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Die enge Verbindung politischer und kirchlicher Macht vor allem protestantischer Funktionäre ist hier häufig Thema. Wohin man schaut, springen Pfaffen, Pfarrerstöchter und Kirchentagsvorsitzende aus der Schachtel. Deren Erziehung (aktiv wie passiv) ist einen zweiten Blick wert, und der Anblick, der sich einem dort bietet, ist kein schöner.

In der Niederschrift dieses Vortrags von Wolfgang Huber sind einige wichtige Fakten und Äußerungen der Evangelischen Kirche dokumentiert, die eine nachgerade verfassungsfeindliche Haltung belegen. Vor allem aber zeigt sich, dass bis in die 80er Jahre hinein ein völlig ungebrochen autoritäres Weltbild gepflegt wurde. Die Kirche ist nie in der Demokratie angekommen, sie hat sich vielmehr durch Lippenbekenntnisse und Verrenkungen ihren Einfluss auf Staat und Gesellschaft bewahrt. Einige Zitate:

Die evangelische Kirche kommt aus einer Geschichte, in der explizites Thema kirchlichen Nachdenkens – so die Kundgebung – … vor allem die Verantwortung der Regierenden und der Gehorsam der Regierten war.

Und noch 1959 konnte sich der Ratsvorsitzende der EKD, Otto Dibelius, eine Obrigkeit nur in patriarchalischen Formen denken. Eine demokratisch gewählte Regierung besaß für ihn, da sie prinzipiell abwählbar war, keine wirkliche Autorität.” Dibelius, glühender Antisozialist, Antisemit und Reaktionär, war einer der einflussreichsten Kirchenführer der Nachkriegszeit.

Der Gehorsam der Regierten

Von dessen Leitlinien hat sich die EKD also 1985 unter Schmerzen verabschiedet. Das Problem der Kirche ist eine begrenzte Autorität und Macht. Sie behielt sich vor, auf unumstößliche weltliche Autorität zu beharren, die ihrerseits die göttliche anerkennt. Dies bedeutet unmittelbar, dass die EKD eine Monarchie oder Diktatur nicht nur bevorzugte, sondern anstrebte. Es sollte freilich keine sein wie bei Hitler, wo Gott und die Kirche zu kurz gekommen waren. Die schlimmste Variante wäre aber eine Gesellschaft freier selbstbestimmter Menschen gewesen. Gehorsam hat der Mensch zu sein. Es ist auch daher nicht verwunderlich, wie geschmeidig die Naziherrschaft in die evangelisch dominierten Regionen Deutschlands einfließen konnte.

In der BRD musste das Bestreben nach autoritärer Macht eingeschränkt werden. Nach einigen Jahrzehnten hat sich diese Einsicht in der EKD durchgesetzt. Sie hat also versucht, in die ‘Demokratie’ hinein zu retten, was zu retten ist:
Sie [unsere Kirche] braucht vor allem Bürgerinnen und Bürger, die ihre politische Existenz als den weltlichen Beruf, als die Berufung aller Christenmenschen verstehen. Sie braucht Menschen, die Demokratie wagen, wo immer dies nötig ist, und dort mehr Demokratie wagen, wo es möglich erscheint. Die Ermutigung dazu gehört zu den Aufgaben kirchenleitenden Handelns.”

Halt’ du sie dumm

Die demokratische politische Gesinnung ist also eine Ableitung aus der religiösen. “Demokratie wagen, wo immer es nötig ist” ist ein Zugeständnis an Demokratie, das nicht einmal die Mindestanforderung erfüllt. Wenn es sich gar nicht vermeiden lässt, versucht’s der berufene Christenmensch halt mit dieser Demokratie. Wenn es möglich ist. Wenn nicht, tja, dann hat der Kaiser vielleicht doch Vorrang. Schließlich muss der Christenmensch von seiner Führung in Gehorsam geübt werden. Wie so oft gehen hier die Interessen der Kalten Krieger, der Autoritären und des Kapitals Hand in Hand.

Unter der wird einmal mehr deutlich, dass “Eigenverantwortung” nichts anderes als Schuld bedeutet, die der gehorsame Christenmensch gar nicht loswerden soll. Statt eines mündigen Bürgers, der Entscheidungen für sich selbst trifft, will die Kirche einen Befehlsempfänger, der sich der göttlichen und weltlichen Ordnung fügt. Wenn letztere eine ‘demokratische’ ist, dann hat er sich halt den ‘gewählten Vertretern’ zu unterwerfen – solange es keine geborenen oder durchs Schicksal bestimmten gibt. Der gemeinsame Feind ist alles, was daran rüttelt, der Antichrist ist und bleibt der atheistische Kommunist, das quasi archaische Feindbild, das man so gut es geht aktualisiert. Zur Not geht da auch der böse Russe als bleiche Reminiszenz.

Angesichts dieses antidemokratischen und unmittelbar auf den Einfluss illegitimer Macht ausgerichteten religiösen Extremismus’ muss man sich eigentlich fragen, ob die Evangelische Kirche zu Deutschland gehört. Bislang scheint es sich eher umgekehrt zu verhalten.

Update: Pfarrer Gauck war diese Kirche übrigens zu “linkslastig”.