Eigentlich hatte ich hier bereits alles gesagt, aber es wird ja nicht besser, und daher verweise ich erstens darauf, was andere noch zu sagen haben, zum Beispiel der Kieztourette oder Monsieur Sabot. Und für die Kleinen, die tatsächlich keinerlei Idee mehr haben, was ein Streik eigentlich ist, sei zweitens die Wikipedia empfohlen, für den Anfang.
Gerade gestern hatte ich wieder eines dieser Gespräche; jemand machte mir deutlich, dass man mit der Aufnahme einer Arbeit wisse, was man bekomme und daher kein Recht habe, sich zu beschweren. Ernsthaft vertrat der Mann in der Konsequenz die Ansicht, es hätte kein Streikrecht zu geben und man müsse sich stets am unteren Limit orientieren. Wenn einer mehr bekommt als der andere, ist derjenige, der weniger bekommt, im Recht. Wer mehr fordert, ist unverschämt. Ich nannte das “gehirngewaschen”, was willst du machen? Der grandiose Erfolg, diese Haltung erzeugt zu haben, wird jetzt für die nächste Stufe genutzt:
Hängt ihn!
Das ‘Doxxen’, also die Veröffentlichung von Adresse, Telefonnummer und anderer privater Daten, wie es zuletzt durch die deutsche Hetzpresse gegenüber dem Chef der GdL stattgefunden hat, ist das endgültige Niederklatschen des Niveaus politischer Propaganda auf den harten Boden der faschistischen Gesinnung. Das muss man sich begreiflich machen: Da schwafelt die Journaille scheinheilig von einem “Zorn”, gar “Volkszorn”, den ein streikbereiter Gewerkschafter auf sich gezogen habe und gibt gleichzeitig dem potentiellen Lynchmob das nötige Wissen an die Hand, ihn heimzusuchen.
Selbstverständlich trägt der Artikel keine Unterschrift, nicht einmal ein Kürzel. Wie wir sehen, hat der Qualitätsjournalismus® völlig recht, wenn er die anonyme Hetze im Internet anprangert. Gemeint ist aber offenbar nur solche, die nicht unter das Leistungsschutzgesetz fällt. Es wird nicht weniger widerlich, im Gegenteil. Man sollte die Gewerkschaft tätig unterstützen, was mehr als nötig ist, denn es geht um die letzten Rechte und das bisschen Durchsetzungsfähigkeit, das die immer noch zu teuren Lohnsklaven haben. Es sollen nur mehr jene Gewerkschaften übrigbleiben, deren korrupte Bosse jederzeit auch die Seiten wechseln könnten. Für den Standort, für Deutschland, für das Wachstum®. Gegen alle, die noch aufmucken. Ihr werdet euch noch daran erinnern.
November 7th, 2014 at 17:42
Ich möchte, wenn ich darf, an dieser Stelle Bontrups Vortrag “Macht: Verkannter Faktor wirtschaftlichen Handelns – Was können ökonomische Modelle über gesellschaftliche Machtverhältnisse aussagen?” (Länge: 1:37h) verlinken.
Da ist im Grunde alles d`rin.
http://www.youtube.com/watch?v=w0FhKSeUqTk
November 7th, 2014 at 18:23
Zentraler Punkt der jetzigen Auseinandersetzung: Wie Weselsky in seiner Pressekonferenz vom 5.11. sagte, streikt die GDL bisher vor allem für die Erhaltung des Grundrechts auf Streik und die ebenfalls im GG niedergelegte (und auch vor einiger Zeit vom Bundesarbeitsgericht bestätigte) Koalitionsfreiheit.
Die DB ist jetzt vorm Arbeitsgericht, nun auch in zweiter Instanz, gescheitert. Daher erschallt nun der Ruf nach gesetzlicher Einschränkung des Streikrechts. Die Spezialdemokraten sind wieder ganz vorn mit dabei und die notwendige Mehrheit zur Veränderung des GG – wie schon bei der idiotischen “Schuldenbremse” – hätten sie in ihrer Koalition mit CDU/CSU ja. Das Einreißen der letzten verbliebenen Reste des “Sozialstaats” erscheint als ihr höchstes Ziel. “Dem Kapital dienen!” ist ihr wahres Motto…
Was aber den erst noch kommenden Arbeitskampf um höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen betrifft, verweise ich mal auf ein Schaubild, das ich über die NDS gefunden habe:
http://sprechblase.files.wordpress.com/2007/11/eurolok.jpg
Das Bild zeigt einen Einkommensvergleich von Lokführern aus sechs verschiedenen europäischen Ländern. Man schaue und staune!
November 7th, 2014 at 19:10
Bekommen die, die wegen des Streiks nicht pünktlich zur Arbeit kommen etwa einen Lohn, mit dessen Höhe sie völlig einverstanden sind?
Wenn sich schon nicht solidarisch erklärt wird, von wegen, dann wäre es ein politischer Streik und was da alles so dagegen aufgezählt wird, dann böte sich doch mE an, in der ‘eigenen’ Firma über den dortigen Lohn ‘nachzudenken’… ;)
Und die Adresse kennen jetzt nicht nur Gegner, Mahnwachen kann ‘man’ auch ohne Lagerfeuer abhalten…
Ok, ich hatte schon immer die blödesten Ideen.
November 7th, 2014 at 20:48
Mich hat ja am meisten aus der Bahn geschlagen, dass das böse W. echt Mitglied einer großen Partei für schwarze Kassen ist. Das hat mein Weltbild…egal…Freut Euch! Ab morgen könnt Ihr als wieder die Kaputten in der Bahn genießen, inkl. mir. Ob das dann noch als Streikverdienst durchgeht?
November 7th, 2014 at 21:45
Wie las ich irgendwo so treffend? Streiks, die keinem wehtun, sind bloß kollektives Betteln.
November 8th, 2014 at 09:56
Man kann auch etwas Positives in der Sache sehen: Die Medien verbreiten ihre Propaganda mittlerweile derart offen ungeniert, dass es auch Leute erkennen, die einem vorher immer nur einen Aluhut andichten wollten. Mir kommen die Diskussionen mittlerweile jedenfalls wesentlich einfacher vor. Eine Grundskepsis ist selbst bei Bildlesern mittlerweile vorhanden… klar, nicht bei allein, aber einigen.
November 8th, 2014 at 10:36
Lustig: Die Russen marschieren in Russland ein und erobern dabei die Ukraine. Fett!
November 8th, 2014 at 12:36
Wie die das immer machen. Wenn wir damals bloß auf die Idee gekommen wären und wären in Deutschland einmarschiert….
November 8th, 2014 at 18:09
OT: Ich vermisse “Kritik und Kunst” in der Blogroll.
November 8th, 2014 at 18:18
Dann sag’ Hartmut, er soll gefälligst was Aktuelles schreiben, nur so nämlich kommt er in den Garten. In der statischen rechts isser drin.
November 8th, 2014 at 19:19
Aua! ;)
November 8th, 2014 at 19:33
Zu dem Artikel würde ich den Circle empfehlen.
November 8th, 2014 at 20:03
@Peinhart: Wasn Gesülze.
November 9th, 2014 at 14:24
ot (oder auch eigentlich nicht): wer sich einige anregende nachmittagsstunden geben und gleichzeitig über insgesamt erstaunliche entwicklungen informieren will, kann
Das Experiment Rojava
lesen, ein reisebericht aus der region vom mai dieses jahres. trotz aller – auch im bericht benannten – bedenken, die dazu jetzt noch durch die kriegssituation verstärkt werden, ist das, was in rojava passiert, für alle an tatsächlicher emanzipation interessierte unglaublich wichtig und unterstützenswert. und es lässt sich einiges von lernen.
apropos krieg: seit gestern abend wird auch der kanton afrin (der geographisch gesehen dem mittelmeer am nahesten liegt) von der al-nusra-front sowie teilen des is angegriffen. siehe #afrin.