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November 2014


 
hdgdl

Eigentlich hatte ich hier bereits alles gesagt, aber es wird ja nicht besser, und daher verweise ich erstens darauf, was andere noch zu sagen haben, zum Beispiel der Kieztourette oder Monsieur Sabot. Und für die Kleinen, die tatsächlich keinerlei Idee mehr haben, was ein Streik eigentlich ist, sei zweitens die Wikipedia empfohlen, für den Anfang.

Gerade gestern hatte ich wieder eines dieser Gespräche; jemand machte mir deutlich, dass man mit der Aufnahme einer Arbeit wisse, was man bekomme und daher kein Recht habe, sich zu beschweren. Ernsthaft vertrat der Mann in der Konsequenz die Ansicht, es hätte kein Streikrecht zu geben und man müsse sich stets am unteren Limit orientieren. Wenn einer mehr bekommt als der andere, ist derjenige, der weniger bekommt, im Recht. Wer mehr fordert, ist unverschämt. Ich nannte das “gehirngewaschen”, was willst du machen? Der grandiose Erfolg, diese Haltung erzeugt zu haben, wird jetzt für die nächste Stufe genutzt:

Hängt ihn!

Das ‘Doxxen’, also die Veröffentlichung von Adresse, Telefonnummer und anderer privater Daten, wie es zuletzt durch die deutsche Hetzpresse gegenüber dem Chef der GdL stattgefunden hat, ist das endgültige Niederklatschen des Niveaus politischer Propaganda auf den harten Boden der faschistischen Gesinnung. Das muss man sich begreiflich machen: Da schwafelt die Journaille scheinheilig von einem “Zorn”, gar “Volkszorn”, den ein streikbereiter Gewerkschafter auf sich gezogen habe und gibt gleichzeitig dem potentiellen Lynchmob das nötige Wissen an die Hand, ihn heimzusuchen.

Selbstverständlich trägt der Artikel keine Unterschrift, nicht einmal ein Kürzel. Wie wir sehen, hat der Qualitätsjournalismus® völlig recht, wenn er die anonyme Hetze im Internet anprangert. Gemeint ist aber offenbar nur solche, die nicht unter das Leistungsschutzgesetz fällt. Es wird nicht weniger widerlich, im Gegenteil. Man sollte die Gewerkschaft tätig unterstützen, was mehr als nötig ist, denn es geht um die letzten Rechte und das bisschen Durchsetzungsfähigkeit, das die immer noch zu teuren Lohnsklaven haben. Es sollen nur mehr jene Gewerkschaften übrigbleiben, deren korrupte Bosse jederzeit auch die Seiten wechseln könnten. Für den Standort, für Deutschland, für das Wachstum®. Gegen alle, die noch aufmucken. Ihr werdet euch noch daran erinnern.

 
Einer, der die Oliven mit zur Grünen Party gebracht hat und dafür sorgt, dass von der Partei nie wieder ein Pazifismus ausgeht, ist Cem Özdemir. Der Herr ist inzwischen so tief in die Zotten des Establishments eingewachsen, dass man ihn jederzeit anrufen kann, um reaktionäre Positionen abzufragen – wenn man zu den guten gehört. Folgerichtig musste die Welt auch nicht lange darauf warten, dass er seinem Präsidenten treu zur Seite sprang, um dessen Verkehrung der präsidialen Neutralität zu rechtfertigen, wörtlich:

Mit Parteipolitik hat das nichts zu tun. Genau aus diesem Grund haben die Thüringer Grünen darauf bestanden, dass die Linkspartei in einer gemeinsamen Erklärung die DDR als Unrechtsstaat bezeichnet.”

Lassen wir die Sache mit dem Unsinnsstaat einmal außen vor, so hat also die Aussage, es sei schwierig, einen Ministerpräsidenten aus der Linkspartei zu akzeptieren (der ganz nebenbei nie DDR-Bürger war), nichts mit Parteipolitik zu tun. Solche Logik ist beim Cem ein Feature, wie auch in diesem Interview deutlich wird:

Wenn man einen, der zur Bilderberg-Konferenz eingeladen wurde, danach fragt, ist man ein psychopathischer “Verschwörungstheoretiker”. Nicht minder interessant die Meinung, man müsse Mitglieder der Atlantik-Brücke danach fragen, was Herr Özdemir von ihr hält. Besser noch: Özdemir wurde 2001 Mitglied der Young Leaders, indem er, wie er sagt “einen Vortrag gehalten” habe und trat dann 2009 (Merz wurde Vorsitzender) dort aus. Dass jemand durch einen Vortrag gleich Mitglied wird, mutet seltsam an, wenn der aber acht Jahre dauert, ist das wiederum nachvollziehbar. Dass Özdemir 2011 dort wieder einen Vortrag hielt, bedeutet also was?

Ich wage es kaum, darüber zu spekulieren, vielleicht holen sie mich gleich ab, aber sein Timing ist ohnehin grandios: 2001 wurde er also Atlantiker, wofür man 10 Jahre vorher sicher bei den Grünen noch rausgeflogen wäre. Ein Jahr später flog auf, dass er sich ein wenig in der Buchhaltung verflogen hatte und privat “Bonusmeilen” der Lufthansa nutzte, die er dienstlich gesammelt hatte. Außerdem ließ er sich mit einem zwielichtigen Privatkredit ausstatten. Er trat deshalb von seinen Ämtern zurück, um im Europaparlament hoch dotiert zu überwintern.

In einer Zeit, da die Bündnistreue besonderes Gewicht erhielt und Genosse Joschka den Laden auf Kurs trimmte, schlug die “Bild” also kurz zu und zeigte ihm die Folterinstrumente, während er sich außenpolitisch zu einem der Guten schulen ließ. Später wurde er sogar auf die berüchtigte Geheimkonferenz eingeladen, die er aber nach eigenen Angaben nicht besuchte. Feinde hat er sich bei der Rechten sicher nicht gemacht, aber einige Weggefährten und deren Einfluss kennengelernt.

Argumente aus Stahl

Die Argumente des windschnittigen Jungen Führers sind zutiefst verwoben mit einer Wahrnehmung, die ebenfalls nicht jedem in die Wiege gelegt wird, so zum Beispiel erkennbar in der Sorge um eine Kollegin:

Über einen Kollegen erfuhr ich sogar, dass eine Abgeordnete zwei, drei Jahre lang ihre Bahntickets immer bezahlte und sich wunderte, als sie am Monatsende kaum mehr Geld hatte, bis sie erfuhr, dass Bundestagsabgeordnete umsonst Bahn fahren dürfen.

Eine Bundestagsabgeordnete verballert also 7000 Euro im Monat für Bahntickets, die sie gar nicht bezahlen müsste. Welch eine erschütternd rührende Geschichte! Da sind wir aber froh, dass der Cem da schlauer war.

Zur Wahl Gaucks hatte Özdemir folgenden bemerkenswerten Kommentar beizusteuern:
Das Spannendste an ihm ist, dass er Leuten Angebote machen kann, die mit der Demokratie schon abgeschlossen haben.
Wen kann er damit jetzt meinen? Nazis? Korrupte Politiker? Unrechtsstaatsrechtler? Und worin genau bestehen Gaucks Angebote? In Ausgrenzung, Demütigung, gemeinsamem Gebet? Oder vielleicht doch in Euro und Cent?

Man weiß es nicht, wie so oft bei Özdemir, dessen charakterliche Flexibilität und argumentative Phantasie kaum je etwas ausschließen lassen. Das spannendste an ihm ist wohl, dass er Leuten Angebote machen kann, die mit dem Verstand schon endgültig abgeschlossen haben.

 
notmygauckIch weiß nicht, ob das auch so ein Gesetz ist, vielleicht kann man es ja unter Peters Prinzip* verbuchen, aber diejenigen, die wirklich jeden Anstand abgelegt haben, sich permanent und mit schmerzlichem Nachdruck disqualifizieren, die nicht dort sein dürften, wo sie sind, vor der ihnen übertragenen Aufgabe erbärmlichst versagen und jedes Amt beschmutzen, werden vermutlich nie zurücktreten.

Es gibt ein paar Ansprüche an das Amt des Bundespräsidenten; nicht die höchsten und schon gar nichts, was nicht jeder Sterbliche ohne erhebliche Gebrechen leisten könnte, aber es schickt sich da einer an, zur großen Begeisterung seiner Auftraggeber jeden einzelnen dieser Ansprüche in Grund und Boden zu faseln.

Der Herr, ein Präsident von Gnaden jener Funktionselite aus Emporkömmlingen und Funktionären, die nicht einmal selbst bemerken, wie sie einen Klassenkampf besorgen, in dem sie so ungefähr das Gegenteil eines Mandats haben, dieser Herr also glaubt für irgendwen zu sprechen und etwas sagen zu müssen zu einem Bereich, in dem er ausdrücklich den Rand zu halten hätte:

Erst den Chef fragen

Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, die müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren.

“Dies”, das ist die Wahl eines Ministerpräsidenten der sozialdemokratischen “Partei die Linke”. Der eifernde Antikommunist im Staatsamt, der vielleicht die Stellenanzeige hätte lesen sollen, ehe er sich für berufen hielt, tritt den Anspruch der Neutralität in einem einzigartigen präsidialen Amoklauf in die Tonne. Dabei geriert er sich nach wie vor als Sprachrohr einer Opfergemeinschaft des DDR-Terrorregimes.

Es kommt ihm auf seiner Mission weder in den Sinn, die vermeintlich Vertretenen zu fragen, noch sich darüber zu orientieren, was seine Aufgabe ist und was nicht. Oh warte, da gibt es ja noch welche, die er vielleicht fragen könnte: Die Wähler. Diejenigen, die noch daran glauben, dass ihre Stimme etwas zählt. Dass sie nicht den Staatschef fragen müssen, von wem sie sich vertreten lassen und von wem nicht. Aber der ist ja Demokrat und weiß das besser.

*edit: Peter-Prinzip heißt dass, korrigiert mich der Peters.

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