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Oktober 2014


 
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Was macht den Unterschied aus zwischen einer mafiösen oder sonstwie jenseits des Gesetzes angesiedelten Vereinigung und einem Rechtsstaat? Wer meint, dieser Unterschied ließe sich formal fassen, befindet sich auf dem Holzweg. Der moderne Rechtsstaat, eigentlich an der Schwelle zur Moderne entstanden, lebt tatsächlich von so etwas wie einem Geist. Wo dieser durch Gespenster, Illusionen und Manipulation ersetzt wird, löst er sich auf.

Zu dem, was nicht den Unterschied macht: Es ist mitnichten so, dass Regeln und die Kontrolle von deren Einhaltung prägend für den Rechtsstaat sind, geschweige für die dahinter stehende Idee. Jeder Rockerclub hat Regeln. Wenn du dagegen verstößt, gibt es vermutlich was auf die Fresse. Wer in mafiösen Verbindungen zu sehr über den Strang schlägt, findet sich ggf. portionsweise in einer Kühltruhe wieder. Wir haben also ein Werk von Regeln und Sanktionen – oft sogar ein recht übersichtliches.

Lass die Tochterfirma foltern

Nun kann man einwenden, dass die genannten Mittel nicht zum Repertoire des Rechtsstaates gehören, weil der, angewiesen auf die Umsetzung allgemeiner Menschenrechte, solche Strafen nicht verhängt. Womit wir allerdings die USA schon einmal aussortieren müssten, ausgerechnet jenen Staat also, dem die selbsternannten Rechtsstaaten eine Führungsrolle zugedenken. Ein Staat, in dem Angehörige einer benachteiligten Rasse u.a. regelmäßig der Todesstrafe zugeführt werden und der sich auch herausnimmt, Folter und Mord von Staats wegen ausführen zu lassen.

Das Delegieren solcher Maßnahmen, wie sie sich die Peripherie der NATO erlaubt – also auch Deutschland, die aktive Unterstützung solcher Maßnahmen und solcher Mittel, schließt also die angewendeten Mittel als Kriterium ebenfalls aus. Es sei denn, es machte einen Rechtsstaat aus, dass er sich organisiertes Unrecht durch Outsourcing verfügbar macht. Die Mafia könnte also ebenso einen Geheimdienst unterhalten, der Abweichler abmurkst und wäre somit rechtsstaatlich organisiert. Das kann wohl so nicht gemeint sein.

Tatsächlich lässt sich die Idee des Rechtsstaats nicht ohne die (bereits vorgestern thematisierte) Unteilbarkeit verwirklichen und somit nicht ohne echte Gleichheit. Es darf keine Rassen, Schichten, Religionen oder sonstige Gruppen geben, die mehr oder weniger Rechte haben. Deshalb steht das ja in den Verfassungen. Sind aber, beim Beispiel bleibend, in den USA die dunkelhäutigen Menschen den hellen wirklich gleichgestellt? Es darf, was das Problem der Zeit ist, vor allem keine Merkmale geben, die zur Löschung der Rechte führen. Auch und gerade nicht solche, die durch (angebliche) Taten entstehen. Angeblich hat jemand sich einer Gruppe angeschlossen, die angeblich Taten begeht; das reicht aus, um alle Rechte zu verlieren.

Schon vergessen?

Die Idee des Rechtsstaats war aus gutem Grund und schlechter Erfahrung das Gegenteil. Auch Mörder haben Rechte. Vor allem aber sind Verdächtige grundsätzlich unschuldig. Da kommen wir sehr nahe heran an den Geist des Rechtsstaats. Es gibt keine Entrechtung mehr, keinen willkürlichen Entzug der Menschenwürde, unter keinen Umständen. Dies war, und damit sind wir beim Kern der Sache, der Konsens, der universelle Geist aller Menschen, die aus der Erfahrung von Willkür und Ungleichheit die logische Konsequenz gezogen haben. Die begriffen hatten, dass alles andere zu jener Form Gewalt führt, vor der niemand mehr sicher ist.

Dieser Konsens ist die Basis jeder Form von Gesellschaft, die nicht auf das Niveau von Knüppeln und Tritten degenerieren will. Eine technisch ausgereifte wird zwangsläufig in faschistoiden Strukturen Enden. Das einzige, was dagegen hilft, ist die Besinnung auf den Geist eines allgemeinen Rechtes – das übrigens gar keinen Staat braucht, sondern vor allem die Bereitschaft, das Gesetz der Rache und das Recht des Stärkeren in die Schranken zu weisen. Wo diese fehlt, mag es noch Gesetze und Organe geben, am Ende aber eben keinerlei Sicherheit mehr. Dieser Zustand herrscht überall dort, wo (oft aus Gründen angeblicher Sicherheit) Recht und Gleichheit eingeschränkt werden.

 
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Die Ermächtigung sogenannter ‘Sicherheitsbehörden’, Geheimdienste, Militäreinheiten mit Sonderrechten, schlimmstenfalls Geheimpolizeien, mag ‘nur’ ein Symptom einer bestimmten Entwicklung sein, aber sie sind eines der schlimmsten und entfalten längst eine fatale Wirkung auf das, was nur noch zum Schein “Demokratie” genannt wird – wie Huxley das schon vor Jahrzehnten kommen sah. Einige Beispiele:

Es fand unter der Hand im ‘freien Westen’ eine Verschiebung der Rechtskultur statt, die das geltende Rechtssystem schlicht pervertiert hat. Während – pro forma – in der Strafjustiz offiziell noch die bürgerlichen Rechte gelten – Unschuldsvermutung, Öffentlichkeit und das Recht auf Verteidigung etwa, werden immer häufiger Verdächtige zu Feinden erklärt, die schlicht rechtlos sind. Es gibt keinen Prozess, keine Verteidigung, keine Öffentlichkeit, keine Kontrolle von außen. Dafür Folter, staatlich gesteuerten Mord und Verschleppung. Dies bedeutet nicht bloß eine Aushöhlung des Rechtsstaats, sondern die Vernichtung der Idee der Menschenrechte.

Die nämlich ist die Unteilbarkeit, die Erkenntniss, dass es nicht artfremde Wesen gibt – hier die Römer, dort die Barbaren, sondern nur Menschen. Dies wird durch die Einteilung in Freund und Feind exakt rückgängig gemacht. Damit sind wir kulturell wieder in der Antike gelandet. Es machen sich diese Verschiebungen hauptsächlich dort bemerkbar, wo der Widerstand gegen die Entrechtung Unschuldiger kleine Erfolge erzielen kann. Zum Beispiel, indem Menschen, die unter Terrorverdacht stehen und jederzeit willkürliche Repressalien erwarten müssen, von ihrem Status wenigstens erfahren dürfen – “möglicherweise“.

Staat im Staat

Es ist ein Aberwitz, dass solche Verbrecherregimes, die sich anmaßen, im Geheimen jenseits aller rechtsstaatlichen Prinzipien Menschen wie Vieh zu behandeln, überhaupt noch formal rechtliche Strukturen schaffen. Was soll ein Geheimgericht anderes sein als ein Tribunal von Verbrechern, die sich darauf einigen, wer als nächstes gequält oder ermordet wird? Das ist kein Gericht im modernen Sinne mehr. Es hat nichts zu tun mit Recht, sondern nur mehr mit der Organisation des Unrechts. Landet ein Vorgang, der den Diensten und ihrer mafiösen Struktur überantwortet war, einmal vor einem echten Gericht, zeigt sich sogleich die Verwerfung zwischen einer Rechtskultur und dem Willkürregime:

In einem Prozess, in dem es um die Zwangsernährung von Gefangenen geht, beruft sich der Geheimdienstmob auf die Gefahr, die von der Rechtsstaatlichkeit ausgeht, wenn man faire Prozesse führt. Das Argument: Jemand könnte erfahren, wie die Gefangenen von den Zellen zur Prozedur geführt werden. Jedwede Details ihrer Machenschaften öffentlich zu erwähnen, ist nach ihrem Verständnis ein Sicherheitsrisiko, das unbedingt zu verhindern ist – auf Kosten jeglicher bürgerlicher Rechte. Die abstrakte Sicherheit des Staates wiegt demnach noch im kleinsten Detail schwerer als die Grundlagen des Rechtsstaats. Es ist Krieg, und zwar zwischen Rechtsstaat und Sicherheitsdiensten.

Solche Dienste können es sich selbstredend nicht leisten, von irgendwem kontrolliert zu werden. Die Kontrollgremien erfahren nichts, und wenn sich jemand an etwas erinnern kann, hat er gerade keine Aussagegenehmigung. Der Staat im Staat schottet sich hermetisch ab gegen alles, was demokratischer Kontrolle nahekommt oder noch ethischen Prinzipien folgt. Es ist wie es schon immer war, da nehmen sich NSA, BND, Verfassungsschutz und Stasi nichts: Diese Banden können nur von außen bekämpft werden. Von den Bürgern, nicht vom Staat, in dem sie sich gebildet haben. Anders ausgedrückt: Wir müssen lernen, dass die Dienste recht haben. Die meisten von uns sind Terroristen.

 
bsWir werden noch erleben, dass die Rolle und Zusammensetzung des ARD-Programmbeirats diskutiert werden wird. Man wird Änderungen vornehmen, nachdem der Beirat seine Kompetenzen weit überschritten hat, indem er tat, wozu er da ist: sich kritisch mit dem Programmangebot auseinander zu setzen. Es werden jährlich Millionen an die wichtigsten ‘Journalisten’ gezahlt, um sie – treue Atlantiker – bei der Stange zu halten. So konnte man u.a. Claus Kleber davon abhalten, zum “Spiegel” zu gehen.

Solche Gehälter investiert keine Einrichtung in die Programmverantwortlichen und das System, wenn der Effekt dann durch Kontrollinstanzen neutralisiert wird. Schlimmer noch: Die ganze ‘Berichterstattung’, die sich als plumpe NATO-Propaganda entpuppte, geht nach hinten los. Offenbar war die Sicherung der Interessen bei der ARD besonders schlampig, denn es blieb nicht bei der Aufforderung zum Offenbarungseid durch den Programmbeirat. Vielleicht hätte man den verantwortlichen Redakteuren dort auch besser Angebote gemacht, die sie nicht ausschlagen können.

Offenbarungseid

Der GAU ist eingetreten, indem Tagesschau.de die Kapitulation unterschreibt. Ich habe mir diesen Text gespeichert. Darin wird zwar jämmerlich geheult, und die Ausreden dort sind schlicht peinlich, aber sie bestätigen die hier längst gestellte Diagnose einer tendenziösen und unqualifizierten Arbeitsweise. Man muss nicht Verschwörungstheoretiker sein, um ein wenig enttäuscht den Hinweis auf jene Seilschaften zu vermissen, die den Trend und die genehmen Informationen einspeisen und selektieren. Es ist aber hinreichend, zur Kenntnis zu nehmen, was das Geständnis hergibt, nämlich u.a. wörtlich:

Mit dem Wissen von heute hätten wir manchen Akzent anders gesetzt und manche Formulierung anders gewählt (hinterher ist man halt schlauer). Möglicherweise sind wir zu leicht dem Nachrichten-Mainstream gefolgt. Vielleicht hätten wir rechte Gruppierungen in der Ukraine früher thematisieren sollen. Der falsche Hubschrauber war sehr ärgerlich, aber wir sind damit wenigstens richtig (weil transparent) umgegangen. Wir hätten uns bei der Formulierung “OSZE-Beobachter” eher eine andere Formulierung wählen können. Vielleicht haben wir die russischen Interessen zu wenig für den deutschen Zuschauer “übersetzt”. Wir hätten evtl. die NATO-Position noch kritischer hinterfragen können.

Wo strömen sie denn?

Bei Lektüre des letzen Satzes wickelten sich bei mir die Spaghetti um die Lampe. Wie gern hätte ich ein einziges Beispiel, wo und inwiefern je “kritisch hinterfragt” wurde, wer welche Interessen im Sinne der NATO auf welche Weise verfolgt hat. Noch unkritischer wäre allenfalls die direkte Überlassung der Berichterstattung an die Pressestelle der NATO gewesen. Die oben genannten Details – hätte wenn und wäre – sind der Versuch einer Beichte in der irren Hoffnung, niemand fragte nach und es sei mit ein paar “Vater Unser” getan. Was hat sie denn davon abgehalten, die simpelsten Regeln eines ehemaligen Journalismus einzuhalten? Und warum beantworten sie diese Frage nicht von selbst? Was zur Hölle können die da eigentlich noch?

Am besten aber ist die Erklärung der eigenen Unzurechnungsfähigkeit – einmal mehr Anlass zu der Frage: Sind sie wirklich so dämlich oder lügen sie so dreist? – sie seien “dem Nachrichten-Mainstream gefolgt”, und zwar “zu leicht”, “möglicherweise”. Ja wenn ihr das immer noch nicht wisst, woher nehmt ihr die Frechheit, euch noch ein Gehalt überweisen zu lassen? Die Tagesschau und ihre Alpha-plus-Journalisten folgen also einfach und leicht wie auf Yoghurette einem “Mainstream”! Eine Frage hätte ich da noch: Wo liegt eigentlich die Quelle eures “Mainstreams”?

Dumme Frage, ich weiß: Nach Quellen fragt dort niemand mehr, schon gar nicht nach unabhängigen. Mea culpa, das Wetter!

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