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kollateralschaden


 
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Update ist Fortschritt, Update macht alles neu, Update ist Sicherheit. Unwissenheit ist Stärke, Krieg ist Frieden und Freiheit ist Sklaverei (wobei letzteres in Bezug auf den neoliberalen Begriff absolut zutrifft). Es entgleitet einem. Es hat mich schon oft genervt, wenn eigentlich intelligente Menschen mir suggerieren wollten, sogenannte “Updates” einer Software sorgten für “mehr Sicherheit”. Ja nee ist klar.

Allein auf einer Ebene stimmt das: Die jeweils bekannten und aktuellen Sicherheitslücken werden durch Updates meist gestopft. Nur ist das schon nicht “mehr Sicherheit” wie in “jetzt noch schwangerer“, sondern immer noch unsicher. Das größte Problem aber liegt ja ganz woanders.

Mit dem Update kommt ziemlich sicher das Upgrade. Manchmal gibt es das Eine nicht ohne das Andere, und selbst wenn, kennt der Normalverbraucher den Unterschied nicht. Der ist ohnehin von der Industrie auf dumm und gierig getrimmt, kann also gar nicht genug ‘Features’ bekommen, die die anderen ja auch alle haben. Klicki bunti Emoji wish swish blinki swoosh. Wer weniger hat, ist zweitausendachtzehn.

Von vorgestern

Treten wir einen Schritt zurück und fragen einen aus guten Gründen Konservativen, also mich. Ich weiß seit dreißig Jahren, wie Computer funktionieren und nach wie vor mehr über die Geräte, die ich selbst kaum benutze, als das Volk, das sich regelmäßig vor die Laterne streichelt, weil es Momo nicht gelesen hat. Die Grauen Herren schwärmen nicht mehr selbst aus; sie haben Glasbretter verteilt, in die Massen von Kommunikationszombies ihre Zeit freiwillig einfüllen.

Ja doch, ich schweife ab. Es ist derweil falsch, ich könne meinen Hass auf diese Technik und die soziale Entwicklung, die sie repräsentiert, nicht verbergen. Ich will es bloß gar nicht. Aber zurück zum Thema, das ja auch den guten ollen PC betrifft bzw. seine Datenorganisation. Was soll das?

Was ist die Kernaufgabe des Geräts? Texte schreiben, kommunizieren und lesen. Ggf. Medien verbreiten, womöglich einbinden. Noch gegebenerenfalls (hier sind wir allerdings bei den Profis) solche erstellen. Letztere lasse ich aus Gründen einer gewissen Übersichtlichkeit aus. Schließlich – ebenfalls durchaus auch professionell – die Organisation von Daten im Rahmen des Betriebes.

Leck’ mich

Das alles ging schon vor zwanzig Jahren auf einem Niveau, das sich seitdem kaum verbessert hat. Die Geräte bzw. der Datendurchsatz ist deutlich schneller geworden, wir geben uns allerdings die größte Mühe, das durch unsinnige Datenmassen wieder zu kompensieren. Alles wird derweil schwachsinnig komplex, befeuert durch Dilettanten, die nicht mehr wissen, was sie tun und Produkte, bei denen das auch gar nicht mehr möglich ist.

Skripte werden im Dutzend verschachtelt, Code automatisch erzeugt und durch weiteren automatisch erzeugten aufgebläht. Ab und an legt wer Hand an und repariert etwas an einer Stelle, das einem anderen an einer anderen auf die Füße fällt, der dann seinerseits dasselbe in rückwärts bastelt. Projekte werden mit Projekten verzahnt, ohne dass irgendwer einen Überblick hat, und wenn das nach dem tausendsten Update endgültig nicht mehr zu regeln ist, kommt spätestens die nächste Programmversion, mit der das Spiel von vorn losgeht (abgesehen von uralten Bugs, die wie magisch Jahrzehnte überleben).

Dafür kippen links und rechts immer mehr Programme und Geräte über den Rand, die unbrauchbar werden. Noch halbwegs verständlich, wenn sie wirklich veraltet sind und z.B. neuere Technik oder höheres Tempo nicht mitgehen können, offenbar aber auch oft, weil sie nicht sollen. Kauf neu, du User, nutzloses Viech! Nirgends zeigt sich krasser, wie den Leuten Nachhaltigkeit® am Arsch vorbeigeht. Und ehe ich mich jetzt eingehender mit Firefox befasse, belasse ich es an dieser Stelle bei einem Daten sparenden “Fuck You!”.

 
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Einer der erschütternden Belege für die politische Dummheit vieler Zeitegnossen ist die Illegalisierung von “Drogen” und die allgemeine Zustimmung dazu. Wer sich damit befasst hat, kennt die Horrorstories und Propaganda, die etwa zum Verbot von Cannabis geführt haben. Der sogenannte “War On Drugs”, die Verstrickung der CIA und illegale Drogen als Machtbasis Organisierter Kriminalität, das alles sind Binsenweisheiten. Würde man Drogen komplett legalisieren, die Welt wäre eine bessere.

Ich möchte aber heute einmal auf einen anderen Aspekt hinweisen, der die geifernden Urteile über Drogensüchtige betrifft. Anlass dazu ist die faszinierende Wirkung legaler Drogen und deren Suchtpotential. Vor allem ein Wirkstoff ist darunter, schon ewig bekannt und noch immer im Einsatz: Benzodiazepam, berühmt und berüchtigt durch das Präparat “Valium”; heute sind die Marktführer andere. Zumeist wirken die Probanden weggetreten, es ist aber auch eine ganz andere Wirkung beobachtbar:

Legal, illegal …

Es kommt in Fällen schwerer Depressionen und Angststörungen vor, dass verwirrte Patienten plötzlich klar werden und Affekte zeigen, die sonst in ihrer Gefühllosigkeit versinken. Wäre nicht das schwere Suchtpotential, man wäre geneigt, die Substanz über längere Zeiträume und täglich, ggf. mehrfach zu verabreichen. Aus Patientensicht ein Reiz, dem man leicht verfallen kann, wenn man sich das Mittel beschaffen kann.

Ein anderes Beispiel sind Jugendliche, bei denen ADHS seriös diagnostiziert wurde. Es kommt nicht nur in Einzelfällen vor, dass sie dem Standardmittel Methylphenidad (Ritalin, Medikinet, Concerta) eine andere Substanz vorziehen: THC, der Wirkstoff von Cannabis. Es ist vor allem nach Bedarf zu dosieren und hat offenbar angenehme Nebenwirkungen. Alkohol wiederum ist ein hoch wirksames Anxiolytikum (Angstlöser).

Dopeamin

Ebenso ist bekannt, dass die sog. “Borderline-Störung” regelmäßig mit dem Konsum illegaler Drogen einher geht. Es geht bei all diesen Substanzen um Wirkungen auf Botenstoffe im Hirn wie Serotonin und Dopamin, deren Stoffwechsel bei psychisch Kranken quasi offiziell als gestört gilt, während “Drogensüchtige” ohne Diagnose und durch den Schwarzmarkt versorgt unterwegs sind.

Das Bild, das Krethi und Plethi von Drogensucht haben, ist daher wie so vieles dem Hang zur Abwertung anderer Menschen geschuldet. Das fängt schon da an, wo sie glauben, eine Substanz mache süchtig. Richtig ist: Der Süchtige sucht sich seine Droge, weil er sie braucht, nicht umgekehrt. Sogenannte “Drogensucht” ist das Symptom einer Krankheit, nicht mehr und nicht weniger.

 
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Nachdem meine Frau und mein bester Freund das Zeitliche gesegnet haben, leidet die mir am nächsten stehende Person derzeit unter einer Episode schwerer Depression. Der Puppenspieler, der hier den Säzzer tanzen lässt, taumelt demnach selbst über dem Abgrund, was nichts Neues ist. Mir scheint die Sonne aus dem Arsch, womit der Homestory genüge getan sei, aber es geht mir um das größere Bild:

Es ist nicht nur so, dass psychische Erkrankungen, vor allem Depression und ‘Burnout’, durch die gesellschaftlichen d.h. ökonomischen Bedingungen massenhaft verursacht und verstärkt werden. Stress, Leistungsdruck, Selbstdarstellung und Statusdenken halten alle und jeden unter permanentem Druck. Wer dem nicht mehr standhält, ist darauf getrimmt, sich selbst zu beschuldigen und seine Ängste gegen sich selbst zu wenden.

Versager, Parasit

Du hast versagt. Du bist nicht gut genug. Du bist ein Stück Dreck und hast dein Leben nicht verdient. Liegst anderen auf der Tasche, bist zu faul zum Aufstehen und lässt dich wochenlang krankschreiben, obwohl du gar nichts hast. Du bist genau der Typ Schmarotzer, für den Hartz IV erfunden wurde und lässt dich nicht einmal aktivieren®. Diese Gedankenwelt saugt ein Depressiver auf wie ein Schwamm.

Aber damit nicht genug. Der Kapitalismus hat die menschlichen Beziehungen schon auf der Ebene der permanenten Beurteilung zerstört. Seine Arbeitsteilung unter absoluter Priorität der Verwertung von Produktion und Dienstleistungen hat auch die Stützfunktionen im persönlichen Umfeld vernichtet. Wer hat Zeit für psychisch Angeschlagene? Wer kümmert sich um die, die es wirklich nötig haben? Dazu hat niemand die Zeit. Du kannst weder dem Arbeitgeber® noch der Behörde sagen, du müsstest gerade ein Leben retten. Da kann ja jeder kommen.

Was übrig bleibt, ist eine Infrastruktur von Fachleuten, bürokratisch verrammelt, für akut Erkrankte nicht zu bewältigen und personell so unterbesetzt, dass der Begriff “Versorgung” für psychisch Kranke purer Zynismus ist. Das wird gern übersehen in dieser Sklavengesellschaft mit ihren unsichtbaren Ketten: Es braucht keine Peitsche und keinen Galgen. Wer nicht spurt und funktioniert, richtet sich selbst.

 
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Mir fällt kein Thema ein, das alles irgendwie ‘Linke’ halbwegs in dieselbe Richtung bewegen könnte, wie das, was als “Wohnungsnot” bekannt ist. Wohnen ist nicht nur “Menschenrecht”, es ist so absolut selbstverständlich, dass eine Gesellschaft, die das Recht, sich irgendwo ein Dach über den Kopf zu leisten, infrage stellt, sich eigentlich mit einem Knall ins Weltall verabschieden müsste.

Schon, dass wir von “Recht” sprechen müssen, ist vielschichtig falsch, denn Tatsächlich geht es um das Gegenteil. Es soll Menschen verboten werden zu wohnen. Der Grund, auf dem ihr Haus steht, die Wände, das Dach, das alles gehört irgendwem, und dessen Recht ist es, darüber zu verfügen. Was ist das für eine Welt? Wenn es dem Eigentümer gefällt, Grund und Häuser zu kaufen, um beides verrotten zu lassen, dann erfährt er dafür jeden Schutz durch Behörden und Polizei.

Dies spielt sich nicht zufällig ab in Gebieten, in denen besonders vielen Menschen verboten wird zu wohnen, wo sie wohnen. Sie haben einfach nicht die Mittel, um die Profiterwartungen der Eigentümer zu befriedigen. Selbst wem es bereits in Fleisch und Blut übergangen ist, man müsse ‘bezahlen’ für ein ‘Recht’ auf Wohnung, kann das nicht mehr gutheißen. Wenn Menschen ohne rationalen Grund massenhaft auf die Straße gesetzt werden, muss man einschreiten. Sogar meine Freunde, die Sozialdemokraten.

Mehr als alles

Deren Vertreter aber unterstützen nicht bloß ein System, in dem das Recht auf Profit höher angesiedelt ist als das zu leben. Sie halten es für erstrebenswert, “bezahlbaren Wohnraum” zu schaffen – solche Kapitalprojekte also, in denen das Maximum aus den Abhängigen gequetscht wird, aber eben nicht mehr als das Maximum. Dazu geben sie seit Jahrzehnten den Profiteuren Geld, damit diese noch mehr Profitobjekte schaffen. Wie durch ein Wunder hat dies die Probleme aber Jahr um Jahr nur vergrößert.

Was da also in den Parlamenten sitzt, hat wie immer kein Interesse an Veränderung. Darüber reden – ja sicher, und so tun als ob – na klar! Dennoch fliegen Hunderttausende raus, aus ihren Wohnungen, ihren Stadtteilen, ihrem Leben. Jeden Tag erleben die Opfer dieser Praxis ihre dramatischen Niederlagen. Selbst schuld, weiß der Experte für Eigenverantwortung, sie könnten sich ja besser qualifizieren, mehr verdienen und sich mit mehr Erfolg für die Eigentümer krummlegen.

Der Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit dieser Gesellschaft, Recht als Unrecht, bizarr falsche Prioritäten, Opfer als Täter, Täter als Opfer – auf diesem Spielfeld ist das alles zum Greifen nah. Kapitalismus, der seine falschen Versprechungen mit äußerster Brutalität bricht und offenbart, welchen Wert die Grundbedürfnisse von Kindern, Alten, Jungen, Frauen und Männern haben. Man muss kein Revolutionär sein, um dagegen mit allen Mitteln aufzubegehren. Ein wenig Gefühl für Anstand würde reichen.

 
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Der Begriff “Heimat” oder Abwandlungen davon gehören definitiv in die politische Debatte – wobei mir weniger aufgeladene Synonyme lieber wären. Den Kern der rechten Heimatbesoffenheit bildet aber durchaus eine Kritik – ein sich Abgrenzen von dem, was Politik mit unserem Zuhause anstellt. Das kann wütend sein oder kitschig, rückwärtsgewandt und fremdenfeindlich; es kann aber auch bedeuten, dass man sich für das Bedürfnis nach einem Minimum an Ruhe und Geborgenheit einsetzt, das niemandem mehr bleibt, wo der Kapitalismus die Menschen zu reinen Funktionsträgern degradiert.

Ich habe neulich noch die Geschichte gehört von einem Fußballprofi, es mag in den 70ern gewesen sein, der im Stahlwerk gearbeitet hat und dort auch gar nicht weg wollte. Vielleicht ebenfalls eine Legende, aber es deutet an, was sich hinter dem Komplex “Heimat” verbirgt. Man gehört dazu. Man kennt sich aus, hat sein Standing, ist ein Teil davon. Man wird geboren, lebt und stirbt irgendwo. Niemand macht es einem streitig. Dafür stellt sich mancher sogar freiwillig vor einen Hochofen.

Dazugehören

Es war in früheren Jahren den Karrieristen und bestimmten Berufen vorbehalten, geschäftlich nicht nur unterwegs zu sein, sondern auch regelmäßig den Wohnort zu wechseln. Diesen Deal konnte man eingehen oder nicht, die Meisten betrafen derlei Möglichkeiten gar nicht. Nomadentum (und Monadentum; Witz für Auskenner) war ein selbst gewähltes Schicksal, das mit höherem Einkommen vergolten wurde, und selbst diesen Menschen blieb die Möglichkeit, irgendwann zurückzukehren. Man hatte gemeinhin einen Beruf, einen Betrieb und Kollegen, die man kannte.

Inzwischen verlangt uns die große Maschine längst totale Mobilität ab, und zwar ohne Gegenleistung. Im Gegenteil wird gerade den Arbeitenden Armen vorgeschrieben, was sie zu arbeiten haben, wohin sie dafür zu gehen haben und dass sie das auch gegen minimale Bezahlung müssen. Wer in einer Großstadt wohnt, die nicht gerade verkommt, wird aus der Innenstadt vertrieben, und selbst an den Stadträndern arbeitet man hauptsächlich für den Vermieter. Wer dieses Elend noch nicht erlebt, der weiß, dass es ihm droht. Das ist Gesetz, das sagt sogar die Partei für Soziale Gerechtigkeit®.

Millionen hinterlässt das frustriert, wütend, ängstlich und mit dem diffusen Bedürfnis nach ein bisschen sozialer Sicherheit. In dieses Bedürfnis grätscht die Rechte mit Bildern von stolzen Deutschen in schöner Landschaft hinein, die sich gegen die fremde Bedrohung wehren. Diese wiederum hat eine Hautfarbe. Das ist konkret, das kann man anfassen, darin kann man Frust und Wut kanalisieren. Was es nicht kann, ist die Wirklichkeit begreifen und die Bedürfnisse auch nur annähernd real befriedigen.

Welches Problem?

Die Linke hat hier überhaupt keine Konzepte. Die pseudolinken Kinder der besser situierten Mittelschicht kämpfen für eine ideale Welt, in der ihre Probleme durch Vorschriften und Verbote gelöst werden sollen. Diese Probleme betreffen die überwältigende Mehrheit der Menschen gar nicht. Zu den Bedürfnissen der Mehrheit aka Unterschicht, die sich in den o.g. Bildern und Scheinlösungen äußert, fällt ihnen schlicht überhaupt nichts ein. Dabei wären gerade regionale Konzepte, greifbare Solidarität und ein konkretes Miteinander eine politische Ebene, auf der man etwas bewegen kann, und zwar nachhaltig.

Was fehlt, sind sowohl Ideen als auch vor allem Organisationen. Arbeitervereine, Gewerkschaften, Betriebsräte, waren darauf angewiesen, dass sie vor Ort und allgemein abbildeten, was sich in der Unterschicht tat. In einer Welt voller Betriebe mit festen Belegschaften waren sie eine Macht. Als Tarifdealer in einer abstrakten Arbeitswelt, in der sich niemand mehr (aus)kennt, sind sie nur ein Rad unter vielen. Ihre Vertreter wohnen auch nicht mehr nebenan, sie haben ein Büro in der Stadt.

Es braucht gegen den Druck in die Vereinzelung neue Formen der Begegnung und der sozialen Bindung. Man muss sich treffen und miteinander sprechen. Der Trend geht hingegen in die Eiswüste einer Isolation, die uns als “Digitalisierung” auch noch wie ein Segen verkauft wird. Die Pseudolinken verbieten derweil das Rauchen in Kneipen, damit die Asis in ihren Käfigen bleiben. Ich ahne dennoch in diesem Sog einen Ansatz zum Gegenteil. Wir können nicht allein leben. Diese Einsicht bricht sich auch und gerade Bahn im Gedusel um “Heimat”. Ein Gegenkonzept muss Formen gegenseitiger Fürsorge anbieten, die nicht in “Sozialreformen” besteht, sondern in konkreter gegenseitiger Unterstützung.

 
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Es fehlt eine Wissenschaft, eine ganze. Ich habe mich gefragt, was etwa von Internet der 90er Jahre heute noch übrig ist. Die Frage ist nicht einfach, schon gar nicht beantwortet mit Schlaumeiereien wie “Es gibt doch die Wayback Machine!”. Eine passende Meldung gab es neulich: Die Bibliothek des US-Kongresses hat das Archivieren von Twitter eingestellt. Es werden einfach zu viele Daten.

Der unter dem Bingobuzzword “Big Data” gehandelte Vorgang, riesige Datenmengen nach schlauen Algorithmen zu filtern, hilft hier nur bedingt bis gar nicht. Man stelle sich vor, in vierzig oder hundertvierzig Jahren möchte sich jemand darüber informieren, was in einem der wichtigsten Medien der Menschheit kommuniziert wurde. Autsch. Gibt es überhaupt schon Ansätze für eine Systematik, nach der man heute Daten archivieren kann? Ressourcen dafür?

Datum transit, scripta manent

Während wir total überwacht werden, dürfte es schon (nahezu) unmöglich sein, ein ungefähres Bild, eine Karte, zu zeichnen von der Vernetzung Mitte der Neunziger. Ist noch etwas davon zu bergen? Wir reden hier von einer Zeit, in der solche Verbindungen noch übersichtlich waren. Wie ist es heute, in einer Zeit, in der Milliarden Menschen das Netz nutzen? Ist es Fluch oder Segen, dass die meisten Verbindungen inzwischen über Datenkraken wie Google und Facebook stattfinden? Gehören denen diese Daten wirklich? Dann haben sie nicht zuletzt die Hand an der Klospülung der Zeitgeschichte.

Während diese Ausbeuter unserer Lebens- und Kommunikationsdaten also weltumspannende Datendiktaturen errichtet haben, müsste sich eigentlich wer darum kümmern, wie man Informationen anders filtert als zu dem Zweck, Scheißturnschuhe zu verhökern. Dabei käme es unter anderem darauf an, exemplarisch Verbindungen, deren Entstehen und Vergehen, aufzuzeichnen und aufzuarbeiten. Kommunikationen müssten analysiert und der Nachwelt überliefert werden im Rahmen ihres Zustandekommens. Die große Kunst des Auslassens muss dabei erst noch entwickelt werden.

Archivieren heißt demnach eben nicht mehr, möglichst viel zu sammeln und zu bewahren, sondern schon vorweg eine Auswahl zu treffen in der Absicht, noch irgendwie historische Forschung für spätere Zeiten zu ermöglichen. Allein die Form, in der Daten ‘gespeichert’ werden sollen, ist ein eigenes Problem der Geschichtswissenschaft. Es ist kein Witz, dass Ausdrucken tatsächlich nicht die Dümmste Idee sein wird. Schriften haben Jahrtausende überlebt; elektronische Daten sind nach einem Jahrzehnt oft unrettbar verloren. Man stelle sich vor, es blieben sonst nur die Printprodukte der Verlagsmedien; die Historiker der Nachwelt würden sich doch scharenweise totlachen!

 
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Quelle: Pixabay

Moral ist so lustig, insbesondere, wenn sie sich mit Politik mischt. Sehr gern genommen: Sätze nach der Art “Jedes xy ist eines zu viel“, Topfavorit hier: “Jeder tote …“, Championsleague-Sieger: “Jedes tote Kind“. Selbstredend. Völlig klar. Uneingeschränkt. Aber … also wir können ja nicht jedem helfen. Sagen wir mal: “Jedes tote Kind der christlichen weißen Mittelschicht, Eltern Nichtraucher, festangestellt und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet”.

Obwohl … also selbstredend gelten für unsereinen nicht die Ausnahmen, die bei aller Universalität von Freiheit, Menschenrechten und Moral dort gemacht werden müssen, wo wir unsere Lebensart noch nicht haben durchsetzen können. Eine Drohne ist schließlich nicht katholisch (selbst wenn gesegnet), das Gas von Degussa kennt keinen Gott und im Kampf um Freiheit, Hindukusch und Handelswege … also kurzum: Das sind alles bedauerliche Einzelfälle, gern gehäuft anfallend, aber im Grunde würden wir schon wollen.

Jeder Euro einer zu viel

Auch wenn rund um die Flüchtlingswahl zum Deutschen Bundestag deutlich wurde, dass die Wanderungsbewegung in die Sozialsysteme nicht hinnehmbar ist mit all ihren oft unästhetischen Folgen, so will ich an dieser Stelle auch davon nicht sprechen. Strandgut und Schlepperbanden, das wird die Koalitionsverhandlungen hinreichend belasten, auch ohne dass man sie obendrein moralisch auflädt.

Nein, aber es ist vielleicht doch darüber nachzudenken, was die vernünftige Sparsamkeit der scheidenden schwäbischen Hausfrau im Finanzministerium und ihrer Kolleginnen angerichtet haben. Ich weiß, es gibt keine Alternative; der faule Grieche hat das zurecht zu spüren bekommen. Was aber ist mit den armen Kindern unserer fleißigen Angestellten und Angesteltinnen? Müssen die wirklich verbrennen? Für 3000 Euro? Kann man nicht wenigstens eine Spendengala …?

 
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Die Deutschen hatten gegen die Spanier nicht nur deshalb keine Chance, weil die zuständigen Schiedsinstanzen nicht bereit waren, regulierend einzugreifen. Sergio Ramos spielt Torwart, ist aber keiner. Normal ist das Rot und Elfmeter. Vor allem aber waren der Brite und der Portugiese auf Seiten der Spanier immer einen schritt schneller als der Türke und der Pole auf der anderen – da konnte der Grieche noch so souverän klären.

Entschieden wurde das Spiel auf den Außenpositionen. Dortmunds rechte Verteidigung zeigte in der einen oder anderen Situation eine zu tranige Reaktion. Auf Links fehlt seit langer Zeit eine Alternative. Die klassischen Besetzungen fallen noch immer aus. Als man auf Personal für den linken Rand ganz verzichtet hat, wurde es tatsächlich nur besser. Wenn man niemanden mehr hat, der die Position gut ausfüllt, überlässt man sie besser der Innenverteidigung.

Das Spiel der Anderen

Wie der holländische Trainer der deutschen Mannschaft richtig feststellte, waren sie “immer einen Schritt zu spät“. Hinterherlaufen ist nicht nur frustrierend; man macht es dem Kalkül des Gegners schlicht zu leicht und spielt am Ende dessen Spiel nur mit. Dortmund hat sich zwar bemüht, eigene Akzente zu setzen, in den entscheidenden Situationen aber nur reagiert – und dann zu halbherzig.

Andere Probleme hat derweil der neue Stern am europäischen Fußballhimmel. Deren Offensivkräfte liegen im Clinch um die Frage, wer die Elfmeter schießen darf. Der Clubchef bot dem Spieler Cavani (für 64 Millionen gekauft) eine Million Euro an, wenn er Neymar (für 222 Millionen gekauft) die Elfer treten lässt. Cavani hat flugs errechnet, dass dieser Betrag nicht einmal 0,3% von Neymars Jahresgehalt entspricht. Wer rechnen kann, ist klar im Vorteil. Man sollte den Fußball daher seriösen Geschäftsleuten überlassen, die solche Anfängerfehler vermeiden.

 
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Die Begriffe “Klickstricher” und “Awarenesshure” sind völlig aus der Mode gekommen; dafür spricht man heute über “Stars”, wie in “Instagram-” oder “Youtube-”. Als Anfang der 2000er eine relevante Kultur von Textblogs in deutscher Sprache entstanden war, galt es als unfein, sich an Leser heran zu wanzen, indem man statt Inhalten bloß Zeugs lieferte, das Aufmerksamkeit erregen sollte. Auch das Besprechen von ‘Produkten’, die man für solche Schleichwerbung geschenkt bekam, war anrüchig.

Der Wind weht längst aus der ganz anderen Richtung, was sich jenem Sog verdankt, in dem sich Kapital und Massen von Idioten zu einer großen Kloake vereinen. Wussten die zumeist irgendwie professionellen oder zumindest sachkundigen Benutzer früherer Zeiten noch, warum man von “virtuell” sprach, wenn Identität im Internet gemeint war, toben inzwischen Schwärme von Lemmingen durch den Äther, die in gebückter Haltung ihre Maschinen streicheln und ein “Pokemon” nicht mehr von einer Laterne unterscheiden können.

Helden in Strumpfmasken

Der “Standard” hat so ein Beispiel, warum man nichts. glauben. darf., Grundgesetz und Kernkompetenz der Netznutzung. Wir Alten wissen das noch. Schauen wir uns diesen widerlichen Aufschneider aka “Instagramstar” und seine halbgescheite Klientel einmal näher an:

Ein Krebsopfer also – zumindest eine der gröbsten Schablonen, mit der Arschlöcher zu Werke gehen, denen jedes Mittel recht ist, sich in den Mittelpunkt zu rempeln. Look! At! Me! Wo immer ich hier lese “Ich habe Krebs”, ist selbstverständlich mein erster Gedanke: “Nein, hast du nicht, du Wichser.” Man tut sich keinen Gefallen, wenn man sich im Internet auf Drama und große Gefühle einlässt. Das gehört nicht hierher.

Du willst es doch auch

Wer Krebs hat, braucht zwei Dinge ganz sicher nicht: Schmalziges ‘Mitleid’ oder Heldenverehrung – gemeinhin genau das, was diese Simulanten einheimsen. Allein schon “hat den Krebs besiegt“, dieser Bullshit aus dem Boulevard, sieht aus Sicht der Kranken und ihrer Angehörigen ganz anders aus und bedeutet meist: Hat die Chemo überlebt und bangt weiter. Krebs ist null rührend. Krebs ist scheiße, egal ob du damit lebst oder stirbst. Das Geschäft mit dieser Aufmerksamkeit ist etwas für Halsabschneider und Zuhälter.

Im vorliegenden Fall haben wir dann noch einen Poser, dem das nicht reicht und der den Helden spielt, indem er Bilder von Kriegsopfern klaut. So etwas wird also “Star” im Internet, obwohl seine ‘Werke’ so offensichtlich und leicht nachweisbar zusammengeklaut sind, dass jeder, ja wirklich jeder, der mit einem Minimum an Zweifel solchen Trash konsumiert, das erkennen müsste. Tun sie aber nicht. Der Schwarm schwärmt und träumt, und wenn dann der Wecker klingelt, werden sie patzig. Dabei ist das nicht einmal Betrug. Das ist Kundendienst, oder deutlicher gesagt: Dienst am Freier.

 
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Es ist ein Fehler, sich nicht für Banalitäten zu interessieren. Man muss ja nicht vor dem TV verblöden, aber so in etwa zu wissen, womit die Zeitgenossen ihre Freizeit verbringen, schadet nicht. Es kann im Einzelfall sogar unterhaltsam sein. Obwohl ich bei einigen Gelegenheiten schon die Erfahrung machen durfte, dass allein die Erwähnung des Wortes “Fußball” den tolerantesten meiner Leser ein Schaumkrönchen auf die Lippen zaubert, ist es wieder einmal an der Zeit, darüber zu sprechen.

Im Profifußball werden zwischen den ‘Vereinen’ (oft Aktiengesellschaften) und den ‘Spielern’ Zeitverträge geschlossen. Will der Spieler vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit den Verein wechseln, so ist das meist möglich, es wird allerdings eine Ablösezahlung fällig, die in der Regel der neue Verein zahlt. Was sich jüngst in diesem Geschäft zugetragen hat, illustriert aufs Gröbste, in welchem Stadium sich der weltweite Kapitalismus befindet und was sozialdemokratische Konzepte dazu beitragen.

Kauf mir das

Immer mehr Clubs gehören Milliardären oder werden von solchen finanziert. Die Herren der Welt haben ein bekanntes Problem: sinkende Profitraten oder einfacher: Sie wissen nicht, wohin mit ihrem Geld (Ich weise dabei noch einmal auf den lehrreichen Vortrag von Heinz-Josef Bontrup hin). Überall, wo sie es noch irgendwie glauben vermehren zu können, eimern sie es daher hinein. Umso besser, wenn sie dabei noch als Clubchefs auftreten können. Das lässt sie noch wichtiger® erscheinen.

Jüngst wurde ein Spieler namens Neymar vom FC Barcelona zu einem Club transferiert, der durch Scheich Nasser al-Khelaifi mit katarischen Ölmillionen gefüttert wird. Diesem gefiel es, eine Ablöse von 222 Millionen Euro für den Fußballer zu zahlen. Dieses Geld flutet also das Geschäft, und in der Folge landeten davon bis zu 147 Millionen bei Borussia Dortmund, die zufällig letztes Jahr einen jungen Spieler namens Dembélé unter Vertrag genommen hatten, den wiederum Barcelona gekauft hat. So weit, so hässlich, that’s Capitalism.

Man müsste nur regulieren

Man könnte jetzt fragen, wo da der Sport bleibe, aber das ist albern – es sei denn, man wäre Sozialdemokrat. Die hegen, wie wir wissen, den Kapitalismus ein und retten damit auch den Sport. Sie tun das, indem sie Regeln aufstellen und auf deren Einhaltung achten [Lacher vom Band]. Im Sport sind es die Verbände (IOC, FIFA, UEFA), die hier für Fairness sorgen [der Säzzer ist gerade vor lachen in Ohnmacht gefallen]. So sind Ablösezahlungen nur bis zu einer bestimmten Höhe erlaubt, abhängig vom Gesamtumsatz des Clubs. Nun, in unserem Fall hat Herr Neymar daher seine eigene Ablöse selbst gezahlt und bekommt von Katar ganz zufällig einen Vertrag als Fußball-Botschafter in ähnlicher Höhe.

Wir sehen also, dass nicht nur ein System wie der Sport oder sein Subsystem Fußball durch Geld völlig umgedreht und zu einer Konkurrenz von Ausbeutern und deren Erben wird, die letztlich darüber entscheiden, wer oben schwimmt und wer untergeht. Wir sehen ebenso, dass alle Versuche, einen Geldtsunami einzudämmen, wirkungslos bleiben und das Einzige, das die Selbsternannten Wächter von Sitte und Anstand zuwege bringen, Korruption ist. Korruption, die anfangs ehrliche Menschen am Ende entweder ausspuckt oder auf ‘links’ dreht. Deshalb nennt man diese, wo sie in Amt und Mandat sind, auch noch immer “Linke”.

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