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Neulich landete sie wie aus einem Versehen des Universums bei Friede und Liz zum Tee. Andrea war gar nicht nervös. Sie war nie nervös, sie war schon immer voller Selbstvertrauen. Schon als sie gegen Stefan den JUSO-Vorsitz holte, wusste sie, dass er ihr einfach zustand. Sie hatte sich ihn verdient.

Als sie so beim Tee saß, kam auch hier ihre Chance, und sie nutze sie. Eine Sprechpause, in der das Ticktack der Wanduhr sie nachgerade aufforderte, eine ihrer eloquenten keinen Reden zu halten.

“Ich bitte Sie”, hob sie an und fand sich wie so oft genial, denn das bedeutete gleichermaßen Ehrerweisung wie eine unmissverständliche Aufforderung, ihren Gedanken zu folgen, “wer bezieht denn Arbeitslosengeld zwei? Das Grundgesetz beginnt mit dem Paragraphen zur Würde des Menschen. Was ist das für eine Würde, mit der jemand Hartz vier beantragt? Wir haben Millionen von Jobs geschaffen, es ist inzwischen so billig, eine Arbeitskraft anzustellen, da kann im Grunde jeder hingehen und sich selbst eine schaffen. Wer sich anbietet, wird schon etwas finden.

Die Chance

Und dann dieses Gerede von Armut! Ich bitte Sie, wer nimmt denn Geld vom Staat und schimpft dann noch, dass er arm ist? Inmitten aller Möglichkeiten, die sich ihm oder ihr bieten. Es sind fast eine Million Stellen frei, permanent. Dann gehen sie also hin, lassen sich die Wohnung finanzieren und die Heizung, nehmen ein paar Hundert Euro Taschengeld im Monat an und jammern, dass sie arm sind? Das ist doch unverschämt.

Ich will ja gar nicht leugnen, dass es auch ein paar wirklich Bedürftige gibt”, sagte sie und wollte gerade Friedes Hand ergreifen, als die ihr mit einem sehr eindeutigen Blick zu verstehen gab, dass sie das tunlichst zu unterlassen hätte. Andrea hielt in der Bewegung inne und rückte ihre Tasse zurecht. Dann fuhr sie fort:

“Aber so ist das bei den Romantikern und den Linksextremen, die kennen nur die Guten unter den Leistungsempfängern. Alle anderen sind Schmarotzer, aber dieser eine, das ist ein prima Hartzer! Solchen Populismus kann sich nur leisten, wer alles auf Pump finanziert. Genau wie dieses Einspruchsrecht. Ich bitte Sie, wer sich nicht nur pampern lässt, sondern entweder seiner Pflicht nicht nachkommt oder einfach noch mehr haben will fürs Nichtstun, für den sollen wir hunderte Richter Tag und Nacht arbeiten lassen? Es gibt Grenzen.”

Sie schaute mit einer gewissen Vorfreude in die Gesichter ihrer Zuhörerinnen und erkannte dort die erwartete milde Zustimmung. Nachdem sie sich verabschiedet und voller Stolz auf den Heimweg gemacht hatte, schaute Friede Liz in die Augen und stellte fest: “Welch ein widerliches Weib.”
Liz nickte und fügte mit sichtlicher Verachtung hinzu: “Wenn sie nicht so nützlich wären …”
“Ja”, schloss Friede das Gespräch ab, “solange sie es sind.”