Heute hat das Türkische Parlament die Immunität eines Viertels seiner Mitglieder aufgehoben. Das ist nicht weniger als eine Machtübernahme durch den designierten Diktator Erdogan und seine islamistische Partei. Damit ist unmittelbar verbunden das totale Scheitern der Kollaboration Deutschlands mit der Machtpolitik der USA.
Der vorauseilende Gehorsam Merkels, ihrer Regierung und der ganzen transatlantischen Dienerschaft aus den etablierten Parteien hat nunmehr dazu geführt, dass ihre Außenpolitik niemandem mehr zu vermitteln ist und sie sich in eine Sackgasse manövriert hat. Erdogan ist der Feind aller Prinzipien, für die irgendwer in der politischen Landschaft Deutschlands steht, von ganz links bis ganz rechts, durch die Mitte, von oben und unten. Die Kumpanei mit dem faschistischen Islamisten in Ankara lässt keine Perspektive mehr übrig, aus der man sie gut finden könnte.
Der Übertürke
Dass die Linke, auch die Halblinke, die ja so ausdrücklich demokratisch daherkommen muss und sich in Form der SPD auf den Mythos vom Antifaschismus stützt, den Putsch Erodgans ablehnen muss, versteht sich. Von der Partei “die Linke” ganz zu schweigen. Die Liberalen jedweder Einfärbung müssen entsetzt sein ob der Abschaffung der Parlamentarierrechte und der Errichtung einer islamischen Diktatur in der Türkei. Die Rechte, die weder dem Islam noch der Türkei oder den Türken jegliche Sympathie entgegen bringt, wird es schon immer gewusst haben. Humanisten wissen ohnehin, wie zynisch der Flüchtlings-Deal mit Erdogan war und wie irrsinnig die Beteiligung an den Kriegen von Afghanistan bis Syrien ist.
Der Übertürke schlägt gerade drei Fliegen mit einer Klappe: Wer Kurden als Menschen betrachtet, wird dafür bei ihm bald im Knast landen und er kann sie wieder in der gesamten Region abschlachten, ohne dass daheim wer widerspricht. Die Mehrheit, die er sich durch die Vertreibung der Parlamentarier verschafft hat, gibt ihm die Möglichkeit, sich sowohl als totalitären Machthaber zu installieren als auch den Islam, auf dessen Ticket er fährt, zur Staatsreligion zu machen. Das wiederum, so wird er hoffen, verschafft ihm mehr Einfluss im Nahen Osten, seinem angestrebten Osmanischen Reich.
Scherbenhaufen
Dieser eiskalte Griff nach der Macht, ein Attentat auf Demokratie, Humanität und Rechtsstaat, ist zugleich eine imperialistische Initialzündung. Alles, was man Putin – zum großen Teil unberechtigt – vorwirft, toppt Erdogan um Längen. Der Eine wird nach wie vor als Iwan der Schreckliche dargestellt, der andere ist unser NATO-Partner und neuerdings ein ganz besonderer Freund der EU. Wenn diese Türkei aber nicht die schärfsten Sanktionen erfährt, seit es solche gibt, gibt es absolut keine Berechtigung mehr, überhaupt noch welche zu verhängen.
Dass es im Interesse der USA ist, einen Keil zwischen Russland und Europa, insbesondere Deutschland, zu treiben, wurde hier bereits deutlich gemacht. Die Machtpolitik, die damit betrieben wird, zwingt Deutschland jetzt dazu, einen Offenbarungseid zu leisten. Wir haben alles falsch gemacht, nichts erreicht, uns wichtige Partner verprellt und stattdessen Freundschaft mit den aggressivsten amtierenden Faschisten geschlossen. Vielleicht gelingt Merkel der genialste Flip-Flop ihrer Karriere und sie führt ihre Regierung noch einmal mit dem dümmsten Gesicht aus dem Schlamassel. So oder so aber wird in Berlin niemand mehr wen finden, der ihm noch irgend etwas glaubt – jenseits der ewigen Vollidioten, die fortan die Reste dieser Parlamentarischen Demokratie auffegen.
Mai 20th, 2016 at 16:54
Vielleicht kann uns Russland ja ein paar Syrer abnehmen.
Mai 20th, 2016 at 18:46
..dass die Nato eine Änderung des deutschen Kurses (den in die Sackgasse) nicht zulassen wird, ist aber auch klar. Die einzige “Freude” die uns bleibt: den Mainstreammedien beim Erfinden irrwitzigster Begründungen für die weitere Zusammenarbeit mit diesen Verbrechern zuzusehen.
Viel interessanter wäre da, inwieweit die USA ihre Bestrebungen durch diese Aktion gefährdet sieht -oder gerade auch nicht. Nützliche Diktatoren waren denen jedenfalls schon immer um vieles lieber, als so eine parlamentarische Ordnung.
@tux
Da sind noch die Sanktionen.. keine Milch..und auch keine Syrer..
Mai 20th, 2016 at 20:12
Merkel soll ja eh angeblich fertig haben. Könnte die CDU also auch gleich den Befreiungsschlag wagen und noch eine(n) Nachfolger(in) mit Amtsbonus ausstatten bis dahin…
PS – …drei Fliegen…
Mai 20th, 2016 at 20:39
“Der Eine wird nach wie vor als Iwan der Schreckliche dargestellt, der andere ist unser NATO-Partner und neuerdings ein ganz besonderer Freund der EU.” Wo ist das Problem? Passt doch! :-(
“… die fortan die Reste dieser Parlamentarischen Demokratie auffegen.” Gemeint iss wohl wegfegen?
Mai 20th, 2016 at 21:16
Eine “Demokratie” schafft sich mal wieder selbst ab. Finde den Fehler.
@flatter: Sehr feyner Text.
Mai 20th, 2016 at 21:33
Nicht nur die Krise(n) rücken ins Zentrum vor, auch die Reaktion. Mir wird nu nich gleich himmelangstundbange, verdrängen hilft aber eben auch nicht. Was mir immer bitterböse aufstösst, es finden sich Menschen die bereit sind den Judas zu machen. Lese dass da Polizisten/Soldaten Menschen die sich nicht mal wehren können einfach erschiessen. Es tät mir im Traum nich einfallen Wehrlosen ein Leid anzutun…
@Peinhart: Selbst die Friede und die Liz sind ratlos, se ham wohl aufs falsche Pferd gesetzt…und Stahlhelm Uschi, da sind se wohl etwas skeptisch…
Zum Erfreulichen: Enkel wird zwar den Dreck nich mehr los, aber der Scheiss is unter Kontrolle. Der Leukozytenanteil sinkt kräftig. Burschi stehn alle Wege offen was aus seinem Leben zu machen. Die 9. muss er wiederholen, scheiss druff.
And to something other, weil Freitag is: Wann um alles in der Welt begreifen die Vollpfosten von Schnäpchenjägern dass man Prüfzeichen fälschen kann. Der Aufdruck hier muss durchschlagen, da in Buchdruck ausgeführt, tut er aber nich. Bei der 1 und 2 RM Marke is nich ma ein Wasserzeiche zu erkennen. Bei der Gummierung hab ich so meine Zweifel, erklär ich hier nich, is nich einfach. Kurz gesagt, die Aufdrucke sind falsch…
Klein wenig Mitgefühl, Frau Trulla hat gestern ä paar Körner Scheneckenkorn genascht, das Zeug schmeckt, nu hat se Bauchweh…Sie wirds überstehn, is groß genug und trinkt ausreichend…
Mai 20th, 2016 at 23:41
je nun, wenn du schreibst, “Der vorauseilende Gehorsam Merkels, ihrer Regierung und der ganzen transatlantischen Dienerschaft aus den etablierten Parteien hat nunmehr dazu geführt, dass ihre Außenpolitik niemandem mehr zu vermitteln ist und sie sich in eine Sackgasse manövriert hat. Erdogan ist der Feind aller Prinzipien, für die irgendwer in der politischen Landschaft Deutschlands steht, von ganz links bis ganz rechts, durch die Mitte, von oben und unten. Die Kumpanei mit dem faschistischen Islamisten in Ankara lässt keine Perspektive mehr übrig, aus der man sie gut finden könnte.”, dann ist das ja alles richtig – aaaber: kümmert das wirklich wen? Du klingst da so alarmistisch. Warum so aufgeregt? Dass da jemand der Feind aller Prinzipien usw … – Als wenn das nicht alle Augenblicke vorgekommen wäre! Diverse Obristenregime, Apartheid – na und? Wenn die “Demokratie” anders als durch ihre Abschaffung nicht mehr zu retten ist, ja dann ist das halt so. WeltBildSpiegelZeitSZFocusTAZ name them werden’s dem Michel schon erklären! Ja sollte der Erdogan unberechenbarerweise das Lager wechseln, ja dann – aber so, solange er seine Unberechenbarkeit im richtigen Lager ausspielt, ist er doch ganz brauchbar. Man kann sich ein bißchen von ihm distanzieren, ganz zufällig setzt er aber brachial Nato-Ziele durch, gegen die russische Syrienpolitik, gegen die russische Kurden-Politik. Vielleicht wird er auch mal die Russen in Sachen Bosporus und Dardanellen ärgern, hey, er ist halt nicht nett, aber was soll man machen … Besser, als wenn “der Westen” die Drecksarbeit selber machen müsste, von sich selbst kann man sich ja schlechter distanzieren, das sähe irgendwie komisch aus.
Mai 20th, 2016 at 23:59
“WeltBildSpiegelZeitSZFocusTAZ name them werden’s dem Michel schon erklären!”
So? Diese Funktionsmöbel sind schon im Normalbetrieb auf ihre Zettel angewiesen. Was soll auf denen stehen, um eine Linie auch nur zu suggerieren? Propaganda braucht etwas, an dem sie anknüpfen kann und eine Richtung, in die sie die Herde treiben kann.. Es ist nicht nur undenkbar, dass das noch zu berwerkstelligen ist, es braucht auch die Fähigkeit dazu und Roboter, deren Progrannierung dazu noch irgendwie taugt.
Nein, sie werden nur diejenigen mitnehmen können, die auch springen, wenn wer pfeift. Die Gefolgschaft wird sich derart ausdünnen, dass die Erosion hörbar wird.
Mai 21st, 2016 at 08:32
@Vogel #4 – Gemeint iss wohl wegfegen?
Für zerbrochene Ziergegenstände nimmt man auch gern ein Heiligskehrblechle.
Mai 21st, 2016 at 09:01
flatter bringt die punkte auf den punkt
Mai 21st, 2016 at 13:21
“Die Gefolgschaft wird sich derart ausdünnen …” – gern zu hoffen, aber warum gerade diesmal? Bei der gefühlt hundertsten Wiederholung solchen Spiels seit Erschaffung des freien Westens? Dass womöglich die Gefolgschaft ausdünnt, an den Stammtischen, oder hier in den Blogs, in denen sich Gleichgesinnte gegenseitig das Kinn über die Schulter haken und sich einer dem anderen bestätigend den Rücken abklopfen? Das hat doch noch nie gestört. Wird von den Medienlautsprechern zum Belächeln als Außenseiter freigegeben. Funktioniert. Sagt einem ja keiner, dass die Außenseiter die Mehrheit sind.
Mai 21st, 2016 at 17:51
Was einzelne Menschen so alles in Bewegung bringen können. Immer wieder bemerkenswert. Der türkische Untertan fordert also einen starken Präsidenten, und der bemüht sich eben, nach Leibeskräften. Vielleicht lockt der Herrscher den Untertan ja auch erst an. Ich komme damit ständig durcheinander.
Mai 21st, 2016 at 18:40
@ Die Katze,
so unbeliebt scheint dem türkischen Untertan ihr “starker” Präsident nicht zu sein. Na ja, ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung davon, wie beliebt er allgemein ist.
Ich gehe einfach mal davon aus, was der Untertan sich so von einem Herrscher wünscht: Erst einmal, dass Recht und Ordnung herrscht. Keine Besonderheit!
Dann, dass er dem gesunden Volksempfinden nach eigenständiger Religion und Kultur in den Rang eines Staatsauftrages erhebt.
Das alles reicht natürlich nicht aus, wenn die ideellen Werte , nicht durch materielle Vergünstigungen an den Untertan unterfüttert werden, dann bleiben sie nur hohle Phrasen.
Schau einfach mal bei der deutschen Volksgemeinschaft des 1000-jährigen Reiches vorbei. Die waren mit materiellen Vergünstigungen nicht kleinlich, um ihren Untertan einzufangen.
Und viele Türken sollen sich geäussert haben, dass es ihnen unter ihrem Präsidenten jetzt viel besser als vorher geht.
Mai 21st, 2016 at 19:12
@ Troptard
Was für eine ekelhafte Kreatur dieser Untertan doch ist. Hinfort mit ihm.
Mai 21st, 2016 at 21:40
In der Tat kann es Herrscher nur geben, wenn es genügend Untertanen gibt, die Macht anbeten und/oder sich ihr bereitwillig unterwerfen, die allzeit bereiten Schergen zu geben usw. Ausschlaggebend für diese Bereitschaft sind nicht nur ökonomische (Zwangs-) Verhältnisse, sondern sie wird leider oft schon in den ersten Lebensjahren angelegt, im Umgang mit der elterlichen Macht, die sich schon aus der natürlichen Abhängigkeit des Kindes ergibt. Und der Umgang mit Abhängigkeiten ist nun mal eine Grundkonstante jeder ‘arbeitsteiligen’ Gesellschaft.
Ich verweise an dieser Stelle gern noch einmal auf Arno Gruen und insbesondere sein Buch ‘Der Wahnsinn der Normalität – Realismus als Krankheit’, versteige mich gar zu der Behauptung, dass kein ‘linkes’ Projekt je wirklichen Erfolg haben könnte, dass diese grundsätzlichen Prägungen ignoriert oder davon ausgeht, sie durch Änderungen äußerer Bedingungen sozusagen einfach ‘überschreiben’ zu können. Als Einstieg mag vielleicht auch schon dieser kurze Vortrag dienen.
Mai 21st, 2016 at 23:00
@Balken(11): Ich verlasse mich da auf meine Beobachtung, Entwicklungen und Analysen. Es reicht zwar aus, wenn nur noch 30% zur Wahl gehen, aber das birgt eben Risiken und Nebenwirkungen. Das Theater wird so lange absurder, bis das nackte Elend ausbricht oder die Brutalität explodiert.
Mai 21st, 2016 at 23:57
@ Peinhart
Für diese wahnsinnige Realität hier, bin ich einfach nicht normal genug.
Mai 22nd, 2016 at 08:58
@Peinhart(15)
Ich habe immer so meine Schwierigkeiten, wenn da steht, daß etwas nicht nur auf ökonomische Zwangsverhältnisse zurück zu führen ist. Hier jetzt das Herr-Untertan-Verhältnis.
Es ist schon ‘richtig’, sich nicht nur die ökonomischen Verhältnisse anzuschauen. Aber genauso ‘richtig’ ist mE Herrschaft nicht losgelöst von den materiellen Bedingungen zu betrachten, die eine Herrschaft ‘einfordern’ müssen.
Es nützt eben auch nichts gegen Herrschaft zu sein, wenn die Bedingungen, die sie erfordern, nicht im Auge sind.
Und da steht bei mir die Reproduktion mal wieder gaaaanz oben.
Mai 22nd, 2016 at 10:48
@Wat.: Gegen Dinge wie Übertragung machst Du nix. Die liegen so tief, dass Du die Auswirkungen spürst, aber kaum die Ursachen verstehst. Und wenn Du sie verstehst, dann heißt das noch lange nicht, dass Du etwas dagegen tun kannst.
Familiär bedingte Verhaltensweisen halten sich so gerne mal 4-5 Generation. Ich glaube auch, dass die meisten Menschen sich selbst nur im Ansatz verstehen. Da ändert es nichts, wenn jemand 100 Jahre alt wird. Und nicht vergessen: Spartaküsse sind selten auftretende Exemplare!
Dann darfst Du nicht vergessen, dass bestimmte Eigenschaften dem K. zugute kommen. Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung fügt sich z.B. ideal ein in Konkurrenzdenken und das Ringen um Anerkennung. Dass am Ende wir “Gutmenschen” unter der Knute gestörter Persönlichkeiten leben, die natürlich gerne ihr Verhalten zur Norm machen, scheint mir nur logisch.
Das bedeutet aber leider nicht automatisch, dass wir keinen Knall hätten. :-)
Mai 22nd, 2016 at 11:18
@ Peinhart (15)
Endlich! Endlich mal eine grundlegend andere Sicht, um den Wurzeln der Misere näher zu kommen. Und nur hier in der Nähe kann gegraben werden, den Gedanken der Kooperation freizulegen und das Elend der Konkurrenz zu beerdigen. Freilich wird so etwas nur unter Bedingungen möglich werden, die erkennen lassen, dass anderes als Kooperation auf der erreichten niedrigsten Ebene schlicht nicht mehr geht.
Mai 22nd, 2016 at 11:33
Was heißt hier “endlich”? Hier gibt’s doch Psychologie, Soziologie und Kognitionswissenschaften schon länger im Angebot.
Mai 22nd, 2016 at 12:16
Hatten wir den übersehen? Norbert Lammert will Immunität abschaffen
Bundestagspräsident Norbert Lammert will Abgeordnete nicht weiter pauschal vor Ermittlungen schützen. Er sieht in der Immunität kein Privileg, sondern eine Belastung.
Mai 22nd, 2016 at 12:38
@peinhart
Habe mir den Vortrag gerade durchgelesen (und mir auf deine frühere Empfehlung hin sein Buch bestellt, was ich jetzt bereue). Mein Eindruck ist, dass Gruen die Kategorien Das Eigene, Das Fremde, Der Fremde (in mir), Das Selbst, etc sehr freihändig gebraucht, bzw dafür keine Erklärung oder Begründung liefert. Ich kann nicht erkennen, was für eine Vorstellung der psychischen Struktur seiner These zu Grunde liegt. Seine wissenschaftlichen Referenzen stammen aus unterschiedlichsten Schulen, die er nicht benennt und dadurch suggeriert, sie würden seine These stützen, obwohl ihr forschungsziel ein ganz anderes ist.
Besonders bedenklich finde ich das Ergebnis seiner Analyse. Er schreibt, dass dem gehorsamen, Autoritätshörigen Menschen eine eigene Identität fehlt, er sich mit der Autorität identifiziert. Das ist eine Tautologie, die auf einem leeren Begriff von Identität fusst. Es drängt sich die Annahme auf, dass für Gruen der Nachweis fehlender Menschlichkeit beim “Rechtsradikalen“ nicht nur das Ergebnis sondern auch die Voraussetzung seiner Überlegungen ist.
Gruen stellt Entfremdung gegen Menschlichkeit.Er schreibt von verformter Wirklichkeit der menschlichen Natur und bezieht sich dabei auf eine Beobachtung der Erziehung in einem “Naturvolk” (er weiß selbst wie heikel das ist und schreibt “andere Kultur”). Das Thema Entfremdung war für mich schon bei der Marx-Rezeption ein uberstrapazierter Aspekt, für dessen gebührende Analyse der Rahmen nicht passte. Bei Gruen’s Vortrag kann ich noch nichtmal einen Rahmen ausmachen.
Mai 22nd, 2016 at 16:56
@ Peinhart (15),
aus der Abhängikeit eines Säuglings, besonders von seiner Mutter, lässt sich m.E. noch nicht ableiten, dass damit die Anlagen für einen späteren Untertanen-Geist bereits angelegt werden.
Als Kind, also dann, wenn der Mensch schon über eine gewisse Autonomie verfügt, aber noch nicht unabhängig ist, erst dann findet die sog. Sozialisation statt.
Und diese ist nicht unabhängig davon, in welchem sozialen Umfeld der Mensch aufwächst und welche materiellen Bedingungen dort die Lebensumstände prägen und was man seinen Kindern abverlangt/abverlangen muss an Disziplin, Unterordnung, Verzicht auf eigene Bedürfnisse usw..
Obwohl ich nicht abstreiten will, dass die eigene Entwicklung spätere Anschauungen/Einstellungen verfestigen kann, so sehe ich dennoch keinen Automatismus, eine Zwangsläufigkeit darin, warum ausgerechnet eine “arbeitsteilige Gesellschaft” der Anlass zur Entwicklung/Verfestigung eines Untertanen-Geist sein sollte.
Ich will nicht ausschliessen, dass solche Ergebnisse dadurch zustande kommen, weil die Herrschaft des Kapitals weitgehend nur nur noch als abstrakte und nicht auch als personale Herrschaft thematisiert wird, die von den Menschen auch bestimmte Verhaltensweisen/Einstellungen einfordert.
Die Frage ist dann, was ist die Ursache und was die Folge.
Mir fällt dazu noch aus meinem eigenen Berufsleben ein: Sobald die Geschäftsleitung ausser Haus war, die Kontrolleure weg, dann wurde es richtig gemütlich am Arbeitzplatz.
Mai 22nd, 2016 at 21:41
OT: Hamm-Uentrop: Strahlung absichtlich freigesetzt?
[..] “Es bot sich die Möglichkeit, den Reaktor in die radioaktive Wolke hinein auszublasen”, sagt Schollmeyer dem WDR. Das Kalkül: Angesichts der ohnehin erhöhten Strahlenbelastung wäre der Ausstoß von Hamm-Uentrop nicht weiter aufgefallen. Mit anderen Worten: Die Betriebsleitung hätte einen schwerwiegenden Störfall bewusst selbst herbeigeführt, um Zeit und Geld zu sparen. Und sie hätte gehofft: Das merkt schon keiner. [..] Die Strahlenbelastung der Bevölkerung sei vergleichsweise gering gewesen. [..]
Vielleicht waren die Ideen mit den Guillotinen und Mauern vergleichsweise nicht immer schlecht.
Mai 22nd, 2016 at 22:55
@ R@iner
Aber nicht doch. Die Betriebs-/Geschäftsleitung leitet/führt nur den Betrieb bzw. das Geschäft. Die eigentliche Arbeit wird stets von jederzeit emsigen Arbeitern und Angestellten verrichtet, die, man glaubt es kaum, doch nur ‘ihre’ Arbeit mach(t)en. Ganz egal was diesem fleissigen Arbeiterchen gegeben wird, er exekutiert es weg. Und wenn nicht, dann findet sich, genau hinter diesem Wicht, schon die nächste Knallpfeife. Bereit zu tun, was immer auch nötig ist.
Mai 23rd, 2016 at 11:06
Sehr interessantes Interview mit Robert Menasse (via Klaus Baum) zum Faschismus in Österreich.
Mai 23rd, 2016 at 11:49
@Memoon #23 – Die ‘Freihändigkeit’, oder ‘Offenheit’ der Begrifflichkeit ist für mich eher eine Stärke seines Ansatzes. Wohldefinierte Abstrakta, die sich nett in Organigramme einfügen lassen, wären für ihn wohl auch Musterbeispiele des von ihm ebenfalls beklagten allseitigen Reduktionismus. Ich finde auch nicht, dass der Begriff der ‘Identität’ (oder auch ‘Integration’) bei ihm leer bleibt. Nur ist sowas wie ‘Übereinstimmung von (innerem) Fühlen und (äußerem) Handeln’ eben keine ‘harte’ Definition und schon gar nichts, was man irgendwie quantitativ erfassen, also messen könnte.
Mai 23rd, 2016 at 12:00
OT: Schriftsteller Zelik kandidiert für Linken-Vorstand
[..] »Eine Karriere soll es nicht werden, und gesellschaftliche Aufbrüche bleiben wichtiger als Institutionen«, so Zelik. Er wolle sich zur Wahl stellen, »weil ich den Eindruck habe, dass der Umbruchprozess, in dem sich die LINKE befindet, eine echte Chance darstellt«.
Zelik, der im Sommer 2012 in die Partei eingetreten war, sagte, er habe eigentlich wenig Erwartungen an »klassische, institutionenorientierte Parteienpolitik«, er wolle aber dazu beitragen, dass die Linkspartei »kollektiver wird und trotzdem plural bleibt, widerständiger auftritt und sich gleichzeitig der Gesellschaft gegenüber öffnet; dass wir Debatten führen, ohne Machtkämpfe auszutragen«. Die Bedeutung der Partei liege »nicht so sehr darin, was sie in den Parlamenten macht«, sondern in ihrer Pluralität. [..]
Mai 23rd, 2016 at 12:02
@Troptard #24 – …so sehe ich dennoch keinen Automatismus, eine Zwangsläufigkeit darin, warum ausgerechnet eine “arbeitsteilige Gesellschaft” der Anlass zur Entwicklung/Verfestigung eines Untertanen-Geist sein sollte.
So war das auch nicht gemeint. Aber ich halte es für durchaus bedeutend, wie mit der essentiellen Frage der Abhängigkeit, die hier bereits im Säuglingsalter das erste Mal und sozusagen exemplarisch auftaucht, umgegangen wird. Das kann ja auch durchaus ‘harmonisch’ und konstruktiv, also zu beiderseitigem Nutz und Fromm verlaufen. Und natürlich lässt sich – das auch @Wat – die Tatsache, dass es leider nicht immer so ist, gewiss nicht zuletzt auch wieder auf die herrschenden (Produktions-) Verhältnisse zurückführen, die dann aber auch bereits hier das erste Mal auf fatale Weise reproduziert werden.
Was ich damit meinte, dass eine linke Theorie und Praxis sich diesen Dingen nicht verschliessen sollte, ist vor allem die Einsicht, es mit zu weiten Teilen ‘tiefengeprägten’ Menschen zu tun zu haben, bei denen der Appell an Vernunft und Argumente eben nur sehr bedingt verfängt und verfangen kann.
Und natürlich hat gerade der Neoliberalismus da nochmal ordentlich einen draufgesetzt, und beschert uns jetzt ganz folgerichtig die konformistische Rebellion, von Leuten, die, wie Menasse ganz richtig sagt, nicht mal wissen, dass sie Faschisten sind geschweige denn, warum.
Mai 23rd, 2016 at 13:28
Man darf natürlich nicht vergessen, dass die türkische Regierung jahrzehntelang versucht hat, Mitglied der EU zu werden. Jahrzehntelang hat man sie hingehalten und mit Ausreden abgefertigt (Jaja, Menschenrechte. Klar doch. Was war denn mit Spanien 1986?). Da ist es nur logisch, dass sich große Teile der türkischen Bevölkerung und der Regierung irgendwann nach Osten statt nach Westen wenden. Dieser Aspekt kommt mir häufig zu kurz.
Mai 23rd, 2016 at 13:36
@Rainer #29 – Interessant. Er hat ja durchaus Nachvollziehbares und Bedenkenswertes zum Eintritt in die LINKE geschrieben, und mir fiel auch noch diese Passage zum Thema Radikalität vs Reformismus ein:
Zelik: Sie haben in der Vergangenheit sehr radikale Kritik geleistet, aber strategisch schlagen sie dann doch immer wieder nur eine bessere Regulation des Kapitalismus vor. Sie reden von einem neuen globalen Gesellschaftsvertrag und der Bedeutung einer ökologischen Reformpolitik.
Altvater: Warum ist das ein Widerspruch? Selbst wenn man noch so radikal ist, ist im Moment keine Alternative zum Kapitalismus realistisch durchsetzbar. Es gibt keinen Konsens in der Bevölkerung über Alternativen, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Selbst die Elendesten sind nicht zu einer Revolution bereit. Vielleicht später einmal, aber ich weiß nicht, wann dieses „später“ sein soll.
Es gibt also nur irgendeine reformistische Lösung. Wir müssen Schritt für Schritt vorgehen und dabei Konsens erzeugen, denn ansonsten wäre Veränderung wieder nur ein autoritäres Projekt, das – wie die realsozialistischen Staaten eindringlich gezeigt haben – dem Untergang geweiht ist.
Zelik: Aber man erzeugt dadurch die Illusion, daß das bestehende System gar nicht so schlecht ist, wenn es nur richtig reguliert wird…
Altvater: Sicher, aber Illusionen schafft man auch, wenn man sagt „laß es laufen, wie es läuft, danach wird schon etwas anderes kommen“. Man muß mit einer Perspektive leben können. Es ist schizophren zu sagen, daß man revolutionär, links und radikal ist, aber dann nichts macht, um die Zustände jetzt sofort zu verändern. Wenn ich nichts zu tun beabsichtige, brauche ich auch nicht zu denken.
Mai 23rd, 2016 at 14:04
“Man muß mit einer Perspektive leben können.”
Eine halbwegs tragbare zu entwickeln, daran könnte ich irre werden.
Mai 23rd, 2016 at 15:10
OT: Wenn wir schon über die eu reden: Es wird eng für EU-Kommissar Cañete
[..] Vermutet wird, mehr als eine Milliarde Euro seien bei Bau von Meerwasserentsalzungsanlagen abgezweigt worden, die zum Großteil aus EU-Fonds finanziert wurden und ohnehin kaum genutzt werden. [..]
Sportlich.
p.s.: Ich warte, da ich es in spanischen Zeitungen schon vor Wochen gelesen hatte, bisher vergeblich auf eine Meldung in deutschen Medien. Die eu muss weit weg sein. Vor allem dann, wenn sich rechte Parteigänger die Taschen füllen.
p.p.s.: Ah, im Standard war was. Aber der ist, zumindest nach letzter Kontrolle der Grenzlinien, nicht deutsch im Sinne von “deutsch”.
Mai 23rd, 2016 at 15:19
@flatter #33 – Eine halbwegs tragbare zu entwickeln, daran könnte ich irre werden.
Aber das wollen die doch nur. :p
Mai 23rd, 2016 at 15:27
Mach mich unterm Neuen fertig!
Mai 23rd, 2016 at 16:14
Ok, hab aber wohl diesmal zuviel Links drin…
Mai 23rd, 2016 at 16:27
Jetzt ist es recht.
Mai 23rd, 2016 at 18:17
@Peinhart #28
An erwähnter Übereinstimmung haben sich die Romantiker schon abgearbeitet und sie wird heute von Ökos bis Esos angemahnt. Die Kirche und die Rechte geben auch jeweils eine Antwort in der Unterordnung allen Fühlen und Handelns in ein Ewiges Ganzes. Ich halte es für keinen Zufall, dass die Suche nach der Übereinstimmung oft in die Dichotomie unmenschlich/menschlich (innen) bzw Realität/Phantasie (außen) führt. In diesem Denkrahmen bewegt sich aus meiner Sicht unsere jetzige Gesellschaft.
Was ist mit Hegel und Freud? Beide haben sich doch denselben Problemen gewidmet und es gibt reichhaltige Literatur die daran anschließt (zizek zum Beispiel). Gibt Gruen eine Begründung warum er jenseits der beiden nach Antworten sucht?
Mai 23rd, 2016 at 20:48
@Memoon – Es finden sich einige kritische Bemerkungen insbesondere zu Freud und seiner Triebstruktur in nämlichem Buche – das ich dir bei ultimativem Nichtgefallen übrigens durchaus abnehmen würde, wenn der Hausherr uns einen Kontakt macht. Würde mich eh freuen, wenn du dann hier nochmal Rückmeldung gäbest.
Mai 24th, 2016 at 07:44
Danke für das Angebot. Feedback gebe ich gerne wenn das Thema hier passt.
Heißt das jetzt, ich gebe Peinhart deine Mailadresse? oder umgekehrt? Hilfe, ich bin übergefordert! Säzzer
Mai 24th, 2016 at 10:45
Nachdem ich vor einer halben Stunde auf tagesschau.de einen Artikel von gestern ueber Obamas Besuch in Vietnam gelesen habe- Ueberschrift des dritten Absatzes “Keine Gnade für Kritiker”- geht es folgendermassen los:
“Vietnam ist eine der letzten kommunistischen Parteidiktaturen der Welt, der Staat geht mit aller Härte gegen Kritiker vor. Auch die gestrigen Wahlen im Einparteienstaat waren nicht wirklich demokratische Willensbildung.” Denn jetzt kommt das “Problem”:”Ein heikler Punkt für die USA bei der Frage, ob sie das 50 Jahre alte Waffenembargo gegen Vietnam aufheben soll.”
Als ich mich von meine Lachanfall erholt habe, hab ich tagesschau.de, tagesschau.de sein lassen und, da ich momentan zeitlich nur in Intervalle im Netz bin, mich ernsthafteren Seiten zugewendet.
Here I am!
Mai 24th, 2016 at 14:07
#Säzzer, nicht notwendig. Ein Ultimatives Nichtgefallen ist noch nicht eingetreten.
Mai 24th, 2016 at 14:56
@43 Memoon. Es ist immer wieder erstaunlich, wieviel an der Unschärfe von einem Bit hängt. Hätten Sie das Komma genutzt, wäre dem Säzzer vielleicht aufgefallen, was Sie da eigentlich und freundlich zum Ausdruck bringen wollte, er hätte nicht nachgefragt. Und jetzt stelle man sich ein komplexes Problem vor, über das zu streiten ist.
Mai 24th, 2016 at 14:57
@Fred(42: “Die USA und appellieren an Peking, “die Militarisierung” des Südchinesischen und ebenso die des Ostchinesischen Meeres zu stoppen.” Endlich tun die Guten etwas gegen diese furchtbare Militarisierung. Die Atlantikbrüllmücken sind einfach zu geil!