Nachdem meine Frau und mein bester Freund das Zeitliche gesegnet haben, leidet die mir am nächsten stehende Person derzeit unter einer Episode schwerer Depression. Der Puppenspieler, der hier den Säzzer tanzen lässt, taumelt demnach selbst über dem Abgrund, was nichts Neues ist. Mir scheint die Sonne aus dem Arsch, womit der Homestory genüge getan sei, aber es geht mir um das größere Bild:
Es ist nicht nur so, dass psychische Erkrankungen, vor allem Depression und ‘Burnout’, durch die gesellschaftlichen d.h. ökonomischen Bedingungen massenhaft verursacht und verstärkt werden. Stress, Leistungsdruck, Selbstdarstellung und Statusdenken halten alle und jeden unter permanentem Druck. Wer dem nicht mehr standhält, ist darauf getrimmt, sich selbst zu beschuldigen und seine Ängste gegen sich selbst zu wenden.
Versager, Parasit
Du hast versagt. Du bist nicht gut genug. Du bist ein Stück Dreck und hast dein Leben nicht verdient. Liegst anderen auf der Tasche, bist zu faul zum Aufstehen und lässt dich wochenlang krankschreiben, obwohl du gar nichts hast. Du bist genau der Typ Schmarotzer, für den Hartz IV erfunden wurde und lässt dich nicht einmal aktivieren®. Diese Gedankenwelt saugt ein Depressiver auf wie ein Schwamm.
Aber damit nicht genug. Der Kapitalismus hat die menschlichen Beziehungen schon auf der Ebene der permanenten Beurteilung zerstört. Seine Arbeitsteilung unter absoluter Priorität der Verwertung von Produktion und Dienstleistungen hat auch die Stützfunktionen im persönlichen Umfeld vernichtet. Wer hat Zeit für psychisch Angeschlagene? Wer kümmert sich um die, die es wirklich nötig haben? Dazu hat niemand die Zeit. Du kannst weder dem Arbeitgeber® noch der Behörde sagen, du müsstest gerade ein Leben retten. Da kann ja jeder kommen.
Was übrig bleibt, ist eine Infrastruktur von Fachleuten, bürokratisch verrammelt, für akut Erkrankte nicht zu bewältigen und personell so unterbesetzt, dass der Begriff “Versorgung” für psychisch Kranke purer Zynismus ist. Das wird gern übersehen in dieser Sklavengesellschaft mit ihren unsichtbaren Ketten: Es braucht keine Peitsche und keinen Galgen. Wer nicht spurt und funktioniert, richtet sich selbst.
November 12th, 2018 at 20:17
Ich ziehe gerade wenigstens etwas Trost aus Renduelez’ gerade auf Deutsch erschienenen ‘Kanaillen-Kapitalismus’. Dort findet sich ua die schöne Wortschöpfung Sozioporose für das, was der Kapitalismus mit Gesellschaft und Gemeinschaft macht.
November 12th, 2018 at 22:57
Im Prinzip richtig aber zu fixiert und zu generalisierend in Bezug auf das Destruktive und damit jeden Lösungsansatz ausschließend.
Derartigen Frust kann sicherlich jeder gut nachvollziehen, aber so kann man Depressionen wunderbar einzementieren.
Gegenseitige Annahme und Liebe dagegen sind nichts lautes und schnelles und damit vorn oder an der Oberfläche dessen was wir Gesellschaft nennen, nicht zu finden. Man muss sich entscheiden, wo man hin will. Nicht alle haben sich für oben/vorn entschieden – trotz Kapitalismus. Vielleicht wären diese Menschen und deren Handlungsweisen auch mal eine genauere Betrachtung wert.
Klingt immer schnell recht schwülstig, ist aber wirklich das einzige was hilft ..
November 12th, 2018 at 23:19
Der Depression als Krankheitsbild ist es zueigen, “auf das Destruktive und damit jeden Lösungsansatz ausschließend” zu fokussieren – und damit den Suizid als vermeintliche Lösung zu suchen.
Die Voraussetzungen dafür sind im entwickelten Kapitalismus extrem fördernd.
November 12th, 2018 at 23:50
Zur Klärung: “Die mir am nächsten stehende Person” bin nicht ich selbst. Ich wohne eher so mitten in mir drin.
November 12th, 2018 at 23:51
Das meinte ich mit “im Prinzip richtig”.
Und zu Schluß hilft der Verweis auf den entwickelten Kapitalismus bei Suizidalität nicht weiter.
Wenn es mir beschissen geht, weil ich einen Rundherd in meiner Lunge habe, kann ich nicht davon ausgehen, dass irgendetwas besser wird, wenn ich mich permanent damit beschäftige, dass ich da was in der Lunge habe. Das mag ich zwar nicht anhaltend vergessen können, Lust und Laune krieg ich aber immer nur, wenn ich mit Leuten die ich mag, Dinge mach, die ich mag. Das gilt um so mehr, wenn ich Menschen mit ner Depression hilfreich zur Seite stehen will. In der Ursache des Elends liegt nur selten seine Lösung.
Das mit “nicht selbst” hatte ich schon so verstanden. Solchen Leuten schadet es ja nicht, wenn ihnen mal was gut tut.
So etwas ähnliches wie den Opener hatte ich mal einer guten Freundin vorgetragen, und die hat mir das , völlig zu recht, mit den Worten “So etwas liebloses will ich mir von dir nicht erzählen lassen!” um die Ohren gehauen. Deswegen..
November 12th, 2018 at 23:55
So weit sind wir uns einig. Die “Ursache des Elends” hält uns aber davon ab, “hilfreich zur Seite” zu stehen. Vielleicht müssen wir an dieser Stelle mehr konkreten Widerstand leisten.
November 13th, 2018 at 00:12
..is ni leicht, seufz. Weder meine kaputte Lunge noch der Kapitalismus werden sich in Luft auflösen. Dass ich deshalb (jenseits von Widerstand – der ja schon wieder die Ursache im Fokus hat) zur hilfloser Untätigkeit verdammt sein soll..nee, komm, an dem Anspruch lässt sich was feilen..
Aber muss nicht mehr heute sein. Die Augen wollen nimmer so recht auf bleiben. Wünsche erholsame Nachtruhe.
November 13th, 2018 at 00:53
Der letzte Satz ist der Stimmigste!
November 13th, 2018 at 07:59
Habe jemanden im Freundeskreis, der manisch depressiv ist und ergänzend noch mit dem Umstand einer Schizophrenie geplagt ist.
Ich habe ihn wohl schon in all seinen Stimmungen erlebt, inkl. des Stimmenhörens. Er ist fast immer kurz vor der Klippe und muss praktisch all seine Energie aufbringen, um nicht runterzufallen.
Und es ist genau so wie du schreibst, flatter: In seinem engeren Freundeskreis kommen tatsächlich solche Sprüche über Faulheit und dass er der Gesellschaft auf der Tasche liegt. Für mich ist das unbegreiflich, denn seine Krankheit kann man nicht übersehen, wenn man ihn ein wenig länger kennt.
Immerhin scheint aber die medizinische Versorgung in dem Bereich nicht ganz so katastrophal zu sein wie im Rest des Medizinbetriebs. Ich habe ihn jedenfalls nie darüber klagen hören, dass er eine schlechte Behandlung erfährt. Vielleicht ist das aber auch einfach nur Glück.
November 13th, 2018 at 11:21
Wohl teilweise wahr, wer nicht spurt und funktioniert, richtet sich selbst.
Ich kenne mehrere Betroffene, die sich selbst in eine Klinik “einwiesen”. Man nahm sich stets ihrer an. Damit waren die Leidensgeschichten natürlich nicht beendet.
Die Betreuung nach einem Klinikaufenthalt halte ich heutzutage und hier in D für gut.
November 13th, 2018 at 11:30
Letzteres habe ich völlig anders erlebt. Nach 6 Wochen vor die Tür und dann such dir mal nen Therapeuten. Good Luck!
November 14th, 2018 at 01:45
“Depression und ‘Burnout’” was soll’n dess? Der Eine iss doch der Bruder vom annern … und umgekehrt?
Ich weiß nich wieso, aber häufig lande ich nach feynsinniger Lektüre hier? Okee, iss einer meiner 100(?) Lieblingskomponisten, eines meiner Lieblingsstücke (die Literatur zum Libretto, allgemein: die Lektüre von Nikolai Leskow, iss imho Pflichtlektüre!)
Pax! Hier noch ein Betthupferl (nich gleich rausgehen, nomen est omen!)
November 14th, 2018 at 08:22
Maschinen kann man nicht auf der Tasche liegen.
Die Produktivität hat sich in den letzten Jahrzehnten
durch Automation mehr als verzehnfacht. Da malocht kaum noch einer für den anderen, und wenn, dann eben nur weil der Maschinen-Kapitalist seiner Produktivität nicht entsprechend in die Sozialkassen einzahlt.
“Faulheit” ist deshalb ein mittelalterlicher Begriff,
aber erzähl das mal einem Depressivem.
November 14th, 2018 at 09:23
Nimm doch lieber 4’33 https://www.youtube.com/watch?v=Oh-o3udImy8 (dann klappt es auch mit den Nachbarn wieder).
Und Nein: Depressionen & Co. sind nicht leicht zu handhaben. Ob eine Therapie überhaupt in Anspruch genomen werden kann, bestimmt (neben der Knete) auch der Ort. Man erinnere sich Robert Enkes.
November 14th, 2018 at 09:46
Ein Überblick über das gesamte Lohnelend:
https://marx-forum.de/Forum/gallery/index.php?image/1053-lohnabh%C3%A4ngig-2017/
November 14th, 2018 at 09:57
@Wal: Da kannste gleich das hier hinterherschieben: SchuldnerAtlas Deutschland 2018
November 14th, 2018 at 11:04
14: Ich setze dagegen: https://tinyurl.com/yaqqjlto
November 14th, 2018 at 11:15
Zum Thema Depression könnte ich aus eigener Erfahrung und aufgrund von Erfahrungen aus dem engeren sozialen Umfeld auch eine Menge schreiben.
Depression äußert sich nicht zwangsläufig in Niedergeschlagenheit, Wortkargheit und Interessenlosigkeit. Auch Hyperaktivität kann ein Symptom depressiver Erkrankung sein. Dieser als “Sissy-Syndrom” bezeichnete Formenkreis ist wissenschaftlich umstritten.
Die österreichische Kaiserin Sissy soll ihre Zofen durch die Wälder gehetzt und in jeder Residenz einen Gymnastikraum (heute heißt das Finesstempel) exzessiv genutzt haben. Daher der Name.
November 14th, 2018 at 11:19
@R@iner: Ja, Schulden sind zentraler Bestandteil unserer Gesellschaft, aber Armut ist nicht nur Mangel an Geld.
In einem grundsätzlichen Sinn sind alle Lohnarbeiter arm, ganz gleich welches aktuelle Lohneinkommen sie gerade beziehen, weil ihr Lebensunterhalt von einem fremden Willen und von fremden Interessen abhängt. Ihre Existenz hängt davon ab, dass ein Kapitalist ihre Arbeitskraft kauft und damit ihren Lebensunterhalt zahlt.
„In dem Begriff des freien Arbeiters liegt schon, dass er ein Armer ist, ein potenzieller und unsichtbarer Armer. Er ist seine ökonomischen Bedingungen nach bloßes lebendiges Arbeitsvermögen, … Bedürftigkeit nach allen Seiten hin … Als Arbeiter kann er nur leben, soweit er sein Arbeitsvermögen gegen den Teil des Kapitals austauscht, der den Lohnfonds bildet. Dieser Austausch selbst ist an für ihn zufällige, gegen sein organisches Sein gleichgültige Bedingungen geknüpft. Er ist also potenzieller, unsichtbarer Armer.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 497.
November 14th, 2018 at 12:59
@ 10 und 11 – Die Kliniken sind bestrebt, einen arbeitsfähig nach Hause zu schicken, damit die Erolgsquote stimmt. Ich kam nach Hause und der Arzt schrieb mich weiter krank, die Kasse bestand darauf, daß ich arbeitsfähig sei und das Arbeitsamt war wie immer zu allem zu blöd (ich war damals auch noch arbeitslos). Das Ergebnis war, daß ich acht Wochen ohne Geld dastand, mein Arzt einen Brief an die Kasse schickte, in dem die Formulierung “unfähige Schreibtischtäter” vorkam und der eh schmale Erfolg der Klinik sich sofort in Rauch auflöste.
Mit Depression oder Burn-Out ist man allein, wird auch vom näheren Umfeld nicht verstanden und viele kommen nicht mal in die Nähe von Therapeuten. Und da ist klar, daß einige den für sie allerletzten Ausweg wählen. Aber ist vielleicht so gewollt…
November 14th, 2018 at 19:34
“In einem grundsätzlichen Sinn sind alle Lohnarbeiter arm”
Das nicht einzusehen und gleichwohl Bürgerin sein zu wollen scheint mir der Hauptgrund moderner Verrückheiten zu sein.
November 14th, 2018 at 20:03
Irgendein ‘Chefvolkswirt’, befragt zu den Gründen für die ‘Wachstumsschwäche’ in Q3: “Das kommt daher, dass wir nicht mehr soviel Rückenwind durch die Konjunktur spüren”. VWL at it’s best…
November 14th, 2018 at 21:57
My 2 cents zu Depression:
Im Sommer 1967 kam es zu der ungewöhnlichen Situation, daß ein Autofahrer sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung hielt, die spielenden Kinder beachtete und im entscheidenden Moment richtig reagierte.
So überlebte ich diesen Autounfall, wurde, nachdem ich einfach auf die Strasse gelaufen war, gerammt, überschlug mich und kam mit dem Kopf kurz vor dem Reifen des vollbremsenden Autos zu liegen.
Es hätte also in der glücklichsten Zeit meines Lebens schon früh zu Ende sein können.
Hat mir das weitere Dasein etwas gebracht? – Nein
Finde ich meine Existenz so faszinierend, das sie zumindest in der Transzendenz ewig sein sollte – Nein
Glaube ich an irgendeinen Sinn in meine ungefragt erzeugte Existenz? – Nein
Die letzten Worte der englischen Schriftstellerin Mary Wortley Montagu waren angeblich:”Das war alles höchst interessant.”
Meine wären:”Endlich”.
Ich gestehe Angst zu haben vor dem Sterben, weil ich viele ekelhafte Arten, wie Menschen aus dem Leben gezwungen werden, kennen gelernt hab.
Aber vor dem Tod?
Nein, der Tod wird mir endlich bringen, was ich mir am Meisten wünsche, Erlösung vom Denken.
Heute existiere ich nur noch aus Respekt vor den Menschen, denen ich etwas bedeute, und bin bereit meine Strafe “Lebenslänglich” abzusitzen.
Die Therapien, die ich hinter mir habe, haben genau das gebracht, ich bin jetzt bereit für Freunde und Familie das “Leben” zu ertragen.
Entschuldigung für den langen Text.
November 14th, 2018 at 22:58
Danke für den langen Text.
November 14th, 2018 at 23:48
Ja.
November 15th, 2018 at 09:23
@ Schwarzes_Einhorn
Nicht aufgeben.
“…Zum einen haben viele psychotherapeutische Praxen Wartelisten und Sie erhöhen so Ihre Chancen, möglichst schnell einen Therapieplatz zu erhalten. Zum anderen haben Sie als Patient die Möglichkeit, zunächst einmal Probesitzungen in Anspruch zu nehmen um herauszufinden ob die Therapeutin/ der Therapeut zu Ihnen passt. Es ist durchaus üblich und empfehlenswert, sich auf mehrere Wartelisten setzen zu lassen…”
https://tinyurl.com/y8ydmt3f
November 15th, 2018 at 10:06
@Leselotte: Der beste Ansatz aus meiner Sicht war bisher dieser: Sozialistisches Patientenkollektiv
Und eigentlich leben wir nur in dieser Scheiße, die ein paar Leute schon früh ausmalten: Mit der kritischen Theorie gegen die Funktionalitätsmaschine
November 15th, 2018 at 10:22
Danke, R@iner.
Seit Januar dieses Jahres begann ich ganz sanft und langsam hin und wieder im Ballengang zu gehen. Also zuerst, den Vorderfuß aufzusetzen und dann die Ferse. Mit der Zeit wurde das leichter und geschmeidiger und ich legte auch längere Strecken ganz automatisch ohne Ermüdungserscheinungen (eher im Gegenteil) so zurück.
Letzte Woche träumte ich, dass ich ein ein paar Schritte leicht federnd nach vorn gehe, mir plötzlich der junge Lenin gegenüber steht und wir ein wenig Rock`n Roll tanzen :D
Außerordentlich lustig aber warum denn gerade der?
Als in der DDR-Herangewachsene möglicherweise normal, denn die Bezeichnung Revolutionär und Lenin bildeten praktisch eine Einheit (Wat, oder nicht?).
Eine Freundin von Revolutionen bin ich nicht – meistens zu viele Tote aber auch eine neue Sache an sich kann revolutionär sein, umwälzend eben. Jau.
Im Internet finden sich Stimmen für und gegen diesen Gang, man muss keine teuren Barfußschuhe kaufen, die dann meistens nicht mal aus Leder sind, ganz einfache, flache Turnschuhe tun es auch, ich komme damit zumindest sehr gut zurecht.
Zum Theoretischen: https://tinyurl.com/h5zkkqt
Vergnüglich hier: https://tinyurl.com/ybtwhx2x
Noch mehr: https://tinyurl.com/yde8mrrc
Im Vortrag wird auch etwas zu Depressionen gesagt.
November 15th, 2018 at 10:27
[..] die Bezeichnung Revolutionär und Lenin bildeten praktisch eine Einheit [..]
Ja, denn genau das war der Hirnfick dort. Von Lenin hat sich “die Linke” bis heute nicht erholt. Schade eigentlich.
November 15th, 2018 at 10:58
“Finde ich meine Existenz so faszinierend, das sie zumindest in der Transzendenz ewig sein sollte – Nein”
Wer solch einen Anspruch an das Leben stellt, muss irgendwann depressiv werden.
November 15th, 2018 at 11:30
Die bisherigen Vorschläge und Ideen:
Sein Ich zum Arbeitsgegenstand machen
Eine Blase aufsuchen und alle spitzigen Gegenstände meiden
Unsichtbar werden (auch bekannt als „abtauchen“)
Auswandern (Blase mit Fremdsprache)
Was noch?
November 15th, 2018 at 13:56
Wal B.
Ganz einfach, die, sagte ich die, nein DIE ultimative Lösung:
http://t1p.de/6aa7
:))
November 15th, 2018 at 14:10
“Was noch?” – auf jeden Fall nicht zur Kommunistin werden und anfangen, sich vernünftige Gedanken über die Welt zu machen.
November 15th, 2018 at 15:02
@ricardo
Was heißt schon “vernünftige Gedanken”? Darüber wird doch immer neu gestritten.
Und schützt Kommunismus vor Depressionen? Das wäre mir neu.
November 15th, 2018 at 16:52
@ Wal
Von der Wortbedeutung ist “vernünftig” doch eindeutig definiert. D a r ü b e r braucht frau doch gewiss nicht zu streiten. In politischer Hinsicht bedeutet “vernünftig” insbesondere statt Moral und Normen den Verstand zu gebrauchen und Widersprüche durch Einsicht zu lösen. Das, also in politischer Hinsicht, ist für Bürger generell nicht möglich, weil das politisch-administrative System gewaltsam den (politischen) Willen der Bürger unterordnet, der Bürger aber das System gleichwohl anerkennt, die Bürger also immer in Gewaltverhältnissen denken und handeln. Deshalb können in politischer Hinsicht im Prinzip nur Kommunistinnen vernünftig denken und handeln, weil sie keine Unterordnung, sei es durch Staat oder Geld oder welche blöde Macht auch immer, anerkennen.
Kommunistin zu sein schützt nicht vor Depression genauso wie vice versa Bürgerlichkeit nicht per se zu Depression führt. Aber für Lohnarbeiterinnen ist die kommunistische Beurteilung der gesellschaftlichen Verhältnisse und die eigene Rolle darin notwendig, wenn auch nicht hinreichend, nicht in Depression zu verfallen.
November 15th, 2018 at 17:49
@35
Schön für dich, wenn dir dein Denken als Lichtstrahl erscheint, und in deinem Leben keine Hindernisse auftauchen, die den Lichtstrahl blockieren.
Je schwieriger Jemandes persönliche Situation ist, desto mehr ist mensch von einer Dornenhecke umgeben, die vor einem bloßen Lichtstrahl nicht weicht.
November 15th, 2018 at 18:43
Dankeschön @Wal
… und R@iner
November 15th, 2018 at 20:57
Nochmal zum Thema – ein weiteres Paradebeispiel für die wunderbaren Arbeitsbedingungen in diesem unserem System. Besondere Beachtung verdient dabei die immer wieder angeführte ‘Freiwilligkeit’. Sobald eins vor irgendeine noch so beschissnene Wahl gestellt wird – zB Job bei Tedi oder eben HIV – gilt alles weitere als ‘freiwillig’. Und wenn man sich dann doch gegen Tedi und für die weitere Verhartzung entscheidet, dann hat man sich selbstverständlich auch ‘freiwillig’ für die dann folgenden Sanktionen entschieden. Des Menschen Wille ist sein Höllenreich.
Wohlan, Freiwillige vor!
November 16th, 2018 at 08:11
OT: Das hier ist aus meiner Sicht ein schönes Beispiel für den Zweck von Politik, Gesetzgebung und ja, dem ganzen Staatsgebilde: Bundesregierung plant offenbar Massenüberwachung bei Diesel-Fahrverboten
Da lacht ein gewisser Herr Marx sicher darüber. It’s the economy, stupid!
November 16th, 2018 at 15:47
Wenn sich Menschen niederdrücken, in ihrem gegenseitigen Wettbewerbseifer, bleibt das nur selten gänzlich folgenlos. Die Reaktion der arbeitsgeteilten Produktionsgesellschaft: Pappkameraden (aka Berufsgruppen) aufstellen. Dann können sich auch andere, schön im weissen Kittel, an den so entsprechend Gestörten abarbeiten. Aber darauf zu verzichten, immer mehr wie auch immer Niedergedrückte zu produzieren: Im Leben nicht.
November 16th, 2018 at 16:12
“Wenn sich Menschen niederdrücken, in ihrem gegenseitigen Wettbewerbseifer, bleibt das nur selten gänzlich folgenlos.”
Die ökonomische Konkurrenz entspringt nicht dem Eifer der Menschen, sondern sie ist in der Organisation der gesellschaftlichen Reproduktion angelegt. Solange sich die Lohnarbeiterinnen dieser unterwerfen oder diese sogar wollen, bleibt ihnen nichts anderes übrig als zu konkurrieren, falls sie nicht gleich prekär und arm leben wollen.
November 16th, 2018 at 16:35
@ ricardo
Stimmt. Wer gibt sich schon mit wenig zufrieden, wenn da doch so viel mehr für sich heraus zu holen ist. Diese verdammten Organisationszwänge. Verflixt noch eins.
November 16th, 2018 at 19:00
Genau. Dieser blöde Mensch aber auch, warum will der partout auch ein bequemes und angenehmes Leben führen, wo er es sich in der Armut doch so schön einrichten könnte. Ein bisschen hungern, krank sein und früh sterben ist ja nicht so schlimm, dafür drückt dieser Bösling aber dann wenigstens keinen mehr nieder – und Depression gäbe es wahrscheinlich auch nicht mehr, weil er zuvor ohnehin verhungert wäre.
November 16th, 2018 at 23:06
@ ricardo
Ein angenehmes und bequemes Leben führen? Vielleicht eines, das sich noch angenehmer und noch bequemerer leben lässt? Ja hat man (sich) das denn überhaupt verdient? Etwa für alle und jeden? Müsse es da nicht schon noch erkennbare Unterschiede geben?
November 17th, 2018 at 10:08
“Je schwieriger Jemandes persönliche Situation ist, desto mehr ist mensch von einer Dornenhecke umgeben, die vor einem bloßen Lichtstrahl nicht weicht.”
So ist es, Wal.
________________
Links, rechts, geradeaus, mittendrin; komische Begleiter von Reisenden, die den Weg verloren: https://tinyurl.com/y8uwel5d
Sich selbst auf die Schüppe nehmen, kann ein Depressiver schon nicht mehr.
Wichtig ist, wieder mit seinen Gefühlen in Kontakt zu kommen. Nur leichte Depressionen kann man selbst behandeln. Johanniskraut und Baldrian können helfen…
November 17th, 2018 at 11:23
ot
Ein Rucksack, der uns viele Jahre auf unseren Pyrenäen-Wanderungen gedient hatte, ist immer noch in Polizeigewahrsam, weil ihn eine Aktivistin im Hambacher Forst trug.
Das ist der Anlass, unsere verbliebene Wander-, Zelt- und Outdoorausrüstung an die Aktivisten des Hambacher Forstes zu verschenken.
Das verleiht Dingen, die wir nicht mehr verwenden (können), ein zweites Leben.
November 17th, 2018 at 11:39
@ Katze
Angenehm und bequem leben reichte. Nur ist schon die Verwirklichung dieses einfachen Anspruchs ohne Schuften und Buckeln und Konkurrieren selten möglich. So bleibt halt unter den gegenwärtigen Bedingungen nur die Wahl zwischen schuften, um nicht arm zu sein, oder arm zu sein, um nicht schuften zu müssen. Vor Depressionen, allerdings, ist frau weder in dem einen, noch dem andern Fall gefeit.
November 17th, 2018 at 16:16
@ ricardo
Das kann alles ganz ‘schön’ deprimierend sein. Wer wohl alles nicht von derartigen Depressionen geplagt wird, weil es ja gar keinen Grund zum Anlass gibt? Wer zeigt sich da unbetroffen? Scheint wieder eine Skala zu sein, mit Härtegraden, je nach Betroffenheit. Gut wäre es, könnten diese depressiv machenden Vorgänge auf Null zurück gefahren werden. Manche wollten dies ja, könnten aber nicht. Manche könnten zwar, wollten aber nicht.
November 24th, 2018 at 21:03
Ach 2011… da hatte ich auch ne riesen Depression. Bis man das erstmal einsieht… mei da vergeht schon ne Zeit. Hab mich dann auch ein paar Wochen krankschreiben lassen und mir überlegt wie es weitergehen soll…
Es folgten radikale Veränderungen. Jobwechsel Scheidung, Häuschen verkauft… Dann noch etwas gearbeitet und gespart und dann bin ich ab.
Gekündigt. Ausgezogen. Und erstmal drei Monate roadtrip in den USA.
Seitdem geh ich Saisonweise in der Schweiz arbeiten. Leb dort mit Hund und Katz in nem Mini Studio und geh die restliche Zeit reisen und leb im Auto.
Jetzt nennt man das wohl minimalistisch.
Hab natürlich wie jeder anständige deutsche meine Versicherungen a la BU und private Pflege usw… Ob man’s braucht… Und ob man dann was bekommt wenn man’s braucht, sei dahingestellt…
Auf jeden Fall muss ich sagen geht es mir seitdem wunderbar. Ich kotz mich nicht ab. Schleiche irgendwie im System rum und versuch das Leben locker zusehen und so gut es geht zu genießen :)
November 25th, 2018 at 15:46
Depression, ja die kenne ich auch. Seltsamerweise hatte hierfür ein linksorientierter kapitalismusverächtender Freund keinerlei Verständnis oder wäre gar empathisch gewesen. Das hat mich sehr bestürzt. Gerade von ihm hätte ich so etwas wie Anteilnahme oder Verständnis erhofft. Stattdessen hatte er sich abgewendet von mir. Ich hatte leider nicht mehr so funktioniert….., wie er/wie es sich die Gesellschaft erwünscht.
November 25th, 2018 at 19:33
Weswegen ich immer auf inhaltliche Auseinandersetzungen bestehe, die unabhängig von der kommunizierenden Person aussagekräftig sind. Ws jemand dann damit macht, ist Sache jedes Einzelnen.
November 26th, 2018 at 21:23
Ungewohnte Töne:
https://tinyurl.com/ybxttzzz
November 27th, 2018 at 11:29
@Leselotte: Hier nicht ganz so ungewohnt: November 19th, 2010 at 08:45
Aber hey, da sind doch schon 8 Jahre seither vergangen. Bestimmt ist inzwischen alles besser geworden vom vielen Liebsein.
November 27th, 2018 at 12:09
p.s.: Ich irrte, denn alles ist seit dem Aufruf anders geworden: 965 Menschen haben auf der Facebook-Seite den “gefällt-mir” Button geklickt
Dezember 7th, 2018 at 21:15
Zu 11, flatter, das bestätigt Deinen Eindruck:
https://tinyurl.com/ya8je3u7
Dezember 7th, 2018 at 22:19
Aktuell nehmen hier nur die Geschlossenen auf und nur bei akuter Gefährdung. Wartezeit für eine Tagesklinik: 10 Wochen.
Dezember 8th, 2018 at 04:19
die späne wieder…ich muss mich echt zusammenreissen, hier nicht justiziabel loszuranten.
Dezember 10th, 2018 at 16:50
Passt zum Thema:
https://tinyurl.com/y8rwqbzy
Dezember 11th, 2018 at 08:25
Und das:
https://tinyurl.com/y7mg8gtp
Februar 24th, 2019 at 10:32
Beim besprochenen Buch handelt es sich um keine literarische Meisterleistung auch kann ich nicht jedem Gedankengang uneingeschränkt zustimmen aber eine Anregung ist´s gewiss.
>KenFM im Gespräch mit: Franz Ruppert (“Wer bin ich in einer traumatisierten Gesellschaft?”)<
http://tinyurl.com/y6f8hlwu
(1h 40)