dkspiegel

Wie bereits des Öfteren festgestellt, kann es nichts werden mit einer ‘Demokratie’, wenn die Menschen sich nicht für Politik interessieren und auch nicht für das, was ihre Stellvertreter so anstellen. Es interessiert sie so lange nicht, bis die Zeitungen sagen, man habe sich aufzuregen. Die Zeitungen und die Tagesschau werden schon gar nicht hinterfragt. Wissen will also niemand, was sich abspielt. Stattdessen wird magisches Denken gepflegt. Es werden Ikonen produziert und angenommen, denen bestimmte Kompetenzen innewohnen wie den religiösen Ikonen der Zauber.

So nehmen sich die Talkshows aus wie eine Fehde auf dem Olymp, nur sehr viel langweiliger. Da gibt es Götter für jede Abteilung, für Feminismus, Ökonomie, Geschichte, Terrorismus oder auch für allgemeines Fachexpertentum. Wie in der echten Religion kann man sich davon einen aussuchen oder nicht oder auch als Ketzer den abgehalfterten Figuren die Eigenschaften zuordnen, die man tatsächlich in ihnen erkennt. So ‘gilt’ ein Arnulf Bahring der Gemeinde als allkompetenter Professor (für Geschichte, das wird aber eher selten erwähnt), den anderen als neoliberaler Geiferer ohne Manieren. Letztere haben recht, sind aber eine kleine Minderheit.

Fachabteilung im Olymp

Für Wirtschaft ist immer noch einer da, der von der INSM geschickt wurde (wie Bahring selbst auch), gern ein Olaf Henkel oder ein Professor Hüther zum Beispiel. Für politische Autorität kommt ein alter Mann, von Dohnanyi (INSM/SPD) zum Beispiel, für das Linke an und für sich Lafontaine oder Wagenknecht, für Feminismus Alice Schwarzer und für Journalismus der Jörges. Vielleicht habe ich ein paar vergessen, aber das Prinzip dürfte klar sein: Jedes Thema wird in Abteilungen abgehandelt, für die eine Figur zuständig ist. Es werden nie unterschiedliche Perspektiven von wechselnden Gesprächsteilnehmern vertreten, sondern immer dasselbe immer durch dieselben.

Dabei entgeht den Wahldemokraten, die sich dabei politisch einbilden, dass die Vertreter ihrer selbst erstens selbst produziert sind und zweitens keine nachvollziehbare Meinungsbildung anbieten, sondern Stereotypen. Die werden entweder so oft wiederholt, dass man sie sich merkt oder man vergisst gleich wieder alles. Nehmen wir mal Schwarzer, die einzige Feministin in Deutschland. Was hat sie wozu gesagt? Kann sich irgendwer erinnern? Hat sie je etwas gesagt, das eine Debatte bereichert hat? So dass man sagen könnte: “Das habe ich durch Alice Schwarzer gelernt”? Aha. Immerhin sorgt sie seit Jahrzehnten dafür, dass feministische Ansätze jenseits ihrer Person nicht diskutiert werden. Also quasi gar keine.

Das kann man jetzt durch die Instanzen treiben, bis das Klopapier am Ende ist. Für jede Meinungsschablone eine Plapperpuppe. Ich spule daher vor und komme zur Talk-Chefetage, zum Chef, zu Zeus, zum Obergott. Wie es sich in einer am Ende doch monotheistischen Gesellschaft gehört, kann es da nur eine geben, die daher auch gern allein eingeladen wird. Die Kanzlerin – wie schon Vorgänger Helmut Kohl keine, die Augenhöhe verträgt.

Marke Merkel

An Merkel kann man alles finden, was die Ikone zur Marke macht und die Marke zur Ikone. Sie ist die “Mutti” der Nation, Gottvater und Mutter Gottes ineins. Sie ‘macht das schon’, wir “kennen” sie. Was genau sie macht, das spielt dabei keine Rolle. Es ist ihre Aura, ihre Herrlichkeit, das, was sie ist bzw. darstellt, nicht das, was sie tut. Ihre Handlungen sind rätselhaft und irrelevant für die Betrachtung – man beurteilt nicht die Handlung einer Gottheit, man deutet sie höchstens.

Dieser Hokuspokus kommt ihrem Leben als Marke enorm entgegen. Ich frage mich, ob die alberne “Raute”, die man ihr als Markenzeichen verordnet hat, ein hilfloser Versuch ist, einen Apfel darzustellen. Die Leute geben ja für jeden Dreck ihr letztes Hemd, wenn nur ein scheiß Apfel drauf klebt. Sie sagt heute ja, morgen nein, ist dabei niemals verbindlich und wenn dann widersprüchlich. Sie kann mit FDP, SPD und Grünen, sicher auch mit AfD, ADAC und den Muppets. Wofür sie steht, wer sie berät, wie das kommt, was sie als nächstes tun wird? Woher soll man das wissen, das ist nicht Sache der Untertanen. Die sollen ihre ewig dahergeleierten Schlagworte nachbeten, sie wiedererkennen und kaufen, was in der Packung ist.

Der religiöse Glaube, nicht etwa der Zweifel, ist auch Sache der Journaille. Deren Aufgabe ist es jeweils, die Herrschaft gut auszuleuchten. Das Bild muss die Aura wiedergeben, nicht Fähigkeiten, Taten oder Charakter. Deshalb wirkt der Lohnschreiber auch so desorientiert, wenn er einmal über kriminelle Machenschaften der Herrschaft schreiben soll, deren “Sünden”. “Steuersünden” zum Beispiel. Da muss er sich erst den Tagesbefehl holen: Ist Empörung angesagt oder Reinwaschen? Verharmlosen oder Verteufeln? Egal was er dann vertextet, es wird immer windschief und peinlich. Es muss ja eine Tragödie werden, das Spiel der Götter und Könige! Aber wo das Theater der Antike der göttlichen Erinnerung diente, taugt dieses Schauspiel nur zum Vergessen. Genau dafür wird es gespielt.