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Vor Jahren ergab sich hier in den Kommentaren folgender Dialog:

Erzähl mir etwas, und ich vergesse es. Zeig mir etwas, und ich erinnere mich. Lass es mich tun, und ich verstehe.

Genau so funktioniert Religion, und da dürfen wir die ‘Praxis’ der neoliberalen nicht unterschätzen. Das Einüben in Ritualen wie Meetings, Redaktionssitzungen, Konferenzen etc. prägt das “Wissen” durch rituelles ‘Handeln’ ein. Dazu noch eine Spendengala hier und eine Beschimpfung des Plebs dort, fertig ist die perfekte Welt.

Heilige Messen

Das Ganze ist völlig richtig, aber zu eng gefasst. Dass die neoliberale Religion, zumal der Bibel Hayeks, mit allem ausgestattet ist, was so eine braucht, bis hin zu Priestern, die dort “Intellektuelle” genannt werden, hatten wir schon. Die Religiosität eingeübten und wiederholten Wissens geht aber viel weiter als organisierte Ideologien und ihre Propaganda.

Nehmen wir einmal unsere Freunde, die Hardcore-Covidioten: Mancher fragt sich, wie man so einen unfassbaren Humbug glauben kann, und die Antwort liegt bereits in der Frage. Die Strukturen sind religiös, und hierbei ist es nicht das Wichtigste, dass sich ein Hokuspokus verbreitet und an die Stelle der Vernunft setzt – das wäre keine hinreichende Erklärung.

Die Frage ist vielmehr, wie der Hokuspokus dort hinkommt und sich festsetzt, womit wir bei dem oben sind. Es bilden sich Gemeinden. Die Mitglieder finden zunächst aus Unzufriedenheit zueinander, die sie miteinander teilen. Was sie keineswegs teilen, sind die Erklärungen dafür, die sich nämlich gern widersprechen: Covid19 existiert nicht, es wurde von der CIA ausgebracht, es ist harmlos, es wird über Funkwellen verbreitet.

Die Gemeinde

Die Gemeinsamkeiten bestehen darin, dass man Schuldige sucht und findet und dass man sich Geschichten dazu erzählt. Diese haben eine hier bereits mehrfach dargelegte Struktur: Es gibt Helden, Opfer, Autoritäten und Schurken. Dass sich trotz der offensichtlichen Widersprüche und Banalitäten eine Art Einigkeit einstellt, liegt an der gemeinsamen Ausübung der Rituale.

Man identifiziert sich, ein Innen und ein Außen. Es gibt das Gute, das Böse und jeweils Besetzungen für die entsprechenden Rollen. Es gibt feste Rituale (Demonstrationen), lose Zusammenkünfte (Social Media) und Feiertage. Man bestätigt sich gegenseitig im Glauben, identifiziert und verflucht Ketzer oder hält Gericht über sie. In den Strukturen der Leugner sind diese Elemente besonders stark vertreten.

Das heißt derweil keineswegs, dies sei charakteristisch für diese Gruppe(n). Ähnliches findet sich bei vielen anderen, durchaus auch bei solchen, die sich den Kampf gegen die Covidioten zur Mission gemacht haben. Die Gefahr, solcher Religiosität zu verfallen, besteht immer und überall, auch hier im Blog. Das Einzige, das dagegen hilft, ist kritisches, wissenschaftliches Denken. Beides muss gegeben sein. Wer hingegen vorrangig argumentiert, um seine Meinung zu verteidigen, ist schon auf dem Weg in die falsche Richtung.

 
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Gefragt, was denn kein Narrativ sei bzw. nicht von Narrativen beeinflusst, nannte ich Wissenschaft bzw. Wissenschaftlichkeit. Wie notwendig ein solches Denken ist und wie mächtig Narrative sind, zeigen die aktuellen Verschwörungstheorien von QAnon bis zu denen über Covid 19.

Narrative werden bedient, weil sie als Geschichten nicht nur das Bedürfnis nach Erzählungen befriedigen, sondern auch eine Einbindung der Zuhörer auf allen menschlichen Ebenen ermöglichen: Emotionen, Aktivität, Interpretation/Bedeutung, Unterhaltung und Rationalität. Letztere ist dabei keineswegs zu verwechseln mit Logik oder Wissenschaftlichkeit. Auch Mythen beinhalten Rationalität, ebenso wie viele Wahnvorstellungen.

Die Vermittlung dieser Ebenen findet geradezu perfekt statt in einer Spielsituation, einem Abenteuer. Spiele werden längst auf Basis dieser Erkenntnis konzipiert. Nicht anders als Rollenspiele, mit oder ohne virtuelle Realität oder den Übergang von dieser in die Außenwelt, funktionieren verschwörungstheoretische Strukturen.

Mythologie und Erzählung

Man ist Teil einer Geschichte, die in einer Gemeinschaft erlebt wird, deren Mitglieder sich gegenseitig in ihren Ansichten bestärken. Die Interpretation der Wirklichkeit wird dabei einem Ziel (gern einem vorher festgelegten Resultat) unterworfen, alle Zeichen haben eine Bedeutung, die darauf hinweist. Da die Mitglieder jeweils die Hinweise und ihre korrekte Auslegung ‘finden’, sind sie eng in den Prozess eingebunden, der so die Realität als Bezugssystem ersetzt.

Ich werde dies ggf. in weiteren Beiträgen vertiefen. Für den Augenblick möchte ich nur darauf hinweisen, dass die narrative Struktur der öffentlichen Kommunikation – alles wird in Erzählungen verpackt, von politischen Inhalten über ‘Nachrichten’ bis hin zu vermeintlich realitätsbezogenen Unterhaltungsprodukten – Verschwörungstheorien nicht bloß fördert, sondern zwangsläufig hervorbringt.

Allein eine Darstellung von Sachverhalten unter Anwendung wissenschaftlicher Kriterien entkommt dieser Dynamik. Journalismus hat seinerseits durchaus Kriterien entwickelt, die dem nahekommen, diese fallen aber den Notwendigkeiten des Betriebs zum Opfer. Das geht so weit, dass die meisten Medien Whistleblower, die eigentlich das grundlegende Element der Investigation liefern, regelmäßig als Verräter brandmarken, die dem ‘Guten’ schaden.

Der Fall Relotius war in Bezug auf ‘Journalismus als Erzählung’ Sinnbild für die Kapitulation der Medien vor dem Narrativ, und zwar nicht erst bei der Entlarvung des Fälschers, sondern vor allem zuvor, bei der mehrfachen Auszeichnung dieses Spitzenjournalisten. Die Reaktion auf dieses Phänomen ist in Zeiten des Internets die Kreation von Alternativerzählungen.

Spaß und Spannung

Das ist es, was ‘alternative Medien’ im Übermaß leisten. Hier kann jeder an seiner vermeintlich eigenen Story mitschreiben, in seinem Adventure täglich neue alte Artefakte entdecken. Die Struktur ist religiös: Es gibt Schamanen, die mystische Wahrheiten enthüllen, und zwar umso verbindlicher, je weiter sie von Realität und Common Sense abweichen.

Eine Irrtumsprüfung findet ebenso wenig statt wie Reflexivität (die Anwendung angeblich gültiger Regeln auf das eigene Denken) oder die Überprüfung eigener Prognosen. Wo solche erhoben werden, wird lediglich die Interpretation angepasst. Wirklichkeit selbst gerät zu einer endlosen Prüfung des Glaubens und Anpassung der Auslegung der Schriften. Das freilich haben wir schon alles, seit Jahrtausenden.

Die Konsequenz vieler Foristen im Jahr 2021 ist der Zweifel an der Wissenschaft – es sei denn, es findet sich wer im Betrieb, der die ‘eigene’ Erzählung bestätigt. Dann kann das Abenteuer weitergehen, in dem die Rollen – wir hatten das schon reichlich hier – der Helden und Opfer im vermeintlichen Krieg nach Gusto besetzt und eingenommen werden können. Es ist ein Spiel, und jeder kann mitmachen.

 
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Wer hätte das gedacht, dass wir vom lame Duckface die Worte hören würden:

I would like to begin by addressing the heinous attack on the United States Capitol. Like all Americans, I am outraged by the violence, lawlessness and mayhem.

(Ich möchte damit beginnen, den verabscheuungswürdigen Angriff auf das Kapitol der Vereinigten Staaten anzusprechen. Wie alle Amerikaner, bin ich schockiert über die Gewalt, die Gesetzlosigkeit und das Chaos.)

Da inzwischen eine schöne Dokumentation des Schocks in Echtzeit vorliegt, die u.a. Donald Trump Jr. beim Abfeiern des Events zeigt, wobei auch der Senior ins Bild kommt, der einen eher mittelschockierten Eindruck macht, weiß man, was von diesem Bekenntnis zu halten ist.* Immerhin: Trump denkt auch post coitum an sich selbst und zeigt seinem treuesten Gefolge den Stiefel, wenn es darum geht, seine Haut zu retten.

Die Schmiede

Glück gehabt, vorläufig. Trumps Narzissmus kann erheblich dazu beitragen, dass die Situation sich beruhigt, so, wie er sie heraufbeschworen hat. Erstaunlich bis zum letzten Augenblick, dass dieser ersichtliche, nachgerade schreiende pathologische Narzissmus von so manchem noch immer nicht erkannt werden will. Aber in diesen Zeiten werden wir ja ohnehin darüber belehrt, wie es steht mit der Realität und ihrer Wahrnehmung.

Es geht in den USA derweil im Kern um Glück. Was lässt jene Menschen glauben, die glauben, in einer Bürgerlichen Demokratie ginge ihre Freiheit so weit, dass sie “die Freiheit haben, einen Putsch zu inszenieren“, sie hätten in einem wie Trump einen Freund und Anführer? Wie bringen sie den Glauben an totale Freiheit unter einen Hut mit der Treue gegenüber einem Despoten und seiner Willkür?

Nun, so etwas geht, und es geht nur mit Religion. Die amerikanische ist geprägt von Autoritätshörigkeit nicht minder als von Hyperindividualismus. Jeder vor Gott und unter der Fahne, und einer von denen muss halt vorangehen. Dass der eine stinkreich ist und die meisten anderen sackarm, das ist auch gut und gottgewollt, eben jenes ‘Glück’, das jeder selbst schmieden muss.

Nach der Schlacht

Deshalb muss auch niemand merken, dass Donalds Macht die des Kapitals und die des Staates ist – eine Macht, die seine Anhänger bei Juden und Liberalen von der Ostküste verorten. Der Donald aber, der ist einer von ihnen, einer, der es geschafft hat. Und weil er einer von ihnen ist, hat er das verdient. Establishment, das sind nämlich siehe oben, daher kann der Präsident und Oligarch auch problemlos ein Volkstribun sein – mit Gott und Fox News.

Sicher werden einige jetzt arg enttäuscht sein von ihrem Idol, das sie so schmählich im Stich lässt in ihrer schwersten Stunde, nach ihrem heldenhaften Kampf. Es werden aber womöglich die wenigsten sein, denn Religion hat schon seit Vorzeiten auch dafür eine Erklärung. Es gibt eben Götter und Helden. Die Helden opfern sich für die Götter, deren Ratschluss und Prüfungen unergründlich sind. Es wird eine Finte sein gegen das finstere Establishment, das ihren Gott Donald stürzen und vernichten will. Kein Grund zur Fahnenflucht. In God We Trust.

*Das Video wurde wohl unmittelbar vor der Erstürmung aufgenommen. Eine Zusammenfassung des Vorher und Nachher bei den Trumps hier.

 
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Quelle: Pixabay

Die echten Nazis haben etwa jede Stunde einhundert Menschen ermordet, nicht mitgezählt die erschossenen ‘Feinde im Feld’. Einhundert. Jede Stunde. Tag und Nacht. Sommer und Winter. Sonntag bis Samstag. Diese Menschen wurden zuvor willkürlich verhaftet, geschlagen und gefoltert. Mit ihnen, besonders gern mit Kindern, wurden unfassbar grausame Experimente gemacht. Nur mal so grob zur Erinnerung.

Mit den Opfern dieser deutschen Gründlichkeit vergleichen sich heute ernsthaft Leute, weil sie wegen einer Pandemie einen Mund-Nasen-Schutz tragen sollen. Weil Kinder eine Zeitlang nicht zur Schule gehen dürfen. Weil die Bewegungsfreiheit aller Bürger leicht eingeschränkt wird, beschlossen von Regierungen, die von Parlamenten damit beauftragt und von Gerichten überwacht werden, die immer wieder jene Beschlüsse blockieren.

Sie alle haben Klagerecht. Niemand von ihnen wird an Leib oder Leben bedroht. Niemand wird eingesperrt. Sie dürfen öffentlich demonstrieren, obwohl diese Kundgebungen längst überflüssig und epidemiologisch sprichwörtlich Gift sind. Sie nehmen ihre Grundrechte wahr; wenn sie gegen Einschränkungen verstoßen, passiert ihnen so gut wie nie etwas, und wenn, dann bleibt es bei Geldstrafen.

Der Terror

Ihr redet von einer Diktatur, gern “Merkel-Diktatur”, obwohl die Regeln evident von anderen gemacht werden und die Genannte regelmäßig anderer Auffassung ist. Es wurde noch niemand ernsthaft verletzt, geschweige denn getötet. Wer sich von euch mit den Opfern der Nazis vergleicht, ist unzweifelhaft ein blödes Arschloch. Unwürdig jeder Diskussion.

Dann sind da noch die, die an allem und jedem rummäkeln, indem sie allem die Verhältnismäßigkeit absprechen. Indem sie täglich aufzählen, was einem so alles zugemutet wird. Indem sie jede Restriktion mit dem normalen Alltag abgleichen. Hier spricht die so beliebte Mischung aus Dummheit und Ignoranz, die an die Stelle der Einsicht tritt: Es. ist. eine. Pandemie. Menschen sterben, zu tausenden. Nein, das ist nicht normal.

Es kotzt mich an, dass mich Freunde nicht besuchen. Es geht mir auf den Sack, Abstand halten zu müssen. Ich finde es tragisch, dass in einem IT-Entwicklungsland wie der BRD Homeschooling stattfindet. Kurzarbeit ist scheiße, wenn man davon nicht mehr leben kann. Noch viel schlimmer ist es, ein faktisches Berufsverbot zu erleben. Erwähnte ich aber, dass es eine Pandemie ist? Ihr habt das nicht verstanden, das Ding nimmt gerade Anlauf.

Aufeinander zugehen

Wir leiden effektiv darunter, dass die sogenannten “Lockdowns” keine waren oder sind. Das kostet gleichzeitig tausende Leben und noch längere Restriktionen. Ich wäre sehr dafür gewesen, dass es kurzfristig Ausgangssperren gegeben hätte. Das ist aber mit dem GG kaum zu vereinbaren. Es wäre mir durchaus ein bitteres Vergnügen, wenn die vermeintlichen Naziopfer wenigstens mal ordentlich was auf die Fresse gekriegt hätten, um den Unterschied zwischen Schokoladenentzug und Unterdrückung kennenzulernen.

Wirklich will ich dergleichen selbstverständlich nicht sehen, weil ich mir der Konsequenzen bewusst bin. Aber wisst ihr was, Leute? Ihr marschiert doch so solidarisch mit denen, die es gern wieder chic hätten, mit Hakenkreuzen, Willkür und Mord. Gebt euch denen doch mal zu erkennen als jüdische Sozialisten, die auch Merkel stürzen wollen. Das könnte euren Erfahrungsschatz ungemein bereichern.

 
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Das ist der Trend: Eine Göre (derer sollen es eine ganze Reihe sein) fühlt sich “wie Sophie Scholl”, sagt sie auf einer Bühne und instrumentalisiert sich für die faschistische Trollarmee, deren Logik diese Aufführung folgt. Wir haben es hier mit dem Königswasser der Nazitrolle zu tun: Helden- und Opfermythos sowie der Gipfel aggressiver Projektion in einer einzigen Geste. Der Nazi geriert sich als Opfer eines Holocaust, den er hintenrum leugnet, und schickt die Unschuld vom Lande vor.

Heldenopfernazijude

Das Umfeld der armen Idiotin hat in die Vollen gegriffen und ein willfähriges Opfer gefunden, das nicht annähernd ahnt, worin die Tat besteht, wie und warum diese Angelegenheit sie geschädigt hinterlassen wird. Sollte sie sich jemals mit der Geschichte des Holocaust befassen, liegt vielleicht ein Trost darin, dass es ihr ganz und gar nicht geht ‘wie Sophie Scholl’ und ihre Peinlichkeit mit nachträglicher Scham vielleicht korrigiert werden kann.

Sie selbst wird meinen, was sie sagt. Sie nämlich meint nicht die historische Person, ihre Hinrichtung oder ein mögliches Ende im KZ (wie Anne Frank, die ebenfalls von der Rechtsaußen-Spralleria in Beschlag genommen wird), wo sie vergewaltigt, in Experimenten verstümmelt, gequält, ausgehungert und vergast worden wäre. Nein, sie meint die Marke Sophie Scholl.

Sie glaubt, das stünde ihr. Sie träumt davon, eine kleine rechte Influenzerin zu werden, die Applaus und vielleicht sogar ein bisschen Geld einheimsen kann, wenn sie sich so darstellt. Der Unterschied zwischen Schein und Sein ist ihr völlig unbekannt. Furchtbares Leiden kennt sie als abgebrochenen Fingernagel und ausverkauftes Haarspray. Das riskiert sie für ihre Überzeugung. Wie Sophie Scholl.

update: Es gab einige Bauarbeiten zu diesem Artikel, da ich aus ursprünglich einem zwei gemacht habe. Sollten jetzt weitgehend abgeschlossen sein.

 
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Es ist nichts Neues daran, dass nichts zu hören ist von Intellektuellen oder vielmehr einer Intellektualität, die helfen könnte, in unsicheren Zeiten die Gedanken zu ordnen, Wege zu weisen, auf denen Lernprozesse stattfinden könnten und womöglich eine Basis schaffen, darüber zu kommunizieren. Es war selten nötiger als heute, aber woher soll es auch kommen?

In diesen Zeiten ist es nachgerade chic, die Basis des Wissens, Wissenschaftlichkeit, zu verleumden und Kommunikation als Duell zu betrachten, in dem der Eifer die Waffe der Wahl ist. Der vermeintliche Inhalt muss laut vorgetragen, täglich mehrfach wiederholt und Abweichler konsequent diskriminiert werden. Der Modus ist nicht die Aussage, sondern die Wertung.

Herren und Diener

Werfen wir einen Blick zurück, wir hatten das auch schon hier, auf so ein ‘Damals’ und einen Kommentar dazu:

Das Jahr 1933 ist die große Zeit des deutschen Opportunismus, noch bevor die entsprechenden Gesetze erlassen oder gar bekannt wurden, beeilen sich viele Intellektuelle, dem autoritären Regime zu gefallen.”

Nun, “Intellektuelle”, das ist auch eine Kategorie, ein Begriff, den jeder in der Gemütlichkeit seiner Vorstellungskraft mit Inhalt füllen kann. Für den Einen sind das Geistesgrößen, denen man folgen kann, die man zumindest aber zitieren kann, um selbst wie eine zu wirken; für den Anderen vielleicht feindliche Spinner unwürdiger Herkunft, die den Menschen die Köpfe verdrehen, um so ihre finsteren Pläne umzusetzen.

In den Frühzeiten der Republik hatten wir gelegentlich immerhin solche mit Substanz, etwa Adorno oder Marcuse, womit wir auch gleich bei der fälligen Reaktion sind, die heute im Internet u.a. von einem kommt, der es chic findet, unter dem Label des Zyklon-B-Herstellers zu firmieren. Da heißt “jüdisch-bolschewistisch” jetzt “kulturmarxistisch” (welch ein schwachsinniger Begriff), sonst ändert sich nix. Aber was hatten die eigentlich zu sagen? Vielleicht mal selber lesen.

Kein Widerstand

Am anderen Ende der Nahrungskette ist der Intellektuelle nur mehr Funktion. Er forscht und reflektiert nicht, er verkündet. Er dient. Er folgt Glaubenssätzen. August von Hayek ist eine Standardreferenz der Neoliberalen. Seine im Kern faschistische Religion wird von Adepten dieses letzten Aufgebots kapitalistischer Wortverwurstung als “Wissenschaft” bezeichnet. Das ist absolut kein Grund, sich von dieser abzuwenden, sondern vielmehr, daran zu erinnern, was Wissenschaft bedeutet.

Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass wenn erst einmal der aktive Teil der Intellektuellen zu einem bestimmten Set an Glaubenssätzen bekehrt ist, der Prozess der allgemeinen Akzeptanz dieser Sätze nahezu automatisch und unwiderstehlich verläuft.

Was noch nicht einleitend bereits eingeordnet wurde an diesem Satz, ist vor allem die Formulierung “der aktive Teil der Intellektuellen“. Wer von dieser quasi definitorischen Religionsausübung abweicht, ist im – hier zulässigen – Umkehrschluss nämlich nicht aktiv. Wie kommt das? Weil eben alle “bekehrt” sind, und wer nicht bekehrt ist, nicht mehr ist. Exakt so wurde das ja auch jeweils gehandhabt.

Was bleibt

Es ist auch infolge dieser unfassbaren Dekadenz einer sogenannten “Ökonomie” erklärbar, warum es so leicht fällt, “Wissenschaft” zu diffamieren. Was die Ökonomie anbetrifft, so hat das, was noch Niveau hat (und nein, Freunde, ich meine nicht die Flassbecks), keine politische oder mediale Repräsentanz. Diese Arbeit ist nicht nur schwierig und frustrierend, sie ist auch pfui, eben wegens Mauerstacheldraht®.

Die Redlichkeit, der organisierte Zweifel, die Mühe und Akribie, die uns etwa in den Stand setzt, 13,8 Milliarden Jahre in die Vergangenheit zu schauen, diese Kunst, den Irrtum als ständigen Begleiter zu akzeptieren und stets seine Überwindung anzustreben in dem Bewusstsein, zuverlässig auf den nächsten zu stoßen, gilt nichts in der Welt der Lautsprecher und Rechthaber. Ganz Gallien? Nein. Es soll da noch Nischen geben.

 
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Einer meiner Lieblingsaufreger ist die holde Projektion, die Kunst also, stets das in anderen zu finden, was man an sich selbst nicht leiden kann, oder auch die, eigene Empfindungen anderen unterzuschieben, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Hierbei besonders beliebt: “Aber wer denkt denn an die Kinder??!!11!”

Die armen Kleinen mit den großen Kulleraugen, sie leiden. Worunter denn so? Na unter allem, was mir auf den Sack geht: Geschwindigkeitsbegrenzung, Maskenzwang, Rauchverbot, Erbschaftssteuer. Die Armen! Es ist soo traurig! Wer da nicht zur Waffel greift, hat kein Herz. Und vermutlich auch kein Vanilleeis.

Bei Kindern darf auch das ganz große Besteck raus: Weinen, Kratzen, Beißen, Angst und Schrecken, Geigen und Posaunen. Nichts ist verboten, alles muss raus. Das Leiden der Lütten muss ein Ende haben. Dafür werden wir kämpfen bis zum Tod oder Endsieg.

Der Kampf

Die Erwachsenen hingegen haben sich gefälligst … ja, was eigentlich? Zu disziplinieren? Doch eher nicht, das wäre nämlich unrebellisch. Auf jeden Fall irgendwie zu beweisen, ihren Mut zur … ja, was eigentlich? Dummheit?

Von Angst ist die Rede, von Panik gar. Menschen, die sich diszipliniert verhalten und gewisse Maßnahmen befolgen, würden aus Angst so handeln. Uuhuhuu! Es ist zwar ein schwaches Argument, aber nach sieben Monaten durchaus ein valides, dass mir noch niemand begegnet ist, keine Menschenseele, die aus Angst Partys meidet oder den MNS befürwortet. Die machen das ganz unverkrampft. Übrigens auch und gerade Kinder. Mit einer vierstelligen Zahl von denen habe ich aktuell zu tun.

Nun haben wir hier schon mehrfach die Feststellung getroffen, dass Opferrolle und Heldenpose zu den wichtigsten Instrumenten derjenigen gehören, die anderen ständig Angst unterstellen. Ob es sich da wohl um eine weitere Projektion handelt? Was ist nämlich Angst:

Freiheit
® in Angst

Angst ist der vergebliche Fluchtversuch, die erfolglose Beschwichtigung der Übermacht, die Reaktion auf Ohnmacht. Innerhalb der angstbesetzten Reaktion empfindet sich der Ohnmächtige als Opfer, in der vermeintlichen Verarbeitung überhöht es eine vermeintliche Opferrolle oder erhöht sich in eine Projektion der Macht hinein, vom Helden bis hin zur Identifikation mit dem Aggressor.

Na, klingelt da was? Ihr seid Opfer, ohnmächtig gegenüber dem Ungreifbaren, Spielball unsichtbarer Mächte? Ihr versteht die Gesetze nicht, nach denen mit euch verfahren wird, empfindet euch als der Willkür Anderer ausgeliefert: euren Chefs, Behörden, Eigentümern und ihrem Inkasso, Gerichten …

Aber jetzt ist endlich Schluss damit! Rettet die Kinder, verhindert die Diktatur, eint das Volk, kämpft für die Freiheit! Nieder mit der Maske! Wer da nicht mitmacht, hat halt die Hosen voll. Feiglinge. Opfer. Systemlinge. Erkennen die Gefahr für die Freiheit nicht. Ähm … welche Freiheit war das noch gerade? Die, auf notwendige Hygiene zu verzichten?

 
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Beginnen wir mit der Erklärung des Begriffs “Clusterfuck”: Es ist wie eine Matroschka-Puppe. Egal, in welche Tiefen der Begriffsverstümmelung du vordringst, du stößt immer auf die nächste. So ist das, wenn Trolle texten, und eine der Bestleistungen dieser Fraktion ist das vermeintliche Hannah-Arendt-Zitat: “Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen“.

Das fängt augenscheinlich damit an, dass Gehorsam kein Recht ist, sondern unmittelbar eine Pflicht, und zwar eine unbedingte, die Unterwerfung unter eine Autorität ohne Recht auf Widerspruch oder Zuwiderhandlung. Das Komplementär zum Gehorsam ist der Befehl, dessen Nichtbefolgung traditionell ein schweres Verbrechen darstellt, das adäquat die Todesstrafe nach sich zieht. Wie absurd, ein “Recht” darauf zu konstruieren.

Schlafschafe, Buckeldackel

Zudem hat dieser Kalenderspruch Konjunktur ausgerechnet in Kreisen, die entweder direkt eine Restauration des Kaiserreichs fordern oder mit solchen Gestalten Seit’ an Seit’ dasselbe kindische Rebellentum zelebrieren. Gar nicht zufällig blüht in dieser Landschaft der Rassismus, denn damit kann man wunderbar beide Seiten des Widerspruchs leben: Der Befehl wird zum Volkswillen, womit die Tat kein Gehorsam mehr ist, sondern Folklore, und alles Falsche tun automatisch die, die nicht dazugehören. Einem Anderen zu dienen – Volk, Ideal oder Überzeugung – ist Verrat. Dazu haben sie kein Recht.

Des Trolls Domäne ist die Projektion. Er verschafft sich Aufmerksamkeit und dem Gegner Empörung, indem er ihm vorwirft, das zu tun, was der Troll in Potenz verbrät. Auf seiner Seite ist jede Unterwerfung unter Autorität oder Ideologie Akt der Rebellion; folgt der Gegner aber seiner Überzeugung, so kann das nur die Tat des Wurms ohne Rückgrat sein, der vor der Elite buckelt und damit seinesgleichen verrät. Diese Haltung bedient das ideologische Grundmuster des Feindrechts, und so betrachtet man denn auch die Anderen: als Feinde.

Dass ausgerechnet diese Trolleria Hannah Arendt zitiert, ist eher unvermeidlich als zufällig, denn die große Geste, Emphase, Tamtam und Trara sind ihr Metier. Symbole werden aufgebläht wie ein sterbender Stern, egal welche. Kein Text ohne bedeutungsschwangere Zitate, keine Rede ohne Heldenpose. Kontext ist der Trick der Feindsender. Wer dazugehört, weiß, wie es gemeint ist. Wen interessiert da die Geschichte, der ein vergewaltigter Satz entstammt?

Sieg oder Tod

Der zitierte ist absurd und wird verständlich paradox, wenn man ihn zwischen Eichmann und Kant plaziert. So hieß es denn auch im Original: “Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen bei Kant.” Eichmann, den Arendt damit meinte, hatte seinen Vernichtungseifer als alternativlosen Gehorsam deklariert und sich damit ausgerechnet auf Kant berufen. Genau diese Masche aber, sich der persönlichen Verantwortung durch Verweis auf Gehorsam zu entziehen, ist das Gegenteil dessen, was Kant im Kategorischen Imperativ formuliert.

Das war es, was Arendt damit sagte. Es gibt kein Recht, sich auf Gehorsam zu berufen, um die eigene Tat einem Anderen zuzuschreiben. Das bedeutet nicht, dass man bei Rot über den Damm hüpfen muss, um sich als freier Bürger zu identifizieren. Genauso wenig, wie die “Freiheit der Andersdenkenden” bedeutet, dass du der Andere bist und alle dir zustimmen müssen.

 
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Doch, ich mag Humor, auch freiwilligen. Wenn gerade keine Schadenfreude aufkommen will, kann man auch mal über etwas anderes lachen. Wir sind ja keine Spießer. Heute gefällt mir beinahe gut: das Manneken Pis; trägt es doch Schwarzrotgold wegen irgendwas mit Neunundachtzig. Daraus wurde, wie wir wissen, irgendwas mit Neunzig und Staatsakt, kurz darauf irgendwas mit Zweiundneunzig und Pogrom. In zwei Jahren feiern wir dann wieder, nur mit Jogginghose prepissed® und Hitlergruß. Wirsing, das Volk!

Schade, dass es die Sowjetunion nicht mehr gibt, aber sie musste ja untergehen mit einem Heini wie Gorbatschow, der dem Fluch der späten Geburt erlag und die schöne Gerontokratie abgeschafft hat. Inzwischen muss der Oberrusse sogar OB-Werbung machen: Tauchen, Reiten, Judo oder auch halbnackt mit einem Monsterkarpfen. Was für ein Mann, leck’ mich fett! Da ist der Neid programmiert, denn …

Verheißung einer großen Nation

… was haben wir hier (Westen)? Der Capo di tutti capi ist alt, fett und krank, jetzt auch noch am Leibe. Der Hoax hat ihn erwischt; prompt schickt er den imperialen Leibarzt vor, um dem Imperator aber so etwas von allerbestem Zustand zu bescheinigen, dass Nachfragen, ob er wohl für den gesunden Teint ein Portiönchen Sauerstoff extra bekomme, mit einem souveränen Schwitzen am Stirnrand abgetan werden. Fast wie damals im Osten, nur dass man dort für die mutige Nachfrage ein paar Jahre Urlaub an der Nordostgrenze bekommen hätte.

Dafür muss man – so viel Demokratie® muss sein – hier schon geheime Videos irgendwo hochladen von Massakern an der Zivilbevölkerung heldenhaften Schlachten im Kampf für die Freiheit. Der Verräter, dem wir diesen ruchlosen Angriff auf die Integrität unserer Verbündeten zu verdanken haben, schmachtet seit mehr als acht Jahren in unterschiedlichen Formen der Gefangenschaft, die schrittweise verschlimmert wird, bis er einige Jahrzehnte später um seine Hinrichtung betteln wird. Da wollen wir dann mal gnädig sein.

Kurzum: Zu feiern gibt es immer was in den stolzen Ländern der stolzen Nationen mit ihren stolzen Völkern und Präsidenten. Schon kurz nach Mitternacht bin ich heute Nacht im Stechschritt an die Pissrinne marschiert und kriege seitdem die Spasmen kaum mehr unter Kontrolle. Ich bin das Volk! Ich bin zwei Öltanks und ein Deutschlandlied. Ich bin ein Bügeleisen und ich lüge nicht!!11!

 
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Man kann quasi einen beliebigen Artikel über ‘Politik’ lesen und wird fast immer über dieselben Fehler stolpern: Personen handeln aus einem Willen heraus in einer Absicht und bestimmen dadurch das Weltgeschehen. Diesen Unsinn haben wir hier schon vielfach seziert; es darf aber ein Element nicht fehlen, das das Elend nicht nur komplettiert, sondern die ‘Story’ jeweils erst attraktiv macht: Moral.

Moral ist attraktiv in alle Richtungen: Sie zieht die Propaganda an, weil sich in moralische Kategorien und damit verbundene – stets unbelegbare – Behauptungen jede Form von Propaganda einwickeln lässt. Ist die moralische Empörung selbst Gegenstand der zu propagierenden Weltsicht, wird direkt festgelegt, wer gut ist und wer böse, wer edel und wer bloß egoistisch. Eine Stufe darunter dienen moralische Betrachtungen immer noch dazu, den Blick von den drögen Fakten, Rahmenbedingungen und konkurrierenden Interessen abzulenken.

Wer was will

Diese sind das große Manko der großen Medien: Es spricht niemand darüber, dass diejenigen, die das moralisch Gute (Freiheit, Menschenrechte, Demokratie) für sich reklamieren, damit knallharte Interessen vertreten – vertreten müssen, um im globalen Kampf um Ressourcen zu bestehen. Nach innen wird der schlimme Druck der globalen Konkurrenz stets beschworen (um Löhne zu drücken), geht es aber um konkrete Außenpolitik, sprich: Geostrategie, Rohstoffe, Kontrolle, Kapital, sollen alle eben glauben, es gehe um hehre Ideale.

Ist der ‘Diskurs’ (der hier aufhört, einer zu sein) derart satt mit Moral aufgeladen, kommt nur noch Kasperletheater. Da will das böse Krokodil eben nur noch Böses tun, weil es Böses tut. Die Bomben und Leichenberge des Kasperle hingegen sind alternativlos – im Kampf gegen das Krokodil eben. Und seht, da kommt auch noch der Drache! Aber die gute Fee beschützt uns. Das ist das Niveau.

Tugend, Sünde, Buße

Nun ist die gute Fee ein hässlicher Depp mit einer furchtbaren Frisur. Egal. Was lese ich also von Interessen, die er vertritt? Wer verspricht sich Profit von ihm, wer verfolgt andere Interessen? Welche Industrie erhofft sich was davon und wer welche geostrategischen Entscheidungen? Nichts. Gar nichts. Der erste Artikel, den ich heute lese: Trump hat keine Steuern gezahlt. Okay, das mag ja sogar nicht völlig irrelevant sein, aber was fällt dem Schreiber dazu ein? “Offenbar ohne Skrupel“. Was der Leser wissen soll: Trump ist böse und bereut nicht. Guten Abend, das Wetter!

Das Publikum soll stets etwas verwerflich finden oder, alternativ, tugend- wo nicht heldenhaft. Sünde, Tugend, Verbrechen, Rettung: Moral und Tamtam, Empörung eben. Man ist wohl nicht ganz zu Unrecht der Ansicht, das verkaufe sich gut. Und hier sind wir an dem Punkt meines großen Bedauerns: Ich Naivling hatte die Hoffnung, eine publizistische Alternative im Netz könnte mit weniger aufgesetzter ‘Seriosität’ und noch weniger moralischer Tendenz auftreten, um aus der Analyse der Bedingungen zu Aussagen darüber zu kommen, was im Kampf der Interessen tatsächlich geschieht und welche Optionen sich daraus ergeben. Was wir stattdessen haben, sind Twitter, Instagram und Youtube.