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Januar 2018


 
tz

Ich weiß gar nicht, ob ich durch das Niveau gewisser Äußerungen inspiriert bin, die mir in den vergangenen Tagen zuteil wurden, aber die Überschrift geht eigentlich in eine andere Richtung. Die erste Philosophie nach der letzten, die Adornos strikt Kritische Theorie ablöste und damit die vielschichtige Analyse durch die nächtsbeste Assoziation ersetzte, kann ja gern “dekonstruieren”, was “erbärmlich” in esoterischer Hinsicht zu bedeuten hat. Ich hingegen will nur spielen, zum Beispiel mit diesem verwirrenden Einstieg.

Neulich also saß ich mit eigentlich klugen und gar nicht schlimm unsensiblen Menschen an einem Tisch, als ich Kunde erhielt von einem wahren Faulpelz. Der liege “dem Staat auf der Tasche“. Ich kann so etwas nicht mehr hören. Das ist falsch, und zwar immer. Es nährt sich von der unsäglichen deutsch-evangelischen Arbeitsmoral, die Calvins Hass auf die Armen mit Luthers auf den niederen Pöbel so eifrig verbindet. Es fehlte auch nicht der Hinweis: “Ich muss ja auch morgens aufstehen“. Auch er also anbei, der Frühaufsteher, hacht® arbeitend.

Fleiß schafft Arbeit

Ja, wenn ich nicht ausschlafen kann, ist das nicht etwa ein Grund mich zu fragen, warum und ob ich das ändern kann. Ob die deutsche Idiotie, eine Arbeitswelt gegen den Biorhythmus zu befehligen, nicht irgendwie editierbar wäre. Nein: Mir geht es schlecht, da soll es anderen auch schlecht gehen. Es fehlte dann auch nicht der Hinweis auf den Reichtum der Hartz-Bezieher. Immerhin konnte ich das aufklären und erhielt Gehör. Doch, ich kenne den Terror ja von innen als jemand, der mehrere Opfer zum Amt begleitet hat. Dass man übrigens das ‘Existenzminimum’ noch kürzen kann, überzeugte dann wohl.

Einmal im Schwung, verwies ich dann auf Dynastien der Erbärmlichen. In dritter Generation Habenichtse, die Armut erben wie andere ihren Reichtum. Die in einer Atmosphäre aufwachsen, in der sie systematisch von Bildung fern gehalten werden. Mein Gegenüber hat derweil selbst erlebt, wie doll man hier ausgestattet wird, wenn man z.B. arm ist und studieren will – dann gibt es nämlich nur elternabhängiges BAFöG, in ihrem Fall 300 Euro. Sie hat Schulden gemacht, weil sie Leute kannte, die ihr etwas leihen konnten. Versuchen Sie das einmal als Erbärmlicher!

Ich wies noch darauf hin, dass in der Eurozone eine gewaltige Arbeitslosigkeit herrscht, die sich durch Automation noch drastisch vergrößern wird. Wir brauchen keine Leute, die nicht können oder nicht wollen. Die anderen kriegen schon kaum mehr Jobs. Auch 2018 wird man aber immer noch mit dem Märchen für Idiotenkinder konfrontiert, Arbeitslosigkeit entstehe aus Faulheit. Niemand schämt sich für derart schwachsinnige ‘Argumente’. Das muss an Fake News und den Russen liegen.

Moslems ins Lager

Einen kleinen Schlenker noch zur eigentlichen Wurzel, dem “Erbarmen”, das der Deutsche nur gebeugt kennt (Clusterwortwitz!). Zu den vielen Super-Ideen, wie man die Barbarenhorden® (schon jetzt Wort des Jahres) zivilisiert: Da sollen “Migranten” doch demnächst zu einem Besuch in einem KZ verpflichtet werden, so will es eine Spezialdemokratin. Sehr gut. Da bekommen sie gleich an der Rampe einen Einblick in die unbegrenzten Möglichkeiten deutscher Ingenieurskunst.

Häufig gerade den Lagern entkommen, die ein Papst eh schon mal mit Konzentrationslagern verglichen hat, können sie sich direkt überlegen, wie das gemeint ist, was sie dort zu sehen bekommen. Naheliegend ist wohl folgende Interpretation: “Guckt mal, das kann passieren, wenn man hier die falsche Religion hat.” Na denn: Willkommen in der Leitkultur®!

 
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Gruselgeschichten von Künstlicher Intelligenz, die sich vom Menschen emanzipiert und die Weltherrschaft übernimmt, sind Projektionen, die in einem sehr reduzierten Weltbild verharren. Hier werden naive Vorstellungen von Funktionszusammenhängen, Ängste, Phantasielosigkeit und grobe Unkenntnis der Technik zu einem Märchen verwoben. Das beginnt schon mit der Vorstellung, Maschinen würden herrschen wollen. Dabei ist schon die Vorstellung einer Maschine, die etwas will, blanker Unsinn.

Dahinter steht die Unfähigkeit zu erkennen, dass die Welt, die sich uns heute bietet, eine Momentaufnahme ist und alles, woran die Menschen sich täglich anpassen, eher ein Unfall ist als die Natur der Dinge. Menschen herrschen über Menschen? Es gibt Herren und Sklaven? Es ist erstrebenswert, Profit zu machen? Man führt Kriege, konkurriert und unterdrückt? Dann müssen das Maschinen, die alles besser können, das wohl auch effizienter tun als Menschen. Wirklich?

Gehorche!

KIen, die “Unternehmen gründen” sollen, legen das nahe. Welcher abstrus dämliche Code legt ihnen so etwas aber in den Mund? Man spricht nicht zufällig von “Befehlen” beim Programmieren. Ein Programm besteht aus einer Reihe von Befehlen, und wenn eine ‘KI’ etwas ‘lernt’, dann das, was der Code ihr befiehlt in dem Rahmen, in dem er es ihr befiehlt. Daran ist so viel Wesenheit und “Self-Learning” oder “Machine Learning” wie die Coder darüber wissen. Bislang lernen Maschinen von (einzelnen) Menschen, wenn es um Verhalten geht. Das Ergebnis ist entsprechend.

Zum Beispiel Autofahren: Nicht nur konnte man ‘selbstfahrende’ Karren mit einer Tüte Mehl einsperren, indem man Markierungen simulierte; wenn Programme Menschen beim Fahren beobachten (es gibt so ein Projekt), woran erkennen sie dann Fehler, selbst Unfälle, wenn man es ihnen nicht ausdrücklich mitteilt? Schon relativ einfache Handlungen mit begrenzter Flexibilität sind kaum zu verwirklichen. Am besten funktionieren daher klare Ziele: Zerstöre alles, töte jeden (außer ggf. jemanden, der ein Stopsignal sendet). Das gibt es aber schon.

Elitezombies

Eine brauchbare Simulation von Leben scheitert schon an der binären Struktur allen Codes. Es gibt Optionen wie ‘vielleicht’, ‘vielleicht später’, ‘unbestimmt, aber wirksam’ nicht. Man kann sie auch nicht sinnvoll simulieren. Leben ist geprägt von Bedürfnissen, die Maschinen nicht haben. Es ist charakterisiert durch Entscheidungen aus Bedürfnissen heraus, von deren Wirken wir kaum eine blasse Ahnung haben. Vor allem aber kennen wir keinen rationalen Ausdruck dafür, geschweige eine digitale Abbildung. Das wäre gar absurd.

Die Vorstellung autonom handelnder Maschinen ist Warenfetisch in dritter Abstraktion. Die Ware übernimmt endgültig selbst die Herrschaft. Der “Arbeiter” (Roboter) ist nicht mehr bloß zum Teil Ware (seine Arbeitskraft), sondern ganz und gar, als lebender Toter. Den Kern dieses Kunstwesens bildet dabei nicht mehr eine Kaskade von Bedürfnissen, die zum Versuch einer Welterklärung verflucht ist, sondern das wandelnde Leistungsprinzip. Effizienter, schneller, unermüdlich, sparsam und devot. Aber ausgerechnet das soll mit überlegener ‚Intelligenz‘ die Menschheit beherrschen – weil sich aus solchen Wesen quasi automatisch eine autoritäre Elite bildet?

Alle Artikel zum Thema in Reihe gibt es hier.

 
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SciFi-Autor Charles Stross hat auf dem 34c3 einen interessanten Vortrag zum Thema “KI” gehalten, den ich zunächst inhaltlich kurz abarbeiten möchte:
Ganz richtig stellt er fest, dass eine KI, die menschliches Verhalten perfekt beherrschte, “auf dem Sofa sitzen und Chips fressen” würde. Er weist Phantasien über selbststeuernde KI, die den Menschen beherrscht, als “Religion” zurück und bietet ein deutlich rationaleres Modell.

Ein schöner Satz ist eine seiner Kernaussagen: “The secret weapon of scifi is history”. Geschichte ist aber nicht nur die Geheimwaffe der Science Fiction; sie ist die Basis aller Wissenschaft. Sofern deren Zweck auch zutreffende Prognosen sind, ist es nur logisch, die Zukunft aus der Vergangenheit abzuleiten. Zudem meidet Wissenschaft Irrtümer, indem sie die der Vergangenheit meidet; ihr Entwicklungsstand ist geronnene Geschichte, und wenn sie neue Erkenntnisse gewinnt, muss sie sich revidieren, also ebenfalls mit ihrer Vergangenheit beschäftigen.

Stross meint, dass es bereits eine “analoge KI” gibt, nämlich “corporations” – Firmen bzw. Körperschaften, hier meist als “die Wirtschaft” verklärt. Diese sind durchaus mit digitalen Systemen zu vergleichen – Ihre Verfasstheit, die (u.a. juristischen) Regeln, nach denen sie funktionieren, sind die “Software”. Menschen sind Funktionsträger innerhalb dieser technischen Strukturen der Wirtschaft. Sie sind jederzeit ersetzbar; zunehmend durch Technik selbst.

Die große Maschine

Insofern gibt es bereits eine ‘KI’, die genau das macht, wovor Dystopien von einer Herrschaft der Maschinen warnen: Sie versklavt die Menschen nach ihren technischen Regeln. Selbst Regierungen unterwerfen sich den Regeln der Körperschaften. Die technische Entwicklung, mit der diese verbunden sind, ist wiederum so schnell, dass keine (staatliche) Regulierung dem jemals mehr beikommt. Man kann diese Systeme nicht regulieren.

Leider spricht auch Stross das böse Wort “Kapitalismus” nicht aus. Der nämlich ist die große Maschine, deren Regeln die Menschen folgen. Die Abläufe sind digital, folgen dem Regelwerk der Zahlen mit dem festgelegten Ziel G’ > G, mithin: aus Geld mehr Geld machen. Die technische Entwicklung folgt ebenfalls diesem Ziel. Stross wendet dann den Blick auf aktuelle Tendenzen bzw. Gefahren dessen, was hier “Digitalisierung” genannt wird.

Korrekt stellt er fest, dass Machine Learning im Netz Lernen von Aufmerksamkeitsökonomie ist, die Maschinen also also weder Denkstrukturen übernehmen, noch wirklichen Bedürfnissen entgegenkommen. Ob mit Angst, Sex oder grellen Farben – der ‘KI’ ist egal, wie sie Aufmerksamkeit erregt. Diese wiederum nutzt sie, um etwas zu verkaufen. Diese Beobachtung deckt sich übrigens mit dieser Analyse von ‘Fake News’ und angeblichen Twitter-Bots im Vortrag von Michael Kreil.

So what?

Stross geht seinerseits dennoch von der Gefahr aus, KI könne Wahlen manipulieren. Auch glaubt er, dass künftig Medieninhalte leicht und massenhaft gefälscht werden können, weil sowohl händisch als auch per KI selbst Laien in der Lage sein werden, zum Beispiel Gesichter und Stimmen so in Videos einzupflegen, dass eine Art Fake Evidence (gefälschter Beweis) zur Alltagswaffe für Trolle und Erpresser werden wird.

Ich will es zunächst bei dieser Zusammenfassung und einem Ausblick belassen. Schon die Vorstellung, man könne etwas ‘Echtes’ von der Komplexität eines Filmes mal eben produzieren, das sich nicht leicht von Menschen durchschauen lässt, halte ich für gewagt. Vor allem aber würde dergleichen zu einer völlig anderen Form von Kommunikation führen, die aus einer Spezies von Gläubigen eine von Zweiflern machen würde – mit allen weitreichenden Konsequenzen. Darüber hinaus müssen folgende Fragen gestellt werden:

- Wie soll aus der Simulation menschlichen Daseins eine überlegene ‘KI’ entstehen, die dem Menschen immer nur ähnlicher werden könnte?
- Was würde eine Anpassung ans Menschliche hervorbringen (wir hatten hier dieses erbärmliche Beispiel einer ‘KI’, die “ein Unternehemen gründen” ‘will’.)?
- Was ist überhaupt eine KI, die “intelligenter” wäre als der Mensch und wohin führt das vor allem in Bezug auf die “große Maschine” Kapitalismus?
- Ist das Problem nicht ohnehin keines der ‘Intelligenz’, sondern des Körpers?

p.s.: Hier gibt es das Transkript des Vortrags.

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