Feynsinn: Guten Tag, Herr Semsroth, wie lange machen Sie es noch?

Semsroth: Was genau? Satire? Politik? Mein Abgeordnetenmandat?

Feynsinn: Nein, ich meinte stoffwechseln.

Semsroth: Was?

Feynsinn: Atmen.

Semsroth: Ach so, das. Wieso?

Feynsinn: Na ja, Sie stellen sich immer so lustig als Depressiver dar. Stichwort: “An Depressionen kann man sich gut aufhängen“. Ihre Zuschauer finden das offenbar sehr lustig. Vielleicht wurden Sie sogar deshalb ins Europaparlament gewählt. Auf Kosten depressiver Menschen, sozusagen.

Semsroth: Das sind doch nur Witze, das ist Humor, Satire. Ich überspitze das. Viele Depressive haben mir geschrieben, dass sie sich nach meiner Show besser gefühlt haben.

Feynsinn: Ich nehme an, das waren die, die sich nicht aufgehängt haben. Was wissen Sie über die anderen?

Semsroth: Na hören Sie mal, wenn Sie jeden Witz ausdiskutieren wollen, können Sie Satire bald nur noch verbieten.

Feynsinn: Nein, ich möchte für ein bisschen Empörung sorgen, weil das zu meinem Geschäft gehört. Meine Nichte hat zwei Suizidversuche hinter sich. Ich glaube, sie findet das nicht komisch. Um ehrlich zu sein, ist das für Angehörige auch nicht leicht. Eine Nummer, ein Witzchen, das packt man locker weg. Aber wenn einer eine ganze Figur, quasi seine ganze Karriere, auf Witzen über Suizidversuche aufbaut, ist das moralisch untragbar. Also entweder man scheißt auf Moral und kratzt sich nicht an so etwas oder man kommt zu einem sehr harschen Urteil über Leute wie Sie.

Semsroth: Ja, das kann ich verstehen. Das habe ich ja auch so angelegt. Ist mir völlig klar.

Feynsinn: Was haben Sie so angelegt? Die Rolle?

Semsroth: Klar, die Rolle auch. Aber ich meinte eher den Umgang mit der Moral.

Feynsinn: Sie meinen, die Geschichte mit Sonneborn und den Chinesen.

Semsroth: Ja sicher, was denn sonst?

Feynsinn: Mit anderen Worten …

Semsroth: Das Erste.

Feynsinn: Ähm. Was?

Semsroth: Aus dem Satz. Aus Ihrem Satz.

Feynsinn: Ach so, Sie scheißen auf Moral.

Semsroth: Ja sicher, würde ich sonst Suizidwitze machen? Komische Frage.

Feynsinn: Und wie erklären Sie dann …

Semsroth: Mein Gott, sind in diesem Land alle begriffsstutzig! Ich bin Kabarettist. Ich mache Witze.

Feynsinn: Aber Sie wechseln ganz unwitzig zur Fraktion der Grünen. Ist das auch Kabarett?

Semsroth: Die Grünen sind Kabarett, aus ihrer tiefsten Seele; gerade, weil sie nichts davon wissen. Es wird mir ein schwer bedrücktes Vergnügen sein, der Fraktion und der Partei meine Grundstimmung – die bei mir allerdings nur Show ist – aufzudrücken und sie in den Abgrund der falschen Moral zu stürzen, den sie seit Jahren jedem schaufeln, der mal einen über den Durst getrunken und ein bisschen Blödsinn erzählt hat.

Feynsinn: Ein Hoax also. Realsatire. Eine feindliche Übernahme.

Semsroth: Nein, das kann man so nicht sagen.

Feynsinn: Sondern?

Semsroth: Fragen Sie doch bitte meinen Anwalt nach meiner Meinung dazu!

Feynsinn: Herr Semsroth, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Semsroth: Du Scheißrassistenschwein!