Etwas ziemlich Visionäres habe ich auf den Tag vor sieben Jahren geschrieben, ich wiederhole mich daher mit aufgeschlagenem Rad:
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Sie haben sie nicht alle, aber sie kriegen sie! Eine weitere Idee zur aktiven Abschaffung des Datenschutzes ist die europaweite Datenbank für Fingerabdrücke, eine bunte Sammlung von Daten, die “in einer einzigen, gigantischen europaweiten Datei die Fingerabdrücke aller Personen speichern [soll], die Gewaltverbrechen oder terroristischer Aktivitäten verdächtig oder überführt sind”.
Sortieren: Nicht die Datei ist europaweit, sondern die Daten werden europaweit erhoben und abgerufen, und es wird auch keine Datei werden, sondern eine Datenbank. Letzteres ist nicht nur ein technisches Detail, sondern höchst relevant, da man gleich noch DNA und sonstige Daten reinpacken kann, ohne großen Mehraufwand. Wer würde dann übrigens darauf wetten, daß es bei “europaweit” bleibt, zumal bei einer derartigen Verbreitung der Missbrauch vorprogrammiert ist.
Jeder ist verdächtig
Unter solchen Bedingungen ist Datenschutz schlicht unmöglich. Das Beste an der Sache kommt aber im SpOn- Artikel zu kurz: Die Zusammenfassung der Daten von Tätern und Verdächtigen. Böse Zungen mögen sagen: “Zwischen Verdacht und Täterschaft liegt immer nur ein überzeugendes Verhör”. Aber tatsächlich steckt mehr dahinter: Zunächst wird es einige Unschuldige treffen, die ein bisschen schikaniert werden, vielleicht ihren Job verlieren oder sonstige Unannehmlichkeiten zum Wohle der Sicherheit hinnehmen müssen.
Auf lange Sicht aber wird sich herausstellen, dass so viele Menschen verdächtig sind, dass man sie gar nicht mehr verfolgen kann. Die Strafverfolgung wird dem entsprechend ineffizient, es werden daher noch mehr Daten erhoben, die zu noch ineffizienterer Strafverfolgung führt etc.. Die Wahrscheinlichkeit, verhaftet zu werden, wenn eh erst mal alle in der Datei stehen, ist recht gering. Und den “Terroristen” geht’s dabei am besten. Die kriegt nämlich keiner, und ihr Ziel ist erreicht: Einen Rechtsstaat europäischer Prägung wird es dann nicht mehr geben.
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Die Symptome waren schon erkennbar, bevor Doc Snowden den ganzen Befund und damit die Diagnose geliefert hat. Es gibt eine Logik des Terrors – sogenannter ‘Sicherheitsdienste’, die man recht verlässlich anwenden kann. Eine angewandte Theorie der Verschwörung führt also durchaus zu korrekten Analysen und ermöglicht zutreffende Prognosen. Man muss wohl – so wie sich die Dinge inzwischen offenbaren – obendrein noch vom Schlimmsten ausgehen und annehmen, dass die Befürchtungen für die Zukunft bereits Gegenwart sind.
März 17th, 2014 at 18:59
Wenn alle verdächtig sind, dann gibts auch keine Unterschied mehr zwischen verdächtig und nicht verdächtig.
Dann befinden wir uns doch in einem gesellschaftlichen Raum, wo die Gleichheit zwischen den Menschen endlich hergestellt ist, im Sozialismus der Verdächtigen.
März 17th, 2014 at 20:54
@zu spät
“Dann befinden wir uns doch in einem gesellschaftlichen Raum, wo die Gleichheit zwischen den Menschen endlich hergestellt ist, im Sozialismus der Verdächtigen.” Treffer! Ich weiß nich, ob ich lachen oder weinen soll, schwanke noch, ma hören was die Kollegen Kommentators so sachen.
März 17th, 2014 at 21:12
Lachen wäre mir schon ein wenig lieber!
März 17th, 2014 at 22:14
“…Baroness Ludford, von den Liberalen Demokraten, nannte das Project schlicht “Euro Big Brother”…..”(SPON Link)
Ach so, die Baroness…….Volksverrät-äh -vertreter soweit das Auge liest.
Kostet immer mehr Überwindung diesen glattgebügelten Mist von irgendwelchen Pseudo-Kritikern und Möchtegern-Skeptikern zu lesen.
@Vogel
Wenn ich die Wahl habe, bin ich ungedingt für weinen!
Und zwar alles was die Tränenkanäle hergeben!
Update: “Unter solchen Bedingungen ist Datenschutz schlicht unmöglich.”
Datenschutz? War der mal irgendwann wichtig?
März 17th, 2014 at 22:25
“und es wird auch keine Datei werden, sondern eine Datenbank. Letzteres ist nicht nur ein technisches Detail, sondern höchst relevant”
Nicht ganz, auch wenn ich verstehe worauf du hinauswillst.
In den Anfängen der IT und vor allem im Amtsdeutsch hat man bisweilen Datei gesagt, wenn nach heutigem Verständis eine Datenbank gemeint ist/war (Ursprung des Wortes: Daten+Kartei, Englisch “file” kann auch eine Datensammlung meinen…).
Natürlich kannst du auch die ganze aus x Tabellen bestehende Datenbank wiederum in einer einzelnen Container-Datei haben ;)
Der Knackpunkt an der ganzen Angelegenheit ist die Möglichkeit, das Ding ohne Probeme von zig Behörden abfragbar/einsehbar zu machen, unabhängig davon in welcher Form auch immer das technisch umgesetzt wird. Am besten noch online ohne HTTPS/VPN oder sowas.
Und hier graust es mir zum einen vor den Begehrlichkeiten die dadurch geweckt werden, zum anderen davor, dass soetwas garantiert unzureichend geschützt werden wird.
Und wenn man dann noch bedenkt, dass sie sich sogar intern bespitzeln: Schnüffelskandal im BKA da glaubt man bestimmt daran, dass alle Daten immer nur legal um zum Besten der Bevölkerung eingesetzt werden werden….
März 17th, 2014 at 22:47
OT: Handstreich im Bundestag – so einfach geht das. (via NDS)
http://tinyurl.com/ox2kvtz
März 18th, 2014 at 00:00
@Seb: Danke für den (historischen) Hinweis. Ein Bug war auch mal ein echter, anfangs lebender Käfer ;-) Man unterscheidet ja schon sinnvoll zwischen Datei, Ordner, Datenbank etc.. Natürlich könnte man theoretisch das Ganze auch in eine Excel-Tabelle oder noch einfacher parken, tatsächlich aber wird es ja eben in die entsprechende Zugriffs-Infratsruktur eingebettet.
Heute würde ich den Artikel eh anders schreiben, aber im Kern finde ich ihn korrekt.
März 25th, 2014 at 08:07
Ausgerechnet Geheimdienste übernehmen neuerdings mehr und mehr die Aufgabe, ‘demokratische Transparenz’ herzustellen. Zu ‘peak everything’ kommt ‘leak everything’, während die Schifflein eh schon langsam absaufen…?
März 28th, 2014 at 13:52
Diese unscheinbare Zweitverwertung ist übrigens der 2500. Beitrag. Ich gratuliere mir ;-)