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Alle Tage wieder werden wir mit Auszügen aus Statistiken besäuselt, die uns die Welt wiedewiedewie sie ihnen gefällt präsentiert. Gerade gestern bejubelte die freie Presse® einen neuen Tiefstand der Arbeitslosigkeit. Nur noch 2,66 Millionen! Ein Lehrstück über den Umgang mit Zahlen.

Bei der Gelegenheit: Bitte verschont mit dem Spruch “Ich glaube an keine Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe”! Churchill hat das nie gesagt, und es ist auch Unsinn. Statistiken werden nicht gefälscht, das ist auch gar nicht nötig. Sie werden falsch interpretiert, und zwar häufig so falsch, dass die Erhebung sich gar nicht auf das bezieht, was nachher ausgesagt wird. Im vorliegenden Fall liegt das Problem bereits im Begriff “Arbeitsloser”. Arbeitslos ist nämlich, wer in der Erfassung erfasst wird. Erweitern wir unser Blickfeld ein wenig:

Wie aus 6 Millionen eine wird

Heute wird der Stuss nämlich ergänzt durch die Meldung, “mehr als eine Million Menschen” lebten dauerhaft von Hartz IV, und wir landen mitten in der nächsten Verharmlosen, diesmal gar einer doppelten. 1,4 Millionen sind in der Tat mehr als eine. ein paar mehr und wir könnten auf zwei aufrunden. Aber geschenkt, viel besser ist das, was hier als “dauerhaft” gilt. “Mehr als neun Jahre” nämlich. Nach neun Jahren dürfen Unvermittelbare, die nie wieder einen Job bekommen werden, als “dauerhaft abhängig” gelten. Wer ein Jahr arbeitslos ist, fliegt bereits aus dem Arbeitslosengeld, aber “dauerhaft” ein Sozialfall ist er offiziell erst nach zehn Jahren.

Nach neun Jahren haben die JobCenter gemeinhin allerdings schon alles zwangsverrentet oder sonstwie aus der Statistik geschoben, das sich irgendwie loswerden lässt. Ein Rest von 1,4 Millionen ist da verdammt sportlich. Übrigens reichen zwei mickrige Monate in irgendeiner Beschäftigung aus, um den Zähler auf Null zu stellen. Noch schöner ist allerdings die Zahl von 4,4 Millionen erwerbsfähigen(!) ALG II-Empfängern. Diese Zahl schafft es leider in keine Überschrift der Qualitätspresse. Insgesamt sind es stabil um die 6 Millionen. So. Wir haben also fast viereinhalb Millionen Hartzer im Arbeitsmarkt bei 2,66 Millionen “Arbeitslosen”. Wachstum! Wohlstand! Vollbeschäftigung!

Die Kunst des Pianoforte

Ich hatte dabei bereits darauf hingewiesen, dass die neoliberalen Konzepte, beginnend mit dem Lambsdorff-Papier, eine Arbeitslosigkeit von mehr als zwei Millionen Menschen in der BRD/West zur Katastrophe erklärt hatte. Dies führte zunächst zum Sturz von Helmut Schmidt, und derselbe Irrsinn wurde später durch Schröder dazu genutzt, den größten Niedriglohnsektor in Europa zu verwirklichen. In der Tat ein Riesenerfolg: Der Druck auf die Löhne hat nicht nur zu einem sozialen Kahlschlag geführt, es werden auch Millionen Jobs staatlich subventioniert.

Die Jubelmeldungen der Medien sind also keineswegs gefälscht, die Lüge liegt schlicht in der sehr sorgfältigen Auswahl der Zahlen, mit der eine Meldung austrompetet wird und dem Flüstern der Wahrheit, die sich dahinter verbirgt – wenn sie nicht gleich verschwiegen wird. Was lernen wir also? Obwohl selbst wer keinen Job sucht, einen bekommt, wenn sich das irgendwie einrichten lässt und obwohl immer mehr solcher Sklaven nicht davon leben können, bleiben noch Millionen übrig, die trotzdem keine Arbeit finden. Die darf dann sogar der SpOn “Arbeitslose” nennen.