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Was macht den Unterschied aus zwischen einer mafiösen oder sonstwie jenseits des Gesetzes angesiedelten Vereinigung und einem Rechtsstaat? Wer meint, dieser Unterschied ließe sich formal fassen, befindet sich auf dem Holzweg. Der moderne Rechtsstaat, eigentlich an der Schwelle zur Moderne entstanden, lebt tatsächlich von so etwas wie einem Geist. Wo dieser durch Gespenster, Illusionen und Manipulation ersetzt wird, löst er sich auf.

Zu dem, was nicht den Unterschied macht: Es ist mitnichten so, dass Regeln und die Kontrolle von deren Einhaltung prägend für den Rechtsstaat sind, geschweige für die dahinter stehende Idee. Jeder Rockerclub hat Regeln. Wenn du dagegen verstößt, gibt es vermutlich was auf die Fresse. Wer in mafiösen Verbindungen zu sehr über den Strang schlägt, findet sich ggf. portionsweise in einer Kühltruhe wieder. Wir haben also ein Werk von Regeln und Sanktionen – oft sogar ein recht übersichtliches.

Lass die Tochterfirma foltern

Nun kann man einwenden, dass die genannten Mittel nicht zum Repertoire des Rechtsstaates gehören, weil der, angewiesen auf die Umsetzung allgemeiner Menschenrechte, solche Strafen nicht verhängt. Womit wir allerdings die USA schon einmal aussortieren müssten, ausgerechnet jenen Staat also, dem die selbsternannten Rechtsstaaten eine Führungsrolle zugedenken. Ein Staat, in dem Angehörige einer benachteiligten Rasse u.a. regelmäßig der Todesstrafe zugeführt werden und der sich auch herausnimmt, Folter und Mord von Staats wegen ausführen zu lassen.

Das Delegieren solcher Maßnahmen, wie sie sich die Peripherie der NATO erlaubt – also auch Deutschland, die aktive Unterstützung solcher Maßnahmen und solcher Mittel, schließt also die angewendeten Mittel als Kriterium ebenfalls aus. Es sei denn, es machte einen Rechtsstaat aus, dass er sich organisiertes Unrecht durch Outsourcing verfügbar macht. Die Mafia könnte also ebenso einen Geheimdienst unterhalten, der Abweichler abmurkst und wäre somit rechtsstaatlich organisiert. Das kann wohl so nicht gemeint sein.

Tatsächlich lässt sich die Idee des Rechtsstaats nicht ohne die (bereits vorgestern thematisierte) Unteilbarkeit verwirklichen und somit nicht ohne echte Gleichheit. Es darf keine Rassen, Schichten, Religionen oder sonstige Gruppen geben, die mehr oder weniger Rechte haben. Deshalb steht das ja in den Verfassungen. Sind aber, beim Beispiel bleibend, in den USA die dunkelhäutigen Menschen den hellen wirklich gleichgestellt? Es darf, was das Problem der Zeit ist, vor allem keine Merkmale geben, die zur Löschung der Rechte führen. Auch und gerade nicht solche, die durch (angebliche) Taten entstehen. Angeblich hat jemand sich einer Gruppe angeschlossen, die angeblich Taten begeht; das reicht aus, um alle Rechte zu verlieren.

Schon vergessen?

Die Idee des Rechtsstaats war aus gutem Grund und schlechter Erfahrung das Gegenteil. Auch Mörder haben Rechte. Vor allem aber sind Verdächtige grundsätzlich unschuldig. Da kommen wir sehr nahe heran an den Geist des Rechtsstaats. Es gibt keine Entrechtung mehr, keinen willkürlichen Entzug der Menschenwürde, unter keinen Umständen. Dies war, und damit sind wir beim Kern der Sache, der Konsens, der universelle Geist aller Menschen, die aus der Erfahrung von Willkür und Ungleichheit die logische Konsequenz gezogen haben. Die begriffen hatten, dass alles andere zu jener Form Gewalt führt, vor der niemand mehr sicher ist.

Dieser Konsens ist die Basis jeder Form von Gesellschaft, die nicht auf das Niveau von Knüppeln und Tritten degenerieren will. Eine technisch ausgereifte wird zwangsläufig in faschistoiden Strukturen Enden. Das einzige, was dagegen hilft, ist die Besinnung auf den Geist eines allgemeinen Rechtes – das übrigens gar keinen Staat braucht, sondern vor allem die Bereitschaft, das Gesetz der Rache und das Recht des Stärkeren in die Schranken zu weisen. Wo diese fehlt, mag es noch Gesetze und Organe geben, am Ende aber eben keinerlei Sicherheit mehr. Dieser Zustand herrscht überall dort, wo (oft aus Gründen angeblicher Sicherheit) Recht und Gleichheit eingeschränkt werden.