der Pappnasen. Nicht nötig.
Und jetzt zum Wetter …
November 9th, 2017 at 21:21
Wenn die Redakteure und Lohnschreiber, den großen Holzhammer rausholen und ihren Kritikern “Verschwörungstheorien” vorwerfen, dann steht ihnen ein Fakten-Scheck zu, einlösbar bei der Bank ihres Vertrauens.
November 9th, 2017 at 21:54
@Nro 6:Das wäre dann Monte dei Paschi, wahlweise Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien…
@flatter: hättste ma die Buchstaben gezählt…
Die MSM, also die bürgerliche Presse regt mich ni uff, da steht das was da stehen muss, die die sich links nennt eher. Die Oarbeidsblädse…, Kapital ist der prozessierende Widerspruch…ham die nie gelesen, kriegen die nich gebacken…
Die Bauarbeiten am Bahnhof Zittau toppen S21, da kann keen Zug mehr halten, da gibts keene Schienen mehr…
Das `Sozialamt` konnt sich nich entscheiden, Dienstag verbindlicher Termin, werden sehn…
November 9th, 2017 at 22:18
Wozu benötige ich das Produkt, welches Journalismus mir verkaufen will?
November 9th, 2017 at 22:41
Abstrahiere er sich, dann braucht er das, um sich informiert zu fühlen. Schlimmer noch: um mitreden zu können, was die anderen reden.
Überdies verbreiten die zuliefernden Agenturen ja durchaus durch ihre beachtliche Infrastruktur Informationen. Ich brauche das Produkt, um daraus zu filtrieren, was ich wissen will.
November 9th, 2017 at 22:52
Aber wer würde annehmen, dass “die Agenturen” ohne Auftrag und Eigeninteresse handeln?
Nix ist wertvoller als Information. Nix ist besser eintausch- oder handelbar. Kaum etwas ist kurzlebiger und dabei inflationärer.
November 9th, 2017 at 23:04
“Inflationär” erschließt sich mir nicht. Warum sollten da die Preise steigen? Im Gegenteil ist die Refinanzierung dieses Geschäfts desaströs.
Das “Eigeninteresse” ist selbstverständlich Profit. Was dabei an Information abfällt, kann man nutzen oder nicht.
November 9th, 2017 at 23:39
Ich nehme das, was man gemeinhin als Informationen bezeichnet, dann doch lieber selbst auf und bilde sie auch selbst ab. Viele angebotenen Informationen sind nämlich überhaupt nicht in-Form.
November 9th, 2017 at 23:44
Und ich behaupte, du nimmst sie selbst auf, indem du ‘journalistische’ Produkte filtrierst.
November 9th, 2017 at 23:46
*kicher* Ich habe eben noch mal den Artikel oben gelesen und komme zu dem Schluss, dass den niemand kapiert, der nicht eh schon weiß, was drin steht. I’m a loser, baby …
November 10th, 2017 at 00:24
Schreib doch mal ‘nen Artikel über ‘kapieren’, mal sehn was dann passiert.
(Wäre vor allem gespannt, ob Du das in gewohnter Kürze hinbekommst… Tschaka!)
November 10th, 2017 at 01:46
Na, dann will ich ‘mal ‘n besonderes Geschenk auspacken (OT): Es gibt nicht „den Kapitalismus“ (Zwischenüberschrift). Dat iss’n Aboartikel; alle dies’ sowieso besser wissen und sich immer noch darüber lustig machen, dass die Flying Flassbecks immer noch dicke Bretter bohren – obwohl der Boherer schon x-mal abgebrochen ist – können sich natürlich den Eurofuffzich für’s lesen sparen.
Nachtrach (ich kann mir das Zitat doch nich verkneifen): “Man sollte sich davor hüten, in der politischen Debatte mit bloßen Schlagworten wie dem „Kapitalismus“ alle diejenigen zu diskreditieren, die sich nicht dem hehren Ziel der „Systemüberwindung“ verschrieben haben, sondern im Hier und Jetzt etwas ganz Konkretes für die Menschen tun wollen. Es ist lächerlich leicht, sich mit [bspw.] Marx-Zitaten und dichtem Systemnebel zu immunisieren, aber sehr schwer, das heutige System zu verstehen und konkrete Vorschläge zu seiner Verbesserung zu machen, weil man dabei gegen den grassierenden Lobbyismus in der Politik, die Ideologie der akademischen Ökonomen und die Verteidigung des Mainstream in den meisten Medien bestehen muss.” [Einfügung von mir]
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Auf die nächsten 3000! Prost!
November 10th, 2017 at 02:13
@ flatter
Um ehrlich zu sein nutze ich diese Produkte nur “um mitreden zu können, was die anderen reden.” Ich selbst wüsste ja nichts, dass für irgendwen sonst von Relevanz wäre. So kann ich ja meinem Gegenüber nicht begegnen.
Der Professor meinte damals, ich müsse viel besser im Smalltalk werden, und gab mir jede Menge Tipps, Hinweise und Hilfestellungen. Sozialisation und so.
November 10th, 2017 at 03:02
+++BREAKING NEWS+++
Kanzlerin Merke gratuliert flatter zum 3000.
Berlin: Die Koalitionsrunde unter Angela Merkel entbietet dem renommierten Blogger flatter die millionenfach geforderte Ehre: “Eine außergewöhnliche und notwendige Bereicherung in der neuländischen Blogosphäre, fast so gut wie LeFloid”, so die Kanzlerin.
Volker Kauder, Christian Lindner, Horst Seehofer und Anton Hofreiter äußerten sich ähnlich.
Bundespräsident Steinmeier bekundete, die Blogosphähre wäre ärmer ohne flatter.
Steinmeiers Vor-Vorgänger Christian Wulff betonte: Der flatter gehört nun eben auch zu Deutschland.
Bundestrainer Jogi Löw ließ im Trainingslager verlautbaren: “Ja, der flatter überzeugt ja schon seit Jahren auch, samma, mit Konschtanz, den kannschte immer bringen, wenn’s eng wird, samma, da kannschte nix falsch mache.”
November 10th, 2017 at 04:48
@flatter #11:
Inflationär i.S.v. Wertverfall. Rund 95% der heute verfügbaren Informationen sind bereits 5 Minuten nach ihrer Kolportation entweder völlig wertlos, weil eben nunmehr bekannt oder aber durch Teilung und Weitergabe einem rapiden Wertverlust unterlegen. Damit ist nicht nur der monetäre Wert gemeint, sondern auch der systemische und/oder praktische Wert für Informant/Informierten.
November 10th, 2017 at 08:16
Moin Flatter,
auch auf die Gefahr hin mich zu blamieren, hätte ich da eine Frage:
Ist der Text oben jetzt ein rant?
Mach doch ma einer dat Licht an.
Danke
November 10th, 2017 at 10:36
Für’s OT brauchte ich nich lesen (zumals zu früh war), jezz getan: Selten guter Post! Thx
November 10th, 2017 at 10:41
@16
Seh’ gerade dass der Verlinkte doch kein Aboartikel iss (‘s war wohl sehr zu früh, heute morgen), also ran ans Lesen und gleich noch ein’.
November 10th, 2017 at 10:47
@Fluchtwagenfahrer: Nö. Er enthält nicht einmal Elemente eines Rants, woraus du ersehen kannst, dass ich etwa die Formulierung “zu blöd” für sachlich halte. Sie sagt, was ist.
p.s.: Nunja, in der Einleitung vielleicht ;-)
November 10th, 2017 at 10:50
@Vogel: Man kann doch nicht ernsthaft den Krebs überwinden wollen und sich gegen Verbesserungen sperren!!1!
Diese Sozialdemokraten wollen vor allem ums Verrecken nicht sehen, welchen Schaden sie anrichten, weil sie das System immer wieder stützen, wo es wenigstens temporär, lokal oder teilweise überwunden werden könnte. Der Flassbeck lügt sich noch den Schröder in die Tasche, wenn er so etwas sagt. Er will nicht wahrhaben, dass der Neoliberalismus die Alternative zum Systemwechsel ist und dass man sich da entscheiden muss.
p.s.: Opener dazu ist
in Arbeitfeddich.November 10th, 2017 at 16:11
Nebenbei: Der Kommentar, ein absolutes ‘Highlight‘ der NDS.