Da ich kein Techniker bin, kein Programmierer und kein Mitglied einer Crew, beschäftige ich mich mit Hacken auf einer allgemeineren Ebene. Ich habe das einmal so skizziert:
“Hacken bedeutet, sich in ein System hinein zu denken, es zu verstehen und es zu nutzen, ohne sich dabei an Handbuch und offizielle Regeln zu halten.” Ein schönes Beispiel dafür ist der Lifehack. Geht ganz ohne Computer.
Dabei steht die Tätigkeit im Fokus und nicht etwa eine Mitgliedschaft in einem esoterischen Zirkel. Hacken kann jeder, der sich mit den Grundlagen dessen befasst, was er tut. Wahrnehmen, verstehen, kreativ eingreifen.
Die Idee
Dass die Idee dazu aus von Nerds und Codern kommt, ist kein Zufall, weil die eben aus Berufung oder Leidenschaft Systeme teils komplett entwerfen, auf jeden Fall aber den Durchblick brauchen bei dem, was sie veranstalten, denn sonst geht nichts mehr. Daher darf die unbeteiligte Öffentlichkeit auch gern mal zur Kenntnis nehmen, dass nicht jede Manipulation an einem Rechner ein Hack ist und schon gar nicht etwas, das sinnlose Zerstörung hinterlässt.
Hacker gibt es in jeder Branche. Erzieher zum Beispiel oder Hundeerzieher. Das System Hund muss man erst mal lesen lernen. Es spricht eine völlig andere Sprache als wir. Will ich einen Hund zu einer Handlung bewegen, nützt es nichts, das zu verlangen oder ihn zu überzeugen. Auch Zwang ist ein schlechter Weg. Selbst die Timleline darf ich umkehren, etwa: Handlung-Kommando-Belohnung. Ich warte also darauf, dass der Hund etwas quasi zufällig macht, dann sage ich “Cola” und belohne ihn. Mache ich das oft genug, wird er dasselbe tun, wenn ich “Cola” sage. Es gibt auch in diesem Bereich viel komplexere Hacks, aber das wäre ein Beispiel.
Nehmen wir die Medizin. Operationsverfahren, Heilmittel, eigentlich alles, was damit zu tun hat, kann durch Hacks befördert werden. Das fing mit der mutigen Operation am lebendigen Körper an. Einen Menschen aufzuschneiden, um ihn zu heilen? Welch ein grandioser Hack! Maden in eine Wunde legen? Genial! Knochen auf einen Silberdraht auffädeln? Schimmelpilz gegen Infektionen? Musst du drauf kommen. Solche Beispiele gibt es aus jedem Bereich menschlicher Betätigung.
Fröhliche Wissenschaft
Hacken ist angewandte (wissenschaftliche) Kenntnis ohne Rücksicht auf gegebene Regeln. Dazu bedarf es einiger Voraussetzungen: Erstens grundlegender Kenntnis des Gegenstands. Was passiert? Wie funktioniert es? Was kann man noch damit machen? Zweitens eine konkrete Phantasie: Was wäre, wenn ich dies und jenes täte? Kann das funktionieren? Passiert vielleicht etwas Unberechenbares? Drittens den Mut zu tun, was “man nicht tut”. Seien es Konventionen, Regeln oder Gesetze, die sind nicht in Stein gemeißelt. Der Kreidestrich ist keine Wand, und auch gegen die gibt es Mittel.
Eigentlich ist Hacken klassischer experimenteller Wissenschaft sehr ähnlich, nur ohne den verkrusteten Betrieb. Vielleicht fragt ihr euch, warum das Thema sich hier gerade ausbreitet. Nun ja, ich frage mich, ob man die große Maschine auch hacken kann. Dazu später mehr.
Dezember 29th, 2015 at 21:22
Ich hab zum Lifehack oben noch den vergessenen Link eingefügt.
Dezember 29th, 2015 at 21:38
Deine Tastatur ist schmutzig. Besorg dir eine graue.
Dezember 29th, 2015 at 21:38
Ein visueller Hack: Man Ray
Dezember 29th, 2015 at 21:44
Am Rande: Im C3 läuft gerade der Talk zu “Intelexit”. Ich habe mich schon oft gefragt, ob und wie man an die Spitzel herankommt. Nicht ausgereift, aber ein richtiger Ansatz.
Dezember 29th, 2015 at 22:07
Auch am Rande: Ich hatte den Artikel deshalb verlinkt, weil darin auch etwas vom Teilen von Wissen, von der Ablehnung repetitiver oder doofer Arbeit und deren Automatisierung und von der Akzeptanz ausschließlich fachlicher Kompetenz steht.
Du beschreibst hier nur die Aspekte, die eigentlich jeden antreiben, der nicht für die mittlere Beamtenlaufbahn als Verwaltungsfachwirt im Fachbereich Verwaltungsrecht geboren ist, wobei es dort bestimmt auch kreativen Umgang mit dem Recht geben kann.
Dezember 29th, 2015 at 22:10
“Jeder” in diesem Sinne sind nach meiner Erfahrung erstens verdammt wenige. Zwotens mag es sein, dass Menschen diesen Antrieb haben. Dann sind sie aber eben noch nicht kreativ, bereit Regeln zu verletzen oder verschaffen sich die genannten grundlegenden Kenntnisse.
Edith; Ich habe den Artikel oben noch mal verlinkt, weil ich eben finde, dass er einen Einblick in dieses Verständnis von “Hacker” gibt. Ich grenze mich eben ab, weil es mir nicht um den Status bzw. die handelnden Personen geht, sondern um die Tätigkeit.
Dezember 29th, 2015 at 22:13
Hm… Dann ist es auch Hacken, wenn man den Flaschenautomaten verarscht?
Dezember 29th, 2015 at 22:28
@matrixmann: m(
p.s.: Dann schon lieber “Hacking EU funding for a decentralizing FOSS project” anschauen.
Dezember 30th, 2015 at 00:23
ich bin immer wieder überrascht, was du so an Links setzt :) say thankya.
Sehr gute Definition. Dazu kommt dann meist noch ein “und das so gewonnene Wissen für unerwartete und ungeahnte Anwendungen zu nutzen”, was erst für den richtigen Spaß sorgt :) ich wünsche dir eine gute Zeit mit den Streams vom CCC-Kongress und einen guten Rutsch!
Dezember 30th, 2015 at 04:12
@flatter (3)
Danke für den Tipp, das finale Bügeleisen für Bügelfalten *haben_wollen*
Dezember 30th, 2015 at 07:52
Beispiel Hundeerzieher und der Operateur: Beides sind Subjekte, die sich am mehr oder minder willenlosen Objekt zu schaffen machen. Beide setzen das Ziel für sich und für ihr Objekt.
Ja, Hacker, Rebellen, Revolutionäre und Terroristen benötigen auch dieses furchtbar gute Gewissen und das furchtbar große Ego, das große Wissenschaftler auszeichnet. Für alle ist Frankensteins Monster die treffende Parabel.
Ich denke, Hacker, Rebell(in), Revolutionär(in), Terrorist(in) – das sind antiautoritäre Konzepte mit ziemlich autoritären Konsequenzen und Resultaten.
Knüppel frei!
Dezember 30th, 2015 at 10:25
Passend zum Thema gabs auf dem letztjährigen C3 den schönen Vortrag Mit Kunst die Gesellschaft hacken vom “Zentrum für politische Schönheit”. Meiner Meinung nach ist es eine gute Illustration zu Deinem Artikel.
Dezember 30th, 2015 at 10:28
Ich glaube mein Kommentar wurde vom Spamfilter gefressen…
Dezember 30th, 2015 at 11:06
Nein, beide. :-P
Dir auch ein gutes Gerutsche.
Dezember 30th, 2015 at 17:44
@flatter(6)
Du schreibst, daß es Dir um die Tätigkeiten geht, nicht um die handelnden Personen.
Kann ich nachvollziehen und bin ich dabei, so lange es um so etwas wie die Begriffsklärung selbst geht.
… aber wozu diese Begriffsklärung des Hackens, also eines bestimmten Tuen, wenn dabei von Menschen abstrahiert wird.
Ich mein’: von allein tut sich ja nun mal nichts. ;)
Dezember 30th, 2015 at 17:58
@Wat.: “von allein tut sich ja nun mal nichts.”
Alles ist das Ergebnis einer zufälligen Quantenfluktuation.
Dezember 30th, 2015 at 18:02
Das dann auch –> :P
Dezember 30th, 2015 at 18:41
“… aber wozu diese Begriffsklärung ”
– ja, wozu? Ähm, um den Begriff zu klären? Damit man damit etwas sagen kann und nicht bloß Zeichen oder Laute entlässt, unter denen sich jeder etwas anderes vorstellt? Ich abstrahiere übrigens immer von Personen, was denn sonst?
Die Gleichsetzung von “Personen” und “Menschen” in diesem Zusammenhang finde ich mit Verlaub dezent dreist, denn ich halte das nicht für einen Zufall.
Dezember 30th, 2015 at 20:12
Dreister (nee, nur einer ohne Umweg) Griff, ob Du tatsächlich die Personifizierung damit meintest oder die handelnden Personen ‘an sich’. Auf spezielle Personen abheben wäre echt neu bei Dir, mir läßt es aber auch diesen Gedanken, daß Du das so u/o auch alle handelnden Personen (also Menschen) meinst, zu.
Btw. Warum rechtfertige ich mich hier eigentlich ;)
Dezember 30th, 2015 at 20:59
@R@iner
Danke für’s Link! Irre interessant – könnte mich reinlegen in solche Vorträge, hab’s genossen -. allein, isch frach misch, wird der Quark im Glas teurer weil der Quark in Plastik billischer wird?
Alle Macht den Quanten!
Dezember 30th, 2015 at 21:00
@R@iner (16)
Danke für’s Link! Irre interessant – könnte mich reinlegen in solche Vorträge, hab’s genossen -. allein, isch frach misch, wird der Quark im Glas teurer weil der Quark in Plastik billischer wird?
Alle Macht den Quanten!
Dezember 30th, 2015 at 21:21
Habe mir die Tage die mich interessierenden Lifestreams oder die schon editierten Fassungen der Vorträge reingezogen – meist im SW- und HW-Security- und Programmierbereich, tolle Sachen dabei. Karten gab’s ja keine mehr, doch darüber war ich auch nicht allzu traurig, weil ich ja letztes Jahr schon mal in vivo dabei war – außerdem hat dies vorteilhaft dem Schwund des Baros in meiner Geldbörse entgegengewirkt…
So komme ich erst jetzt – quasi als Pauseneffekt – dazu, mal wieder einen Kommentar abzulassen: Ich finde Deine Kurzerklärung des “Hackens” im letzten Absatz unter dem Titel “Fröhliche Wissenschaft” sehr treffend, kurz und knackig, vor allem auch, weil er ohne jegliches langatmige (esoterische?) “Spezialistengedöns” auskommt – that’s the spirit!
Dezember 30th, 2015 at 22:38
#9 “Sehr gute Definition”
find ich nämlich auch.
Dezember 31st, 2015 at 02:22
Zitat: “Hacken ist angewandte (wissenschaftliche) Kenntnis ohne Rücksicht auf gegebene Regeln.”
Leider nein. Ein Hacker muss die Regeln ganz genau kennen um herausfinden zu können wo das Regelwerk versagt, und diese Lücke nutzt er dann. Ein primitives Beispiel:
Alle die älter sind als 20 werden nach links verschoben und alle die jünger sind als 20 nach rechts.
Der Hacker analysiert die Regeln und wird vermuten dass das System sich bei denen fehlerhaft verhält, die genau 20 sind. Das fehlerhafte Verhalten nutzt er dann für sich aus.
Wildes rumprobieren an allen Regeln vorbei wird zwar manchmal unter bestimmten Umständen als Methode verwendet, führt aber nur höchst selten zum Erfolg.
Die Standard-Methode beim Hacken beruht aber auf der Einsicht, dass, je komplexer ein Regelwerk ist, es umso mehr Fälle gibt, in denen das Regelwerk versagt.
Heutzutage muss man sich aber bei sauber programmierten Systemen als Hacker verdammt tief ins Regelwerk reinknien, um solche Fälle noch finden zu können.
Dezember 31st, 2015 at 13:39
“Rücksicht auf die Regeln”, das ist in der Formulierung in der Tat unpräzise, hieße, sie so zu befolgen wie es sozial erwünscht ist. “Du sollst da deinen Namen eingeben und keinen Code” sagt die Regel.
“bei sauber programmierten Systemen” ist eine schwere Einschränkung. Ich nehme an, in Perl geht sowas gar nicht ;-)
Dezember 31st, 2015 at 13:54
@Wat.: Wenn ich einer Person einen Status zuerkenne, z.B. Rennfahrer, Fußballer oder Hacker und dann kommt wer daher und sagt: Mich interessiert nicht, wer das macht und was er ist, sondern Fußball spielen, Autofahren oder Hacken, dann abstrahiert er deutlich von den Handelnden Personen, aber zu behaupten, er ließe damit die Menschen außer acht, das ist mit Verlaub Schwachsinn.
Dezember 31st, 2015 at 14:06
Nenn es Schwachsinn, aber wenn etwas getan wird/ getan werden muß/ getan werden soll, interessiert mich immer: Von wem.
Dezember 31st, 2015 at 14:15
Auch dir täte es dennoch gut, gelegentlich im Kontext zu bleiben.
Dezember 31st, 2015 at 16:08
Hack the Planet ist gerade voll im Gange. Aber leider genau falsch herum. Die Reichen hacken gerade die Menschheit.
Dezember 31st, 2015 at 16:10
Erinnert ihr euch noch an den btx-Hack? Chaos Computer Club -Treffen (1984)
Dezember 31st, 2015 at 17:06
Nenn es Schwachsinn, aber wenn etwas getan wird/ getan werden muß/ getan werden soll, interessiert mich immer: Von wem.
Wie könnte denn eine sinnvolle Antwort auf diese Frage aussehen? So wie ‘von Gustav’ doch wohl eher nicht. Mir vermutet doch sehr, dass eine Antwort ebenfalls nur von konkreten handelnden Personen abstrahieren kann. Also eher sowas wie ‘von den Armen, den Unterdrückten, den Gekniffenen aller Länder’. Aber inwiefern würde das in deinem Sinne ‘die Menschen’ nicht ebenfalls außer acht lassen…?
Dezember 31st, 2015 at 17:10
Ich beachte jetzt den Kontext, welcher auch immer das ist.
… oder ich versuch’s eben (weiterhin) wenigstens.
Februar 12th, 2016 at 17:01
[...] hacke, du hackst, wir/ ihr/ sie hacken. Hacken ist ein mindset, eine Denkweise. flatter hat neulich eine hübsche Definition von Hacken geschrieben, die da [...]