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2016


 
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Der De Lapuente ist diese Art linker Spießer, der aufpasst wie ein Spitz, ob einer nicht zu radikal daherkommt. Nachher wird noch das Geld abgeschafft oder die Marktwirtschaft®, wie furchtbar! Solche sind “Fundamentalisten”, die müssen angezeigt werden. Aktuell pinkelt er Jutta Ditfurth ans Bein, weil er die Gelegenheit hat, derart an ein wenig Aufmerksamkeit zu kommen für sein ödes Genöle.

Da bei ihm daheim niemand mehr liest und sowieso niemand kommentieren darf (es sei denn liebedienerisch), verbreitet er sich bei seinem Kollegen Jens Berger. Sogar der hat immer viel mehr Aufmerksamkeit, obwohl er selbst den Esprit eines Versicherungsvertreters des Linksliberalismus versprüht. Egal, wenn man erst mal dort unten ist, macht man alles: Facebook, PayPal, Gastautor.

Bis hierher soll die Fingerübung reichen. Was davon ich wörtlich meine und was nicht, interessiert mich im Grunde selbst nicht. Es ist nur das, was herauskommt, wenn einen Inhalt nicht mehr anficht und man sich stattdessen einen ‘Standpunkt’ sucht, wo der eine gut ist und der andere halt nicht, Die Nichtguten sind dann rhetorisch zum Abschuss freigegeben. Ditfurth hat Blödsinn erzählt? Dann haue ich ihr den um die Ohren, wenn es mich interessiert. Welche Motive sie angeblich hat, ihre politische Haltung in meine womöglich kleinkarierten Kategorien zu klemmen und sie dafür zu verurteilen, wozu soll das gut sein? Wem nützt das?

Meine Freunde, meine Feinde

Einen ähnlichen Fehler begeht Wolfgang Storz, der auch schon gute Arbeit abgeliefert hat, in – ja was eigentlich? Eine Studie ist das nicht. Ich kann das nur in der Luft zerreißen, denn es verfehlt nicht nur jeden wissenschaftlichen Standard, es lässt auch nicht erkennen, worum es eigentlich geht. Storz will eine “Querfront” gefunden haben. Die Kriterien für das, was dazugehört und was nicht, bleiben aber diffus. Bliebe er bei den eingangs genannten Akteuren (Kopp Verlag, Compact, Jebsen), wäre das Ganze halbwegs stimmig, der Gegenstand wäre aber eine Art Rechtspopulismus.

Dass vor allem Jebsens Interviewpartner, der suggeriert, sie wären irgendwie Weggefährten, das Zentrum der Betrachtung bilden, führt zur unauflösbaren Konfusion, wenn dies zum politisch aktiven Netz aufgeblasen wird. Hier wäre Akribie vonnöten, denn es gibt keine benennbare Beziehung von Jebsen zu seinen Gästen. Auch dessen (ehemalige?) Nähe zu Elsässer und dessen Umfeld bleibt assoziativ. Storz besorgt hier Jebsens Arbeit, indem er solche Assoziationen auffährt ohne zu klären, wer da mit wem was zu tun hat. Das ‘Wer’ ist Jebsens Visitenkarte und leicht zu erkennen, aber das ‘Was’ eben nicht. Damit kann jeder Demagoge arbeiten, indem er eben heute dies andeutet, morgen jenes und sich immer im Bunde weiß mit welchen, die er so kennt.

Ich habe keine Lust, mich mit Jebsen zu befassen. Seine Vorträge sind strukturlos, öde und überengagiert. “Der Wald braucht keine Demokratie“? Mir reicht der eine Satz. Seine Interviews wiederum sind immer wieder suggestiv, er gibt dauernd Input aus seiner Sichtweise, aber dennoch ist es ihm gelungen, Menschen einzuladen, die etwas zu sagen haben. Daher bleibt es für viele Zuschauer interessant. So einfach ist das. Querfront? Was soll das sein? Die Rede ist hier von einem, der sich effizient ranwanzt, ohne relevante Verbindungen zu schaffen.

Was, nicht wer

Auch die anderen Anlaufstellen (Kopp-Verlag, Compact, was da sonst noch rechts und links abfällt wie der unvermeidliche Albrecht Müller) bleiben assoziativ und entsprechen keinen gemeinsamen Kriterien, weder inhaltlich noch bezüglich der Reichweite. Für eine Studie wäre es darüber hinaus wichtig zu wissen, wer warum nicht genannt wurde (z.B. PI, Fefe, Netzpolitik oder “Freiheit statt Angst”) – wenn das Inhaltliche schon auf der Strecke bleibt. Verwirrt lässt mich vor allem der Schlußsatz zurück:

In dem Untersuchungsgegenstand kann ein Beispiel für eine zwar vergleichsweise (noch) begrenzte, aber gut funktionierende und leistungsfähige eigenständige ‚Gegenöffentlichkeit‘ jenseits der traditionellen Massenmedien gesehen werden.
Das also war der Untersuchungsgegenstand? Worin genau besteht dann die “leistungsfähige eigenständige ‚Gegenöffentlichkeit‘”?

Der Fokus auf Personen und deren Verbindungen führt zu gar nichts, zumal nicht im Internet und mit Blick auf politische und publizistische Strukturen. Für die Analyse von Organisationsstrukturen haben wir schon die NSA, für ‘wer-mit-wem’ gibt es Watchblogs und Stalker, die täglich aufschreiben, wer vor wessen Tür parkt, und für charakterliche Bewertungen haben wir unsere Trolle. Wenn ich etwas erfahren will über politische Entwicklungen, Ansichten und Anschlussfähigkeit, muss ich Inhalt mit Inhalt und Meinung mit Meinung abgleichen. Das ist das Potential des Internets. Daraus kann man dann lernen oder eben auch nicht.

 
cp

Nicht nur in der Schweiz, in der jüngst eine Volksabstimmung dazu stattfand, wird das Bedingungslose Grundeinkommen diskutiert als ‘Lösung’ der Verteilungsprobleme, die der Kapitalismus mit sich bringt. Der Ansatz ist alt, er wird von einigen Kapitalisten genau so begrüßt wie von Sozialdemokraten; die Ablehnung geht allerdings ebenso durch alle Fraktionen. Ich will dabei gar nicht auf die einzelnen Argumentationen eingehen, die zumeist mit dem groben Keil zur Sache gehen und die komplexen Wirkungen eines solchen Ansatzes nicht berücksichtigen. Diese Argumentationen sind schon deshalb füreinander unzugänglich, weil sie auf völlig unterschiedlichen Vorstellungen von Wirtschaft beruhen, die häufig erschreckend naiv und simpel sind.

Das BGE scheint aber deshalb diskutabel, weil es am Großen Ganzen nichts ändert und jeder sich seine Vorstellung davon machen kann ohne sich geistig zu bewegen. Ablehnen kann man das, weil sich doch nie etwas ändert und das nur eine weitere Finte des Kapitals ist. Man kann es ablehnen, weil es die faulen Nichtsnutze fördert und dann niemand mehr arbeiten geht oder weil es den Staat ruiniert. Begrüßen kann man es, weil es den Staat entlastet, die Menschen vom Joch der Arbeit befreit oder weil es Automatisierung endlich profitabel macht ohne Sorge um mehr Arbeitslose. Die Einen fürchten Inflation, die Anderen das Gegenteil, weil das BGE für viele unterhalb des Existenzminimums angesiedelt sein würde.

Unter Kontrolle

Im Grunde ist die Diskussion schon gelaufen und erprobt, nämlich in Form des Mindestlohns. Viele Auswirkungen des BGE sind dort bereits eingetroffen. Es gab herzzerreißendes Wehklagen, der Mindestlohn würde Deutschland in den Ruin treiben, und heute wissen wir, dass er nicht einmal die Zahl der Aufstocker gesenkt hat. Von 8,50 € die Stunde kann man nicht leben, vom BGE wird man auch nicht leben können, und wer dann nicht zusätzlich arbeiten geht, findet das Sozialamt wahrscheinlich verwaist. Vielleicht auch nicht, und das BGE wird so hoch angesetzt, dass man drinnen das Volk gut nähren kann (ja, man kann ja mal spinnen), weil der Exportweltmeister draußen reichlich erntet. Dann exportieren wir halt statt der Arbeitslosigkeit die Armut.

Staatliche Konzepte zur Verwaltung des Kapitalismus haben allesamt den Makel, dass sie nur reparieren, korrigieren und verteilen, was die ihm äußere Wirtschaft dem Staat bietet. Das ist ein Grund, warum der ‘Markt’ alles regeln soll, weil nur wirtschaftliche Entscheidungen Einfluss auf die Wirtschaft haben, vulgo: “Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt”. In vielem haben die Neoliberalen recht, wenn es um die Möglichkeiten des Staates geht, nur sind sie nie so ehrlich zu sagen, dass dadurch eine “soziale Marktwirtschaft” völlig unmöglich ist. Kapitalismus beruht auf Konkurrenz, da ist für Solidarität kein Platz. Vor allem, wenn der Reparaturbetrieb in Konflikt gerät mit dem Kapital, wird sehr schnell deutlich, wer von wem abhängig ist.

Jeder Staat, der eine selbständige Wirtschaft zulässt, ist zwangsläufig von ihr abhängig, und zwar umso mehr, je größer die Machtballung in dieser Wirtschaft ist. Im Spätkapitalismus, der Monopole und Superreichtum erzeugt, steht der Staat auf verlorenem Posten, dazu bräuchte man ihn nicht einmal zu korrumpieren. Zumindest in einer Welt komplexer hoch effizienter Produktion und entsprechender Ökonomie ist der Gegensatz von Staat und Wirtschaft nicht mehr zu handhaben. Auf lange Sicht führt dies entweder zu einer voll staatlich kontrollierten Wirtschaft oder zu einer Gesellschaft, die vollständig der wirtschaftlichen Macht unterworfen ist oder zu einer Wirtschaft, die in die Gesellschaft integriert ist (die keine staatliche sein muss). An diesen Möglichkeiten müssen sich realistische Modelle orientieren.

 
wh

Der Neoliberalismus sei am Ende, meint Aditya Chakrabortty im Guardian (hier die Übersetzung im “freitag”). Er stellt zurecht fest, dass die Gläubigen der Heiligen Kirche selbst allmählich vom Glauben abfallen, dass seine Institutionen beginnen, ihr Fundament zu zernagen, dass aber dennoch nach denselben Rezepten weiter gewurschtelt wird. Am Beispiel des IWF wird das besonders deutlich, dessen Wissenschaftsabteilung all das zerlegt, was die Exekutive derweil in Südeuropa und anderswo verbockt.

Auch interessant ist eine Äußerung des Agenda 2010-Architekten Wolfgang Streeck, der nicht mehr wahrhaben mag, was er einst für die Lösung hielt:
Anfang der 2000er Jahre zeigte sich jedoch, dass das ein Irrtum war und die Liberalisierungstendenzen des finanzialisierten Kapitalismus zu eigensinnig waren, als dass man als Sozialdemokratie auf ihnen hätte reiten können. Insbesondere die Finanzkrise hat mir dann endgültig die Augen dafür geöffnet, dass eine »radikalere« Perspektive vonnöten ist, also eine, die auf die kapitalistischen Wurzeln geht. Heute denke ich, dass die sozialdemokratische Wette, auf die ich lange gesetzt habe, verloren ist.”

Diesseits des Kreidestrichs

Selten genug ist die Einsicht, dass sich Kapitalismus nicht zähmen lässt, zumal von einem, der den ganzen Weg mitgegangen ist bis hin zum Öffnen der Schleusen, im Glauben, man könne erst einmal die Profite retten und dann den Sozialstaat. Wäre da nur nicht dieser Kreidestrich, den irgendwer auf dem Boden gezogen hat mit den Worten: “Diese Linie darf nie ein Rechtschaffener überschreiten!” Auf der anderen Seite treffen wir das Böse; Marx, Sozialismus, Kommunismus, eben das Jenseits des Kapitalismus, wo irgendwo die Lösung liegen muss, wenn sie diesseits nicht liegen kann. Zu groß ist die Angst, zu fest der Glaube oder die Konditionierung.

Auch Chakrabortty formuliert strikt im Diesseits: “(2010) war bereits klar, dass die neoliberale Ideologie des Kapitalismus’ von heute nicht trägt.” Er sieht sie gar im Sterben liegen, mag aber nicht schlussfolgern, dass es der Kapitalismus selbst ist, der immer wieder an diesen Punkt kommt, bis er vielleicht eines Tages selbst sterben muss. Die Chancen sind heute wieder einmal besser denn je, denn der Planet ist abgegrast, alle Tricks verbraucht. Vom Drehen an der Ausbeutungsschraube über das Drucken von Geld über geplante Obsoleszenz, Verplundern von Ressourcen, permanente Blasenbildung an den Börsen bis hin zu andauerndem Krieg wurde alles aufgeboten und doch sind die Profite nicht zu retten außer für die ins Finale strebenden Monopole.

Alles, was dem entgegen steht, sind staatliche Konzepte über die klassische sozialdemokratische “Umverteilung”, ein bedingungsloses Grundeinkommen oder sonstige Krücken, mit denen Staat die Reste des Kapitalismus irgendwie so verwalten soll, dass es noch weitergeht. Als Alternative ist ein Staatssozialismus im Angebot. Das sollten wir uns einmal genauer anschauen.

p.s.: Ich habe OXI bis auf weiteres in die Blogroll übernommen.

 
sl

Alle Tage wieder werden wir mit Auszügen aus Statistiken besäuselt, die uns die Welt wiedewiedewie sie ihnen gefällt präsentiert. Gerade gestern bejubelte die freie Presse® einen neuen Tiefstand der Arbeitslosigkeit. Nur noch 2,66 Millionen! Ein Lehrstück über den Umgang mit Zahlen.

Bei der Gelegenheit: Bitte verschont mit dem Spruch “Ich glaube an keine Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe”! Churchill hat das nie gesagt, und es ist auch Unsinn. Statistiken werden nicht gefälscht, das ist auch gar nicht nötig. Sie werden falsch interpretiert, und zwar häufig so falsch, dass die Erhebung sich gar nicht auf das bezieht, was nachher ausgesagt wird. Im vorliegenden Fall liegt das Problem bereits im Begriff “Arbeitsloser”. Arbeitslos ist nämlich, wer in der Erfassung erfasst wird. Erweitern wir unser Blickfeld ein wenig:

Wie aus 6 Millionen eine wird

Heute wird der Stuss nämlich ergänzt durch die Meldung, “mehr als eine Million Menschen” lebten dauerhaft von Hartz IV, und wir landen mitten in der nächsten Verharmlosen, diesmal gar einer doppelten. 1,4 Millionen sind in der Tat mehr als eine. ein paar mehr und wir könnten auf zwei aufrunden. Aber geschenkt, viel besser ist das, was hier als “dauerhaft” gilt. “Mehr als neun Jahre” nämlich. Nach neun Jahren dürfen Unvermittelbare, die nie wieder einen Job bekommen werden, als “dauerhaft abhängig” gelten. Wer ein Jahr arbeitslos ist, fliegt bereits aus dem Arbeitslosengeld, aber “dauerhaft” ein Sozialfall ist er offiziell erst nach zehn Jahren.

Nach neun Jahren haben die JobCenter gemeinhin allerdings schon alles zwangsverrentet oder sonstwie aus der Statistik geschoben, das sich irgendwie loswerden lässt. Ein Rest von 1,4 Millionen ist da verdammt sportlich. Übrigens reichen zwei mickrige Monate in irgendeiner Beschäftigung aus, um den Zähler auf Null zu stellen. Noch schöner ist allerdings die Zahl von 4,4 Millionen erwerbsfähigen(!) ALG II-Empfängern. Diese Zahl schafft es leider in keine Überschrift der Qualitätspresse. Insgesamt sind es stabil um die 6 Millionen. So. Wir haben also fast viereinhalb Millionen Hartzer im Arbeitsmarkt bei 2,66 Millionen “Arbeitslosen”. Wachstum! Wohlstand! Vollbeschäftigung!

Die Kunst des Pianoforte

Ich hatte dabei bereits darauf hingewiesen, dass die neoliberalen Konzepte, beginnend mit dem Lambsdorff-Papier, eine Arbeitslosigkeit von mehr als zwei Millionen Menschen in der BRD/West zur Katastrophe erklärt hatte. Dies führte zunächst zum Sturz von Helmut Schmidt, und derselbe Irrsinn wurde später durch Schröder dazu genutzt, den größten Niedriglohnsektor in Europa zu verwirklichen. In der Tat ein Riesenerfolg: Der Druck auf die Löhne hat nicht nur zu einem sozialen Kahlschlag geführt, es werden auch Millionen Jobs staatlich subventioniert.

Die Jubelmeldungen der Medien sind also keineswegs gefälscht, die Lüge liegt schlicht in der sehr sorgfältigen Auswahl der Zahlen, mit der eine Meldung austrompetet wird und dem Flüstern der Wahrheit, die sich dahinter verbirgt – wenn sie nicht gleich verschwiegen wird. Was lernen wir also? Obwohl selbst wer keinen Job sucht, einen bekommt, wenn sich das irgendwie einrichten lässt und obwohl immer mehr solcher Sklaven nicht davon leben können, bleiben noch Millionen übrig, die trotzdem keine Arbeit finden. Die darf dann sogar der SpOn “Arbeitslose” nennen.

 

In Zeiten, in denen 62 Familien mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung besitzen, …

 

ein Halbsatz wie ein Gedicht. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung gehört ihnen. Eigentlich fast die ganze. Man muss, um das Prinzip Lohnarbeit zu verstehen und zu erkennen, dass Freiheit in dieser eine juristische Spitzfindigkeit ist, einen Schritt zurück treten. Sklaverei in ihrer ursprünglichen Form bedeutete, dass Menschen Eigentum anderer Menschen waren. Dies war ein juristisches Verhältnis, denn es hieß, dass der Herr die Sklaven mit Gewalt zur Arbeit und zum Verbleib am Ort zwingen durfte.

Ökonomisch war der Herr immerhin darauf angewiesen, dass seine Sklaven ausreichend Nahrung zur Verfügung hatten, nicht krank wurden und nicht erfroren. Er hat also schon aus Eigeninteresse für das Nötigste gesorgt. Sklaven konnten fliehen, durften aber wieder eingefangen und für den Versuch bestraft werden.

die Befehlshaber

Lohnarbeit hat für den Investor den Vorteil, dass er den Arbeiter nicht durchfüttern muss. Der Lohn darf so gering sein, dass es nicht zum Leben reicht. Den Rest übernimmt ggf. der Staat. Der wiederum zwingt die Arbeiter im Interesse der Investoren dazu, jede Arbeit unter allen Bedingungen anzunehmen. An die Stellte der Sklaventreiber, die Angestellte der Herren waren, tritt der Staat. Alternativ werden die Bedürftigen nicht alimentiert und nehmen von selbst jede Tätigkeit auf, von der sie sich ein Überleben erhoffen.

Diese Verhältnisse waren nie anders. Selbst in Zeiten hinreichender Löhne in den reichen Ländern (des ‘Westens’) wurde dieser Luxus durch Ausbeutung der globalen Konkurrenz ermöglicht. Sobald es zu größeren Krisen kommt im Kapitalismus, werden aber ohnehin die Löhne so lange gedrückt, bis Massen verarmter Arbeiter auf Almosen angewiesen sind. Gleichzeitig wird der Staat so weit auf Diät gesetzt, dass er die Alimentierung der Bedürftigen so knapp wie möglich hält oder ganz aufgibt.

In diesen Tagen hören wir, dass sogenannte Flüchtlinge dazu gezwungen werden sollen, an einem bestimmten Ort zu leben. Gleichzeitig wird von Arbeitern allgemein verlangt, dass sie extrem flexibel zu sein haben, was ihren Wohnort anbetrifft, denn es ist oberste Priorität eine Tätigkeit anzunehmen, in der ein Mehrwert für einen Investor geschaffen wird. Auch hier übernimmt der Staat die Aufgabe der Dressur für die Herrschaft und schafft gleichzeitig die Regeln. Er verhängt Zwangsmaßnahmen bis hin zur Haft (übrigens auch für Schuldner), legt fest, dass die Abhängigen kein Eigentum haben dürfen, schreibt ihnen vor, wie und wo sie ihre Zeit zu verbringen haben und kontrolliert das Ganze.

Immer bereit

Im Gegensatz zur klassischen Sklaverei drohen den Betroffenen nicht mehr Peitsche oder Strick, sondern Obdachlosigkeit, Hunger und soziale Isolation. Die Investoren bestimmen aber letzlich, wer noch ein erträgliches Leben führen darf und wer nicht. Dabei haben sich, adäquat der Sklaverei, längst Dynastien von Herren und Sklaven gebildet. Die Bedürftigen haben zwar das Recht, keine Sklaven zu sein, aber nicht die Möglichkeit dazu. Wie gesagt: Freiheit ist eine juristische Spitzfindigkeit.

Der Eingangs zitierte Satz stammt aus einem “Leitantrag des Parteivorstandes” der Partei “Die Linke”. Diese Partei hat nicht im Entferntesten die Dimensionen erkannt, in die sie mit diesem Satz versehentlich vorgedrungen ist. Im Gegenteil begegnet sie der modernen Sklaverei mit der Idee von “guter Arbeit”. Die Enteignung der Arbeiter in Form des Mehrwerts soll wieder schöner werden. Dazu sind sie auch “sofort koalitionsfähig” – mit den eifrigsten Vollstreckern der modernen Sklaverei.

 
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Ein Artikel vom Ende letzten Jahres (via fefe) über das Ausmaß des Unglücks in der Gesellschaft, hier den USA, hat mich sehr beeindruckt. Der Autor ist Scott Alexander, Psychiater, und hat sich gefragt, warum manche Menschen, denen er beruflich begegnet, so viel Leid erfahren. Daher hat er sich u.a. mit diesbezüglichen Statistiken befasst. Das Resultat:

– 1% sind im Gefängnis
– 2% sind auf Bewährung.
– 1% sind in Pflegeheimen oder Hospizen.
– 2% sind dement.
– 20% leiden unter chronischen Schmerzen.
– 7% sind depressiv.
– 2% sind kognitiv beeinträchtigt.
– 1% sind schizophren.
– 20% beziehen Lebensmittelmarken.
– 1% sitzen im Rollstuhl.
– 7% sind Alkoholiker.
– 0.5% sind heroinabhängig.
– 5% sind offiziell arbeitslos (also registriert als Arbeit suchend).
– 3% beziehen Gelder als Arbeitsunfähige.
– 1% erfahren jedes Jahr häusliche Gewalt.
– 10% wurden als Kinder sexuell missbraucht.
– Ca.20% wurden körperlich misshandelt.
– 9% wurden vergewaltigt.

Make Pain, make more Pain

Dies nur sind einige Aspekte, unter denen man erfahrenes Leid oder Unglück erfassen kann. Diese potenzieren sich noch, wenn man sie im Familienumfeld betrachtet. Das erklärt einiges; unter anderem, dass sich verdammt viele Menschen mit Recht als Opfer fühlen können. Zumeist sind sie still, denn die wenigsten outen sich als Suchtkranke, Missbrauchsopfer, Knackis oder Arbeitslose. Besonders heikel ist die Tatsache, dass viele der Betroffenen für ihr Leid noch beschuldigt und herabgewürdigt werden. Man denke nur an den Umgang mit Suchtkranken oder Arbeitslosen oder der Schnittmenge aus beiden. Solche Menschen sind moralisch vogelfrei.

Wenn man jetzt noch zur Kenntnis nimmt, dass den Wenigsten in die Wiege gelegt ist, ihre Beeinträchtigungen kognitiv zu verarbeiten, ergibt das Ganze das Bild eines sozialen Pulverfasses. Wie ‘verarbeitet’ man erfahrenes Leid, über das man nicht sprechen kann oder darf? Depression ist ein Weg, aggressive Projektion ein anderer: Man gibt die empfundene Schuld weiter und packt das Leid gleich mit dazu. Auch deshalb brennen Flüchtlingsheime.

Hilf dir selbst

In einer Konkurrenzgesellschaft, wo nicht bloß jeder selbst schuld® ist, sondern „seines Glückes Schmied“, erfüllt sich der totale Albtraum. Noch ehe den Betroffenen über den Kopf gekippt wird, ihre Malaise sei bloß eine Ausrede, wurden sie ja schon zum Schweigen verurteilt. “Sei erfolgreich oder Abschaum” ist die Devise. Wer hier aus der Kurve kippt, wird zwar nach allen Regeln der Kunst entmündigt und als behindert eingestuft, indem er zur „Wiedereingliederung“ ansteht, das ist aber eben nur eine Forderung: Selbst Almosen hast du dir zu verdienen!

Ich hatte vor gut zehn Jahren diesen Text geschrieben (58 Seiten, .pdf), den ich hier oft „das Fürsorgedings“ nenne. Ich fühle mich in der Annahme bestätigt, dass der krankhafte Zwang zur Selbstsorge abgelöst werden muss durch eine Gesellschaft, die ihrer Bezeichnung gerecht wird; in der sich die Menschen wieder umeinander kümmern. Maggie Thatcher hat die noch immer gültige Parole ausgegeben: „Es gibt keine Gesellschaft“. Sie hat völlig recht. Der Kapitalismus hat aus allem Elend der Welt eine Hölle der Konkurrenz errichtet, der niemand entkommt.

Update: Auf allgemeinen Wunsch einer Einzelperson wurde das Fürsorgedings in .pdf konvertiert.

p.s.: Der Genosse hat das Dokument neu formatiert und neueste technische Errungenschaften wie Seitenzahlen hinzugefügt. Er lebe hoch!

 
sp

Um zu wissen, wie viel Sinn darin liegt, ‘linke Inhalte’ auf parlamentarischen Wege durchzusetzen, kann man sich das Anschauungsmaterial beliebig vorknöpfen. Schröder und Blair etwa und ihr neoliberaler Verrat an den Lohnabhängigen. Gabriel zum Beispiel, ein Lügner, dem Abends schon egal ist, was er morgens erzählt hat oder Nahles, die ‘Willkommenskultur’ macht, indem sie Flüchtlingen, die noch gar nicht hier sind, schon einmal ihr Vermögen abnimmt und ihnen Kürzungen von Leistungen ankündigt, die sie noch gar nicht bekommen.

Oder nehmen wir Hollande, der sich hat ins Amt wählen lassen, indem er versprach, er werde die Reichen mit 75% zu besteuern, die Steuer dann kastrierte, um sie gleich wieder aufzugeben. Keine Einnahmen – in Frankreich gibt es offenbar keine Reichen. Dafür hat der Präsident im Stile eines Diktators am Parlament vorbei neue Knechtschaftsgesetze erlassen. Seine Wähler, die zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, lässt er dafür von der Polizei zusammenschlagen.

So herrscht der Soze

So sieht es aus, wenn Sozialdemokraten herrschen. Es ist de facto rechte Politik, in diesen Zeiten zusehends faschistische, ihnen dabei zu helfen, denn im Zweifelsfall bedienen sie auch noch die Ressentiments besorgter Bürger®. Ich traue auch den Sozialdemokraten unter den Sozialdemokraten nicht, die hier als so links gelten, dass niemand mit ihnen spielen will. Der geschätzte Kollege Raul Zelik ist da anderer Ansicht, und ich kann ihm ein paar Meter weit zustimmen. Folgen will ich dennoch nicht.

Es stellt sich aber die Frage, wie die Sklaven, die Abhängigen, die Verarmten, die 99%, diejenigen, die hier nicht gefragt werden, die schweigen, die resigniert haben und die weltweit in der überwältigenden Mehrheit sind, sich organisieren können. Zeitweise gelingt das, wo das Elend groß genug ist, in Spanien, in Griechenland, in Teilen Südamerikas, aber der Kampf ist hart und die Solidarität zerfällt oft, nicht zuletzt, weil sich immer wieder Führungen bilden, die korrupt werden.

Organisieren? Was denn?

An Substanz ist wenig. Gewerkschaften sind entmachtet oder so korrupt, dass sie sich gleich den Arbeitgeberverbänden anschließen können. Ach, das tun sie ja sogar. Was aber dann? Das Problem besteht vor allem darin, dass das Prinzip der Vertretung in einem parlamentarischen System die Massen sogar dann unter Kontrolle hält, wenn sie sich in Parteien organisieren. Alle Versuche, eine Hierarchiebildung zu verhindern (siehe die frühen Grünen) sind gescheitert. Außerparlamentarisch aber existieren überhaupt keine Strukturen, in denen Massen – und derer bedarf es, um eine relevante Macht zu entfalten – ihre Interessen selbst in die Hand nehmen können.

Ist es also wirklich die letzte Chance, sich in reformistischen Parteien zu tummeln, im Bewusstsein der Aussichtslosigkeit des Unterfangens, um eine Diskussion zu führen? Gibt es Möglichkeiten, Treffpunkte, Interessen, Strukturen, die das Potential haben, stabile außerparlamentarische Organisationen zu gründen? Während sich die Nazis wieder zusammenrotten, um ihre bornierte Welt anzuzünden, scheint es für die Linke weder Freund noch Feind zu geben, an dem sie wachsen können.

 
sl

Heute hat das Türkische Parlament die Immunität eines Viertels seiner Mitglieder aufgehoben. Das ist nicht weniger als eine Machtübernahme durch den designierten Diktator Erdogan und seine islamistische Partei. Damit ist unmittelbar verbunden das totale Scheitern der Kollaboration Deutschlands mit der Machtpolitik der USA.

Der vorauseilende Gehorsam Merkels, ihrer Regierung und der ganzen transatlantischen Dienerschaft aus den etablierten Parteien hat nunmehr dazu geführt, dass ihre Außenpolitik niemandem mehr zu vermitteln ist und sie sich in eine Sackgasse manövriert hat. Erdogan ist der Feind aller Prinzipien, für die irgendwer in der politischen Landschaft Deutschlands steht, von ganz links bis ganz rechts, durch die Mitte, von oben und unten. Die Kumpanei mit dem faschistischen Islamisten in Ankara lässt keine Perspektive mehr übrig, aus der man sie gut finden könnte.

Der Übertürke

Dass die Linke, auch die Halblinke, die ja so ausdrücklich demokratisch daherkommen muss und sich in Form der SPD auf den Mythos vom Antifaschismus stützt, den Putsch Erodgans ablehnen muss, versteht sich. Von der Partei “die Linke” ganz zu schweigen. Die Liberalen jedweder Einfärbung müssen entsetzt sein ob der Abschaffung der Parlamentarierrechte und der Errichtung einer islamischen Diktatur in der Türkei. Die Rechte, die weder dem Islam noch der Türkei oder den Türken jegliche Sympathie entgegen bringt, wird es schon immer gewusst haben. Humanisten wissen ohnehin, wie zynisch der Flüchtlings-Deal mit Erdogan war und wie irrsinnig die Beteiligung an den Kriegen von Afghanistan bis Syrien ist.

Der Übertürke schlägt gerade drei Fliegen mit einer Klappe: Wer Kurden als Menschen betrachtet, wird dafür bei ihm bald im Knast landen und er kann sie wieder in der gesamten Region abschlachten, ohne dass daheim wer widerspricht. Die Mehrheit, die er sich durch die Vertreibung der Parlamentarier verschafft hat, gibt ihm die Möglichkeit, sich sowohl als totalitären Machthaber zu installieren als auch den Islam, auf dessen Ticket er fährt, zur Staatsreligion zu machen. Das wiederum, so wird er hoffen, verschafft ihm mehr Einfluss im Nahen Osten, seinem angestrebten Osmanischen Reich.

Scherbenhaufen

Dieser eiskalte Griff nach der Macht, ein Attentat auf Demokratie, Humanität und Rechtsstaat, ist zugleich eine imperialistische Initialzündung. Alles, was man Putin – zum großen Teil unberechtigt – vorwirft, toppt Erdogan um Längen. Der Eine wird nach wie vor als Iwan der Schreckliche dargestellt, der andere ist unser NATO-Partner und neuerdings ein ganz besonderer Freund der EU. Wenn diese Türkei aber nicht die schärfsten Sanktionen erfährt, seit es solche gibt, gibt es absolut keine Berechtigung mehr, überhaupt noch welche zu verhängen.

Dass es im Interesse der USA ist, einen Keil zwischen Russland und Europa, insbesondere Deutschland, zu treiben, wurde hier bereits deutlich gemacht. Die Machtpolitik, die damit betrieben wird, zwingt Deutschland jetzt dazu, einen Offenbarungseid zu leisten. Wir haben alles falsch gemacht, nichts erreicht, uns wichtige Partner verprellt und stattdessen Freundschaft mit den aggressivsten amtierenden Faschisten geschlossen. Vielleicht gelingt Merkel der genialste Flip-Flop ihrer Karriere und sie führt ihre Regierung noch einmal mit dem dümmsten Gesicht aus dem Schlamassel. So oder so aber wird in Berlin niemand mehr wen finden, der ihm noch irgend etwas glaubt – jenseits der ewigen Vollidioten, die fortan die Reste dieser Parlamentarischen Demokratie auffegen.

 
ts

Neulich landete sie wie aus einem Versehen des Universums bei Friede und Liz zum Tee. Andrea war gar nicht nervös. Sie war nie nervös, sie war schon immer voller Selbstvertrauen. Schon als sie gegen Stefan den JUSO-Vorsitz holte, wusste sie, dass er ihr einfach zustand. Sie hatte sich ihn verdient.

Als sie so beim Tee saß, kam auch hier ihre Chance, und sie nutze sie. Eine Sprechpause, in der das Ticktack der Wanduhr sie nachgerade aufforderte, eine ihrer eloquenten keinen Reden zu halten.

“Ich bitte Sie”, hob sie an und fand sich wie so oft genial, denn das bedeutete gleichermaßen Ehrerweisung wie eine unmissverständliche Aufforderung, ihren Gedanken zu folgen, “wer bezieht denn Arbeitslosengeld zwei? Das Grundgesetz beginnt mit dem Paragraphen zur Würde des Menschen. Was ist das für eine Würde, mit der jemand Hartz vier beantragt? Wir haben Millionen von Jobs geschaffen, es ist inzwischen so billig, eine Arbeitskraft anzustellen, da kann im Grunde jeder hingehen und sich selbst eine schaffen. Wer sich anbietet, wird schon etwas finden.

Die Chance

Und dann dieses Gerede von Armut! Ich bitte Sie, wer nimmt denn Geld vom Staat und schimpft dann noch, dass er arm ist? Inmitten aller Möglichkeiten, die sich ihm oder ihr bieten. Es sind fast eine Million Stellen frei, permanent. Dann gehen sie also hin, lassen sich die Wohnung finanzieren und die Heizung, nehmen ein paar Hundert Euro Taschengeld im Monat an und jammern, dass sie arm sind? Das ist doch unverschämt.

Ich will ja gar nicht leugnen, dass es auch ein paar wirklich Bedürftige gibt”, sagte sie und wollte gerade Friedes Hand ergreifen, als die ihr mit einem sehr eindeutigen Blick zu verstehen gab, dass sie das tunlichst zu unterlassen hätte. Andrea hielt in der Bewegung inne und rückte ihre Tasse zurecht. Dann fuhr sie fort:

“Aber so ist das bei den Romantikern und den Linksextremen, die kennen nur die Guten unter den Leistungsempfängern. Alle anderen sind Schmarotzer, aber dieser eine, das ist ein prima Hartzer! Solchen Populismus kann sich nur leisten, wer alles auf Pump finanziert. Genau wie dieses Einspruchsrecht. Ich bitte Sie, wer sich nicht nur pampern lässt, sondern entweder seiner Pflicht nicht nachkommt oder einfach noch mehr haben will fürs Nichtstun, für den sollen wir hunderte Richter Tag und Nacht arbeiten lassen? Es gibt Grenzen.”

Sie schaute mit einer gewissen Vorfreude in die Gesichter ihrer Zuhörerinnen und erkannte dort die erwartete milde Zustimmung. Nachdem sie sich verabschiedet und voller Stolz auf den Heimweg gemacht hatte, schaute Friede Liz in die Augen und stellte fest: “Welch ein widerliches Weib.”
Liz nickte und fügte mit sichtlicher Verachtung hinzu: “Wenn sie nicht so nützlich wären …”
“Ja”, schloss Friede das Gespräch ab, “solange sie es sind.”

 
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Die enge Verbindung politischer und kirchlicher Macht vor allem protestantischer Funktionäre ist hier häufig Thema. Wohin man schaut, springen Pfaffen, Pfarrerstöchter und Kirchentagsvorsitzende aus der Schachtel. Deren Erziehung (aktiv wie passiv) ist einen zweiten Blick wert, und der Anblick, der sich einem dort bietet, ist kein schöner.

In der Niederschrift dieses Vortrags von Wolfgang Huber sind einige wichtige Fakten und Äußerungen der Evangelischen Kirche dokumentiert, die eine nachgerade verfassungsfeindliche Haltung belegen. Vor allem aber zeigt sich, dass bis in die 80er Jahre hinein ein völlig ungebrochen autoritäres Weltbild gepflegt wurde. Die Kirche ist nie in der Demokratie angekommen, sie hat sich vielmehr durch Lippenbekenntnisse und Verrenkungen ihren Einfluss auf Staat und Gesellschaft bewahrt. Einige Zitate:

Die evangelische Kirche kommt aus einer Geschichte, in der explizites Thema kirchlichen Nachdenkens – so die Kundgebung – … vor allem die Verantwortung der Regierenden und der Gehorsam der Regierten war.

Und noch 1959 konnte sich der Ratsvorsitzende der EKD, Otto Dibelius, eine Obrigkeit nur in patriarchalischen Formen denken. Eine demokratisch gewählte Regierung besaß für ihn, da sie prinzipiell abwählbar war, keine wirkliche Autorität.” Dibelius, glühender Antisozialist, Antisemit und Reaktionär, war einer der einflussreichsten Kirchenführer der Nachkriegszeit.

Der Gehorsam der Regierten

Von dessen Leitlinien hat sich die EKD also 1985 unter Schmerzen verabschiedet. Das Problem der Kirche ist eine begrenzte Autorität und Macht. Sie behielt sich vor, auf unumstößliche weltliche Autorität zu beharren, die ihrerseits die göttliche anerkennt. Dies bedeutet unmittelbar, dass die EKD eine Monarchie oder Diktatur nicht nur bevorzugte, sondern anstrebte. Es sollte freilich keine sein wie bei Hitler, wo Gott und die Kirche zu kurz gekommen waren. Die schlimmste Variante wäre aber eine Gesellschaft freier selbstbestimmter Menschen gewesen. Gehorsam hat der Mensch zu sein. Es ist auch daher nicht verwunderlich, wie geschmeidig die Naziherrschaft in die evangelisch dominierten Regionen Deutschlands einfließen konnte.

In der BRD musste das Bestreben nach autoritärer Macht eingeschränkt werden. Nach einigen Jahrzehnten hat sich diese Einsicht in der EKD durchgesetzt. Sie hat also versucht, in die ‘Demokratie’ hinein zu retten, was zu retten ist:
Sie [unsere Kirche] braucht vor allem Bürgerinnen und Bürger, die ihre politische Existenz als den weltlichen Beruf, als die Berufung aller Christenmenschen verstehen. Sie braucht Menschen, die Demokratie wagen, wo immer dies nötig ist, und dort mehr Demokratie wagen, wo es möglich erscheint. Die Ermutigung dazu gehört zu den Aufgaben kirchenleitenden Handelns.”

Halt’ du sie dumm

Die demokratische politische Gesinnung ist also eine Ableitung aus der religiösen. “Demokratie wagen, wo immer es nötig ist” ist ein Zugeständnis an Demokratie, das nicht einmal die Mindestanforderung erfüllt. Wenn es sich gar nicht vermeiden lässt, versucht’s der berufene Christenmensch halt mit dieser Demokratie. Wenn es möglich ist. Wenn nicht, tja, dann hat der Kaiser vielleicht doch Vorrang. Schließlich muss der Christenmensch von seiner Führung in Gehorsam geübt werden. Wie so oft gehen hier die Interessen der Kalten Krieger, der Autoritären und des Kapitals Hand in Hand.

Unter der wird einmal mehr deutlich, dass “Eigenverantwortung” nichts anderes als Schuld bedeutet, die der gehorsame Christenmensch gar nicht loswerden soll. Statt eines mündigen Bürgers, der Entscheidungen für sich selbst trifft, will die Kirche einen Befehlsempfänger, der sich der göttlichen und weltlichen Ordnung fügt. Wenn letztere eine ‘demokratische’ ist, dann hat er sich halt den ‘gewählten Vertretern’ zu unterwerfen – solange es keine geborenen oder durchs Schicksal bestimmten gibt. Der gemeinsame Feind ist alles, was daran rüttelt, der Antichrist ist und bleibt der atheistische Kommunist, das quasi archaische Feindbild, das man so gut es geht aktualisiert. Zur Not geht da auch der böse Russe als bleiche Reminiszenz.

Angesichts dieses antidemokratischen und unmittelbar auf den Einfluss illegitimer Macht ausgerichteten religiösen Extremismus’ muss man sich eigentlich fragen, ob die Evangelische Kirche zu Deutschland gehört. Bislang scheint es sich eher umgekehrt zu verhalten.

Update: Pfarrer Gauck war diese Kirche übrigens zu “linkslastig”.

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