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Ich stellte eben in den Kommentaren fest, „dass absolut tote Hose herrscht im Netz – und das an einem Montag nach einer Wahl. Erschütternd. In der Slowakei ist die eindeutig stärkste Partei mit gerade einmal 3,1% der Stimmen aller Wahlberechtigten gewählt. Das ist ein derartiger Schlag in die Fresse, da können die Herren in den Sakkos einfach nur noch das Maul halten. Demokratie, na klar!

Diese betonfressenden Schlipsträger stellen sich dann hin und labern und labern weiter denselben Sermon, dasselbe penetrante Lied von Wachstum®, Wohlstand®, Freiheit®, Arbeitsplätzen® und merken nicht für zwei Pfennig, dass niemand, aber auch überhaupt niemand mehr zuhört. Die von den bösen Kommunisten ach so unterdrückten Balkanbewohner haben sehr schnell den Unterschied herausgefunden zwischen der Lohnsklaverei unter dem real Existierenden und der im Kapitalismus. Hier ist es völlig hoffnungslos, auf politische Prozesse Einfluss nehmen zu wollen, dafür muss man aber die Herrscherklasse nicht auch noch per Wahl bestätigen.

Politische Wüste

Sie haben alles kurz und klein regiert, die Funktionäre und Zuträger des Kapitals. Menschen lassen sie ersaufen, Banken können sie aber retten. Das Einzige, was ihnen blieb, um sich mit ihren stumpfen jahrzehntealten Phrasen an der Macht zu halten, ist der Erfolg ihrer Strategie der Diskriminierung, des Divide-et-Impera. Sehr erfolgreich haben sie alle gegen jeden aufgehetzt, Alte gegen Junge, Arbeitslose gegen Ausgebeutete, Inländer gegen Ausländer, Selbständige gegen Angestellte. Jetzt ernten sie, was sie gesät haben: Hie Desinteresse und Apathie, dort Hass und den Geist des Faschismus.

Ich habe es schon einmal mit Schrecken gesagt und wiederhole es hier: Ich hätte nie gedacht, ich würde mir Helmut Kohl einmal zurück wünschen. Zwar war er es, der mit Lambsdorff und dessen berüchtigtem „Papier“ die Büchse der Pandora hier geöffnet hat, aber selbst Kohl muss angesichts der Entwicklung erkennen, dass er das nicht wollte. Nicht dieses Europa, nicht diese Leere, diese Wüste einer politischen Landschaft.

Ja, für so naiv halte ich den Dicken, für so rührselig, aber noch nicht ganz entmenscht. Nein, das macht sein Regime nicht besser, und Leute wie Lambsdorff und Tietmeyer haben selbstverständlich gewusst, welchen Dienst sie mit seinem Segen dem Kapital leisten durften. Ich fasse das also einmal so zusammen: Kohl war der Letzte Kanzler, der noch glauben machen konnte, es nähme ein gutes Ende. Der Schleier ist zerrissen. So hässlich ist das Europa der sozialen Marktwirtschaft®.

 
Ich würde es jederzeit wieder tun. Auf den Tag vor vier Jahren hatte ich auf der Website vom Deutschlandradio einen Teaser gelesen und das so kommentiert:

Köhler, Sie Horst!
Haben Sie noch alle Gondeln am Seil? Sind Sie Verschwörungstheoretiker? In der Schule nicht zugehört? Den Struck verpaßt? Die Seite gewechselt? Blubberwasser genascht?

In einem Interview habe der damals amtierende Bundespräsident zu Protokoll gegeben, “allerdings müsse Deutschland mit seiner Außenhandelsabhängigkeit zur Wahrung seiner Interessen im Zweifel auch zu militärischen Mitteln greifen. Als Beispiel für diese Interessen nannte Köhler ‘freie Handelswege’.”

Ich hatte mich zunächst also gewundert, dass das oberste Organ der Verfassung diese offenbar nicht kannte oder ignorierte. Kurz darauf wunderte ich mich allerdings noch mehr, als nämlich die zitierte Stelle nirgends mehr zu finden war – nicht im Transkript und auch nicht in zwei Audiostreams, die der Sender vorhielt. Erst der dritte enthielt das Original in voller Länge. Ich transkribierte das also selbst und stellte es online. Neben mir hatten auch zwei oder drei andere Blogger diese Entdeckung gemacht, und so zog die Nachricht ihre Kreise – zunächst nur in Blogs.

Der Weg der Falken

Warum Tage später erst allmählich die Massenmedien das Thema aufnahmen, weiß ich nicht, vielleicht hatte es damit zu tun, dass sie jemand angerufen hatte. Es geschahen seltsame Dinge, bei der Frankfurter Rundschau war wohl der Zensor pinkeln, so dass mein Blog dort nicht nur erwähnt, sondern gar verlinkt wurde. Einige Stunden später war das Malheur freilich korrigiert – von deutschem Qualitätsjournalismus soll niemals ein Link auf eine Quelle ausgehen – und der Artikel war umgeschrieben worden. Kein Wort mehr von meinem Posting.

Was daraufhin geschah, ist bekannt: Merkel nutzte die Gunst der Stunde, einen amtierenden Ministerpräsidenten als Konkurrenten auszuschalten. Wulff hat zwar den Esprit einer Kassenbrille, aber die Kanzlerin weiß wohl, dass sie selbst auch nichts zu bieten hat und jeder andere, der dem Kapital brav aus der Hand frisst, ihren Job tun könnte – gerade wenn er langweilig genug ist. Der lahme Hannoveraner war dann noch so deppert und legte sich mit Friedes Springerverlag an, womit der Fall endgültig erledigt war und es eines neues Grüßaugusts bedurfte.

Dann kam es zu einem der raffiniertesten Coups der deutschen Atlantiker seit dem Fall des Eisernen Vorhangs: Die Opposition konnte einen Kandidaten als scheinbare Opposition positionieren, von dem sie genau wussten, dass der Mann für das versammelte Establishment und vor allem für die breite Front der Atlantiker der perfekte Kandidat war. Antikommunist mit zweifelhafter Vergangenheit, also auf Kurs und doch gegebenenfalls erpressbar, christkonservativ und neoliberal – ein Profil, das dem der Kanzlerin selbst nicht zufällig ähnelt. Ein Pfaffe, der Bigotterie lebt und überzeugend in Worte zu fassen weiß, ein Kollaborateur, der sich als Widerständler feiert, einer, der von morgens bis abends von “Freiheit” schwadroniert und stets “Marktfreiheit” meint.

Äußerster Vorbeimarsch

Was werden sie gefeiert haben auf der “Brücke”, der sie alle angehören oder angehört haben, die Spitzenpolitiker der FDP/CDU/CSU/SPD/Grünen. Wulff ist zwar auch einer von ihnen, war aber offenbar ein Griff ins Klo. Gauck hingegen verquarzt seinen neoliberalen antikommunistischen Pseudofreiheitsweihrauch derart psychedelisch, dass die militaristische Dreingabe im Rausch gar nicht mehr groß auffällt.

Gegen Gauck war Köhler der reinste Friedensengel, aber das Thema “Verteidigung der Freiheit auf sieben Kontinenten” ist durch. Wenn fast alle gegen Krieg sind, ist das halt nur ein Vermittlungsproblem. Steinmeier sieht daher “tiefe Gräben” zwischen der Elite, der er angehört und dem Pöbel, der ihn wählt. Zu dem und seinen Vaterländischen hat Pantoufle im übrigen alles gesagt.

Nein, da ist nichts besser geworden, und das Herummeißeln an faschistischen Fratzen gehört nicht zu meinem revolutionären Konzept. Aber wie gesagt: Ich würde es jederzeit wieder tun. Wenn ich schon einmal ein klein wenig zur Verbreitung der Wahrheit beitragen kann, mache ich das. Wahrheit ist keine Frage der politischen Strategie. Nicht in einem Qualitätsblog.

 
drohne

Ich brauche unbedingt Drohnen – wer auch nicht? Die Lage der internationalen Bedrohung ist nur durch stärkere Bedrohnung in den Griff zu bekommen. Wer sitzt nicht zu Hause und hat Angst, weil wir zu wenige Drohnen haben?! Das sind die Probleme, die uns alle bewegen, oder nicht? Okay, das Schicksal unserer Banken ist ebenso dringend, auch das ist Thema bei jedem deutschen Frühstück, und in der Sonntagsmesse beten wir für sie. Es scheint zu helfen, denn ein Freund steht uns bei, der Scheich von Qatar, welch eine “gute Nachricht“! Der Steuerzahler schläft wieder ruhig, seit er weiß, dass der gnädige Herrscher seine fleißigen Untertanen zur unser aller Entlastung antreibt.

Aber zurück zu den Drohnen: Auch ein Zensor sucht gelegentlich das Urinal auf, woraufhin solche Sätze fallen:
Nach einer Branchenstudie wird der Umsatz mit Drohnen sich in den nächsten zehn Jahren auf mehr als acht Milliarden Euro verdoppeln.” …
Im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau unterstreicht der SPD-Verteidigungsexperte im Bundestag, Rainer Arnold, die „industriepolitische Bedeutung“ des Projektes. Für die europäische Luftfahrtindustrie werde das Geschäft nie wieder so gut wie in den vergangenen Jahren,“.

So etwas darf man doch so nicht sagen! Habt ihr schon vergessen, wohin das führt, wenn man “Verteidigung” aus Versehen “Handelswege sichern” nennt? Da kann man doch nicht hingehen und den Kampf gegen den Terror® als “Industriepolitik” bezeichnen.

Europa bedeutet Frieden

Was wollen wir sonst noch? Vielleicht einen Führer, als Rabatt im Paket “Ermächtigung” als Feature nämlichen Antiterrorkampfes? Für unsere Faschismusrelativierungsgegner ein kleiner Hinweis: Wenn etwas so ähnlich gemacht wird wie bei den Nazis, genau so funktioniert wie bei den Nazis und es dafür bereits ein treffendes Wort gibt, dann ist das kein Nazivergleich und schon gar keine “Relativierung”. Exakt eine “Ermächtigung” ist nämlich das, was das US-Parlament unter Schorsch Kabeljau erwirkt hat und unter Yesweken aufrecht erhält: Die Selbstentmachtung und damit die Ermächtigung eines Führers mit diktatorischer Befehlsgewalt.

Zwar spricht da derzeit niemand von “arischer Rasse”, es wehen auch keine Hakenkreuzfahnen und es gibt schon gar keinen Holocaust, aber das Verfahren ist dasselbe. Noch werden Menschen unter solchen Bedingungen relativ individuell gefoltert und in Kleingruppen ermordet, aber ist das jetzt wohl das entscheidende Kriterium, von “Rechtsstaat” und “Demokratie” zu reden? Von unseren “Partnern” und “Freunden”?

Aber ich wollte auf etwas ganz anderes hinaus: Wir brauchen also Drohnen, stabile Banken, solche Freunde, Arbeitssklaven und eine explosive Industriepolitik? Das ist es, was „die Politik“ bewegt, was sie ausmacht? Das sind die Prioritäten derer, die als Volksvertreter ihr Volk vertreten? Was ist das für ein Volk? Meinen die euch? Wählt ihr so etwas? Wollt ihr so etwas? Was seid ihr doch für eine merkwürdige Spezies!

 
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Etwas ziemlich Visionäres habe ich auf den Tag vor sieben Jahren geschrieben, ich wiederhole mich daher mit aufgeschlagenem Rad:


Sie haben sie nicht alle, aber sie kriegen sie! Eine weitere Idee zur aktiven Abschaffung des Datenschutzes ist die europaweite Datenbank für Fingerabdrücke, eine bunte Sammlung von Daten, die “in einer einzigen, gigantischen europaweiten Datei die Fingerabdrücke aller Personen speichern [soll], die Gewaltverbrechen oder terroristischer Aktivitäten verdächtig oder überführt sind”.

Sortieren: Nicht die Datei ist europaweit, sondern die Daten werden europaweit erhoben und abgerufen, und es wird auch keine Datei werden, sondern eine Datenbank. Letzteres ist nicht nur ein technisches Detail, sondern höchst relevant, da man gleich noch DNA und sonstige Daten reinpacken kann, ohne großen Mehraufwand. Wer würde dann übrigens darauf wetten, daß es bei “europaweit” bleibt, zumal bei einer derartigen Verbreitung der Missbrauch vorprogrammiert ist.

Jeder ist verdächtig

Unter solchen Bedingungen ist Datenschutz schlicht unmöglich. Das Beste an der Sache kommt aber im SpOn- Artikel zu kurz: Die Zusammenfassung der Daten von Tätern und Verdächtigen. Böse Zungen mögen sagen: “Zwischen Verdacht und Täterschaft liegt immer nur ein überzeugendes Verhör”. Aber tatsächlich steckt mehr dahinter: Zunächst wird es einige Unschuldige treffen, die ein bisschen schikaniert werden, vielleicht ihren Job verlieren oder sonstige Unannehmlichkeiten zum Wohle der Sicherheit hinnehmen müssen.

Auf lange Sicht aber wird sich herausstellen, dass so viele Menschen verdächtig sind, dass man sie gar nicht mehr verfolgen kann. Die Strafverfolgung wird dem entsprechend ineffizient, es werden daher noch mehr Daten erhoben, die zu noch ineffizienterer Strafverfolgung führt etc.. Die Wahrscheinlichkeit, verhaftet zu werden, wenn eh erst mal alle in der Datei stehen, ist recht gering. Und den “Terroristen” geht’s dabei am besten. Die kriegt nämlich keiner, und ihr Ziel ist erreicht: Einen Rechtsstaat europäischer Prägung wird es dann nicht mehr geben.

Die Symptome waren schon erkennbar, bevor Doc Snowden den ganzen Befund und damit die Diagnose geliefert hat. Es gibt eine Logik des Terrors – sogenannter ‘Sicherheitsdienste’, die man recht verlässlich anwenden kann. Eine angewandte Theorie der Verschwörung führt also durchaus zu korrekten Analysen und ermöglicht zutreffende Prognosen. Man muss wohl – so wie sich die Dinge inzwischen offenbaren – obendrein noch vom Schlimmsten ausgehen und annehmen, dass die Befürchtungen für die Zukunft bereits Gegenwart sind.

 
justitDas Thema “Staat” kreuzt immer wieder die Diskussion, war schon vielfach explizit Thema hier, ich zitiere aus einem der Artikel dazu, um noch einmal auf ein Problem zu verweisen, das viele Linke bagatellisieren:

Es gibt auf dieser Seite nicht einmal haltbare Ideen, wie ein universales Recht sich etablieren kann, ohne dass die Gemeinschaft ein kollektives Rechtssystem einrichtet, das sich wiederum zur Bildung von Klassen und Schichten missbrauchen lässt. Strukturell ist offenbar keine Form der Gesellschaft in Sicht, die das Recht des Stärkeren nicht fördert.

Wir hatten in den letzten Wochen gleich zweimal die Gelegenheit zu beobachten, was eine Unschuldsvermutung wert ist, vor allen wenn sie ausbleibt. Edathy war bereits als öffentliche Person vernichtet, ehe irgendwer wusste, was er überhaupt getan hatte. Juristisch ist ihm bis heute nichts nachgewiesen. Hoeneß wiederum wurde nachgestellt, ehe er verurteilt war, weil gewisse Publizisten die paar Tage nicht abwarten konnten, bis das zuständige Strafgericht sein Urteil fällte.

Alternative Lynchjustiz

Es geht hierbei um nicht weniger als die Verhinderung von Lynchjustiz. Die bürgerliche Gerichtsbarkeit hat mit der Unschuldsvermutung einen einzigartigen Schutz von Verdächtigen etabliert, der die einzig vernünftige Grenze genau an der Stelle zieht, wo der Unterschied zwischen Verdächtigen und überführten Tätern liegt. Diese Grenze zu akzeptieren heißt zivilisiert zu handeln. Sie zu missachten oder zu verschieben – was immer willkürlich ist – ist der entscheidende Schritt in die Barbarei.

Es muss nicht “der Staat” sein, in dessen Rahmen solche Rechtsprechung stattfindet, sie muss nicht “im Namen des Volkes” geschehen, aber es muss eine feste Instanz geben, die nach festgelegten Regeln allein dafür zuständig ist, ein Urteil zu fällen. Nach diesem Urteil steht fest, ob jemand Täter ist oder nicht. Danach erst darf er behandelt werden wie einer, und zwar in jedweder Hinsicht.

Feste Regeln, die nicht nach Laune oder abhängig von anwesenden Interessenten verändert werden können, gemeinhin als Gesetzgebung bekannt, sind wiederum eine Voraussetzung für solche Rechtsprechung. Grundzüge einer solchen Justiz kennt bereits das Altertum; die bürgerliche Gesellschaft hat dem mit der Gewaltenteilung, den Regularien zum Ablauf der Urteilsfindung und der Erklärung der Menschenrechte zivilisatorische Errungenschaften hinzugefügt, die ich für unverzichtbar halte. Es ist keine Einschränkung, sondern eine Aufforderung, dass einige der darunter gefassten Versprechen gern verwässert oder gleich mit Füßen getreten werden.

Vulgäranarchismus

Wo immer staatliche Ordnung zusammenbricht, kann man beobachten, dass Lynchjustiz zurückkehrt, Willkür und Grausamkeit aufziehen. Das Recht des Stärkeren, der größeren oder besser bewaffneten Gruppe setzt sich durch. Dies alles ist unabhängig davon, ob kapitalistische Strukturen vorherrschen. Auf der anderen Seite, das muss ebenfalls zur Kenntnis genommen werden, ist der Staat als solcher korrumpierbar, und zwar um so mehr, je größer die Machtballung ist, die er zulässt. Hierarchien, zentrale Macht und große Vermögen sind dabei eine Grundgefahr für jede Gesellschaft.

Die Konsequenz daraus muss sein, dass sich Gesellschaften Regeln geben. Diese Regeln müssen stabil sein, in einem zivilen Rahmen ausgeführt werden und auf einem breit verteilten Machtgefüge ruhen. Das bedeutet, dass u.a. die Verhinderung von Korruption eine Schlüsselfunktion in einer solchen Gesellschaft innehat. Nicht bloß “Staatsgewalten” müssen sich gegenseitig kontrollieren, sondern jede Form von Macht muss eingeschränkt werden. Es darf keine Herren und keine Sklaven mehr geben. Dies erreicht man u.a. durch die Umkehrung der politischen Zuständigkeit, von der Zentrale in die Region. Die Kommune ist die mächtigste Instanz, überregional wird nicht verfügt, sondern koordiniert.

Ich halte es nach wie vor für einen fatalen Fehler, die Rolle des Staates im Kapitalismus, in dem er als Diener des Kapitals fungiert, für eine Art Vulgäranarchismus theoretisch zu missbrauchen. Genauso wenig liegt mir an einem Staat, der das sozialistische Paradies reguliert. Wer aber ganz generell die Errungenschaften der Zivilgesellschaft aufgibt, weil sie historisch mit dem Kapitalismus verbunden sind, macht sich zum Handlanger der Barbarei.

Original Bild oben (bearbeiteter Ausschnitt): Immanuel Giel (by Wikimedia Commons), CC BY 3.0

 
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Bundesarchiv B 145 Bild-F065187-0032, Bonn, Pressekonferenz der Grünen, Bundestagswahl

“Ein Pessimist ist ein Optimist, der nachgedacht hat.” Dieser Satz ist umso wahrer, je mehr man weiß und erfährt, auch die Dinge an sich heran lässt, die man lieber nicht wissen will. Die Ironie des Satzes weist darauf hin, dass er nicht einfach Werbung für Depressionen ist. Im Gegenteil ist er Ausdruck jenes Humors, der den nachdenklichen Optimisten vorbehalten ist. Sind wir schon tot? Nein? Dann ist ja noch nicht alles schiefgegangen.

Es macht keinen Spaß mehr? “Tiefes Misstrauen” legt sich wie Gewitterwolken über die politischen und privaten Verhältnisse? Ich kann sehr gut nachempfinden, was Vera Bunse da beschreibt. Ich gebe mich dem aber keinen Meter hin, gerade weil sie recht hat. Wenn die Paranoia unumgänglich ist, muss man der Paranoia halt die komische Seite abringen.

Machen wir uns nichts vor – ja richtig, genau das ist das Problem, dass wir uns nichts vormachen, während sich fast alle anderen willig eine Beruhigungspille nach der anderen servieren lassen, um alles aufzuhübschen, was das Gemüt trüben sollte: Totalüberwachung, Armut per “Sparprogramm”, Unruhen, Kriege. Was wir erfahren haben über Maß und Art der Bespitzelung stellt die Stasi weit in den Schatten. Alles im Namen der Völkerfreundschaft gegen den Terrorismus. “Na und?”, sagt der Spontanoptimist, “Morgen kommt des neue Eifon raus. Muss ich unbedingt haben!”.

Nichts Neues an der Front

Aber machen wir uns auch auf der anderen Seite nichts vor: Wir sind nicht die Ersten und nicht die Letzten, die wissen, was die Masse nicht wissen will, die hinschauen, wo andere nichts gesehen haben wollen. Ähnliche Erfahrungen finden sich noch in jüngster Vergangenheit.

1949 wurde die BRD gegründet als ein Staat, in dem die Nazis sprichwörtlich massenhaft ihre Karrieren fortsetzen durften. Industrielle, Politiker, Richter, Lehrer, Polizisten – beinahe alle Kollaborateure und Täter eines unfassbaren Massenmordes hatten ihre Jacken gewendet und durften weitermachen.
Derweil ging mit der DDR ein Hilfsregime von Moskaus Gnaden an den Start, dem das eigene Volk derart suspekt war, dass es von vornherein ein dichtes Netz von Spitzeln und politischer Polizei knüpfte.

Die Situation in den 60er Jahren in der BRD war geprägt vom widerlichen Muff, der sich zwischen dem neuen Sofa und der handbestickten Decke etabliert hatte. Nazirichter sprachen “Recht” über verbotene Kommunisten. Alte Gestapo-Schergen bauten neue Geheimdienste auf. Wehrmachtstäter wurden wiederbewaffnet. Eine demokratische Kontrolle dieser Prozesse fand nicht statt. Wozu auch? Es gab Konsumgüter reichlich und erschwinglich. Es gab realen Zuwachs an materiellem Wohlstand. Es gab gefühlte Freiheit in nie bekannten Dimensionen. Wen interessierte da die Rückkehr der Nazis in die ‘Sicherheitsdienste’? Das war 50 Jahre vor Edward Snowden.

Die nächste Runde

Entgegen aller Voraussagen erhob sich eine Generation gegen die Alten, die den Holocaust zwischen Beichtstuhl, Amnesie und Geschäftigkeit im Wirtschaftswachstum haben aufgehen lassen wie zuvor den Rauch aus den Krematorien. Dabei waren zunächst alle, nicht zuletzt die Medien, gegen jene Student/innen, die ihnen den Massenmord ebenso wenig durchgehen ließen wie ihren neuen ‘Freunden’ die Napalm-Angriffe auf Dörfer in Vietnam. Was folgte, hat die Oberfläche der Republik durchgeschüttelt wie ein schweres Erdbeben. Mehr allerdings auch nicht, denn die Helden von 68 wurden bei ihrem Rutsch durch die Institutionen zu willigen ‘Leistungsträgern’ umprogrammiert.

In der DDR kam der vorläufige Wandel Ende der 80er Jahre nicht minder überraschend. Binnen weniger Jahre brach ein Regime zusammen, das alle Register der Reaktion gezogen hatte, um sich an der Macht zu halten – vergebens. Es wurde hinweggefegt, aber auch diese Bewegung wurde vom großen bunten Konsumautomaten neutralisiert. Nur die gnadenlose Spitzelei des alten Regimes scheint überlebt zu haben, unter neuen technischen Voraussetzungen, unauffälliger und viel raffinierter gemacht.

Also was? Alles vergeblich? “Ja”, antwortet der Pessimist. Da er aber auch an dieser Stelle nicht aufhört nachzudenken, kommt sogleich der Optimist in ihm zum Vorschein. Auch heute ist nicht das Ende der Geschichte, und in der nächsten Runde sind wir wieder dran!

 
Nein, auch ich kann Sebastian Edathy nicht leiden. Spätestens nachdem er seine Möglichkeiten dazu eingesetzt hat, eine Journalistin mundtot zu machen, die ihn als Vorsitzenden des Innenausschusses zur Überwachung von Paketen durch US-Behörden befragt hatte. Damals nannte man das übrigens noch einen “Datenschutzsskandal”. Heute glaubt niemand mehr an Datenschutz, und vor dem Hintergrund der Enthüllungen Snowdens macht sich das aus wie ein müder Scherz.

Edathy hatte sich bis zur Untersuchung der NSU/Verfassungsschutz-Sache auch immer nur als Holzschnitt eines Innenpolitikers Präsentiert: Für Überwachung (Vorratsdatenspeicherung), alle Rechte den Strafverfolgungsbehörden! Gern trat er mit der in der Charge nicht unüblichen Arroganz auf. Als er dabei erwischt wurde, wie er auf seinen Facebook-Account urheberrechtlich geschützte Bilder verwendet hatte, quittierte er dies mit einem fröhlichen “Leck mich”. Ein Unsympath ersten Ranges.

Als die SPD beinahe kritisch war

Tatsächlich war ich überrascht, dass er im Untersuchungsausschuss deutliche Worte fand. “Das war eines Rechtsstaates unwürdig“, meinte er und und warf den Sicherheitsbehörden multiples und “historisch beispielloses” Versagen vor. Dies in jenem Wimpernschlag der Geschichte, als man der SPD beinahe so etwas wie eine kritische Haltung abnehmen wollte – Thomas Oppermann veröffentlichte bekanntlich das Bild von der komplett geschwärzten Akte.

Ausgerechnet jetzt finden ausgerechnet jene Versager bei ausgerechnet Edathy also “Kinderpornographie”. Ich sehe das im Groben zunächst einmal genau wie Fefe, der schrub:

Mir ist Edathy aber nie als jemand aufgefallen, der aktiv gegen die Dienste arbeitet. Der hat immer nur gefordert, was sich gerade nicht mehr vermeiden ließ. Daher glaube ich das erstmal nicht. Aber das Timing ist durchaus auffällig.”

Etwas anderes finde ich noch wesentlich auffälliger, nämlich dass “aus Ermittlerkreisen” mithilfe der wie immer heillos geschwätzigen Presse kolportiert wird, es handele sich um “einen minderschweren Fall“. Was zur Hölle soll das sein? Hat er ein Handtuch über den Monitor gelegt? Hat er die “Kinderpornographie” nur kurz ausgeliehen? Ist er nur Gelegenheitspädophiler?

Fall eröffnet, Mann erledigt

Nein, Edathy ist vernichtet, wenn er nicht seine Unschuld beweisen kann. Man hat ihm aber angedeutet, dass man ihn vorläufig nicht in den Knast bringen will. So lese ich das. Vernichtet wurde der Mann durch Vertreter jenes Konglomerats von Erpressern, Versagern und Geheimpolizisten, denen er die Leviten gelesen hat. Sollte ihm das also nicht untergejubelt worden sein, ist er eh erledigt. Falls doch, weiß er jetzt, dass sie das jederzeit steigern können. Vor allem aber: Es ist egal, ob etwas dran ist. Jemand hat beschlossen, ihn jetzt abzuschießen. Woher die ‘Informationen’ kommen, ob es nicht bloß eine Denunziation ist, wer soll das beurteilen?

Niemand kontrolliert die Datenströme aus der Jauche deutscher Behörden, die in einer mutigen Überbietung Orwellscher Sprachvergewaltigung auch noch “Aufklärer” genannt werden. Wie so oft zeigt sich, dass die Struktur dazu angelegt ist, unmittelbar vernichtende Macht auszuüben: Geheim werden Daten gegen jemanden gesammelt, die dann von Komplizen aus der Presse, die das Wasser nicht halten können, ausgeplaudert werden. Fall eröffnet, Mann erledigt. So einfach ist das.

Als kritischer Beobachter sieht man sich einmal mehr in der verzwickten Situation, entweder über eine Verschwörung zu spekulieren oder den ‘Sicherheitsbehörden’ zu glauben. Wem Letzteres noch gelingt, der muss völlig taub sein um die Nase. Der Gestank ist längst unerträglich.

Neusprechdünnschiss wohin das Auge blickt: “Initiative ergreifen” nennen die Stürmer-Poeten von heute, was einst “Angriffskrieg” hieß, Menschen Abschlachten ja schon lange “Verantwortung übernehmen”. Eingebettet in die NATO, deren Geheimpolizeien den Marschbefehl jeweils ihren frisch erpressten politischen Pappkameraden zur Unterschrift vorlegen. Verschwörungstheorien, ja sicher! Powell hat nie die UNO belogen. Saddam, Gadhafi, Assad – sie hatten alle Massenvernichtungswaffen. Al Qaida bedroht uns am Hindukusch und in Mali, und die Piraten, die vor Somalia statt der ausgerotteten Fische eben Schiffe fangen, nehmen uns die Freiheit. Man sollte viel mehr Verantwortung übernehmen und Initiative zeigen – gleich beim Handlanger von nebenan.

Update: Großbritannien schafft die Pressefreiheit endgültig ab. Die Polizei soll nach einem Gesetzentwurf dort künftig jedwede Daten und Unterlagen von Journalisten beschlagnahmen dürfen. Dazu reicht eine geheime Anhörung. Die marktkonforme Demokratie walzt alles nieder, was ihrer ‘Sicherheit’ vermeintlich im Weg ist. Es wird von Tag zu Tag dramatischer.

 
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Konstanze Kurz und Frank Rieger haben in der FAZ ein sehr wichtiges Thema angerissen: High-Tech Waffen, dort etwas reißerisch “Killerroboter” genannt. Der Artikel streift alle wichtigen Aspekte, ich möchte aber den Fokus etwas anders setzen und damit auf Folgen aufmerksam machen, die m.E. aktuell gerade fatal sind. Im Artikel wird dies durch den Satz skizziert:

Militärs und Geheimdienstler schaffen Fakten, weitgehend unbeeinträchtigt von politischer und demokratischer Kontrolle“.

Der gelebte Albtraum

Das genau ist der gelebte Albtraum, auf den wir zugehen, ein weiterer Fall für das, was ich “Theorie der Verschwörung” nenne. Die Strukturen sind von der Art, die jene Sicherheitsdienste und Geheimpolizeien, die sich ihrer bedienen, selbst ausdrücklich “konspirativ”, also verschwörerisch nennen. Während auf der einen Seite – dort ganz öffentlich – Legalität unterwandert wird durch schriftliche Verabredungen, die gegen die Verfassungen verstoßen, auf denen sie letztendlich fußen, wird in der Praxis zunehmend geheim gehandelt. Der Einsatz von Hightechwaffen und Überwachungstechnik bringt genau das mit sich: Es entfällt sowohl die staatliche Kontrolle als auch die der Öffentlichkeit.

Die Geheimniskrämerei, einhergehend mit Datenmissbrauch und Willkür, findet dabei vielschichtig statt. Der Drohnenangriff geschieht auf Basis geheim erhobener Daten und deren Auswertung durch geheim operierende Dienste, um nach der einsamen geheimen Entscheidung eines Einzelnen oder kleiner geheimer Gremien zum Einsatz zu kommen. Dies ist schlimmer als jede Verschwörung, denn es pervertiert die Basis der Macht, die den Entscheidern verliehen ist: Diese verlangt Gewaltenteilung, gegenseitige Kontrolle, öffentliche Rechtfertigung und die Einhaltung der Grundrechte. Jede einzelne dieser grundlegenden Anforderungen an einen demokratischen Rechtsstaat wird ins Gegenteil verkehrt.

Geheimpolizei vs. Öffentlichkeit

Dabei ist der Einsatz der Technik der letzte Schliff. Es tötet kein Mensch mehr, es irrt auch nicht der Mensch. Es sind Maschinen, gelenkt durch Daten, in Betrieb gesetzt aufgrund einer Datenlage. Auch deshalb ist es so eminent wichtig, die Erhebung, Verarbeitung und Weitergabe von Daten zu einem Politikum höchster Priorität zu machen. Nur radikale Öffentlichkeit kann hier Kontrolle ermöglichen. Es fällt eine weitere Schranke, wenn nicht einmal mehr Soldaten und ihre Angehörigen wissen, wer wo wie gegen wen kämpft. Das Ergebnis sind eben unkontrollierte geheime Zirkel, die über erschreckende Macht verfügen. Von der klassischen ‘Verschwörungstheorie’ unterscheidet diese Struktur entscheidend, dass es völlig egal ist, wer über diese Ressourcen verfügt.

Es braucht keine Freimaurer, Juden oder Aliens, die sich zusammenrotten, um die Geschicke der Welt auf magische Weise im Geheimen zu lenken. Es folgt vielmehr einer militaristischen Logik, die sich zwischen der Anwendung einer entmenschten Technik und der angeblichen Notwendigkeit zur Unterhaltung von Geheimpolizeien von selbst entfaltet. Wenn man solche Strukturen billigt, führt das zwangsläufig zur Ausbildung solch albtraumhaft “konspirativer” Mächte. Um nichts weniger geht es im Kampf der Geheimpolizeien gegen Edward Snowden: Soll es künftig noch eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit geben oder nicht? Ohne Öffentlichkeit aber wird es keine Kontrolle mehr geben.

 
rautchauck

Das Personal ist unfähig, korrupt, gekauft, dumm, dreist und unqualifiziert. Flächendeckend. Nehmen wir einmal diese “Regierung” von Rauten-Chucky und Siggi Klops. Hatten wir kürzlich schon:

Der “Geheimdienstkoordinator” (CSU) hält alles für kriminell, was die Privatsphäre schützt. Der Innenminister ist der alte aus dem Sachsensumpf, die Kriegsministerin kommt aus einer Staatsterroristenfamilie. Ihre neueste Idee: die Bundeswehr zu einem “kinderfreundlichen Unternehmen” umzugestalten. Kommt natürlich darauf an, wessen Kinder. Die bei Drohnenangriffen oder Clusterfuckbombeneinsatz explodierten wird sie nicht meinen. Eher die der “Schutzengel in Afghanistan“, jener Brunnenbohrer, die befördert werden, wenn sie hunderte Zivilisten ermorden lassen. Man muss das alles wohl im Zusammenhang sehen. Es ist ja für das Gute in der Welt.

Das Gute? Ja Richtig, Arbeitsplätze®, denn Arbeit und Freiheit, das ist quasi eins. Arbeit, das heißt seinen Platz zu finden, die Hellgrünen oben und die Dunkelgrünen unten und überhaupt jeder, wo Gott ihn hingestellt hat. Der Herr Bundespräsident, gebenedeit von Gnaden der klerikal-neoliberalen Liga von Olivrün bis Schmutzigschwarz, lobt ganz folgerichtig Neoliberalismus und Wettbewerb®, ganz wortwörtlich. Kritik daran ist “unredlich“.

Nur weil es so schön passt, nicht weil noch relevant, sei ergänzt, dass die neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung ein sehr entspanntes Verhältnis zum Schnaps hat. Die nehmen wir! Sie ist ja auch von der CSU, der die Besten dieser Besten entspringen. Die können es sich sogar leisten, nach dem falschen Doktor einen falschen Doktor ins Rennen zu schicken. Wie kann sie das? Mia san mia, und drauf gschisse!

Ohne Worte

So what? Genau! Es ist wumsegal. Sie hauen uns Versatzstücke einer hirntoten Ideologie um die Ohren, loben sich, die Ihren und was sie an der Quelle hält, nehmen von den Armen, schanzen sich Pöstchen und Aufträge zu und rülpsen gelegentlich in die Mikrophone, warum das alles seine Richtigkeit hat. Das ist dann noch gnädig, denn dass sie überhaupt noch zum Plebs sprechen, keine Selbstverständlichkeit. Der hat sich gefälligst zu fügen.

Das gibt es übrigens nicht nur in Bayern und bei der Bleiernen. Iwo. Auch bei den weniger Erfolgreichen, wo die Faulen mit den ganzen Schulden wohnen, klammert sich ein klebriges Konglomerat von Charaktermaden an die Macht. Dort brodelt es hingegen gewaltig, wie hier in den Kommentaren (wirklich äußerst informativ, was dort zusammengetragen wird) zu lesen ist. Hört man sonst nirgends etwas von. Ist das nicht komisch?

Die Ruhe im Lande verdankt sich nicht bloß der Aussichtslosigkeit. Es ist nicht nur, dass niemand ein überzeugendes Gegenmodell hat und die Erinnerung daran, dass es nicht einmal in der DDR schlechter war, nur Verwirrung stiftet. Es ist vor allem das ungläubige Staunen, dass es da eigentlich nichts mehr zu sagen gibt. Mit uns sprechen sie schon lange nicht mehr. Zu uns auch nicht. Zugehört haben sie ohnehin nie. Was soll man dann erreichen, mit Worten? Und wenn nicht mit Worten, womit dann?

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