2005-2013 (alle Beiträge)
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Best of 2005-2013

 

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Mensch, ist das gemütlich hier! Wir befassen uns nach all den Jahren mal wieder und immer noch mit: “Was Journalismus mindestens leisten könnte, nähme er die Kriterien, die zu erfüllen er so gern behauptet, auch nur zur Kenntnis”, heute in der Geschmacksrichtung “Irgendwas mit Russland, tendenziöse Semantik und die Rache der Hobbyschreiber”.

Dass selbst Kollegen in der Nachbarschaft, denen ich in bestimmten Bereichen mehr Sensibilität abverlange als den Lohnschreibern von siehe oben, sich der Konditionierung nicht entziehen können, nehme ich mit Bedauern zur Kenntnis. Ich selbst kriege noch immer jedes Mal Puls, wenn ich “Oligarch” lese. Warum, ist klar: Weil das ein deutsches Wort ist, sich aber geriert, als sei es russisch. Ja, das kann man ruhig mal googeln: Wenn “Oligarch”, dann Russe.

Qualität®

Ich will jetzt gar nicht mehr eingehen auf den allgemeinen Umgang mit den Interessen Russlands und ihren Vertretern, von dem jeder Halbblinde mit Leseschwäche wissen kann, dass in dieser Hinsicht ein Verdachtsjournalismus vorherrscht, der quasi komplementär zur ‘Berichterstattung’ über NATO-Interessen läuft. Der Kalte Krieg hat nicht nur nie aufgehört; das Niveau der Propaganda sinkt weiterhin, kein Boden in Sicht.

Was mich auf die Palme bringt, sind diese offensichtlich ankonditionierten semantischen Propaganda-Buzzwords. “Regime”, “Machthaber”, “Terroristen”, “Rebellen”; übrigens auch ein Quatsch wie “Hacker”. Fragt mal einen Bezahlschrankenwächter, was das eigentlich ist. Der aktuelle Allergieanfall wurde aber eben ausgelöst durch “Oligarch”.

Nicht bloß Google bestätigt die genannte Kombination. Guckt euch mal westliche Oligarchen an, am besten bei der Wikipedia, auch so eine Propagandaschleuder. Bezos ist dort ein “Unternehmer und Investor“, Musk ist ebenfalls “Unternehmer“, und bei dem scheppert gleich die ganze Narrenkappe. Als weißer Südafrikaner Profiteur von der Apartheid, lesen wir dort ein Rührstück, wie der kleine Elon als Kind gemobbt und verprügelt wurde, das arme Opfer. Schade, dass ich keinen Eintrag dort habe, das würde ein echter Thriller.

Der Iwan

Wie aber sieht das dort bei einem Kollegen aus dem Reich des Bösen aus? So: Roman Arkadjewitsch Abramowitsch “ist ein russisch-israelischer Oligarch“. Da nimmt man sogar ein Portiönchen Antisemitismus in Kauf, um dem Russen das Schild umzuhängen. Und friss das, Ivan: “Sein Startkapital sollen 5000 Tonnen Heizöl gewesen sein, die er sich angeblich mit Hilfe gefälschter Dokumente aneignete.” “Sollen”, “angeblich”! Kann ja gar nicht anders. Der Russe ist halt ein Verbrecher.

Auch an dieser Stelle wiederhole ich mich: Wenn die Mittelschichtsbläser in Journaille und öffentlicher Kommunikation diese Qualität an ‘Information’ nicht bloß gelegentlich liefern, sondern sie ganz selbstverständlich für das erforderliche Maß halten, wie soll dabei irgendetwas anderes entstehen als ein Auditorium, das sich aus demselben Regal bei anderen Märchen bedient? Das ist es, was in der Verwertungskette hinten rauskommt, wenn man vorn ‘Medien’ eingibt.

 
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Blockstoff Einundzwanzig

26. April 1886: Jan van Nille erfindet ‘Eis am Stiel’.

Luigi Pommerone schiebt sich noch eine Handvoll Popcorn zwischen die Zähne und kommandiert: “Nehmt die Helme ab!” Die beiden Männer in der Arena gehorchen. Sie schnaufen wie Seeelefanten, als sie ein weiteres Mal aufeinander losgehen und sich die Fäuste geben. Pommerone erhebt sich gemächlich vom Sitz, legt sein Jackett ab und steigt in den Ring. Er packt Chuck und Andy jeweils im Nacken und schlägt ihre Köpfe zusammen. Sie taumeln benommen zu Boden.
Der Meister spuckt aus und zischt: “Bonetti, Norris, ihr macht morgen weiter. Jetzt ins Bett, ohne Essen!

Diesseits der Blogroll

Ich hörte heute vom Freund eines Freundes, es gebe neue Regeln in der Rassenlehre. Demnach muss ich mir keine Sorgen mehr machen, nicht weiß genug zu sein, um mir meine Existenz als Täterschaft vorwerfen zu lassen. Irgendwo habe ich nämlich einen Nichtarier im Stammbaum, außerdem einen Scheißkommunisten, das sind schwere Flecken auf der Weste. Aber wie es heißt, ist nur Reinschwarz wirklich schwarz und alles andere bereits Adolf. Wenn du also nicht einer Singularität entspringst, bist du auf der weißen Seite, was quasi die Dunkle Seite ist, was wiederum daran erinnert, was dieser Lucas Film für ein widerwärtiger Rassist ist. Wie dem auch sei, es handelt sich hierbei offenbar um – Achtung, einer für die Liebhaber veralteter Wörter – ein Jekami für Flagellanten.

Ein anderer Freund eines Freundes fragt für mich, ob vielleicht “Irre und Mörder” unser Vaterland regierten. Und nicht nur das, wie sich aus der Sachlage ergibt, sondern auch die Vaterländer anderer Muttersprachler. Okay, das sich Ergeben, ein Ziehen korrekter Schlüsse, sei hier Fehl am Werke, flüstert der Haken auf meiner linken Schulter, wir legen die Fünf Mark also aufs Schweinderl (bringt Glück). Es geht um die Schandmasken. Um Maskenmord. Massen von Masken, dem Volk aufs Maul gezwungen und verkorbt. In der Sonntagspredigt erfuhr ich zudem, sich selbst zu maskieren sei ein Selbst, hier gebe es kein Recht auf Gehorsam, nämlich der sichere Tod durch Massenmaske ein Suizid, wofür man, das sei seit dunnemals erwiesen, IN DIE HÖLLE!!!¹! komme.

Zum Schluss das Letzte

Die Echten, also die, wo sich um das rassische Reinheitsgebot im unermüdlichen Einsatz für die Behörde kümmern, tanzen weiter den 1888 auf den Gängen und in den Ausschüssen. Wo “Maaßen” draufsteht, ist diese Brühe drin, und der Stramme mit der kleinen Brille ist nur einer in einer langen, großen Tradition. Was die geheimen, unheimlichen, großen und kleinen Faschos hier als brutalstmögliche Aufklärung servieren, ist reif für den Oscar: Wer wem was nicht gesagt hat, weil er es nicht gewusst haben soll, da er erst wusste, was er später nicht zu sagen berechtigt war, nachdem andere Weiteres öffentlich verschwiegen hatten, um es geheim unter Verschluss zu bringen, was ohnehin nicht bekannt war, ehe die gewonnenen Erkenntnisse durch eine Überprüfung nicht zuständiger Behörden unbestätigt blieben, solange die federführende Leitung gegen weitergehende Befugnisse nicht hinreichend abgesichert war … Spaghetti-Kreiswichsen auf der Achterbahn. Schade, dass man die Akten nicht mehr findet.

 
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Ich habe es eigentlich schon vor Jahren innerlich aufgegeben, vor allem den vermeintlich schlauen unter den sozialdemokratischen vermeintlichen Kritikern einer vermeintlich ausufernden ‘Marktwirtschaft’ zu erklären, dass das alles ganz normaler Kapitalismus ist. Aber vielleicht bleibt irgendwann ja trotzdem etwas hängen, wenn man bei aller Müdigkeit weiter darauf hinweist.

Aktuell erleben wir wieder solche ‘Auswüchse’, wie die Bergers dieser Glaubensgemeinschaft verklärbären, und schon springen die Prediger der Alternativlosigkeit aus den Büschen und machen sich – ernsthaft – Sorgen um “das Ansehen der Börsen“. Ja, was soll das Schwein in seiner Suhle bloß denken?

Skandal im Sperrbezirk

Wirecard, Gamestop-Robinhood(sic!)-Citadel, das ist das Original von fairer Wettbewerb®. Da kann, da will niemand eingreifen, und zwar so lange, bis jemand mit der Macht daherkommt, die Änderung der Regeln zu erzwingen. Nein, nicht um etwas im Sinne von Freiheit und Gerechtigkeit zu regulieren®, sondern weil er’s kann und es ihm nützt, du Heini!

Capitalism as usual. Das wird kein Stück besser; nur schneller. Die Naivität, mit der das Geschehen immer noch, insbesondere im Habitat der Noske-Nachfolger, verfolgt wird, ist niederschmetternd. An einer anderen Ecke, in der es vordergründig auch um Apps, Social Media und Kommunikation geht, geht es derweil um dasselbe: Mehr Geld aus dem Geld. Nicht Antirassismus, Hatespeech oder Gerechtigkeit, nein. Mammon. So regelt der Markt das. Immer.

Wenn Facebook, Youtube, Twitter, Noodle, Doodle oder Takkatukka einen Trend setzen, dann, weil es sich rechnet. Schon mal gehört? Mehr Geld aus dem Geld. Das ist die DNA jedes Konzerns, ganz und gar der schönen neuen Weltweiten. Moral gibt es da nur als Salz der mockigen PR-Brühe, mit der sie alles fluten, um uns um den Verstand zu belabern.

Tumorkritik

Das alles ist wichtig, umso wichtiger, je irrelevanter das alles ist. Irgendwelche Daten für irgendwelche Werbung für irgendwelche Produkte, möglichst virtuelle, darauf Wetten und Wetten auf diese Wetten. Jetzt kommt der eine daher und meint, das sei sinnlos, und der andere, das sei ein Auswuchs, und am Ende kommt der Berger und will die Casinos schließen.

Gut, dass sie es nicht tun. Denn wisst ihr was? Das ist wirklich wichtig. Es gibt Billionen, aus denen mehr Billionen werden sollen. Dazu wird Nullzinsgeld in die Gräben derer gepumpt, die sich schon lange an den Börsen damit gegenseitig die Laune versauen. Dabei können sie keine Amateure und hybrides Kleinviech gebrauchen. Das ist ihr Terrain.

Denn stellt euch für einen Augenblick vor, sie dürften dort nicht mehr spielen oder jemand würde ihnen wirksam den Spaß daran vermiesen. Oder, Worst Case: sie könnten aus den Billionen keine Zillionen mehr machen. Was dann? Dann gehen sie doch noch hin und kaufen ein. Brot. Wasser. Luft. Das könnt ihr ihnen dann alles im Abo abkaufen, wenn ihr noch jung und ansehnlich seid. Viele Mieter ahnen vielleicht schon, wovon hier die Rede ist, und das, meine Lieben, ist nur der Anfang.

 
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In Frankreich sind die Chaoten auf der Straße. Sie schlagen Scheiben ein und plündern Läden. Auf diesen Vandalismus, diesen Anschlag auf Zivilisation, Anstand und Ordnung gibt es nur eine Antwort: die volle Härte der Zivilgesellschaft. Die Rädelsführer ausmachen und alle, derer man habhaft wird, so lange wegsperren, wie die Menschenrechtscharta das gerade eben noch zulässt.

Man könnte aber auch kurz darüber nachdenken, wer da wieso gerade austickt und offenbar keine Hemmungen kennt, auf die Etablissements der Gesellschaft loszugehen. Da muss wohl ein Faden gerissen sein, der die Franzosen einmal mit ihrer ‘Demokratie’ verbunden haben könnte. Wie kam das nur? Warte …

Schwerer Ausnahmefehler

Vielleicht durch den Ausnahmezustand? Nach dem Terroranschlag vom 13.11.2015 galt der erst mal schlanke zwei Jahre, bis zum 31.10.2017. Der Staatsapparat hatte sich schnell daran gewöhnt und fand das wohl voll praktisch. Oder vielleicht war es das Zusammenknüppeln der “Gelbwesten” 2018/2019, bei dem das Regime deutlich gezeigt hat, was es davon hält, wenn Massen gegen seine Entscheidungen protestieren?

Oder gar die alte Leier von den nicht Integrierten? Der Trend zum Autoritären von oben ‘Mitte’ bis unten rechts? Oder, nein, das kann ja nicht, die dumpfe Ahnung, das große Ganze mit dem K. am Anfang könnte eine schlechte Idee sein? Angefacht durch die noch dumpfere, wo nicht blödere Gelegenheit, gegen staatliche Maßnahmen aufzubegehren, die ausnahmsweise gerechtfertigt sein könnten – was man aber gar nicht in Erwägung zieht angesichts des totalen Verlustes jeglichen Vertrauens?

Wo sollte das enden? Wo überhaupt anfangen? Ach was. Es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass hier Randalettis teils ausgerechnet das Mobiliar derer zerlegen, die ohnehin unter dem aktuellen Zustand leiden. Trifft also irgendwo schon die Richtigen. Also zurück zum Anfang. Verhaften, wegsperren, künftig besser überwachen. Das hat schon immer geholfen.

 
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Gefragt, was denn kein Narrativ sei bzw. nicht von Narrativen beeinflusst, nannte ich Wissenschaft bzw. Wissenschaftlichkeit. Wie notwendig ein solches Denken ist und wie mächtig Narrative sind, zeigen die aktuellen Verschwörungstheorien von QAnon bis zu denen über Covid 19.

Narrative werden bedient, weil sie als Geschichten nicht nur das Bedürfnis nach Erzählungen befriedigen, sondern auch eine Einbindung der Zuhörer auf allen menschlichen Ebenen ermöglichen: Emotionen, Aktivität, Interpretation/Bedeutung, Unterhaltung und Rationalität. Letztere ist dabei keineswegs zu verwechseln mit Logik oder Wissenschaftlichkeit. Auch Mythen beinhalten Rationalität, ebenso wie viele Wahnvorstellungen.

Die Vermittlung dieser Ebenen findet geradezu perfekt statt in einer Spielsituation, einem Abenteuer. Spiele werden längst auf Basis dieser Erkenntnis konzipiert. Nicht anders als Rollenspiele, mit oder ohne virtuelle Realität oder den Übergang von dieser in die Außenwelt, funktionieren verschwörungstheoretische Strukturen.

Mythologie und Erzählung

Man ist Teil einer Geschichte, die in einer Gemeinschaft erlebt wird, deren Mitglieder sich gegenseitig in ihren Ansichten bestärken. Die Interpretation der Wirklichkeit wird dabei einem Ziel (gern einem vorher festgelegten Resultat) unterworfen, alle Zeichen haben eine Bedeutung, die darauf hinweist. Da die Mitglieder jeweils die Hinweise und ihre korrekte Auslegung ‘finden’, sind sie eng in den Prozess eingebunden, der so die Realität als Bezugssystem ersetzt.

Ich werde dies ggf. in weiteren Beiträgen vertiefen. Für den Augenblick möchte ich nur darauf hinweisen, dass die narrative Struktur der öffentlichen Kommunikation – alles wird in Erzählungen verpackt, von politischen Inhalten über ‘Nachrichten’ bis hin zu vermeintlich realitätsbezogenen Unterhaltungsprodukten – Verschwörungstheorien nicht bloß fördert, sondern zwangsläufig hervorbringt.

Allein eine Darstellung von Sachverhalten unter Anwendung wissenschaftlicher Kriterien entkommt dieser Dynamik. Journalismus hat seinerseits durchaus Kriterien entwickelt, die dem nahekommen, diese fallen aber den Notwendigkeiten des Betriebs zum Opfer. Das geht so weit, dass die meisten Medien Whistleblower, die eigentlich das grundlegende Element der Investigation liefern, regelmäßig als Verräter brandmarken, die dem ‘Guten’ schaden.

Der Fall Relotius war in Bezug auf ‘Journalismus als Erzählung’ Sinnbild für die Kapitulation der Medien vor dem Narrativ, und zwar nicht erst bei der Entlarvung des Fälschers, sondern vor allem zuvor, bei der mehrfachen Auszeichnung dieses Spitzenjournalisten. Die Reaktion auf dieses Phänomen ist in Zeiten des Internets die Kreation von Alternativerzählungen.

Spaß und Spannung

Das ist es, was ‘alternative Medien’ im Übermaß leisten. Hier kann jeder an seiner vermeintlich eigenen Story mitschreiben, in seinem Adventure täglich neue alte Artefakte entdecken. Die Struktur ist religiös: Es gibt Schamanen, die mystische Wahrheiten enthüllen, und zwar umso verbindlicher, je weiter sie von Realität und Common Sense abweichen.

Eine Irrtumsprüfung findet ebenso wenig statt wie Reflexivität (die Anwendung angeblich gültiger Regeln auf das eigene Denken) oder die Überprüfung eigener Prognosen. Wo solche erhoben werden, wird lediglich die Interpretation angepasst. Wirklichkeit selbst gerät zu einer endlosen Prüfung des Glaubens und Anpassung der Auslegung der Schriften. Das freilich haben wir schon alles, seit Jahrtausenden.

Die Konsequenz vieler Foristen im Jahr 2021 ist der Zweifel an der Wissenschaft – es sei denn, es findet sich wer im Betrieb, der die ‘eigene’ Erzählung bestätigt. Dann kann das Abenteuer weitergehen, in dem die Rollen – wir hatten das schon reichlich hier – der Helden und Opfer im vermeintlichen Krieg nach Gusto besetzt und eingenommen werden können. Es ist ein Spiel, und jeder kann mitmachen.

 
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Einen feinen POTUS haben wir da einmal mehr. Alles mit Gendersternchen, Diversitity und GLBTIQRSTVW. Wow. Okay, ein paar Hunderttausend schwarze Strafgefangene, noch mehr aus der Unterschicht und insgesamt fast zweieinhalb Millionen Knackis. Ein fantastisches Geschäft, für das Mr. Biden eine Menge getan hat.

Überhaupt, die Geschäfte: Auch das mit dem Militär und sowieso die holde Finanzwirtschaft erfreuen sich des Erfolgs Bidens, der 36 Jahre lang als Senator von Delaware die Interessen einer absurden Steueroase in den USA vertreten hat. Biden verkörpert alles, was Trump und seine Anhänger brauchen, um ihre hysterischen Fantasien bestätigt zu sehen. Nachgerade rührend übrigens, dass jemand wie Bernie Sanders gegen dieses Establishment überhaupt ins Rennen ging.

Strategische Wirklichkeit

Das Problem der Kaste einfacher und mittlerer Millionäre, die in den USA die politischen Funktionäre stellen, ist, dass sie zwangsläufig in den Konflikt geraten, entweder sich oder ihre Wähler zu repräsentieren. Der Spagat bei dem Versuch, das beides in Einklang zu bringen, braucht schon einen begnadeten Rhetoriker wie Obama, und selbst der hat das kaum hinbekommen. Die anderen müssen auf einem Niveau lügen, das jedem sofort auffällt, der nicht fest im Glauben an seine Partei steht.

Das ist es, was Trumpisten “Fake News” nennen, weil es eine Parallelwirklichkeit abbildet, mit der sie nichts zu tun haben. Also wenden sie sich einer eigenen zu; einer, die ihnen von pathologischen Lügnern und deren Wahnvorstellungen geboten wird und ihnen wenigstens zum Schein schmeichelt. Der Kitt für die Rechten steht schon immer tonnenweise bereit: Nationalismus, Fremdenhass, Feindrecht. Gemessen an der Ausprägung seines Narzissmus hat Trump sogar moderat davon Gebrauch gemacht.

Es geht ums Gewinnen, darüber noch um Profit. Da ist jedes Mittel recht. In den USA kann man das Ganze noch beinahe ungeschönt beobachten. Wie soll irgendeine Instanz einer solchen Gesellschaft ein anderes denn strategisches Verhältnis zur Wahrheit haben? Wahr ist, was uns nutzt, im Zweifelsfall, was den anderen schadet. “Public Relations”, die Beziehungen zur Öffentlichkeit, sind die Basis für die Produktion von Geltung, ehedem Wahrheit, in der jede Lüge willkommen ist. Es zählt allein der Erfolg.

Für oder gegen uns

Die Teilnehmer an dieser korrupten Veranstaltung sind Parteigänger, nichts anderes. Sie sind dafür, solange sie bei der Stange gehalten werden, und dagegen, wenn das misslingt. Diskurs, Wahrheit, Abwägen sind keine Kriterien, sondern Teil des Rituals. In der Krise des Kapitalismus zerbricht auch noch die letzte Bastion der Verständigung, der Interessenausgleich. Lediglich Koalitionen sind noch optional, als möglichst kurzfristiger strategischer Vorteil.

In der durchkapitalisierten Welt sind die Vereinzelten immer Konkurrenten; das schließt Solidarität völlig aus. Am Ende haben Maggie Thatcher und ihre neoliberal-faschistischen Gewährsleute recht: Es gibt keine Gesellschaft. Sie wurde planmäßig zerstört. Was bleibt, sind eben Koalitionen. Oben die der Profiteure, unten die der Filterblasen, in denen man sich gerade noch darüber einig ist, wer nicht dazugehört und darum als minderwertig gilt.

Bis auch die platzt, weil man sich umschaut, mit wem man sich da zusammengetan hat. Das Endstadium ist wahlweise Isolation oder die primitive spontane Zusammenrottung mit einem Mob als Ersatzbefriedigung in der unausweichlichen Deprivation. So ein Pogrom ist in der Not durchaus eine Erleichterung. Auch diesen Prozess kann eine Pandemie übrigens unerhört beschleunigen.

 
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Quelle: NASA

Dann lass uns mal auftauchen“, entschied Luigi Pasquale, der sich diesen Namen nach einer Tonbildübertragung von der Oberfläche ausgesucht hatte. Tatsächlich hatten sie keine Namen, nicht einmal für ihre Spezies oder so etwas wie Volk, Nation und den ganzen Irrwitz, den Menschen um sich herum konstruierten, um sich in ihrer Vorstellung von Gesellschaft nicht mehr zurechtzufinden. ‚Gesellschaft‘ war da auch schon nicht der richtige Begriff, eher so eine Kategorie für den Dschungel aus Beziehungen, Bekanntschaften, Solidaritäten, Verpflichtungen, Statusfragen und den echten oder vermeintlichen Nutzen aus alldem. Familie, Freunde, Bekannte, Kollegen, Mitglieder, Kameraden, Vorgesetzte, Untergebene, Repräsentanten, Stellvertreter, Bla und Bla.

Menschen bildeten sich ein, das alles sei wichtig, mehr oder weniger, sie bräuchten das alles und sie hätten eine klare Orientierung darin. In der Welt der „Sie“, wie sie sich bald nennen würden, weil es aus Gründen der Kommunikation mit dem Erdparasiten notwendig sein würde, war fast jeder Einzelne dieser Spezies reif für die Isolation. Ein paar wenige hatten sie ausfindig gemacht, die halbwegs in ein funktionierendes Solidarsystem gepasst hätten. Diese firmierten unter der Kategorie „psychisch krank“, neben anderen, die je nach Ausprägung eine noch entscheidend größere Gefahr für sich und andere waren als der Rest der Art.

Fun Fact: Während die ‚Sie‘ kognitiv in der Lage gewesen wären, die ganzen verwirrenden Implikationen und Verknüpfungen menschlicher Beziehungen zu analysieren und zu ordnen, ist das im humanoiden Hirn gar nicht vorgesehen, das folgerichtig heillos überfordert wäre mit solchen Operationen. Selbstverständlich käme kein ‚Sie‘ auf die Idee, so etwas zu tun. Sie zählen ja auch nicht zum Spaß die ersten zehn hoch zwölf Primzahlen auf, bloß weil sie das könnten.

Das Schiff tauchte also auf, durchbrach die Meeresoberfläche, hob ab und nahm Kurs auf das Habitat mit dem Menschennamen „Washington D.C.“. Dies, weil dort eine zentrale Organisation ansässig war, die für ein großes Areal der Oberfläche zuständig war und mit hoch wirksamen Interventionen auch andere Areale beeinflusste. Luigi hatte sich über die Geschichte und die Gepflogenheiten insbesondere dieses sogenannten „Staates“ und seiner „Nation“ orientiert und einen Ablauf für das Vorgehen mit dieser Teilmenge der Spezies festgelegt. Es dürfte zu keinen größeren Komplikationen kommen.

 
Feynsinn: Guten Tag, Herr Semsroth, wie lange machen Sie es noch?

Semsroth: Was genau? Satire? Politik? Mein Abgeordnetenmandat?

Feynsinn: Nein, ich meinte stoffwechseln.

Semsroth: Was?

Feynsinn: Atmen.

Semsroth: Ach so, das. Wieso?

Feynsinn: Na ja, Sie stellen sich immer so lustig als Depressiver dar. Stichwort: “An Depressionen kann man sich gut aufhängen“. Ihre Zuschauer finden das offenbar sehr lustig. Vielleicht wurden Sie sogar deshalb ins Europaparlament gewählt. Auf Kosten depressiver Menschen, sozusagen.

Semsroth: Das sind doch nur Witze, das ist Humor, Satire. Ich überspitze das. Viele Depressive haben mir geschrieben, dass sie sich nach meiner Show besser gefühlt haben.

Feynsinn: Ich nehme an, das waren die, die sich nicht aufgehängt haben. Was wissen Sie über die anderen?

Semsroth: Na hören Sie mal, wenn Sie jeden Witz ausdiskutieren wollen, können Sie Satire bald nur noch verbieten.

Feynsinn: Nein, ich möchte für ein bisschen Empörung sorgen, weil das zu meinem Geschäft gehört. Meine Nichte hat zwei Suizidversuche hinter sich. Ich glaube, sie findet das nicht komisch. Um ehrlich zu sein, ist das für Angehörige auch nicht leicht. Eine Nummer, ein Witzchen, das packt man locker weg. Aber wenn einer eine ganze Figur, quasi seine ganze Karriere, auf Witzen über Suizidversuche aufbaut, ist das moralisch untragbar. Also entweder man scheißt auf Moral und kratzt sich nicht an so etwas oder man kommt zu einem sehr harschen Urteil über Leute wie Sie.

Semsroth: Ja, das kann ich verstehen. Das habe ich ja auch so angelegt. Ist mir völlig klar.

Feynsinn: Was haben Sie so angelegt? Die Rolle?

Semsroth: Klar, die Rolle auch. Aber ich meinte eher den Umgang mit der Moral.

Feynsinn: Sie meinen, die Geschichte mit Sonneborn und den Chinesen.

Semsroth: Ja sicher, was denn sonst?

Feynsinn: Mit anderen Worten …

Semsroth: Das Erste.

Feynsinn: Ähm. Was?

Semsroth: Aus dem Satz. Aus Ihrem Satz.

Feynsinn: Ach so, Sie scheißen auf Moral.

Semsroth: Ja sicher, würde ich sonst Suizidwitze machen? Komische Frage.

Feynsinn: Und wie erklären Sie dann …

Semsroth: Mein Gott, sind in diesem Land alle begriffsstutzig! Ich bin Kabarettist. Ich mache Witze.

Feynsinn: Aber Sie wechseln ganz unwitzig zur Fraktion der Grünen. Ist das auch Kabarett?

Semsroth: Die Grünen sind Kabarett, aus ihrer tiefsten Seele; gerade, weil sie nichts davon wissen. Es wird mir ein schwer bedrücktes Vergnügen sein, der Fraktion und der Partei meine Grundstimmung – die bei mir allerdings nur Show ist – aufzudrücken und sie in den Abgrund der falschen Moral zu stürzen, den sie seit Jahren jedem schaufeln, der mal einen über den Durst getrunken und ein bisschen Blödsinn erzählt hat.

Feynsinn: Ein Hoax also. Realsatire. Eine feindliche Übernahme.

Semsroth: Nein, das kann man so nicht sagen.

Feynsinn: Sondern?

Semsroth: Fragen Sie doch bitte meinen Anwalt nach meiner Meinung dazu!

Feynsinn: Herr Semsroth, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Semsroth: Du Scheißrassistenschwein!

 
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In diesem Artikel aus dem letzten Februar steht schon das Wichtigste zum Thema “islamistische Taten”. Überraschenderweise findet aktuell aber jemand heraus, dass ein Islamist einem “bizarren, religiösen Wahn” verfallen und damit – ja leck mich fett! – psychisch krank sein kann.

Diese Information findet sich im Lokalteil, aber immerhin. Bleiben wir zynisch und gestehen diesen Menschen kein Verständnis zu für ihre Situation, sondern fokussieren streng auf die Gefahrenabwehr: Dann haben wir es ja immer noch mit sehr vielen traumatisierten und psychisch labilen Zuwanderern aus Kriegsgebieten (Irak, Syrien, Afghanistan, Libyen, Somalia … wo die NATO halt so Frieden und Wohlstand bringt) zu tun, die ob ihrer psychischen Versehrtheit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch andere gefährden.

Will man dieses Potential entschärfen, empfiehlt es sich, eine intensive psychologische Betreuung für diese Menschen zu organisieren. Der eine lacht jetzt, der andere schäumt, weil für ihn und seine Mitarier ja auch keine gewährleistet wird. Nun, kann ich dem entgegnen: Bei euch rentiert sich das auch nicht so offensichtlich und hat leider nix mit dem Supergrundrecht Sicherheit® zu tun. Das müsste also aus dem ganz normalen Gesundheitssystem finanziert werden. An der Stelle lachen dann alle.

Die Paten

Was wir vielmehr tun, ist: die Traumatisierten an den Grenzen Europas entweder ertrinken lassen (das ist preiswert) oder, wenn sie es über die Grenze schaffen, sie noch tüchtig nachtraumatisieren. Da ist der Amoklauf Programm, und zwar nicht ischlamischtisches, sondern eines von Neurotransmittern, das eben mit sicherer Wahrscheinlichkeit hier und da in aggressive Handlungen mündet. Man kann das sicher recht präzise ausrechnen, was das am Ende kostet. Nützen tut es nix, aber es macht Spaß, wenn man halt Rassist ist.

Dann hat man auch Spaß an der Semantik der Verachtung, die es mit der Konstruktion “Rückführungspatenschaften” just in die Charts geschafft hat. Solidarität ist nämlich, wenn man, statt Flüchtlingen zu helfen, ihre Abschiebung finanziert. Hey, kann man das nicht verbriefen? Könnte der Renner an der Börse werden. Fürsorge ist, wenn man dafür sorgt, dass möglichst viele abkratzen, früher schon bekannt unter “kümmern” wie in “Kümmert euch um ihn!“.

Einen Täter, dessen Gewaltausbruch mit islamisch-religiösen Assoziationen behaftet ist, quasi krankzuschreiben, ist ein gefährliches Spiel. Wenn wir die jetzt als Einzelpersonen betrachten, so richtig mit Charaktereigenschaften, Biographien, Namen und Gesichtern, dann fangen wir am Ende noch an zu differenzieren und am ganz bitteren Ende, die als Menschen zu betrachten. Menschen wie du und ich. Moslems! Islamisten!! Diese linksversifften Gutmenschen aus der Psychiatrie gehören an die Wand gestellt.

 
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Wer hätte das gedacht, dass wir vom lame Duckface die Worte hören würden:

I would like to begin by addressing the heinous attack on the United States Capitol. Like all Americans, I am outraged by the violence, lawlessness and mayhem.

(Ich möchte damit beginnen, den verabscheuungswürdigen Angriff auf das Kapitol der Vereinigten Staaten anzusprechen. Wie alle Amerikaner, bin ich schockiert über die Gewalt, die Gesetzlosigkeit und das Chaos.)

Da inzwischen eine schöne Dokumentation des Schocks in Echtzeit vorliegt, die u.a. Donald Trump Jr. beim Abfeiern des Events zeigt, wobei auch der Senior ins Bild kommt, der einen eher mittelschockierten Eindruck macht, weiß man, was von diesem Bekenntnis zu halten ist.* Immerhin: Trump denkt auch post coitum an sich selbst und zeigt seinem treuesten Gefolge den Stiefel, wenn es darum geht, seine Haut zu retten.

Die Schmiede

Glück gehabt, vorläufig. Trumps Narzissmus kann erheblich dazu beitragen, dass die Situation sich beruhigt, so, wie er sie heraufbeschworen hat. Erstaunlich bis zum letzten Augenblick, dass dieser ersichtliche, nachgerade schreiende pathologische Narzissmus von so manchem noch immer nicht erkannt werden will. Aber in diesen Zeiten werden wir ja ohnehin darüber belehrt, wie es steht mit der Realität und ihrer Wahrnehmung.

Es geht in den USA derweil im Kern um Glück. Was lässt jene Menschen glauben, die glauben, in einer Bürgerlichen Demokratie ginge ihre Freiheit so weit, dass sie “die Freiheit haben, einen Putsch zu inszenieren“, sie hätten in einem wie Trump einen Freund und Anführer? Wie bringen sie den Glauben an totale Freiheit unter einen Hut mit der Treue gegenüber einem Despoten und seiner Willkür?

Nun, so etwas geht, und es geht nur mit Religion. Die amerikanische ist geprägt von Autoritätshörigkeit nicht minder als von Hyperindividualismus. Jeder vor Gott und unter der Fahne, und einer von denen muss halt vorangehen. Dass der eine stinkreich ist und die meisten anderen sackarm, das ist auch gut und gottgewollt, eben jenes ‘Glück’, das jeder selbst schmieden muss.

Nach der Schlacht

Deshalb muss auch niemand merken, dass Donalds Macht die des Kapitals und die des Staates ist – eine Macht, die seine Anhänger bei Juden und Liberalen von der Ostküste verorten. Der Donald aber, der ist einer von ihnen, einer, der es geschafft hat. Und weil er einer von ihnen ist, hat er das verdient. Establishment, das sind nämlich siehe oben, daher kann der Präsident und Oligarch auch problemlos ein Volkstribun sein – mit Gott und Fox News.

Sicher werden einige jetzt arg enttäuscht sein von ihrem Idol, das sie so schmählich im Stich lässt in ihrer schwersten Stunde, nach ihrem heldenhaften Kampf. Es werden aber womöglich die wenigsten sein, denn Religion hat schon seit Vorzeiten auch dafür eine Erklärung. Es gibt eben Götter und Helden. Die Helden opfern sich für die Götter, deren Ratschluss und Prüfungen unergründlich sind. Es wird eine Finte sein gegen das finstere Establishment, das ihren Gott Donald stürzen und vernichten will. Kein Grund zur Fahnenflucht. In God We Trust.

*Das Video wurde wohl unmittelbar vor der Erstürmung aufgenommen. Eine Zusammenfassung des Vorher und Nachher bei den Trumps hier.

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