Kommunismus ohne Marx und die SPD
Posted by flatter under kapital , politik[18] Comments
15. Mai 2018 12:52
Die Sonne scheint, es lingt Früh-, und es reicht. Der Betrieb in diesem unerhört erfolgreichen Land, in dem wir arm und zahlreich sterben, will einem den Abend schon am Morgen trüben; ich mache aber nicht mit dabei. Anders gesagt: diese Gesellschaft ist so trostlos, dass man schon aus Trotz in die nächstbeste Utopie fliehen muss. Beginnen wir mit einem Beispiel für eine völlig verkrustete kaputte Politik:
Dieser Bericht hier über die ‘Wahl’ eines Gewerkschaftsbosses bietet alles, was die Farbe “Aschgrau” zum Leuchten bringt. Der Vertreter der Vertreter einer Simulation ihrer selbst, der Funktionär der Funktionäre eines Vereins degenerierter Tarifexperten, wird ordnungsgemäß abgenickt. Es gibt einigen vor Müdigkeit kaum hörbaren Unmut über die näheren Umstände, und wie immer ist die SPD dabei. Wo einst für einige Jahre “dein starker Arm” Arbeiterinteressen durchzusetzen vermochte, spielt eine Kaste von Schlipsträgern heute ein Spiel, gegen das die Bürokratie im Finanzamt Unna-Südwest der reinste Rock’n Roll ist.
Im Stehen eingeschlafen
Das interessiert kein Schwein mehr und definiert den Begriff “total” in Form politischer Irrelevanz. Das sind also diejenigen, die quasi alle Lohnabhängigen als solche vertreten in diesem Land. Ich fürchte, das kann man einem Journalisten erzählen, einem Abgeordneten von irgendwas oder bestenfalls einem geistig eingeschränkten selbständigen Frisör, aber niemandem, der in die Kategorie “lohnabhängig” fällt. Diese Eierköpfe vertreten nicht einmal mehr sich selbst, sondern nur mehr den Sessel, in dem vor Jahrzehnten einmal wer saß, der gelegentlich etwas zu sagen hatte.
Womit wir beim Problem sind. So unverzichtbar Marxens Analyse (die meinetwegen auch von Helmut Kohl sein könnte, soweit der Inhalt derselbe bliebe) des Kapitalismus für die Theorie ist, so wenig trägt sie zu einer positiven Praxis bei. Sie befähigt dazu, bestimmte Fehler nicht mehr zu machen (vor allem den einer ‘Sozialdemokratie’), aber sie schafft keine alternativen Strukturen oder Organisationen – schon gar nicht im Rahmen eines Narrativs, das ausgerechnet ‘Kommunismus’ mit Unterdrückung gleichsetzt.
Murray Bookchin etwa hat andere Wege aufgezeigt, die auch bedingt funktionieren. Dass seine Ideen in den Kurdengebieten recht erfolgreich umgesetzt wurden, liegt an Bedingungen, die selten gegeben sind: Eine bereits vorhandene Organisation, eine Art Identität und gemeinsame Gegner, mithin quasi alles, was verbindet. Das lässt sich nicht auf andere Situationen übertragen. Vor allem braucht es Ressourcen, um etwas aufzubauen. Die sind gemeinhin nicht vorhanden, wo eine bestehende Eigentumsordnung aka “bürgerlicher Rechtsstaat” es verhindert.
Es ist unsere Welt
Wie neulich bereits angemerkt, fehlen Zusammenschlüsse derer, die eigentlich eine starke gemeinsame Basis haben, gemeinsame Interessen – als Ausgebeutete und von Ausbeutung Bedrohte, als Ausgeschlossene von der Rallye um die letzten Profite und (zukünftig) Arme. Man hatte scheinbar einmal verstanden, warum Gewerkschaften so wichtig sind und warum die Nazis sie nach ihrem Putsch unverzüglich verboten haben: Sie waren die Organisation der Mehrheit.
Es braucht wieder solche Organisationen, und zwar nicht als ‘Tarifparteien’ und auch nicht als Parlamentsvereine, sondern als Mehrheit, die sich nicht ins Korsett von Profitinteressen zwingen lässt auf einem Trip mit der Wahnvorstellung, Profitnehmer und Profitgeber hätten dieselben Ziele. Organisationen, denen man politische Streiks erst gar nicht verbieten kann, weil sie deutlich machen, dass jeder Streik politisch ist und es keinen Arbeitszwang geben kann. Die das Unmögliche fordern, weil sie die Macht dazu haben. Ich weiß, ich bin bekloppt.
Mai 15th, 2018 at 13:31
‘Sozialpartnerschaft’ – was für ein toller Ausdruck für ‘Klassengegensatz’ – ist aber doch viel lukrativer. Für die Vertreter jetzt, weniger für die Vertretenen. Wer sich auf einen solchen 1a-Super-Duper-Spitzenweltklasse-Euphemismus einlässt, kann zum Jagen nicht mal mehr getragen werden.
Vielleicht sollten wir jetzt alle erstmal in die FAU…?
Mai 15th, 2018 at 14:56
@Peinhart(2)
Diese Entscheidung schiebe ich schon ewig vor mir her.
Warum?
Weil es möglicherweise eher wichtig ist, was wir in Gewerkschaft (egal welche) machen und wie wir ‚Einzelnen‘ über ,Gewerkschaftsgrenzen‘ hinweg uns verknüppern.
Eine Gewerkschaft ist mE halt immer nur so gut und so schlecht die Gesamtheit ihrer Mitglieder tickt. Das betrifft ihre jeweilige innere Struktur genauso wie ihre Diskussions- und Diskursfähigkeit und nicht nur damit ihre ,Schlagkraft‘.
Mai 15th, 2018 at 18:29
FAU ist auf jeden Fall ein passendes Thema. Vllt. gbt es da draußen wen mit Erfahrung?
Mai 15th, 2018 at 19:15
@flatter(Opener)
Guck Dir bitte noch einmal das Mietshäuser Syndikat an. Ich behaupte, da ergibt sich ein nicht geringer Widerspruch zu Deinem:
“Die [Ressourcen] sind gemeinhin nicht vorhanden, wo eine bestehende Eigentumsordnung aka “bürgerlicher Rechtsstaat” es verhindert.“
Hier —-> http://das-ist-unser-haus.de/
Mai 15th, 2018 at 20:27
Naja, um mal eben einen “libertären Kommunalismus” einzuführen, sind ein paar Häuser ein bisschen wenig, und ich wage zu behaupten, dass wenn derartige Projekte je eine kritische Masse erreichen, der Staat (und die, für die er da ist), sie bekämpfen wird.
Mai 15th, 2018 at 21:52
Ja, sicher. Wo gab es jemals was ‚geschenkt‘?
Du kannst natürlich so gegen alles argumentieren.
Ist Dir die Friedhofsbank neuerdings lieber?
:-P
Mai 15th, 2018 at 21:56
Dagegen (“Friedhofsbank”) spricht schon der Opener, aber du behauptetest implizit, da seien Ressourcen, die ich nicht sehe. “Nichts geschenkt” ist doch vielmehr ein Hinweis genau darauf, dass man sie sich erst holen müsste. Der “Widerspruch” liegt m.E. eindeutig in deiner Argumentation.
Mai 15th, 2018 at 22:04
Die Ressourcen müssen ‚eingebracht‘ werden, wie das Holen auch (anders) geht, finde ich nun gerade an diesen Projekten das Interessante.
Vielfalt der Möglichkeiten!
Das ist eine und vorerst rechtlich systemkonform abgesichert und trotzdem kein Privateigentum. Meinst Du im ernst, das ließen sich die Projektler mal eben so wieder streitig machen, ich nicht.
Mai 15th, 2018 at 22:22
Darüber mache ich mir gar keine Gedanken. Solche Projekte sind ja sehr zu begrüßen. Die Eigentumsordnung bleibt freilich ein Hindernis, an dessen Überwindung wir damit noch lange nicht stehen – und überwinden wir müssen sie, junge Skywalker.
Mai 15th, 2018 at 22:56
Nein, – bekloppt bist du nicht. Um Himmels willen, nur das nicht. Meine Güte, ich versuche hier kläglich dieser Wirrnis nicht so etwas wie eben meine eigene schamlose Wirrnis entgegen zu setzen, – einfach, weil ich dafür die leichteste aller Entschuldigungen, – eben der politischen Vorbilder dafür hätte, – und du willst jetzt kneifen? Nöööh, – geht gar nicht. Ich brauche diesen Bodenteppich. Nur ein bisschen. Mehr will ich gar nicht. Nur ein Zipfelchen. Ein ganz kleines.
Mai 15th, 2018 at 23:01
Kneifen? Wen? Was? Wie jetzt? Ich?
Mai 16th, 2018 at 00:20
Flatter, alter Ohrenkneifer, danke für den Hinweis auf Murray Bookchin! Zeit für ein gutes Buch!
Mal im Ernst: war Öcalan etwa mehr als bloß ein lokaler Machthaber (Unglaube)? Oder wie kam diese Verbindung zustande?
Danke auch daß du als Chronist der Stasis gegen diese allgegenwärtige geistige und seelische Bankrotterklärung anschreibst. Allein schon der Titel bereitet mir Vergnügen.
Besonders grotesk wird es ja immer wenn das herrschende Narrativ versucht Marx von einem wie auch immer anerkannten Philosophen umzudeuten in einen Terrorfürsten, zuletzt gesehen im aktuellen STERN…
Diskussion ist ja nicht so meine Stärke usw. aber das Unmögliche fordern, ich bin dabei***
Mai 17th, 2018 at 07:54
Wow, MASSIVER Threadkillerkommentar!!! (: (: (:
(Wo ist das Kuschel-Emoticon?)
Mai 17th, 2018 at 11:18
Heute wieder knallhart gespont:
Prinz Harry gibt Meghan Markle das Jawort
Fotostrecke: Die Hochzeit von William und Kate
Prinz Harry und Meghan Markle: Die Schauplätze der Liebe
und der Investigativknaller
Die royale Hochzeitstorte zum Nachbacken
Mai 17th, 2018 at 13:20
Spiegala – HA ha haaaar…
Mai 17th, 2018 at 20:44
Und die SZ trennt sich ‘mal eben’ von Karikaturist Dieter Hanitzsch wegen angeblichen ‘Antisemitismus’. Mohammed mit Bombe geht allemal, Netanyahu mit abstehenden Ohren aber gar nicht. Hanitzsch – dessen Karikaturen allerdings auch wirklich etwas nachgelassen haben – nach Jahrzehnten endlich als Antisemit entlarvt. Wir sind die Guten!
Mai 17th, 2018 at 20:57
Ich bin da trigespalten: Hanitzsch neigt zu solchen Stilelementen (Gabriel mit Schweinenase, Bush sieht aus wie ein Affe [auch abstehende Ohren] und lange Nasen in allen Formen.
Zweitens kann er aber als Karikaturist die Ähnlichkeit mit Judendarstellungen aus dem Adolfozän nicht übersehen.
Drittens – was immer er auch mit dieser Provokation erreichen wollte, ist das kein Grund für einen Rausschmiss, jedenfalls nicht ohne Weiteres.
Mai 17th, 2018 at 21:38
Man findet aber Übertreibungen der persönlichen Physiognomie so auch schon im Simplicissimus et al. Allerdings habe ich die auch schon immer für eher unnötig gehalten – schließlich kann keiner von uns etwas für den Beutel in dem wir auf Erden wandeln müssen. Andererseits zieht es allgemein überhöhte Personen auch wieder etwas herunter, ist also auch so etwas wie eine zeichnerische Nivellierung. So oder so, unklar bleibt, warum dieses ja ebenfalls jahrzehntelang eingesetzte Stilmittel auf einmal so problematisch sein soll.