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Mensch, ist das gemütlich hier! Wir befassen uns nach all den Jahren mal wieder und immer noch mit: “Was Journalismus mindestens leisten könnte, nähme er die Kriterien, die zu erfüllen er so gern behauptet, auch nur zur Kenntnis”, heute in der Geschmacksrichtung “Irgendwas mit Russland, tendenziöse Semantik und die Rache der Hobbyschreiber”.

Dass selbst Kollegen in der Nachbarschaft, denen ich in bestimmten Bereichen mehr Sensibilität abverlange als den Lohnschreibern von siehe oben, sich der Konditionierung nicht entziehen können, nehme ich mit Bedauern zur Kenntnis. Ich selbst kriege noch immer jedes Mal Puls, wenn ich “Oligarch” lese. Warum, ist klar: Weil das ein deutsches Wort ist, sich aber geriert, als sei es russisch. Ja, das kann man ruhig mal googeln: Wenn “Oligarch”, dann Russe.

Qualität®

Ich will jetzt gar nicht mehr eingehen auf den allgemeinen Umgang mit den Interessen Russlands und ihren Vertretern, von dem jeder Halbblinde mit Leseschwäche wissen kann, dass in dieser Hinsicht ein Verdachtsjournalismus vorherrscht, der quasi komplementär zur ‘Berichterstattung’ über NATO-Interessen läuft. Der Kalte Krieg hat nicht nur nie aufgehört; das Niveau der Propaganda sinkt weiterhin, kein Boden in Sicht.

Was mich auf die Palme bringt, sind diese offensichtlich ankonditionierten semantischen Propaganda-Buzzwords. “Regime”, “Machthaber”, “Terroristen”, “Rebellen”; übrigens auch ein Quatsch wie “Hacker”. Fragt mal einen Bezahlschrankenwächter, was das eigentlich ist. Der aktuelle Allergieanfall wurde aber eben ausgelöst durch “Oligarch”.

Nicht bloß Google bestätigt die genannte Kombination. Guckt euch mal westliche Oligarchen an, am besten bei der Wikipedia, auch so eine Propagandaschleuder. Bezos ist dort ein “Unternehmer und Investor“, Musk ist ebenfalls “Unternehmer“, und bei dem scheppert gleich die ganze Narrenkappe. Als weißer Südafrikaner Profiteur von der Apartheid, lesen wir dort ein Rührstück, wie der kleine Elon als Kind gemobbt und verprügelt wurde, das arme Opfer. Schade, dass ich keinen Eintrag dort habe, das würde ein echter Thriller.

Der Iwan

Wie aber sieht das dort bei einem Kollegen aus dem Reich des Bösen aus? So: Roman Arkadjewitsch Abramowitsch “ist ein russisch-israelischer Oligarch“. Da nimmt man sogar ein Portiönchen Antisemitismus in Kauf, um dem Russen das Schild umzuhängen. Und friss das, Ivan: “Sein Startkapital sollen 5000 Tonnen Heizöl gewesen sein, die er sich angeblich mit Hilfe gefälschter Dokumente aneignete.” “Sollen”, “angeblich”! Kann ja gar nicht anders. Der Russe ist halt ein Verbrecher.

Auch an dieser Stelle wiederhole ich mich: Wenn die Mittelschichtsbläser in Journaille und öffentlicher Kommunikation diese Qualität an ‘Information’ nicht bloß gelegentlich liefern, sondern sie ganz selbstverständlich für das erforderliche Maß halten, wie soll dabei irgendetwas anderes entstehen als ein Auditorium, das sich aus demselben Regal bei anderen Märchen bedient? Das ist es, was in der Verwertungskette hinten rauskommt, wenn man vorn ‘Medien’ eingibt.