2020
Yearly Archive
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kunstlyriklamauk[6] Comments 14. Mai 2020 15:22

Neulich erhielt ich folgende Mail:
Ko-Autoren gesucht
Sie sind zuverlässig, flexibel und gespannt darauf, sich einem Angebot der systemprägenden Qualitätsmedien anzuschließen?
Sie sind bereit, die Wahrheit auf Basis von Fakten zu publizieren, die das Kanzleramt Ihnen tagesaktuell zur Verfügung stellt?
Sie moderieren in Echtzeit in Meinungen, die auf Fake News beruhen oder die öffentliche Ordnung gefährden könnten?
Sie lassen Experten aus dem Stab der Regierung zu Wort kommen und erläutern sensibel die schmerzhaften, aber notwendigen Maßnahmen, die daraus folgen?
Sie setzen vernünftige Prioritäten?
Sie legen die Motive der kompetenten Entscheider verständlich dar?
Dann schließen Sie sich uns an! Wir, die Geläuterte Linke der kritischen Autoren, heißen Sie willkommen. Es gibt Häppchen.
Honey Trap
Häppchen! Das konnte ich mir nicht entgehen lassen, bin ich doch ohnehin schon genetisch bedingt stets der am schlechtesten Angezogene und als Erster am Buffet; mehr aber noch lockte mich die Aussicht auf Party, Cocktails und Canapés, während man dem Plebs draußen verbietet, eine Kneipe zu betreten. Ich fuhr also zu der Adresse, die in der Mail genannt war.
Von außen unscheinbar, war das Gebäude innen umso beeindruckender. Viel Marmor, aber auch dunkles Holz, von einem beliebten Innenarchitekten zu einer geschmackvollen Komposition vollendet. Es begrüßte mich ein salopp, aber stilvoll gekleideter 40er, der sich als “Steffen Sesse” vorstellte. Er führte mich ohne Umschweife zur Bar, das Buffet war gleich daneben aufgebaut. Eine Handvoll weiterer Gäste standen umher und unterhielten sich.
“Vorab unser erstes Geschenk an Sie – wenn sie bitte kurz den Ärmel hochkrempeln wollen”, sagte Sesse, und eine atemberaubende Schönheit trat an mich heran, die auf einem kleinen Silbertablett eine gläserne Spritze, einen Tupfer und ein Pflaster brachte. Sie übergab das Tablett dem Kollegen, zog den Schutz von der Spritze, verabreichte mir eine völlig schmerzlose Injektion, reichte mir den Tupfer, wartete ein paar Sekunden und klebte dann das Pflaster auf die Einstichstelle. Dann verließ sie uns, während meine Blicke ihr folgten.
Angekommen
“Es gibt also tatsächlich einen Erreger”, stellte ich fest.
Sesse lächelte und antwortete: “Es gibt immer einen Erreger. Mindestens. Was wir Ihnen da gerade injiziert haben, wird Sie über die nächsten Jahre bringen, auch wenn sich weitere – Überraschungen – ereignen sollten. Aber kommen wir zum eigentlichen Geschäft, ehe ich Sie den Annehmlichkeiten dieses Etablissements überlasse: Wir bieten Ihnen regelmäßige Einkünfte in der Höhe, die ein Spitzenautor wie Sie verdient hat. Sie schreiben weiter wie bisher und stellen sicher, dass Ihre Leser dann und wann auf bestimmte Informationen aufmerksam gemacht werden. Sie werden einfach weiterhin eine Stimme der Vernunft sein. Sollten wir bestimmte Irrtümer oder Fehler bemerken, werden wir das kritisch anmerken und Ihnen Material liefern, anhand dessen Sie sich korrigieren können. Manchmal haben wir als große Institution Informationen früher als Sie, das liegt ja in der Natur der Sache. So weit einverstanden?”
“Im Prinzip ja, aber was ist, wenn ich es mir anders überlege?”
Sesse lächelte wieder, diesmal auffallend asymmetrisch.
“Das werden Sie nicht. Wir haben Sie nicht zufällig ausgewählt. Machen Sie sich keine Gedanken. Sollten Sie sich je umentscheiden, werden wir sicher eine Lösung finden. Aber genießen Sie zuerst einmal den Abend und lernen Sie neue Freunde kennen. Es wird Ihnen gefallen.”

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kapital[26] Comments 12. Mai 2020 14:13

Schon vor Jahr und Tag schrob ich: “Jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt haben … na, wer? Richtig: Wir. Die Menschheit. Total verschuldet, diese Menschheit. Sie muss endlich sparen. Aber damit das nicht ganz so offensichtlich wird, teilen wir sie in Teilmengen. Heute im Sonderangebot: Die Franzosen. Haben die über ihre Verhältnisse gelebt, diese Franzosen, o là là! Sagt wer? Richtig, die Allexperten [einer deutschen] Wirtschaftsreaktion.
Aber nehmen wir die Schalmei kurz auf und pusten hinein. Wenn also alle über ihre Verhältnisse gelebt haben, und zwar seit Jahrzehnten, und wenn das zufällig die Jahrzehnte waren, in denen der Neoliberalismus seine Klaue in die Weltpolitik geschlagen hat, mit ihrwisstschonwas: Deregulierung, niedrigen Spitzensteuersätzen, Privatisierungen, Sozialabbau und Permanentjubel über die Großartigkeit dieser Ideen, dann folgt daraus? Richtig: Deregulierung, niedrige Spitzensteuersätze, Privatisierungen, Sozialabbau und Permanentjubel über die Großartigkeit dieser Ideen. Sparprogramme! Schlanker Staat!”
Warte nur ein Weilchen
Ich zitiere das, weil es ohnehin an der Zeit ist, das Steinchen ein paar Monate nach vorn zu werfen und weil das HbB (Hetzblatt beim Bäcker) heute dröhnt, “Renten” seien “in Gefahr”. Aha, dachte ich, das sind die ersten Vorläufer, die Vorbereitungen. Unsere Systemrelevanten werden schon mal eingeölt, damit man sie nach Einsatz der Impfstoffe so richtig schön durchfisten kann. Mohr, Schuldigkeit, am Arsch!
Eine Besonderheit der Allkoalition unserer Krisenparteien liegt in der jetzt noch alternativloseren Verwaltung des siechenden Zombiekapitalsimus. Da schmiegt sich nämlich Keynes eng an Hayek und sie tanzen den Apocalypso. Die Bordeauxroten kommen uns mit dem Gassenhauer der 20er Jahre (ja, alles kommt wieder!) aka “Steuererhöhung” für, na klar, Reiche. Und vielleicht, weil das schon immer gelogen war, kommen die jetzt sogar wirklich, weil im Gegenzug Billionen-Subventionen das Karussell auf Touren bringen und dieselben Kassen sofort wieder auffüllen.
Noch immer jootjejange
So viel für die kurze Frist. Es nützt aber wenig, einen Rasen zu düngen, der nicht mehr da ist. Hunderttausende Pleiten sind nicht ohne schwere Axthiebe in die Eigentumsordnung zu managen, für die sie gemacht werden. Hier könnte man sicher sagen, man lässt sterben, was sowieso bald tot ist. Ein Leben ohne Kleinbetriebe ist auch viel übersichtlicher. Aber:
Tzia. Hat das mal wer durchgerechnet? Er würde wohl auf ein Problem stoßen, das kein Mathematiker der Welt lösen kann, ist es doch sprichwörtlich “unkalkulierbar”. Na ja, Hauptsache, wir haben schon die Lösungen parat, die noch nie funktioniert haben. Es bleibt also absurd. Steigen Sie zu, fahren Sie mit, investieren Sie jetzt!
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interna ,
netz[27] Comments 09. Mai 2020 22:59

Man lernt nie aus; es sei denn, man schützt sich wirksam davor. Ich bin nicht dafür bekannt, eine allzu optimistische Sicht auf meine Mitmenschen zu haben, aber es gibt kein Niveau, das nicht unterboten, keine vorsichtige Hoffnung, die nicht noch enttäuscht werden könnte. Wie ungemein reaktionär und borniert Menschen, denen man einen Verstand unterstellt hätte, werden können, wenn sie einmal verunsichert werden, muss man in dieser Ausprägung auch erst einmal erlebt haben.
Schon vor Jahren habe ich festgestellt: Vernunft “ist vielmehr eine religiöse Anschauung unter anderen. [...] Dazu muss man im Grunde nur zur Kenntnis nehmen, dass eine Minderheit annimmt, sie habe die höhere Einsicht, der sich andere verschließen. [...] Du kannst noch so brillant sein, geduldig, präzise und wach; die meisten lassen ihr Weltbild null beeinflussen von Diskursen und hauen Argumente nur raus, weil das ein Ritual ist.”
Das Wir gewinnt
Die Techniken, die dieser Tage Anwendung finden, gehen allerdings deutlich über das hinaus, was noch eine ritualisierte Scheindiskussion wäre. Talkshowniveau wird nicht mehr erreicht. In einem regelrechten Stakkato werden betonierte ‘Meinungen’ wiederholt und manche umgeben sich mit der Elite der Trollszene, damit ja keine Stille einkehrt in der Echokammer. Es wird denunziert. abgewertet, identifiziert und angefeindet. Wir hier, die da. Das ist auch einer von denen!
Wissenschaft wird zur Geschmackssache. Irgendein Idiot hängt sich ein Stethoskop um, faselt, was viele hören wollen und wird zum vielzitierten C-Promi. Von denen gehen Listen herum: Guck mal, der hat das auch unterschrieben. Was ist eine selbst verstandene Studie, die in Aussagen über Wahrscheinlichkeiten mündet, gegen so ein Panini-Album der Bescheidwisser? Und überhaupt: Neben alternativen Fakten gibt es ja auch alternative Wissenschaft. Das ist nämlich die mit den alternativen Gewissheiten, die einer alternativen Logik folgen.
Heul’ doch!
Von vielen dieser Experten habe ich mich bereits getrennt oder sie sich von mir. Nach teils hunderten Kommentaren hier wissen sie gern woanders, dass ich schon immer so einer war. Das ist derzeit der allgemeine Umgang. Ehrlich, Leute: Ich habe öffentlich noch nie etwas gemacht, um gemocht zu werden, schon gar nicht von irgendwelchen Internetheinis. Wir haben uns getrennt, und das ist auch gut so. Komm’ drüber weg!
Eine Konsequenz der Situation ist eine kleine Zäsur; mehr Wissenschaft, einer raus, einer rein, das Leben geht weiter. Das sind weder Kurzschlusshandlungen noch verbinde ich damit jedwede Emotion. Im Gegenteil nehme ich aus solchen Prozessen immer mit, dass ich etwas gelernt habe und meinen Fokus kalibriere. Vor allem wird noch einmal klarer: Ich bevorzuge in meinem Umfeld Menschen, die erst fragen, dann hinterfragen und eventuell Antworten finden. Besserwisser finde ich schon scheiße, wenn sie nicht intellektuell und psychisch freidrehen. Macht’s gut und nehmt ruhig noch etwas Fisch mit!

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kapital[9] Comments 08. Mai 2020 15:40

Der Tag der Befreiung® geht mir, um ehrlich zu sein, am Arsch vorbei. Wie in meinem Buch erläutert, wurden Verdrängung und Kontinuität irgendwann in Form einer neuen Rhetorik ersetzt durch eine raffiniertere Heuchelei. Hauptautor war Richard von Weizsäcker und Depp vom Dienst Philipp Jenninger, der nicht kapieren wollte, dass die Nazis eine kleine Bande waren, die das ganze Volk in Geiselhaft gehalten hatte. Stattdessen ging er auf alle Deutschen los. Fail!
Ich will mich daher mit Wichtigerem befassen, weil es nicht aufhört, aktuell zu sein, weil die erbarmungslosen Propagandisten der Ausbeutung den Rand nicht halten wollen. Für Deutschland war es der 09.09.1982, als Schluss war mit Lustig. Fortan hatte der Arbeiter wieder das Maul zu halten, und wer unnütz ist, gilt wieder als Schmarotzer. Das neoliberale Fanal erklang, namens “Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit” aka Lambsdorff-Papier.
Stillgestanden!
Jetzt fällt einer womöglich vom Glauben ab, und sei es nur kurzfristig, strategisch oder was weiß ich, aber er (an)erkennt eben als Präsident seines Landes, dass etwas gewaltig schiefläuft in der Zivilisation, die nicht bloß ihre wirklich Systemrelevanten verleugnet, sondern eben deshalb die Existenz aller aufs Spiel setzt. Er deutet an, da müsse sich etwas ändern, vielleicht gar etwas reformiert werden.
Prompt springen sie aus dem Busch, die Inhaber des Patentes auf Reformen®, die seit knapp vierzig Jahren genau das predigen, von dem jetzt jeder Depp erkennen kann, dass es nicht richtig ist. Es springt einem ins Gesicht, wer auf wessen Kosten lebt und wohin das führt. Und was fällt den Neoliberalen ein? Macron sei jetzt “kein Reformer” mehr. Weil er nicht dazu kommt, in Frankreich die Renten dem Kapital zu übereignen, was ja bei uns auch kolossal geklappt hat.
Die Kollegen in der Schweiz wiederum warnen (Achtung! Achtung!) vor dem siebenunddreißigsten Linksrutsch® der längst rechtsliberalen und zu Recht marginalen deutschen ‘Sozialdemokraten’. Warum? Weil der Chef-Büchsenspanner Kahrs keine Lust mehr auf seine eignen Intrigen hat. Ist ja auch keiner mehr da, den man wegmobben müsste, weil er nicht auf Kurs wäre. Was da noch steht, erledigt sich gerade selbst. Immerhin keine dumme Ratte, die das Schiff dann doch noch verlässt.
Fortschritt!
Was von der Herrlichkeit des neoliberalen Regimes übrig bleiben wird, ahnen wir bereits mit Blick auf die Trümmerlandschaften, in denen es am heftigsten gewütet hat. Die brunzdummen Faschisten erkennen dort sofort den Feind, der sie in diese Lage gebracht hat: Kommunisten mit ihrem Corona. Angewandte Dystopie mit Vorbildcharakter.
Hierzulande glauben sie wohl noch, alles werde gut, ja vielleicht sogar besser. Da wird das Fleisch der Schwachen eben von den Starken gefressen und die Sklaven werden sich prügeln um einen Herrn, der ihnen Brot verspricht. Und weil das Deutschland ist hier, werden sie alle friedlich bleiben und sich Jahr um Jahr mit weniger begnügen. Ein geniales Konzept, und so innovativ! Ich freue mich auf die anstehenden, echten Reformen®.

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narrativ[14] Comments 08. Mai 2020 11:26
Die Jahrhundertrede des großen von Weizsäcker
vs.
ein Kommentar von B.
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geostrategie ,
politik[42] Comments 06. Mai 2020 13:30

“Raus aus der NATO, rein ins Vergnügen” war ein geflügeltes Wort in den 80ern rund um die “Grünen”. Wie wir wissen, hat deren späterer Parteiführer ausgerechnet in Serbien ein “Auschwitz” entdeckt und daher im Einklang mit dem Großen Bruder USA gefordert, Deutschland müsse sich an der Bombardierung der Nazis dort beteiligen. Geschichtsbewusstsein at its best.
Derselbe forderte in diesen Tagen wörtlich “Die Deutschen müssen ihren instinktiven Pazifismus hinterfragen“. Nachdem alle Kriege der NATO, die Beteiligung der Bundeswehr am Angriffskrieg auf Afghanistan, Flugverbotszonen oder schon die Kriege in Vietnam und Irak auf die einhellige Abneigung der Deutschen gestoßen sind, muss der ehemalige Pseudopazifist einmal mehr darauf beharren, man möge doch endlich wieder Hurra.
Nie wieder Frieden
Von deutschem Boden soll nie wieder ein Krieg verpasst werden, ginge es nach den Atlantikern und ihren Trommelschlägern. Nun hat Deutschland ja enormes Talent gezeigt in diesen Dingen. Nach Verdun und Stalingrad ausgerechnet Afghanistan, der längste Krieg mit Deutschen seit 1648 und so erfolgreich wie die Stellungsschlachten zuvor. Auch dieser ohne die vorbereitende Propaganda durch Kriegstreiber Joschka kaum vorstellbar.
Der Eifer hinter dieser Mordlust muss spätestens dann deutlich werden, wenn man sich die aktuelle Lage anschaut. Die größte Provokation Russlands seit Able Archer, ein NATO-Manöver an Russlands Grenzen, wird gerade durch Corona verzögert. Die Weltwirtschaftskrise reißt alle Gräben zwischen konkurrierenden Mächten auf, und in den USA ist ein Irrer Präsident, der sich für den unumschränkten Führer hält – um nur einige Details zu nennen. Und in dieser Situation sollen die Deutschen also “ihren Pazifismus überdenken”.
Failed State
Im Gegenteil zeigen alle aktuellen Entwicklungen, dass eine Kooperation mit den USA nicht mehr möglich und die Vasallentreue zu ihnen fatal ist. Das wird vermutlich auch kein Stück besser werden, wenn mit oder an Corona die innere Ordnung der Vereinigten Staaten zerfällt oder gar explodiert. Wenn bewaffnete Vollhonks ein Parlament besetzen, nennt der Depp in D.C. sie “Gute Leute” und bekennt damit seine Bereitschaft zum Bürgerkrieg. Ob er etwas davon weiß, mögen seine Psychiater beurteilen.
Der andere auf dem möglichen Weg ins Amt weiß eventuell gar nichts mehr, wenn er dort ankommt. Er zeigt deutliche Anzeichen von Demenz, seine Partei findet das prima. Die Frage erübrigt sich, ob das jemandes Kalkül ist oder einfach kollektiver Irrsinn; sicher ist: Die USA sind schon immer die größte Kriegsgefahr und jetzt auch noch ein instabiler Staat. In dieser Situation ist nicht etwa Kritik zu hören vom ‘Partner’, sondern vorauseilendes Säbelrasseln. Farbbeutel, bitte!

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kollateralschaden[39] Comments 03. Mai 2020 20:17

Sie ist der Trick, durch den die autoritäre ‘Demokratie’, ein paradoxes Vehikel, im ‘Westen’ schon seit Jahrzehnten als Normalität empfunden wird. Politik hat nichts mit “Polis”, der allgemeinen Versammlung, zu tun und die “Res Publica” ist medial wie auf den Ebenen der Entscheidungen ebenfalls professionellen Experten überlassen, den funktionalen Autoritäten.
Die Wirtschafts-und Arbeitswelt ist ohnehin komplett autoritär organisiert, hier herrschen Befehl und Gehorsam, die Befehlshaber entscheiden und herrschen über faktische Untertanen, die kein Mitspracherecht haben, von Entscheidungsbefugnis ganz zu schweigen.
An die Arbeit!
Öffentliche ‘Debatten’ werden traditionell als Schaukämpfe von Vertretern ausgetragen, von den ‘Parlamenten’, in denen Entscheidungen schon immer völlig unabhängig von den Redebeiträgen gefasst wurden, bis hin zu den “Talk Shows”, eine Bezeichnung, die in seltener Deutlichkeit sagt, was sie bedeutet.
Es herrschen Intransparenz bei den Entscheidungen und begleitend allgemeines Blabla ohne Relevanz. Das spiegelt sich schon immer in sprichwörtlichen Stammtischreden wider, die in Zeiten des Internets millionenfach multipliziert in die Welt ergossen werden. Jeder kann sich hier zum allmächtigen Gottkönig aufblasen, ohne sich je für eine seiner Verlautbarungen verantworten zu müssen – oder zu dürfen.
Am Ruder
Begleitet und geprägt werden diese Prozesse von kleinen und mittleren Autoritäten, auf die sich jene unterhalb in der Nahrungskette berufen. Man sammelt also Experten und die ganz persönlichen Interpretationen von deren ‘Meinungen’; das nennt sich dann ‘Argumentation’.
Dass dabei wenig Brauchbares herumkommt, wo sich nicht der Zufall einer dennoch vernünftigen Diskussion ereignet, kann nicht überraschen. Man merkt den ‘Diskussionen’ an, dass Demokratie eigentlich nirgends stattfindet. Um entscheiden zu können und die Prozesse zu verstehen, wie das sinnvoll vonstatten gehen kann – auch die dazugehörigen Diskussionen, muss man entscheiden dürfen. Das kann nicht funktionieren, wo noch im kleinsten Dorf Eigentümer und Stellvertreter herrschen, die mit ihrer kleinen Macht das Leben der Anderen bestimmen.
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ki ,
narrativ[41] Comments 01. Mai 2020 17:17

Beherrscht modernste Technik: sog. “Nerd” beim “Hacken”.
Es gibt Themen, die kann man tatsächlich Jahre vor sich hin schieben. Schon lange wollte ich mich einmal mit einem der dümmsten modernen Mythen befassen, der “Digitalisierung”. Die von mir nicht gerade hoch geschätzte Wikipedia weist immerhin schon darauf hin, dass es die Nämliche bereits seit den 70er Jahren gibt. In Bezug auf die Funktionsgrundlagen des Kapitalismus, die ja immer im Mittelpunkt der Politik stehen, ist sie auch nichts Neues. Ich selbst habe im Jahr 1998 einen technisch schon recht rückständigen Betrieb von der papiernen Personalverwaltung befreit. Seit mehr als 20 Jahren ist die Welt also bereits ziemlich durchdigitalisiert. Allein der Breitbandausbau ist im Land der Telekom immer noch auf den Niveau eines Drittweltlandes.
Das hätte man längst ändern können, aber bis heute ist die Entwicklung auf diesem Terrain ein Trauerspiel. Lieber geben sich ahnungslose Bingo-Bullenreiter modern, indem sie die magischen Formeln raunen: “Industrie 4.0, Internet of Things, Cloud Computing, Big Data, Blockchain, Quantencomputer” und vor allem natürlich “KI”. Das alles, zusammengefasst, ist ‘Digitalisierung’, so wie “Eimer, Schüppchen, Sand, böser Onkel, Schnuller, Mama, Regenmantel, Klettergerüst und Rutsche” eben ‘Spielplatz’ sind.
Töfte! Ganz neu!
Dass seit der Herrschaft des Smartfons nicht nur die Industrie, sondern die komplette Gesellschaft wie auf Turkey an digitalen Geräten und ihren Funktionen hängt, ist ‘Erkenntnis’. Die aber scheint sich noch nicht bis in den Verstand derjenigen vorgewagt zu haben, die jenen Quatsch von der Digitalisierung nicht nur ernst meinen, sondern das auch noch für den Ausweis halten, sie seien voll up-to-date. Im Gegenteil sind sie das Gegenteil, und wenn es etwas bräuchte, wäre das eine De-Digitalisierung der Gesellschaft.
Wie quasi immer, fragt sich der faszinierte Zuschauer, ob diese Inkompetenz das Original des Problems darstellt oder nur Staffage ist – in dem Fall für jene im Kreise der politischen Entscheider, die ihre Digitalisierung des Überwachungsstaates längst in erschreckende Dimensionen vorgetrieben haben und den Hals nicht voll kriegen können von Daten, die zu schützen sie gar nicht vorhaben. China ist überall, wenn es denn dem Schutz der Bevölkerung und einer möglichen Demokratie vor sich selbst geht. Warte nur ein Weilchen.
Derart zwischen Entsetzen und bleierner Müdigkeit oszillierend, frage ich mich, für wen dieser Karneval eigentlich noch veranstaltet wird. Wer technischen Sachverstand mitbringt, kann kaum mehr schmunzeln über die vergilbte Werbetafel, wer beruflich damit zu tun hat, ohnehin nicht. Bleiben also noch Idioten, die sich mit Parolen wie “jetzt ganz modern, ausgeflippt und sexy” ködern lassen und die ohnehin bald Toten, denen du alles erzählen kannst. Ach ja, und vermutlich die Honoratioren ab der zweiten Reihe, die auf die Rückkehr von Jesus oder Willy Brandt warten. “Digitalisierung”, my ass!

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netzKommentare deaktiviert 29. Apr 2020 23:15

Im Rahmen der unerträglichen Auseinandersetzungen zum Thema ‘Corona’ hat mich die Spezies, der anzugehören ich vergebens leugne, tatsächlich wieder enttäuscht, und das ist alles andere als einfach, denn ich traue ihr ohnehin nicht viel Gutes zu. Was Menschen, die ich für weniger dumm gehalten hätte, noch für ‘Argumente’ halten, wenn sie sich selbst betroffen fühlen, galoppiert die Apokalyptischen Reiter lässig in Grund und Boden.
Alles ist erlaubt, wenn es die eigene Fraktion betrifft, den anderen aber keinen Fußbreit! Wie gut, dass man es noch nie mit der Logik hatte, die in der brachialen Rhetorik, für die sie vergewaltigt wird, zur Waffe werden soll. Muss ich die Unterschiede kennen zwischen Allquantor und Existenzquantor, notwendiger und hinreichender Bedingung, Konditional und Bikonditional, zulässigem und unzulässigem Umkehrschluss? Ach was, je weniger ich davon weiß, desto kreativer kann ich angreifen.
Äh gleich Emma Zehquadraht
Ich gebe mal ein Beispiel: Alle Tulpen sind Blumen. Manche Blumen sind weiß. Daraus folgt nicht, dass manche Tulpen weiß sind. Nein! “Aber es gibt doch weiße Tulpen, meine Mutter hat immer welche zuhause. Und meine Oma. Ich selbst hatte schon welche.” / “Ja, wirklich?” / “Ja.” / “Bitte sei so lieb und fick‘ dich!”
Das ist ein sehr einfaches Beispiel, in dem es nur um einen sehr übersichtlichen (falschen) Syllogismus geht, ohne jedwede Verknüpfung zu weiteren Operatoren oder gar Quantifizierungen.
Dann sind wir noch nicht einmal bei der Schwierigkeit, sprachlichen Ausdrücken ihren logischen Kern zu entnehmen. Oder wie wär’s mit Statistik? “Churchill hat gesagt …” Nein, hat er nicht, es ist auch wurscht. Schon mal was von Validität gehört, Reliabilität oder Objektivität? Das auch mal anhand einer Studie durchdekliniert? Ach, du forderst ja nur “repräsentativ“, fein. Was ist das eigentlich und wozu ist das gut? Fangen wir bloß nicht an mit Stochastik, Signifikanz oder Grenzwerten, mein lieber Ichkannkeinmathe.
Gar keine Frage …
Zudem die simple Idee, wer wann was auf Basis welcher Daten entscheiden muss. Du kannst das besser? Erzähl! Und wenn sich dann herausstellt, dass das ein Irrtum war, was dann? Welche Folgen wird welche Kurskorrektur haben, wie wahrscheinlich ist es, dass auch diese korrigiert werden muss, welche Folgen wird das wiederum haben? Gesundheit gefährden, wessen in welcher Weise, Soziale Ordnung gefährden, auf welcher Ebene mit welchen Folgen – und das Ganze immer auf unzureichender Datenbasis, während du dich mit drölf anderen Entscheidungsebenen koordinieren musst. Was hätte ich einen Spaß, wäre ich jetzt einer von denen!
Ihr wisst zwar auch alle nicht, was richtig ist, aber ihr habt ein Gespür dafür, was rhetorisch zu den für euch bereits feststehenden Ergebnissen führt. Und während ihr derart Schindluder mit allem treibt, was zu Verständnis und Verständigung führen könnte (Wissenschaft, Logik, Reflexivität, Empathie), werft ihr euren Feinden jede Abweichung von denjenigen Regeln vor, die ihr in eurer Selbstherrlichkeit gerade für gültig erklärt habt. Das Allerbeste aber: Keiner von euch fühlt sich mit diesem Text angesprochen, dafür aber schon mal vorab beleidigt. Wie gut, dass ihr alle nichts zu entscheiden habt!
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narrativ ,
politik[32] Comments 29. Apr 2020 14:30

Schon lange bin ich der Auffassung, dass nur eine politische Partei immerhin vage hält, was sie verspricht und ihre Wähler mäßig zufriedenstellt, nämlich die Union. Sie ist im Grunde die optimale Vertretung einer religiös-ideologischen Veranstaltung, die als Begleitmusik und Schlafliedsängerin den Kapitalismus durch alle seine Phasen mit eiserner Ignoranz begleitet. Ihre Wähler wollen genau das: so tun, als hätte sich nie etwas geändert und es würde immer so bleiben.
Die Slogans passten jeweils perfekt. Als noch (und sei es pro forma) das schlimme Andere drohte, versprach sie “Freiheit statt Sozialismus”. Das mit der Freiheit war mehr dem Narrativ geschuldet, das war halt der gute Westen und das Andere eben unfrei®. Zu viel Freiheit führt nur ins Chaos. Demgemäß auch der Schwenk hin zum “Weiter so Deutschland”, ein Dauerbrenner wie der ewige “Aufschwung” (West, Ost, allerlei), der ebenfalls bildlich die geistige Schiffsschaukel bediente: immer hinauf, ohne den Standpunkt zu ändern.
Nach dem Sturm der Orkan
Okay, Schaukel ohne Abschwung ist ein bisschen komisch, aber so ist das im Kapitalismus eben: Das heißt dann “Negativwachstum” und wird so lange ignoriert, wie nicht der Sozialist daran schuld ist. Dafür ist die Partei ja da, dass es nicht zu intellektuell wird. Alles wird gut – nein ist ja schon gut, wo wir “gut und gerne leben”. Die Vorturnerin nennen sie derweil “Mutti”. Gute Nacht, gib mir einen Kuss!
Diese infantile Konstellation führt folgerichtig in der aktuellen Pandemie dazu, dass potentielle Anhänger dieser Union sich das Deckchen über den Kopf ziehen und sich das alte Schlaflied singen lassen. Wenn sie dann aufwachen werden und die Schaukel aus der Achse gerissen ist, kann es zu lautem Geheul kommen. Wenn dann auch noch Mutti in den Sack gehauen hat, kann der Rest der Kasperletruppe versuchen, den Kindergarten zusammen zu halten. Vielleicht kommt dann Papa Söder. Der kann das zwar nicht, aber das hatten wir Angie damals auch nachgesagt.
Problem: Der größere Teil der Union braucht demnächst einen neuen Bestimmer im Turnraum. Je nach dem, was den Ambitionierten (ein Charakterzug, der zu einer erzreaktionären Truppe übrigens nicht passt, das ist einer der wenigen Strukturschwächen der Bude) dann einfällt, haben wir sofort den großen Schlamassel: Weiter so im tiefsten Dreck mit einem Saubermann, der zu den großen der Größen aufschließen will, das kann fürchterlich schiefgehen, und diesmal gibt es keine Chance, den blöden Sozen die Aufräumarbeiten zu überlassen.
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