2016
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kollateralschaden[28] Comments 08. Dez 2016 17:04
Ich finde es immer scharf, wenn man von mir als Kritiker des Bestehenden verlangt, ein perfektes System zu entwerfen, was so etwas ist wie die Aktualisierung von “Geh’ doch nach drüben!“. Man muss ja nun wirklich nur die Augen aufmachen und stellt fest, dass dieser Scheißkapitalismus einem nicht nur jeden Tag versaut, sondern quasi jede Minute. Zählt doch mal, wie oft am Tag ihr Zwängen begegnet, die etwas mit dem Unsinn zu tun haben, aus Geld mehr Geld machen zu müssen. Okay, ihr könnt bei 100 aufhören.
Ähnlich verhält es sich angesichts der Gravitation dieses Schwarzen Lochs mit den ganzen tollen Reparaturvorschlägen, die im Zweifelsfall mit dem überlegenen Wissen einhergehen, ein Buch von 1867 könne ja nun gar nichts zur aktuellen Lage sagen. Na dann schauen wir doch mal nach unter “Konzentrationsprozess” und “Monopol” bzw. “Oligopol”. Seien wir ganz tapfer und schauen uns an, was aus der Freiheit (im) Internet geworden ist:
Das muss man jetzt aushalten; wir haben das Internet episch verkackt. Ich will nicht sagen, dass jemand die Welle des Kapitals hätte aufhalten können, die wie ein EMP durchs Netz geballert ist, aber vielleicht hätte es ein wenig geholfen, weniger naiv und stattdessen darauf vorbereitet gewesen zu sein. Vielleicht hätten wir ein paar Schäfchen noch zeitig vor dem Wolf gerettet.
Es kann nur einen geben
Onlineversand: Monopol (Amazon); Onlineauktionen: Monopol (eBay); Kommunikationsplattform: Monopol (Facebook); Suchmaschinen: Monopol (Google); Videohosting: Monopol (Youtube/Google); Videospiele (incl. offline): Monopol (Steam). Sollte bis hierher reichen, obwohl mir noch einige mehr einfallen. Wer jetzt mit irgendwelchen Würstchenbuden kommt, so ein Kack wie Vimeo, GOG oder Ixquick, der fühle sich hiermit geohrfeigt. Eine Ameise ist auch ein Tier, genau wie der Blauwal, ja richtig. Und jetzt?
Es wird aber auch sofort deutlich, wie hirnzerreißend armselig das alles ist. Nehmen wir mal Steam. Wie ist es möglich, dass über eine einzige Plattform alle Videospiele vertrieben werden, die auf den Markt kommen? Selbst wenn ich wieder eine röhrende DVD haben will, die ich entweder klappern lassen muss, bis sie hin ist oder eben hacken, dann kriege ich sie nicht. Klar kann ich eine kaufen – damit ich mich danach bei Steam anmelde. Regelmäßig wird es dann passieren, dass ich noch und noch draufzahle. Ja, macht’s mir, rammt mir die Faust in den …
Oder diese Server für den Mehrspieler-Modus. Da darf ich dann Abos abschließen, obwohl jeder Opa mit einer Uraltsoftware zuhause einen aufsetzen kann, auf dem es sich zocken lässt, und sogar ein leistungsfähiger 24/7-Server kostet inzwischen nicht mehr als so ein Abo. Trotzdem sind es längst nicht mehr nur Massen, sondern quasi alle, die sich dort tummeln. Verarscht mich diese Welt eigentlich nur? Werde ich irgendwann wach und meine Liebste flüstert mir ins Ohr, dass das alles nur ein beschissener Traum war? Ist da draußen irgendwer, der das gut findet? Any fuckin’ one?
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journalismus[30] Comments 05. Dez 2016 14:45
Draußen in der Wildbahn der freidrehenden Verlagsangestellten wäre diese Überschrift nichts Besonderes. Sie ist vollkommen bescheuert, ja, aber das fällt dort schon recht lange niemandem mehr auf. Bemerkenswert, dass an der Filterkuppel journalistischer Adabeis unbemerkt abprallt, wenn die Kundschaft nicht mehr nur anders interpretiert, sondern die vermeintliche Logik rundheraus ablehnt.
Der Betrieb lässt sich nicht von ein paar kleinen Publizisten mit Niveau beinflussen, zu denen ich mich durchaus zähle, das ist mir klar. Unter der Stahlkuppel sind sie immun gegen Kritik, nicht zuletzt weil sie sich einem andauernden Shitstorm ausgesetzt fühlen von Seiten unreflektierter dummer Nörgler, die von dunklen Mächten (Putin) gelenkt werden. Das ist nicht nur dumm oder psychisch zerrüttet, das entspricht auch an der Oberfläche einer messbaren Wirklichkeit.
Alle doof außer wir
Es sind längst Massen, die nicht mehr zuhören und nichts mehr glauben, aber leider keinen Schimmer haben, warum das alles so ist; warum sie die Welt nicht verstehen und die Erklärungen der Gatekeeper als Lügen zurückweisen. Sie haben sehr wohl Ahnungen, ein gewisses Gespür, wenn sie wieder und wieder für blöd verkauft werden, wenn ihnen der nächste Erklärbar aufgebunden wird und die nächste Sau durchs Dorf getrieben. Es fällt halt auf, wenn die Stichwörter sich plötzlich ändern und von ihnen verlangt wird, dass sie gefälligst einzustimmen haben in jedes neue Mantra, weil sie sonst Verschwörungstheoretiker und Putintrolle seien.
Was macht eigentlich Al Kaida? Verschwunden? Den Platz nahm der IS ein. Aus Terroristen werden Rebellen und umgekehrt. Der Krieg gegen den Diktator wird zum Krieg gegen den Terror, wird zum Krieg gegen den Diktator. Islamismus ist böse, es sei denn der aus Saudi-Arabien. Der ist gut, es sei denn, er wird vom IS verbreitet. Aleppo ist schrecklich, Mossul wird befreit. Putin ist ein böser Alleinherrscher, Erdogan unser Partner. Die Guten heißen “Präsident”, die bösen “Machthaber”. Wie aus dem einen der andere wird – man weiß es nicht.
Verbotene Hohlfrucht
Jetzt haben die Kampagneros “Populisten” entdeckt. Seit Trump sind sie überall, die “(rechten) Populisten”. Darunter fallen wieder einmal alle, die nicht dazugehören sollen, aber dasselbe tun wie die anderen. Nicht Demagogie ist das Problem, nur die falsche Demagogie. “Populismus” ist böse, weil die Populisten böse sind. Die neuerliche Kampagne gegen Unbekannt rennt dabei wie immer voll gegen die Wand. Dem Volk wird angekreidet, dass seine Emotionen wahrgenommen werden. “Ihr dürft niemandem zustimmen, der euch zustimmt”, ist die Botschaft, ihr habt gefälligst diejenigen zu wählen, die euch komplett ignorieren, denn die sind seriös.
Jetzt erfahren die Menschen also, dass sie Populisten auf den Leim gegangen sind. Schon wieder zu blöd! Überall werden Warnschilder aufgehängt – den dürft ihr nicht wählen, die sind sind gefährlich und das dürft ihr nicht tun! Grandiose Idee. Der Brexit, Trumps Wahlsieg und die Zustimmung zu den Banden von Honks, mit denen das Establishment nicht spielt, sind Trotzreaktionen. Jetzt müssen die vom System Angepissten also nur noch hingucken, wo die Etiketten kleben, und schon werden sie zugreifen. Wer sind da jetzt eigentlich die dümmsten Idioten?
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politik[18] Comments 03. Dez 2016 13:44
Es ist immer dasselbe. Wer nach Meldungen oder Berichten zu dem oben genannten Herrn sucht, wird nur bei den üblichen Verdächtigen fündig: Neues Deutschland, Junge Welt und heute das OXI-Blog. Zuletzt hatte ich in den Kommentaren danach gefragt, ob wer Jeremy Corbyn kennt, und als man den Mann wirklich nicht mehr ignorieren konnte, ließ sich auch die deutsche Verlagspresse dazu herab, seinen Namen zu erwähnen. Selbstverständlich fanden sie den Mann furchtbar, denn seine Positionen waren links von der Linie, an der entlang SPD und Grüne den Stechschritt üben.
Syriza, Podemos, Corbyn, Sanders – wenn welche auch nur altbacken sozialdemokratisch oder vorsichtig sozialistisch daher kommen, werden sie so lange es geht ignoriert, dann diffamiert und schließlich korrumpiert. Am schlimmsten dürften zweifellos solche Bewegungen und Kandidaten sein, die von vornherein versuchen, ihre eigene Macht effektiv zu begrenzen. Mélenchons Ticket ist eine Art imperatives Mandat, hat er sein Programm doch von seinen Unterstützern erarbeiten lassen. Seine Prioritätenliste ist keine der Sachzwänge, nicht seine persönliche und keine einer Parteiagenda, sondern eine derjenigen, die er zu vertreten sich anschickt.
Da war doch was …
Ja richtig, das hatten wir auch schon, die Trennung von Amt und Mandat, die befristete Wahrnehmung solcher Aufgaben, Gehaltsobergrenzen, Primat der Basis, den ganzen schönen Zierrat, der verhindern sollte, was die Grünen als Musterbeispiel eines schlimmsten Falls inzwischen geworden sind. Es würde sich lohnen, allein anhand der Entwicklung dieser Partei in den 25 Jahren von 1980 bis 2005 das Wirken des Narrativs, der Institutionen und ihrer Anpassungsmechanismen zu erläutern.
Wenn man sich anschaut, wie eine ganze Partei die Perspektive wechselt vom engagierten Bürger hin zum Funktionär, von Pazifisten, die die Abschaffung der NATO auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges forderten, hin zu Bellizisten, die Wirtschaftkriege befürworten; von ökologisch-bäuerlichen Naturschützern zu Förderern einer Umweltindustrie; von Kommunisten und Sozialisten zu dogmatischen Kapitalisten, kommen einem je nach Charakter die Tränen oder die letzten drei Mahlzeiten hoch.
Ich frage mich daher, warum die Hofschranzen der Sozialen Marktwirtschaft® jedesmal so einen Aufriss machen, wenn es der nächste Kandidat versucht oder die nächste Bewegung. Das habt ihr doch noch immer gefressen mit euren Seilschaften und Klubs, dem Zuckerbrot und der Peitsche eurer medialen Machtmaschine. Habt ihr immer noch Angst? Oder wird dieses Ritual aus Gründen des Timings durchlaufen, damit in den Phasen der Ignoranz und der Diffamierung schon mal fleißig Kompromat gesammelt werden kann und gut vernetzte ‘Unterstützer’ aufgebaut werden? Ich frag’ ja nur. Das ist noch keine Theorie!
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kunstlyriklamauk[41] Comments 30. Nov 2016 12:52
Brutale Kommunisten
Was haben wir es doch gut! Man muss ja nur einen Blick zurück werfen in den Unrechtsstaat DDR – was da immer wieder zum Vorschein kommt an Grausamkeiten der kommunistischen Terrorherrschaft, ist erschütternd. So haben sie zum Beispiel Experimente an Kindern gemacht. In staatlichen Heimen wurden Kindern Medikamente verabreicht, noch ohne dass die Eltern darüber informiert wurden. Impfstoffe, Psychopharmaka, alles, was das Versuchslabor bietet. Ach oops, das war ja gar nicht die DDR; das war ja die BRD. Darüber kann man jetzt für teuer Geld bei “Spiegel plus” lesen, oder man liest einfach nen alten Artikel woanders.
Stasi
Und diese Stasi, furchtbar! Ach nee, das ist ja … zum Beispiel der Nazisumpf, in dem der ‘NSU’ gewachsen ist. Furzkomisch: Der Atlantiker schreibt, der Waffenlieferant einer Truppe erklärter Nationalsozialisten und Mörder sei gar kein “wohlmeinender Patriot“. Ja leck’ mich fett, wie haben die das denn jetzt wieder rausgekriegt? Das muss etwas mit dieser magischen Sorgfaltspflicht zu tun haben.
Legal, illegal, Ikearegal
An der anderen Flanke sind sie übrigens flexibler, und hier zeigt sich, was ein Rechtsstaat so alles kann. Vor allem verzeihen und vergessen. War die Stasi die Gestapo der Linksfaschisten, so haben wir hier klar definierte Zuständigkeiten und Gewaltentrennung. Zum Beispiel geheimpolizeiliche Maßnahmen, die völlig illegal sind. Wir lernen: Unrechtsstaat – legal; Rechtsstaat – illegal! Der Clou: Wenn eifrige Bulletten sich ohne Genehmigung und Rechtsgrundlage tief in das Privatleben ihrer Opfer eingraben, müssen sie das nur nachher zugeben. Dann hat das nicht nur für die Täter keine Konsequenzen, es führt auch dazu, dass die Opfer kein Recht auf Aufklärung haben, denn mit dem Eingeständnis der Schuld ist ja alles wieder gut. Zauberhaft.
Ich sehe nichts, was du nicht siehst
Aus der Serie “Der Dienst ist nicht mehr geheim, wenn ihn wer kontrolliert”, lesen Sie heute die Folge 1337: “Zu wenig Kontrolle ist noch zu viel und der da hat schon mal Fragen gestellt”. Wie man – Achtung Rechtsstaat! – mit der Verfahrensordnung jetzt noch effizienter aus dem Fenster schaut, während einem die Akten aus der Tasche fallen, weiß die Sueddeutsche.
Allahu Akte
Es wäre auch sonst nicht auszuhalten, das ganze Elend. Haben sie doch aktuell einen Islamisten gefunden zwischen all den Nazis und Dorftrotteln. Er hat sich “unbemerkt radikalisiert®”! Die Sorgfaltspflichtigen haben mir bis heute nicht erklärt, was das ist oder je danach gefragt, was das sein soll, dieses Radikal, das sich immer anhört wie eine Infektion.
Plötzlich hast du radikal, da kannste nichts machen. Ganz fette Sahne ist aber, dass sie das nicht einmal merken, wenn der Islamistiker jeden Tag neben ihnen am Schreibtisch sitzt. Fucking kidding me? Klingt ein wenig wie die übliche Amerikanisierung. Bei denen schießen ja auch Terroristen, also ehemals gemäßigte Rebellen, auf gemäßigte Rebellen, also künftige Terroristen, und das FBI nimmt regelmäßig die eigenen V-Leute fest. Soll man aber jetzt nicht meckern, das schafft immerhin Arbeitsplätze®.
Siggi Populus
Kommen wir abschließend zu etwas völlig anderem. Der Blob Siechmar Gabriel lernt von den Besten und schleust sich selbst ein. “Was hilft gegen diesen schlimmen Populisums®?”, hat er sich gefragt. Wer jetzt schon lacht, ist schlecht im Bett. Gabriel ein Populist? Hört doch auf, nein! Aber er hat entdeckt, dass man auch die “RTL-Gucker” liebhaben muss. Zitat:
“Wenn der Mann auch noch „Ausländer“ und nicht „Menschen mit Migrationshintergrund“ sage, sei gleich was los, weil das nicht dem Gender-Sprachgebrauch entspreche“.
“Migrationshintergrund“ ist demnach ein Gender oder bestenfalls Gender eine Sprachregel. Hört ihr das, FeministI*-erxe? Das sind die Früchte eures epischen Versagens. Zehntausend Tweets, Tonnen von Aufmerksamkeit und nicht einmal die Rudimente eines Inhalts vermittelt. Da geh’ ich doch lieber zum Zahnarzt. Künftig brauchen wir uns also von den Negern nicht mehr vorschreiben lassen, ob wir eine Tucke “Schwuchtel” nennen dürfen. Das verringert die Kluft zwischen Bürgern und Politikern, und endlich regiert wieder die SPD. Schluss mit Populismus!
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journalismus[33] Comments 26. Nov 2016 17:54
Die politisch-medialen Funktionäre des Freien Westens verbreiten aktuell die Verschwörungstheorie, sogenannte “Fake News” machten die schöne Freiheit kaputt. Verrückte, Putin und die AfD sind schuld. Allein die Vorstellung, ein paar Randgruppen könnten einen um Wahrheit bemühten Diskurs der breiten Mehrheit zerstören, ist schon der Aufnahme in die ICD wert. Die Diagnose ist aber schlimmer, denn die Verlagsmedien und die mit ihnen korrespondierenden neoliberalen Politfunktionäre haben schlicht den Anschluss an die Realität verloren.
Bei denen ist dauerhaft Gegenteiltag (bei Unkenntnis des Begriffs bitte das nächst verfügbare Kindergartenkind fragen). Fangen wir mal bei der Unvermeidlichen an – da habe ich neulich noch gedacht: wie behämmert muss man sein, um so etwas zu behaupten:
“Während für Journalisten bestimmte Regeln der Sorgfaltspflicht gelten würden, nutzten die Menschen inzwischen aber andere und viel weniger kontrollierte Medien zur Meinungsfindung, sagte sie im Bundestag.”
Sekundensorgfalt
Das ist nicht nur gelogen, es ist extrem dumm gelogen, und wenigstens ein Mal muss ich nicht fragen, ob es Lüge oder Dummheit ist, denn es ist eben beides. Was sind das für “Regeln der Sorgfaltspflicht“? Die müsste man doch benennen können. Sind das die Regeln, nach denen die eifrigsten Propagandisten und die bestvernetzten Parteigänger sich mit einem Preis behängen lassen unter dem Motto “sich mit keiner – auch noch so guten – Sache gemein zu machen”? Ist es der Boulevard, der seit Jahrzehnten bis zur Selbstkarikatur hetzt, verleumdet und die gröbsten Klischees des Narrativs besorgt? Ist es das ungeprüfte Abschreiben jeder Meldung, die sich irgendwie als “Nachricht” verhökern lässt?
Wie bestellt kommt da ein schönes Beispiel um die Ecke: Ganze zwei Tweets braucht es, um die versammelte US-Verlagsmischpoke behaupten zu lassen, CNN habe 30 Minuten Porn gesendet (via fefe). Ein Sprecher von CNN selbst hat dabei vom Kabelprovider, der angeblich die Verantwortung dafür trüge, eine Erklärung verlangt. Wohlgemerkt: Der Mann von CNN prüft nicht einmal im eigenen Sender, ob es sich um mehr als ein Gerücht handelt. Das sind die Standards. So sieht deren “Sorgfalt” aus. In Deutschland ist es dasselbe, wir hatten hier Beispiele dafür im dreistellligen Bereich.
Damit einher geht die unerträgliche Parteilichkeit, die Verengung des Meinungsspektrums auf die Wahrnehmung einer (teils nur vermeintlich) gehobenen Mittelschicht, die sich in inzestuösen Zirkeln ihren Tunnelblick so lange als Weitsicht bestätigen lässt, bis sie alles andere als Angriff auf das Abendland betrachtet. Sie sind die, die dazugehören, die anderen sind falsch. Sie sind die Guten®, die anderen sind böse. Wer nicht für sie ist, ist gegen sie. Wer auch nur wen nicht böse findet, den sie böse finden, ist selbst böse. Beispiel? Bitteschön:
Wir sind die Guten
“Frau Wagenknecht: Ich habe Ihrer Rede auch diesmal aufmerksam zugehört und bin erstaunt: Während überall in der Welt der Schrecken über den Ausgang der Wahl in den Vereinigten Staaten immer noch groß ist, bekommen wir mit Donald Trump jetzt offenbar einen Präsidenten, dem Sie etwas abgewinnen können.” (Thomas Oppermann).
Wagenknecht hatte nicht einmal Zustimmung zur Person oder zur Politik Donald Trumps ausgedrückt, sie hat ihn lediglich nicht als die totale Unperson dargestellt, als die er nach dem Willen der Atlantiker zu gelten hat und sich das Wahlverhalten der Amerikaner zu erklären versucht. Oppermann glaubt wirklich, “überall in der Welt” dächten alle wie er und seine Clique. Alle anderen sind böse oder verrückt. Er bemerkt nicht einmal, wie selbst das Personal, das diese Religion teilt, auf eine Handvoll Funktionäre schrumpft (Steinmeier Präsident, Schulz nach Berlin). Wir befinden uns im Karussell einer fortgeschrittenen Psychose.
Einen letzten noch, das ist alles aus der vergangenen Woche, und es spitzt sich zu. Alle verrückt, nur wir nicht! Das transatlantische Zentralorgan lässt Jeff Jarvis salbadern, bei dem man erstens noch hoffen darf, dass es dezent ironisch gemeint ist und zweitens annehmen muss, dass er keine Ahnung von den deutschen Verlagsmedien hat:
“Jetzt, wo Angela Merkel sich den Mantel der Verantwortung übergeworfen hat und noch einmal für ihr Amt als letzte zurechnungsfähige Anführerin Europas und der westlichen Welt antritt, …”
So gefällt es ihnen: Alle verrückt, nur noch ein deutscher Führer, der uns retten kann und an unserem Wesen genesen. Wem noch nicht von dem klebrigen Pathos der Formulierung schlecht wird, dem mag die Nachricht den Rest geben. Das ‘denken’ sie wirklich. Es ist sinnlos, dagegen zu argumentieren. Dieses Weltbild ist geschlossen, der Schlüssel wurde weggeworfen und die Türen verrammelt.
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überwachung[48] Comments 23. Nov 2016 14:06
Ein paar Teeniespaten haben eine Zensursoftware gecodet, auf die sie ganz stolz sind. In “36 Stunden” ein bisschen was zusammengekleistert, das offenbar mit Positivlisten seriöser Quellen® arbeitet, um davon Abweichendes als Fake zu entlarven. Der Mainstream vom Mainstream wird also fortan Facebook als Schablone dienen, um alles andere auszuradieren. Das wird aber reichlich Gummi kosten.
Facebook hat Erfahrung mit Zensurinfrastruktur, wobei ich davon ausgehe, dass China wenigstens den adäquaten Aufwand betreibt, um die Wahrheit der Partei vor Abweichungen zu schützen. Naja, das ist halt China, das kann man nix machen, da muss man ja zensurieren, wenn es nicht ein anderer tun soll.
Schwarmwahrheit
Im Freien Westen® ist die Sache etwas komplizierter. Hier will Zuckerberg den Konsens der Denunzianten durchsetzen, die Wahrheit des Schwarms, kombiniert eben mit seriös® und irgendwelchen Algorithmen. Irgendwie muss man ja die ganzen Fehlinterpretationen in den Griff kriegen, sonst endet das noch in falsch verstandenem Pluralismus.
Herr Berger hat einmal recht, wenn er anmerkt, dass es die Massenmedien sind, die sich von den Fakten haben scheiden lassen. Als Übung empfehle ich eine intensivere Recherche zu Trump und seinem Team sowie deren Beziehung zum Ku Klux Klan. Was sowohl amerikanische Medien als auch ihre transatlantischen Abschreiberlinge dazu verbreitet haben, ist derart gewollt falsch, dass es ehrlichen Betrügern den Rouge ins Gesicht treibt. “Putin” werde ich hier gar nicht nicht sagen, aber vielleicht “Krieg gegen den Terror”. Ach, ihr könnt doch alle selber lesen!
Linksfreier Raum
Im Gewändern wie “postfaktisch”, “Hatespeech”, “Fake” und “seriös” kommt sie daher, die neue Zensur. Sie wird scheitern, denn inzwischen bastelt sich genau deshalb jeder seine Privatwahrheit, weil alle inzwischen wissen, dass die offizielle Wahrheit keine ist. Glaubt wirklich irgendwer, wenn sie jetzt noch offizieller erzwungen wird, werden die Schäfchen wieder heimkehren? Wenn künftig Beiträge aus dem Netz gelöscht werden, die von einer Doktrin abweichen, wenn vor bestimmten Meinungen “gewarnt” wird, was wird daraus folgen? Dass die Menschen wieder glauben?
Nein, aber es taugt noch immer dazu, im nie geendeten Kalten Krieg den Nazis aus den Geheimdiensten ein Mittel an die Hand zu geben, ihre Gegner kaltzustellen. Berufsverbot gefällig? Wir schreiben das Jahr 2016. Du musst nicht gegen ein Gesetz verstoßen; es reicht, wenn dem rechten Untergrunddienst deine Meinung nicht passt. Man sieht an diesem Beispiel auch sehr schön, dass Faschisten wie Erdogan vor Linken geschützt werden, wenn deren Wahrheit den großen Führer erzürnen könnte.
“Pluralismus” wird überbewertet; und überhaupt ist er gewährleistet, indem ja immerhin von zwei Seiten des Ozeans dasselbe berichtet wird. Die Demokratie ist ebensowenig gefährdet. Hier kann jeder machen, was er will. Im Rahmen der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung®, versteht sich.
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narrativ ,
politik[38] Comments 20. Nov 2016 18:02
Bild: Bundesarchiv, Bild 183-1989-0718-501 / CC-BY-SA 3.0
Wenn Rechte über ‘Linke’ dozieren, meinen sie einen Mix aus dem angepassten sozialdemokratischen Diätenverbraucher und der Twitter- und Genderspralleria, die am liebsten die ganze Welt in eine bürokratische Hölle verwandeln würden, in der jede erdenkliche Verhaltensweise katalogisiert, moralisch bewertet und bestraft wird. Derweil kommunizieren die demokratischen Vertreter® dieser ‘Linken’ in einem Jargon, der sie am Ende immer mit dem Problem hinterlässt, sich nicht gut genug vermittelt® zu haben, während die andere Fraktion nur mehr Trolltechniken bedient und ihre vermeintlichen Siege stets auf den rauchenden Ruinen eines sinnfreien Schlagabtauschs feiert.
Beiden ist gemeinsam, dass sie leicht wahrzunehmen, vielmehr: nicht zu überhören sind. Die Einen kommen schließlich im Fernsehn, die Anderen besorgen die tägliche Empörung® im den Sozialen Medien®. Dieselben sogenannten seriösen Medien®, die sich jetzt über sogenannte “Soziale Medien” jämmerlich aufregen, weil dort “die Feinde der Freiheit triumphieren“, kommen gar nicht erst auf die Idee, Informationen im Zusammenhang zu liefern. Das Zitat ist einer von tausenden Belegen, dass sie nicht bloß Propaganda liefern, sondern schlicht permanent ihr Glaubensbekenntnis wiederholen. Sie ahnen nicht einmal wie lächerlich das auf jemanden wirkt, der diesem Glauben nicht anhängt.
Drei Mal rechts ist links
Sie predigen aus der Sicht ihres Katechismus, woraus auch folgt, wer unter welchem Label firmiert. SPD und Grüne sind dann etwa “linke” Parteien, ganz gleich ob ihre Promis, Programme und Entscheidungen den Klassenkampf von oben besorgen, kapitalistische Kriege führen, Rassentheorien verbreiten oder die Ehrfurcht vor Gott predigen. Das ist dann halt alles “links”. Genauso ist es “links”, wenn sich an ein paar Universitäten esoterische Spinner eine Nische für ihre Pseudowissenschaft erobern und von dort die Welt mit einer Opfermythologie und krudem Sexgeschwafel überziehen. Das ist auch “links”, weil?
Es ist zweitens “links”, weil sich diese Esoterik in den oben genannten Kreisen entwickelt hat und erstens, weil man diesen Spaten jederzeit zum Vergnügen des Publikums in die Groschen hauen kann. Wenn aber die Kreise schon nicht “links” sind und dieser Unsinn ohnehin keinerlei Anbindung zu irgend einer politischen Theorie hat, kann man dann nicht einmal die Luft anhalten und sich fragen, wovon man hier eigentlich redet? Ohooh, er hat schon wieder “Theorie” gesagt!
Ja, als rechter Hanswurst brauchst du keine, da reicht “mia san mia”, “so war das hier schon immer” und jemand, zu dem alle aufschauen sollen. Diese Struktur gilt eins zu eins für SPD und Grüne, großenteils auch für die PdL. Keiner von denen will den Kapitalismus abschaffen, alle denken sie in nationalen Kategorien, sie sind Rassisten oder paktieren mit welchen, verfolgen gnadenlos Arbeitslose, haben ein autoritäres Staatsverständnis und folgen blind ihren Führungsfiguren. Das alles ist eindeutig rechts.
Ausradiert
Schön, dass es da ein paar Clowns gibt, die mit komplett wirren Thesen für Unterhaltung sorgen und eben autoritär ihre Ansprüche durchsetzen wollen; siehe „Gender“ und „N-Wort“. Schön, dass das Spitzenpersonal der ‘Linken’ bis zur Vollbräune neoliberal ist. Schön, dass diese ‘Linke’ noch nie eine gute Idee hatte. Da freut sich die Rechte, dass sie auf dem Abziehbild ihrer eigenen Blödheit herumtrampeln darf und nicht merkt, wie sich selbst damit trifft.
Das Verbot der Kommunisten, vor allem die eifrige Verfolgung jedes wirklich linken Denkansatzes durch die Sozialdemokratie, hat dafür gesorgt, dass Linke in Deutschland schon lange kein Gehör mehr finden. Wer hier Klassenbewusstsein zu schaffen versucht, erst recht wer über solches Klassenbewusstsein hinaus zu gehen versucht, muss nicht einmal mehr bekämpft werden. Stattdessen hauen sich unterschiedliche Geschmacksrichtungen derselben schwarzbraunen Ideologen ihre Wimpel rechts und links um die Ohren. Was wirklich links ist, ist dabei ganz leicht zu erkennen: Es ist verboten oder zumindest Tabu. Guckt doch einfach mal rein!
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narrativ[58] Comments 17. Nov 2016 19:55
Ich weiß, dass viele derer, die sich gern als aufgeklärt, kritisch oder links bezeichnen, große Probleme damit haben, wenn man ihnen an die Religion geht. Meist wird dann argumentiert, die Religion könne ja nicht der einzige Grund sein, warum etwas ist es wie es ist oder einzelne einflussreiche Männer könnten nicht so relevant sein, weil es ja immer das System sei, und in dem jeder ersetzbar.
Zu ersterem sei nur vermerkt, dass in aller Regel niemand behauptet hat, etwas sei “der einzige Grund”. Der rhetorische Versuch, derart ein Argument zu entkräften, trifft es also gar nicht. Was die Einflussreichen anbetrifft, so stimmt es weitgehend, dass irgendwann ein anderer gekommen wäre, aber es ist eben vor allem im Rückblick zu analysieren, ob nicht gerade die konkreten Auslegungen konkreter Personen zu einer konkreten Zeit die Geschichte um entscheidende Nuancen verändert und Möglichkeiten eröffnet haben, die es ohne sie nicht gegeben hätte.
Bloß das System
Man nehme zum Beispiel das kongeniale Duo Muhammad ibn ʿAbd al-Wahhāb und Muhammad ibn Saud. Wäre es richtig zu behaupten, der Einfluss dieser beiden, der Reichtum der Sauds, der Einfluss ihrer Ölpolitik und in deren Schlepptau der religiöse Extremismus ibn ʿAbd al-Wahhābs wäre unerheblich? Im Gegenteil bin ich davon überzeugt, dass die Entwicklung durch den Einfluss Saudi-Arabiens entscheidend verändert wurde.
Ebenso verhält es sich mit Luther und dessen Einfluss auf das deutsche Narrativ. Ich verweise auf diesen Aufsatz von Hubertus Mynarek hier, in dem sogar R.D. Precht einmal mit einem zutreffenden Satz zitiert wird. Das macht den trotzdem nicht falsch. Wie gesagt ist Luther der deutsche Religionsstifter, der die Hälfte der Bevölkerung auf die Knie gezwungen hat. Seine Botschaft ist: “Ordne dich unter, denke nicht, verdiene dein Leben durch Arbeit und Fleiß und hasse alle, die anders sind als wir”.
Faulpelze, Fremde, Juden
Der fleißige Deutsche, die faulen Fremden, der nichtsnutzige widerliche Jude, der ganze Hass und alle die Klischees, in denen er seine mal mehr mal weniger aggressive Form findet, bestimmen Luthers Ideologie und einen Großteil des deutschen Narrativs. Als der Nationalsozialismus endlich nicht mehr nur darüber redete, sondern Taten folgen ließ, vollstreckten die Nazis und ihre Mitläufer®, was der große Reformator seinen Schäfchen eingeflüstert hatte und die völkischen Autoritäten einige Jahrhunderte lang kultiviert haben.
Der gnadenlose Sadomasochismus mündet zwangsläufig in den Eifer von Hass und Verfolgung, weil er Menschen generell für minderwertig und sündig erklärt und ihnen abverlangt, das durch Fron und Unterwürfigkeit zu büßen. Die Buße wiederum kann nie tief genug sein; es gibt keine Absolution. Linderung gibt es allein durch die Projektion auf jene, die noch schlechter sind, unrettbar minderwertig und schuldig – wie eben die Faulen, die Aufmüpfigen oder die Juden. In der Neuzeit wurden sie noch manuell angezündet, später fand die moderne Form der Arbeit und ihrer christlichen Ethik effizientere Methoden.
Update: Noch mehr über Luther und seinen theologischen Sadomasochismus
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kunstlyriklamauk[23] Comments 14. Nov 2016 18:48
Bundeskanzlerin Merkel wird die neue Bundespräsidentin. Sie wird derweil ihr bisheriges Amt weiterführen und weiterhin strikt politische Neutralität walten lassen. Wie schon immer wird sie heute dies und morgen jenes für richtig halten und warten, bis jemand anderes entscheidet, dem sie in Falle des Falles dafür ihr Vertrauen aussprechen wird. Um dem für Krisenzeiten alternativlosen Anspruch an eine Good Governance gerecht zu werden, übernimmt sie auch die Ämter des Bundestags- und Bundesratspräsidenten. Zum Ausgleich soll Vizekanzler Gabriel sämtliche Bundesministerien sowie die Ämter der 16 Ministerpräsidenten übernehmen.
Lustig? Nicht lustig. Aber das hier vielleicht? Steinmeier. Steinmeier! Ich will jetzt überhaupt nicht auf die Verdienste des großen Architekten der Hartz-Hölle eingehen, seine gloriose Rolle, als er seinen Landsmann Murat Kurnaz und alle anderen Unschuldigen in Guantanamo hat lieber weiter foltern lassen als ihm die Heimkehr zu gestatten. Nicht einmal sein je nach Ansicht unfassbares Versagen oder seine eiskalte Protektion für faschistische Geheimdienste will ich jetzt thematisieren, denn das wäre Inhalt, und der ist sowas von 2007. Schlimmer noch könnte man das schon als Hintergrundinformation betrachten, und Kinder, die Achtziger sind ja nun wirklich vorbei!
Reinstes Blut
Nein, ich will lediglich auf zwei Dinge hinweisen, die mit der Auswahl dieser bestens vernetzten Person zu tun haben. Erstens dass er nämlich wie gesagt, was schlicht bedeutet, dass der Mann aus dem inneren Zirkel des inneren Zirkels kommt, man also in dieser Kloake eines Treppenwitzes des de facto bereits abgewickelten sogenannten “Rechtsstaats” nicht einmal mehr einen beschissenen Grüßaugust findet, der kein Produkt einer widerlichen Inzucht ist. Diese Dimension von Selbstkontraktion und Vetternwirtschaft ist schon keine Clanherrschaft mehr, das ist der Terror einer genetisch unrettbar zerfickten Kleinfamilie über den Rest der Republik.
Und was, zweitens, schreibt einer der verschwägerten Neffen seines Bruders aus demselben Betrieb als Höhepunkt seines intellektuellen Schaffens und Zeugnis einer zerebralen Fehlbildung, für die weniger blutreine Idiotenkinder ein amtliches Schädel-Hirn-Trauma bemühen müssten? Dies sei “Anti-Trumpismus“, mithin die genau richtige Reaktion auf den Tritt in die Eier, den die amerikanischen Ableger für ihr öffentliches Kopulieren bekommen haben, bei dem nur Verwandte allerersten Grades zugelassen waren, die also mindestens in zwei Generationen mit sich selbst verwandt sind. “Wir wollen Inzest mit Inzucht bekämpfen!”, ja geil, Mann!
Falls es jemandem entgangen sein sollte und er vielleicht jetzt nicht weiß, ob er meinen Gleichmut bewundern oder mich für völlig abgehoben halten soll:
Ich bin angepisst!
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kapital ,
theorie[7] Comments 13. Nov 2016 22:51
Solidarität kam im Kapitalismus endgültig unter die Räder. Das ist kein Zufall. Nicht nur sind Parteien, die sie sich auf die Fahnen geschrieben haben, inzwischen rechts abgebogen, sie hatten ohnehin schon immer nur solche Formen von Solidarität im Auge, für die man einer großen Organisation angehören musste. Es war die Arbeiterpartei, die Gewerkschaft, die Sozialkasse, der man angehörte; amtlich mit Unterschrift und Stempel. Solidarität ist dort Verwaltung.
Gelebte und direkt erlebte Solidarität wäre etwas anderes. Sie wäre das Kollektiv, dem man freiwillig und gleichberechtigt angehört. Selbstbestimmt Ziele verfolgen, Zeit verbringen und sich umsorgen, das wäre die Stärke eines Kollektivs, in dem jeder mitbestimmen kann und sich auskennt. Diese Form der Gesellschaft wäre urdemokratisch.
Der Moloch
Ehe ich den Blick auf die Möglichkeit und Wirklichkeit solcher Kollektive richte, will ich zunächst den Ist-Zustand beschreiben. Kapitalismus und das wirtschaftsliberale Weltbild, das ihm zugrunde liegt, kennt keine Kollektive, sondern im Gegenteil nur gesellschaftliche Formationen, die denkbar weit davon entfernt sind. Gefragt und gefeiert sind hier die Einzelnen, vorgeblich freie Individuen einerseits und Korporationen anderseits. Diese sind hierarchische Gebilde mit Befehlskette, die einem Zweck dienen, mit denen die Einzelnen nichts zu tun haben.
Zudem entwickeln sich solche Korporationen zu immer größeren Riesen, die niemand mehr überschaut. Flankiert wird diese Entwicklung ‘privater’ Organisationen von zentralistischen Staaten, in denen eben eine Führungsebene jederzeit die Entscheidungen und Interessen der Vielen überstimmen kann. Diese Staaten wiederum schließen sich zu noch größeren Konglomeraten zusammen (EU, NATO, ‘Freihandelszonen’).
Hier hat niemand mehr etwas mit sich zu tun, schon gar nicht mit seinem Nachbarn. Es ist Befehl und Gehorsam, Hire and Fire, fremdbestimmtes Arbeiten für einen äußeren Zweck, Zwang. Moralisch wird hingegen stets der Einzelne für sein Tun und Gelingen verantwortlich gemacht, und zwar um so drängender, je weniger Einfluss er tatsächlich hat. Wer aus dem System fällt, wird zum Objekt eines gigantischen Versicherungsapparates, der unter anderem die Aufgabe erfüllt, den Menschen, die der Solidarität bedürfen, dafür eine unverzeihliche moralische Schuld aufzubürden.
Durch die Maschen
Das ökonomische und soziale Netz (wobei „sozial“ hier nicht meint, dass jemand Hilfsgelder bekommt, sondern die konkrete gegenseitige Hilfe) ist dem entsprechend absurd großmaschig. Es gibt überhaupt keine Einheit mehr, keine relevanten gesellschaftlichen Gruppen, in denen sich Menschen aufeinander beziehen können. Immer noch hat Thatcher recht: There is no such thing as society. Vor nichts hat der Kapitalismus mehr Angst, darum kennt sein Narrativ Kollektive auch nur als willenlose “Borg” oder Zwangsgemeinschaften einer Diktatur.
Die Hoffnung auf eine zukünftige überlebensfähige Gesellschaft muss aber darauf Gründen, dass sich solidarische Gruppen, Einheiten, Zusammenschlüsse bilden, in denen Solidarität gelebt werden kann, in denen man sich kennt, gemeinsam entscheidet und sich gegenseitig trägt. Das größte Problem daran ist, neben dem Totalausverkauf der Welt, in der alles, was man braucht, schon irgendeiner großen Firma gehört, dass die Menschen gar nicht mehr wissen, wie man miteinander arbeitet, entscheidet und lebt. Dieses Manko muss behoben werden.
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