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Ich finde nicht viel Gefallen an Don Alphonsos Kolumnen, ganz gleich, wo er sie veröffentlicht, gehöre sicher auch nicht zur Zielgruppe und fühle mich keineswegs angesprochen. Nicht, weil er bei den ‘Rechten’ gelandet ist und auch nicht, weil er sich gern an vermeintlich ‘Linken’ abarbeitet, sondern weil die von ihm gepflegte Form der Literatur mich nicht anspricht. Ich mag es politisch gern analytischer und literarisch gern kreativer.

Parteinahme interessiert mich grundsätzlich weniger, es sei denn als Kriterium für schlechte Argumente; auch das ist daher kein Grund, sich mit dem Text zu befassen. Es ist vielmehr – das ist quasi epidemisch – die Entdeckung des politisch ‘Anderen’ im Arschloch, hier “Feliks” als ‘Linker’ (“aus dem linken Spektrum/Lager“;”Teil einer linken Clique“).

Die sind so

Was Herr Feliks da offenbar getrieben hat, sind Arschlock-Aktionen, menschlich unanständig, sachlich falsch und zersetzend sowie persönlich motiviert. Warum also muss so einer, der in jeder Hinsicht deplaziert, impertinent und widerwärtig um die Ecke kommt, hier mit seiner vorgeblich politischen Orientierung identifiziert werden, wo doch sogar ausdrücklich seine Motive (zumindest auch) anderer Natur sind?

Das geht in die andere Richtung freilich auch so, wovon ebenfalls rege Gebrauch gemacht wird: Wenn ein ‘Rechter’ sich als besonders moralisch angreifbar erweist, obwohl kein Zusammenhang besteht zwischen seinem Handeln und seiner Meinung, wird er von Linken gern als Beispiel für seine Partei an die Wand gestellt. Wozu soll das gut sein?

Wer sind “die”?

Ich habe reichlich Erfahrungen gemacht mit Trollen, auch den ganz üblen, mit Stalkern und kleinen Wichshähnchen, die mir Gewalt angedroht haben (bis hin zu ‘Morddrohungen’, die für mich freilich keine sind, wenn einer nur mit dem Schwanz in der Hand eine Mail schreibt.). Es waren darunter alle möglichen Freaks – der eine nennt mich “Ausländerhasser”, der andere “Stalinist”, der nächste “Verräter”. Was haben sie gemein? Die politische Orientierung?

Gerade von Menschen, denen ich Expertenkenntnisse in Sachen Internetkommunikation unterstellen muss, erwarte ich, dass sie diese Kategorien nicht durcheinander werfen. Was im Netz trollt, ist Troll. Wenn Troll etwas für eine Mission missbraucht, kann deren politischer Hintergrund nichts dafür. Wenn im Netz als ‘links’ nur mehr wahrgenommen wird, was andere niederbrüllt, stalkt und mit Dreck bewirft, was hat das dann mit politischer Meinung zu tun?

 
Ich muss mit einer Eloge auf Kay Sokolowsky und seinen ‘Abfall’ beginnen, der nicht der diesjährige Preisträger des “Underdog” ist. Ich muss das tun, weil die Stimmen es mir befehlen und weil er der logische Preisträger wäre, käme ihm nicht die Grätsche einer skandalösen letzten Verleihung dazwischen. Er wäre sogar ein sehr guter, in jeder Hinsicht, entspricht sein Blog doch allen relevanten Kriterien, zumal dem des Gefallens der Entscheidungsinstanz Säzzer.

Nicht nur ist es gute Tradition gewesen, dass eines der jüngeren Mitglieder der hiesigen Blogroll hinabsteigt und mit der Töle Gassi geht; so gut wie alles, was bisher gelobt wurde an den Ausgezeichneten, trifft auch auf Kay Sokolowsky zu. Allem voran seine Schreibe, die ihresgleichen sucht. Seine Texte sind fast durchweg aus der tl;dr-Liga, dennoch lese ich sie alle, vollständig und aufmerksam (vor allem Letzteres ist nicht selbstverständlich). Sie sind voller Witz, Leidenschaft und Zähigkeit, präzise, analytisch und von brutaler Ehrlichkeit.

Die es nicht wurden

Mitunter bin ich irritiert von der Leidensfähigkeit, mit der er Niederungen durchquert, in denen ich es, allein mit einem Text, keine zehn Minuten aushielte. Bisweilen fühle ich mich wie in einem Film, in dem der Schurke endlich von seinen Opfern voll was auf die Fresse kriegt, dann wieder hinabgezogen in die tiefste Hölle jener Warenwelt, von der er, selbst nur virtuell getrennt, ein schmerzhaft klares Bild malt. Wieso habe ich eigentlich fünf Jahre gebraucht, um in zu entdecken? Schande über mich!

Zum letzten Mal sei auch erwähnt, dass Pantoufle einen guten zweiten Platz gemacht hat, wie jedes Jahr, was ihm einen Ehrenpreis eintrüge, hätte das nur irgendetwas mit Ehre zu tun – oder wenigstens mit Preis. Es wäre aus unterschiedlichen Gründen schlicht inzüchtig gewesen, ihm den Hund offiziell anzuvertrauen. Nein, nicht, was du jetzt denkst. Ist ja widerlich. [Anmerkung zur ursprünglichen Version, die ggf. in den Feedreadern gelandet ist: Der Betreiber dieses Blogs ist entweder senil oder aktuell nicht ganz auf der Höhe. säzzer]

Kommen wir also zum unvermeidlichen ultimativen Preisträger, jenem Überlebenden, der den Underdog noch persönlich kannte. Die Idee zu dieser letzten Konsequenz ist so alt wie der Preis selbst, und ich habe keine Ahnung, wie ich die Spannung so lange habe aushalten können, dass sie schon seit vielen Jahren vollständig geschwunden ist. Ganz im Sinne seiner Schöpfungsgeschichte, Zischbumm Tadaa etcetera, danach kann nichts mehr kommen: Der Underdog 2018.

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Anlässlich der Mauscheleien beim ersten Grimme Online Award habe ich den “Underdog” ins Leben gerufen, den unkorrumpierbaren Medienpreis der beratungsresistenten ein-Mann-Jury “Säzzer”. Nachdem mir kein geringerer als der damals amtierende Weltherrscher seinen Preis “Bloghorny” im Gegenzug zu dem von mir einmalig ausgelobten Publikumspreis zugeschanzt hat, hat die aus dieser Ehre destillierte Motivation für elf weitere Jahre und Auszeichnungen gereicht.

Nachdem ich im letzten Jahr schon mit eher kühler Leidenschaft ans Werk gegangen war, erwies sich die Wahl auch erstmalig als unerfreulich. Bereits damals fasste ich den Entschluss, den Underdog nur noch ein Mal, nämlich diesmal, zu verleihen. Ich bitte euch also wie jedes Jahr, Blogs zu nominieren, die euch gefallen, von denen ihr glaubt, sie hätten mehr Aufmerksamkeit verdient oder sie bräuchten unbedingt ein paar Trolle, von denen sie sich erzählen lassen, warum sie eigentlich die Luft nicht wert sind, die sie der Kühlung ihres Rechners wegatmen.

Der Preisträger steht freilich wie so oft bereits fest – sollte es nicht auf dem letzten Meter doch noch gelingen, die Jury zu kaufen (Vorschläge auch indiskret willkommen, ab 20.000.000 DM in kleinen Scheinen). Aber wir wissen ja, dass es hier nicht ums ‘Siegen Lernen’ geht, sondern ums allgemeine solche, ums Kennenlernen und vielleicht ums Laufenlernen. Wohlan denn, her mit euren Vorschlägen, die der Säzzer zu seinem digitalen Frühstück in den Kaffee dippen wird.

Die bisherigen Preisträger:

2007: Kiesow (dauerhaft down)
2008: Hokey’s Blog
2009: Der Morgen (nicht mehr betrieben)
2010: Notizen aus der Unterwelt
2011: Die roten Schuhe (nicht mehr betrieben)
2012: daMax (pausiert)
2013: Alarmknopf (nicht mehr betrieben)
2014: Kiezneurotiker (gelöscht)
2015: Die Wahrheit über die Wahrheit
2016: Radikale Heiterkeit
2017: dame.von.welt (Auszeichnung abgelehnt)

 
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Ich habe mit den Sozen gesprochen. Tom Wellbrock hat moderiert, Roberto hat versucht, witzig zu sein. Einfach reinhören. Es folgt eine öffentliche Selbstkritik und im letzten Absatz Hinweise für diejenigen, die hier ggf. einen ersten Kommentar abgeben wollen.

Sollst du mit Sozen reden? Denen von den Landmirabellen? Ja sicher, die schreiben immerhin Zeugs, das Leute lesen, die mein Zeugs lesen. Hat das Sinn und Zweck? Ich weiß es nicht. Podcast ist ein Format, das ich schon immer interessant fand, wenngleich ich auch immer Bedenken hatte. Das fängt damit an, dass Aufnahmen der eigenen Stimme eher Missfallen auslösen. Das größte Problem ist aber, dass man sich quasi entscheiden muss, wie man sich da verhält.

Bizarr

Ich bin es betont locker angegangen, was merklich zur minderen Sprachqualität beiträgt. Das Ganze ist ein quasi ungeschnittenes Gespräch via Skype. Klingt ein bisschen wie aus einer Dose, aber wir sind halt nicht beim Rundfunk. Seltsam finde ich im Nachgang, dass ich bei der Vorstellung keinen Nachnamen habe. Aber Titel und Namen scheinen dem anderen alten Mann Probleme zu bereiten.

Ich kann mich nicht recht entscheiden, ob ich mich über die eigene Schnoddrigkeit in der Rede ärgern soll oder das gut finde, weil die Alternative für jemanden ohne jede Übung immer die ist, gekünstelt daher zu salbadern. Alles andere ist eine Frage der fehlenden Erfahrung. Die ganze Situation ist ein wenig bizarr. Du sitzt zuhause, glotzt wie immer auf deinen Monitor und telefonierst mit zwei zwielichtigen Typen in dem Bewusstsein, dass das nachher eine Menge Leute hören werden.

Das Produkt

Inhaltlich fasziniert mich, dass das Format uneingeschränkt die Auseinandersetzung bestimmt hat. Es bleibt häufig sehr oberflächlich, weil es das Ding sofort gesprengt hätte, wenn ich jedem Aspekt widersprochen hätte, der mir gegen den Strich ging. Du merkst dann auch irgendwann, dass du gegen die Position des Gegenübers ein paar Dinge unbedingt in Stellung bringen willst und fragst dich, ob du schon tickst wie ein Politiker, der in jeder Sendung dieselbe Message runterleiert.

Herausgekommen ist ein Austausch über grundsätzlich unterschiedliche Perspektiven. Ich glaube, das ist sogar gelungen. Da ich nicht versuche, jemanden umzudrehen, von dem ich weiß, dass er eh nicht mitgeht, macht mich das tiefenentspannt. Was soll ich mich da streiten? Wenn ich gute Argumente habe, wirken die auch ohne Zustimmung des Gegenübers. Ein bisschen mehr Polemik hätte ich mir trotzdem gewünscht, das können wir beide besser. Für Stammleser ist inhaltlich eh nix Neues dabei, außer dass man mich sprechen hört.

Zu den Kommentaren

Sollte jemand hier zum ersten Mal kommentieren wollen, lest die Nutzungsbedingungen! Das erhöht die Wahrscheinlichkeit enorm, dass ich euren Kommentar freischalte, und wenn nicht, habt ihr ggf. eine Ahnung, warum nicht. Wer es dann immer noch nicht rafft, ist bereit für Twitter.
Wünsche, Spaß gehabt zu haben.

 
Ich bin nicht gut mit Worten über die Sterberei, hätte dir aber sagen können, dass das scheiße ist für die, die bleiben.
Du hast den kurzen Anlauf genommen; gute Wahl!
Dein unverschämtes linksradikales Schandmaul wird mir fehlen.

 
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Es fehlt eine Wissenschaft, eine ganze. Ich habe mich gefragt, was etwa von Internet der 90er Jahre heute noch übrig ist. Die Frage ist nicht einfach, schon gar nicht beantwortet mit Schlaumeiereien wie “Es gibt doch die Wayback Machine!”. Eine passende Meldung gab es neulich: Die Bibliothek des US-Kongresses hat das Archivieren von Twitter eingestellt. Es werden einfach zu viele Daten.

Der unter dem Bingobuzzword “Big Data” gehandelte Vorgang, riesige Datenmengen nach schlauen Algorithmen zu filtern, hilft hier nur bedingt bis gar nicht. Man stelle sich vor, in vierzig oder hundertvierzig Jahren möchte sich jemand darüber informieren, was in einem der wichtigsten Medien der Menschheit kommuniziert wurde. Autsch. Gibt es überhaupt schon Ansätze für eine Systematik, nach der man heute Daten archivieren kann? Ressourcen dafür?

Datum transit, scripta manent

Während wir total überwacht werden, dürfte es schon (nahezu) unmöglich sein, ein ungefähres Bild, eine Karte, zu zeichnen von der Vernetzung Mitte der Neunziger. Ist noch etwas davon zu bergen? Wir reden hier von einer Zeit, in der solche Verbindungen noch übersichtlich waren. Wie ist es heute, in einer Zeit, in der Milliarden Menschen das Netz nutzen? Ist es Fluch oder Segen, dass die meisten Verbindungen inzwischen über Datenkraken wie Google und Facebook stattfinden? Gehören denen diese Daten wirklich? Dann haben sie nicht zuletzt die Hand an der Klospülung der Zeitgeschichte.

Während diese Ausbeuter unserer Lebens- und Kommunikationsdaten also weltumspannende Datendiktaturen errichtet haben, müsste sich eigentlich wer darum kümmern, wie man Informationen anders filtert als zu dem Zweck, Scheißturnschuhe zu verhökern. Dabei käme es unter anderem darauf an, exemplarisch Verbindungen, deren Entstehen und Vergehen, aufzuzeichnen und aufzuarbeiten. Kommunikationen müssten analysiert und der Nachwelt überliefert werden im Rahmen ihres Zustandekommens. Die große Kunst des Auslassens muss dabei erst noch entwickelt werden.

Archivieren heißt demnach eben nicht mehr, möglichst viel zu sammeln und zu bewahren, sondern schon vorweg eine Auswahl zu treffen in der Absicht, noch irgendwie historische Forschung für spätere Zeiten zu ermöglichen. Allein die Form, in der Daten ‘gespeichert’ werden sollen, ist ein eigenes Problem der Geschichtswissenschaft. Es ist kein Witz, dass Ausdrucken tatsächlich nicht die Dümmste Idee sein wird. Schriften haben Jahrtausende überlebt; elektronische Daten sind nach einem Jahrzehnt oft unrettbar verloren. Man stelle sich vor, es blieben sonst nur die Printprodukte der Verlagsmedien; die Historiker der Nachwelt würden sich doch scharenweise totlachen!

 
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Socken sind ihrem Wesen nach Einzelgänger. (Clementine Tilly)

Pappkamerad Klappspaten sah mich verdattert an. Er wusste es nicht, aber er war soeben Doppelopfer geworden; eines Eingangssatzes, der doch niemals einer werden würde. Seine gesamte Existenz verdankte sich einer grausamen Übung, einer Laune, einer spontanen sinnlosen Tat. Solange die Datenbank in jedweder Form, kopiert, gepackt, gebrannt oder verschlüsselt, noch irgendwo vorlag, würde er dasein, ohne Geschichte, ohne Charakter oder Gestalt. Nur das Eine, diese wohl intonierte Information über ihn, war.

Charles M. Chools lachte heiser und steckte einen Stummel zu den anderen in den Aschehaufen. Erfolg! Erfolg war so banal, so simpel und kalt, eine Frage kruder Technik. Er konnte ein Schnitzel schreiben, und alle würden es fressen. Das Geheimnis des Starautors („Bestsellerautor“ verbat er sich. Das Wort hat mehr Silben als Sinn. Außerdem ist jeder Hinz und Kunz Bestsellerautor. Man vergleicht sich nicht mit den Top 100, wenn man gut genug ist für echte Ambitionen.) wurde bereits mit seinem Erstlingswerk gelüftet: Technik, Technik, Technik.

Rollenwechsel

Die erste Kritikerin, die ihm „Empathie“ unterstellte, hat noch an demselben Abend mit ihrem bisherigen Leben abgeschlossen. Wie der geniale Analytiker sie öffentlich vorführte, ihr Wort für Wort, Silbe für Silbe ins Stammbuch prügelte, dass ein gut programmierter Roboter hätte schreiben können, was sie „anrührend“ fand, hätte einem frühneuzeitlichen Gericht Ehre gemacht. Mancher hätte die peinliche Befragung jener Zeit vorgezogen. Sie wechselte kurz darauf die Seiten und schrieb ein vielgelobtes vierbändiges Racheepos.

Chools fuhr den PC herunter und ging ins Schlafzimmer. Er öffnete den großen Spiegelschrank und entnahm ihm die schwarze Uniform. Nachdem sie frisch gebürstet und parfümiert war, zog er sie über, schlüpfte in die Stiefel und band die Binde um. Er nahm die Mütze vom Huthaken, wienerte deren Schirm, sorgte für ihren perfekten Sitz und schloss den Schrank. Stolzierend, krächzte er wieder und wieder: „Heil Hättler, doo Drräcksaoo!“

[Hier Link zu einem Video mit Musikanten einfügen. Vielleicht Rammstein.]

 
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Schon Kinder brauchen Ordnung um mögen daher die Wiederholung. Kluge Kinder, die nicht mit Gewalt verblödet werden, sind aber neugierig und finden bald viel mehr Vergnügen an den Geschichten und den Kapiteln, die sie noch nicht kennen. Das ist die Dialektik des Narrativs: Es knüpft an und erzählt neue Kapitel; derweil zerren die Kapitel der Vergangenheit an allem Neuen wie an Materie, die ein Schwarzes Loch verlassen will. Manches Kapitel muss wieder und wieder entstehen, um endlich an der Oberfläche zu bleiben.

So finden sich diejenigen, die längst in den Irrtum eingewobene Kapitel schließen und durch andere, zeitgemäß wahre ersetzen wollen, in einer paradoxen Situation: Sie wiederholen das Neue. Wieder und wieder erzählen sie ihre Gegengeschichte, verneinen, korrigieren und klären auf. Teils so lange, dass sie Gefahr laufen, ihrerseits das zeitgemäß Neue nicht mehr wahrzunehmen. Es gibt tatsächlich Korrekturen der großen Erzählung, des ‘Common Sense’, die sich überleben, ohne je dauerhaft ‘Öffentliche Wahrnehmung’ zu werden. Das Kapitel von der gerechten Marktwirtschaft etwa ist ein solches. Es hatte seine Zeit in den 70ern, sein Held ist Willy Brandt. Das Kapitel vom Russen, der gar nicht böse ist, ein anderes. Es ist mit der Figur des Gorbatschow verbunden.

Where Ham Is Spam

Ich habe mich vor einer Weile gefragt, ob die Bloggerei eine Art Spam ist. Das Netz ist eine ewige Flut von Texten, die immer weniger zu bewältigen ist. Jeder neue trägt dazu bei, dass man die meisten nicht mehr lesen kann. Aber das ist ein Problem der Archivare, die sich eben umstellen müssen – eine Aufgabe übrigens, die noch kaum irgendwo begonnen wurde. “Big Data” ist hier nicht der Weg, sondern die Kunst, Quellen zu bestimmten Fragen zu finden und zusammenzustellen. Eine ganz neue Art von Redaktion, die nicht zuletzt im Auslassen besteht. Das Internet ist definitiv der Tod der Vollständigkeit.

Auf der anderen Seite bleibt es bitter nötig, weiter zu drängen, zu widerstehen; die Kapitel einer zeitgemäßen, aufgeklärten Erzählung zu schreiben und auch zu wiederholen. Das Klügste wird aufs Dümmste angewiesen bleiben: Ohne quasi rituelle Wiederholung besteht nichts. Was verschwiegen wird, wird verschwinden. Ob es dann je wieder auftaucht, ist ungewiss. Immerhin kann man es variieren; das kann manchmal sogar spannend oder komisch sein. Tragisch ist es allemal.

 
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Die Begriffe “Klickstricher” und “Awarenesshure” sind völlig aus der Mode gekommen; dafür spricht man heute über “Stars”, wie in “Instagram-” oder “Youtube-”. Als Anfang der 2000er eine relevante Kultur von Textblogs in deutscher Sprache entstanden war, galt es als unfein, sich an Leser heran zu wanzen, indem man statt Inhalten bloß Zeugs lieferte, das Aufmerksamkeit erregen sollte. Auch das Besprechen von ‘Produkten’, die man für solche Schleichwerbung geschenkt bekam, war anrüchig.

Der Wind weht längst aus der ganz anderen Richtung, was sich jenem Sog verdankt, in dem sich Kapital und Massen von Idioten zu einer großen Kloake vereinen. Wussten die zumeist irgendwie professionellen oder zumindest sachkundigen Benutzer früherer Zeiten noch, warum man von “virtuell” sprach, wenn Identität im Internet gemeint war, toben inzwischen Schwärme von Lemmingen durch den Äther, die in gebückter Haltung ihre Maschinen streicheln und ein “Pokemon” nicht mehr von einer Laterne unterscheiden können.

Helden in Strumpfmasken

Der “Standard” hat so ein Beispiel, warum man nichts. glauben. darf., Grundgesetz und Kernkompetenz der Netznutzung. Wir Alten wissen das noch. Schauen wir uns diesen widerlichen Aufschneider aka “Instagramstar” und seine halbgescheite Klientel einmal näher an:

Ein Krebsopfer also – zumindest eine der gröbsten Schablonen, mit der Arschlöcher zu Werke gehen, denen jedes Mittel recht ist, sich in den Mittelpunkt zu rempeln. Look! At! Me! Wo immer ich hier lese “Ich habe Krebs”, ist selbstverständlich mein erster Gedanke: “Nein, hast du nicht, du Wichser.” Man tut sich keinen Gefallen, wenn man sich im Internet auf Drama und große Gefühle einlässt. Das gehört nicht hierher.

Du willst es doch auch

Wer Krebs hat, braucht zwei Dinge ganz sicher nicht: Schmalziges ‘Mitleid’ oder Heldenverehrung – gemeinhin genau das, was diese Simulanten einheimsen. Allein schon “hat den Krebs besiegt“, dieser Bullshit aus dem Boulevard, sieht aus Sicht der Kranken und ihrer Angehörigen ganz anders aus und bedeutet meist: Hat die Chemo überlebt und bangt weiter. Krebs ist null rührend. Krebs ist scheiße, egal ob du damit lebst oder stirbst. Das Geschäft mit dieser Aufmerksamkeit ist etwas für Halsabschneider und Zuhälter.

Im vorliegenden Fall haben wir dann noch einen Poser, dem das nicht reicht und der den Helden spielt, indem er Bilder von Kriegsopfern klaut. So etwas wird also “Star” im Internet, obwohl seine ‘Werke’ so offensichtlich und leicht nachweisbar zusammengeklaut sind, dass jeder, ja wirklich jeder, der mit einem Minimum an Zweifel solchen Trash konsumiert, das erkennen müsste. Tun sie aber nicht. Der Schwarm schwärmt und träumt, und wenn dann der Wecker klingelt, werden sie patzig. Dabei ist das nicht einmal Betrug. Das ist Kundendienst, oder deutlicher gesagt: Dienst am Freier.

 
udowahrIch werde alt. Mir ist selbst die hauseigene Korruption inzwischen zu langweilig, da nehme ich mir lieber ein Rätselheft vor (um ein Auto damit anzuzünden). Schlimmer noch: Ich lasse mir von Lesern Vorschläge machen und nehme sie an. Leser! Dieses Volk, das meine schöne Datenbank mit ekligen Inhalten vollsaut, meine gute Laune mit Meinungen torpediert und im ärgsten Fall einfach still liest. Widerlich. Das seht ihr doch auch so, richtig? Sag’ ich doch.

Muss ich Pantoufle erwähnen? Der hat zum elften Mal den zweiten Platz gemacht. Das nur am Rande. Aber ehe ich den behänge, preise ich mich selber. Wie, das mache ich schon dauernd? Okay, dann vielleicht nächstes Jahr. Ihr seht, der Text kommt voran. Worum geht es noch? Ach so, ja, um den Hund und das neue Teilzeitfrauchen. Er kommt ja auch viel besser mit Frauen zurecht. Oder kam jedenfalls. Also das Original. Hier musste er ja meist bei Kerlen abhängen.

No. 11

Kommen wir also zu ihr, der Preisträgerin. Das ist lustig. Ich lese unvermeidbar gelegentlich Artikel, die mich interessieren, will heißen: thematisch. Dann fängst du an zu lesen und denkst irgendwann – die hohe Kunst schafft das in wenigen Zeilen – “Nee, ne? Och nee, lass ma!” Hat nix zu sagen, kann nich schreiben, redet Blödsinn, weiter geht’s. Bei der Dame® nunmehr ging es andersherum. Da ihr mich lesen geschickt habt, fügte ich mich und las. Nicht alles meines Ding. Oft sehe ich die Welt® anders. Kurzum: Ich war in der Fremde, beim Anderen! Gruselschauer!

Was es aber auch war, ich war schnell im Text und blieb. Ob Kollage oder Kommentar; es fällt mir auf, wenn ich nichts vermisse. Viel zu wenige hier draußen können schreiben, wissen, wovon sie reden und halten sich mit ihrer Mission zurück. Bei ihr kommt schreiben von lesen; wer Quellen sucht, wird hier reichlich bedient. Mag ich. Kann ich leiden. Andere haben sie lange vor mir entdeckt. Auch wenn ich ich denke, ich denke ganz anders als sie – oder vielleicht gerade darum: Willkommen im Club, dame.von.welt!

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