Murmeltiertag: Wer ist Jean-Luc Mélenchon?
Posted by flatter under journalismus , politik[18] Comments
03. Dez 2016 13:44
Es ist immer dasselbe. Wer nach Meldungen oder Berichten zu dem oben genannten Herrn sucht, wird nur bei den üblichen Verdächtigen fündig: Neues Deutschland, Junge Welt und heute das OXI-Blog. Zuletzt hatte ich in den Kommentaren danach gefragt, ob wer Jeremy Corbyn kennt, und als man den Mann wirklich nicht mehr ignorieren konnte, ließ sich auch die deutsche Verlagspresse dazu herab, seinen Namen zu erwähnen. Selbstverständlich fanden sie den Mann furchtbar, denn seine Positionen waren links von der Linie, an der entlang SPD und Grüne den Stechschritt üben.
Syriza, Podemos, Corbyn, Sanders – wenn welche auch nur altbacken sozialdemokratisch oder vorsichtig sozialistisch daher kommen, werden sie so lange es geht ignoriert, dann diffamiert und schließlich korrumpiert. Am schlimmsten dürften zweifellos solche Bewegungen und Kandidaten sein, die von vornherein versuchen, ihre eigene Macht effektiv zu begrenzen. Mélenchons Ticket ist eine Art imperatives Mandat, hat er sein Programm doch von seinen Unterstützern erarbeiten lassen. Seine Prioritätenliste ist keine der Sachzwänge, nicht seine persönliche und keine einer Parteiagenda, sondern eine derjenigen, die er zu vertreten sich anschickt.
Da war doch was …
Ja richtig, das hatten wir auch schon, die Trennung von Amt und Mandat, die befristete Wahrnehmung solcher Aufgaben, Gehaltsobergrenzen, Primat der Basis, den ganzen schönen Zierrat, der verhindern sollte, was die Grünen als Musterbeispiel eines schlimmsten Falls inzwischen geworden sind. Es würde sich lohnen, allein anhand der Entwicklung dieser Partei in den 25 Jahren von 1980 bis 2005 das Wirken des Narrativs, der Institutionen und ihrer Anpassungsmechanismen zu erläutern.
Wenn man sich anschaut, wie eine ganze Partei die Perspektive wechselt vom engagierten Bürger hin zum Funktionär, von Pazifisten, die die Abschaffung der NATO auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges forderten, hin zu Bellizisten, die Wirtschaftkriege befürworten; von ökologisch-bäuerlichen Naturschützern zu Förderern einer Umweltindustrie; von Kommunisten und Sozialisten zu dogmatischen Kapitalisten, kommen einem je nach Charakter die Tränen oder die letzten drei Mahlzeiten hoch.
Ich frage mich daher, warum die Hofschranzen der Sozialen Marktwirtschaft® jedesmal so einen Aufriss machen, wenn es der nächste Kandidat versucht oder die nächste Bewegung. Das habt ihr doch noch immer gefressen mit euren Seilschaften und Klubs, dem Zuckerbrot und der Peitsche eurer medialen Machtmaschine. Habt ihr immer noch Angst? Oder wird dieses Ritual aus Gründen des Timings durchlaufen, damit in den Phasen der Ignoranz und der Diffamierung schon mal fleißig Kompromat gesammelt werden kann und gut vernetzte ‘Unterstützer’ aufgebaut werden? Ich frag’ ja nur. Das ist noch keine Theorie!
Dezember 3rd, 2016 at 16:25
Guter Artikel. Rot-Rot-Grün wird alleine schon wegen der Kriegsgeilheit der Grünen nicht machbar sein. Oder eben erst dann, wenn die Linke eingeNATOt ist.
Dezember 3rd, 2016 at 17:58
Dazu ein Text zum Haareraufen, der es in seiner Ahnungslosigkeit aber dennoch irgendwie auf den Punkt bringt: “Diese links-sozialisierte Generation, von Bill und Hillary Clinton über Tony Blair bis zu Joschka Fischer, war es, die in den 1990er Jahren an die Macht kam und an ihrer historischen Aufgabe, der neuerlichen Verbindung von Demokratie, Marktwirtschaft, Sozialstaat und Ökologie, letztlich scheiterte.”
Dezember 3rd, 2016 at 18:39
Vom haareraufen zum gruseln – ich revanchiere mich mal (via fefe): «Wir sind begeistert, dass unser revolutionärer Ansatz der datengetriebenen Kommunikation einen derart grundlegenden Beitrag zum Sieg für Donald Trump leistet»
Dezember 3rd, 2016 at 19:01
Flatter fragt: “Wer ist Jean-Luc Mélenchon?”
Das Wenige, was ich über ihn weiss, dass er eine Partei gegründet hat “Partie de Gauche”, die sich an dem Vorbild des deutschen Ablegers der Sozialdemokratie “Partei die Linke” orientiert hat.
Vielleicht darf man diese Partei als Sammelbecken für unzufriedene Sozialisten begreifen, die in ihrer Unzufriedenheit dennoch nicht von den Sozzen lassen können und sich diesen nach wie vor verbunden fühlen.
Ich könnte jetzt behaupten, dass dies ihr eigentlicher Zweck ist, die abtrünnigen Schafe für die Sozzen wieder einzusammeln, indem sich die Partei als linke Alternative zu den Sozialisten darstellt.
Von der Partei ist ansonsten nicht viel zu vernehmen. Allenfalls davon, dass ihr Parteichef Mélonchon sich als Wanderer zwischen linken und rechten Positionen betätigt.
Er und seine Partei sind ebenso unbedeutend wie die Grünen in Frankreich.
Erinnert sich noch wer an den Postboten und seine Neue Antikapitalistische Partei? Ja da war doch mal was, kratz!
Die Hofschranzen des Kapitals machen doch nur diesen Auftrieb, damit dem Bürger nicht die Illusion verloren geht in einer Demokratie zu leben.
Und die Mélonchon’s, Corbyn’s, Sander’s ,und wie sie sonst noch alle heissen mögen, sind für mich die Pappkameraden mit vorab eingebautem Haltbarkeitsdatum.
Dezember 3rd, 2016 at 22:10
Naja, die entsprechenden Politiker, Parteien und Bewegungen auf Kurs bringen, sie überreden, bestechen, kaufen oder gar erpressen und bedrohen -damit sie kapitalhörig und NATO-konform werden- ist doch viel ressourcen-aufwändiger, als wenn man sie schon von Anfang an als “untragbar” verunglimpft, sie diskreditiert oder gar ignoriert. Eine reine Kostenfrage.
Dezember 4th, 2016 at 09:37
@oblomow #3 – In der Tat ein Text, den man gelesen haben sollte… aber immer dran denken, dass es natürlich nur die Russen sind, die uns ständig manipulieren wollen! Burks fragt übrigens gleich mal: “Warum machen die Linken nicht so einen Wahlkampf? Wenn sie sich dem verweigern, werden sie gnadenlos untergehen. Just saying.”
Dezember 4th, 2016 at 16:00
Auch beim Konicz schreitet die verblödung ungebremst, ja eigentlich beschleunigt, fort.
Dezember 4th, 2016 at 16:31
Erbärmlich. Es feht nicht nur jedweder Beleg der Querfront®, es bleibt sogar völlig unbestimmt, wen er damit überhaupt meint. Popanzgeprügel halt.
Dezember 4th, 2016 at 17:07
Ja, der hat in den letzten Monaten auch irgendwie so’n komischen Drall gekriegt… schade.
Dezember 4th, 2016 at 17:30
Querfront® ist wohl sowas wie Chemtrails® oder Reichsflugscheiben. Man muß einfach ganz feste dran glauben, dann gibt es das auch. Freie Energie eben!
Dezember 4th, 2016 at 19:43
A propos Mélonchon:
Die linke Tageszeitung “junge Welt” kreiert mal wieder ein linken Hoffnungsträger.
“Stellen wir uns einmal vor, der Linke Kandidat Jean-Luc Mélenchon würde im kommenden Mai, wenn in Frankreich der neue Präsident gewählt werden muss,die Mehrheit seiner Landsleute überzeugen.”
Ach wie wer das schön, wenn er denn eine Chance gegen die rechte Front aus dem Sozzen Manuel Valls, gegen Marine Le Pen und dem Republikaner Fillon hätte.
Und dann wäre er ja auf die Stimmen von den Anhängern der Sozzen angewiesen, die immerhin noch 80.000
Mitglieder haben und auf die Stimmen der Grünen, der KPF, Lutte ouvrière und auf NPA (neue antikapitalistische Partei).
Mit dem Restmüll der Linken, so sehe ich das, wird das allerdings schwierig. Aber man darf ja auch noch träumen, bevor einen die Realität wieder einholt.
@Pantoufle,
so ist es recht getan!
Man muss einfach nur feste daran glauben, dass es sowas wie Querfront nicht gibt.
Dezember 4th, 2016 at 20:26
OT: OXI macht sich: Wieviel Arbeit braucht der Mensch? Zu ergänzen bzw weiter zu verdeutlichen wäre vor allem noch, dass es bei der heutigen ‘Konsumarbeit’ immer weniger um Bedürfnisse als vielmehr um ‘Begehrnisse’ geht. Deren Kennzeichen ist, dass sie, im Gegensatz zu Bedürfnissen, nicht zu stillen oder zu befriedigen sind, sondern nur immer weiter zu steigern. Adorno hatte sowas unter dem Etikett ‘Inszenierungswert’ – ein dritter neben dem Tausch- und dem einfachen Gebrauchswert – ja auch schon in der Pipeline. Was mit der alten protestantischen Ethik auch nicht mehr zusammengeht – die kann der Überflusskapitalismus nämlich auch nicht mehr gebrauchen.
Dezember 5th, 2016 at 00:21
Bei Letzterem muss ich wiedersprechen; die braucht der Kapitalismus für die Disziplinierung der Massen. Er müsste sich sonst nicht nur etwas anderes überlegen, sondern sägte an jeder seiner Grundlagen.
Dezember 5th, 2016 at 08:16
Halte ich mal dagegen. Die Askese im Sinne von Konsumzurückhaltung kann er definiv nicht mehr brauchen, und für die Arbeitsdisziplin sorgt schon die Arbeitsknappheit. Sie ist entbehrlich geworden, auch wenn sie in mancher Sonntagsrede noch beschworen werden mag. Seine Bedeutung für das Werden des Wahnsinns bleibt indes unberührt.
Dezember 5th, 2016 at 09:22
Der Konsument war nie Adressat der Askese, sondern der hortende Eigentümer. Zudem ist es ja Ideologie: Der ganze Reichtum dient der Veratwortung®, nicht dem Vergnügen. Auch und gerade die Arbeitsdisziplin ist noch extrem wichtig, da sie sic hja nach außen kehrt. Der absurde Anwurf, wer nicht arbeitet, sei faul, lässt sich gerade angesichts des Mangels nur religiös begründen. allerdings verschob sich der Trend schon lange von Calvin zu Luther.
Dezember 5th, 2016 at 09:59
Die Eigentümer sowie eine ziemlich schmale Schicht von Staatsbediensteten und anderen ‘Unteroffizieren’ waren ja lange Zeit auch die einzigen nennenswerten Konsumenten. Der Massenkonsum, insbesondere der ‘depressive Hedonismus’ des nunmehr ‘ästhetischen Kapitalismus’ der gesättigten Märkte bedient sich definitiv eines anderen Imperativs. Natürlich und wie gesagt spuken die Versatzstücke weiterhin und werden bei vielen passenden und unpassenden Gelegenheiten hervorgezerrt, aber als geschlossenes Ganzes ist das, glaube ich, längst obsolet geworden.
Reichtum ist auch jenseits der Verantwortung nicht mehr in dem Maße anstössig, und selbstverständlich soll der, der sich etwas leisten kann, das gefälligst auch tun – der ganze Schrott muss doch, wenn schon nicht gebraucht, so doch wenigstens gekauft werden. Was die Arbeitsdisziplin angeht, ist der Einfluss sicherlich noch stärker, aber das ist eben auch nur noch ein ‘Versatzstück’, nicht mehr das ganze Gebäude.
Dezember 5th, 2016 at 11:56
Das ist richtig, aber ich sehe nirgends eine annähernd konsistente Ideologie, die das alles zuverlässig verbindet, nicht zuletzt, weil die Luthersche Arbeitstethik dem recht sperrig im Weg steht. Es soll sich ja wer was leisten, der was geleistet hat, und das dürfen ja kaum mehr welche. Insofern wirkt die ‘Ethik’ destruktiv, umso destruktiver übrigens, je eifriger vor allem Sozialdemokraten an ihr festhalten. Eigentlich zum Brüllen komisch.
Dezember 5th, 2016 at 12:47
Da kann ich dir jetzt wiederum nur noch zustimmen. Da ist nix Konsistentes mehr, dauernd fällt der Pudding von der Wand, mehr als ein ratloses ‘aber das war doch schon immer so’ bzw eben verbindungslosen Versatzstücken, die sich zu keinem Puzzle mehr fügen wollen und lassen, fällt ja auch kaum einem Apologeten noch ein. Da sehen dann Postwachstumsforderungen unter Beibehaltung der kapitalistisch-markwirtschaftlichen Strukturen auch nicht mehr viel dümmer aus.