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Ich habe heute diesen Bericht über den Twittertroll Anne Helm gelesen [via tuxprojekt] und mich ein wenig über Danischs Schlüsse bezüglich der “Linken” geärgert. Das Problem ist hier bereits ausreichend beschrieben, aber es geht über den völlig ausgehöhlten Begriff einer “Linken” hinaus. Dass sich inzwischen jede bizarre Neurose, aus der sich eine Ideologie schmieden lässt, wahlweise als “links” oder “alternativ” bezeichnet, macht kommunizieren schwierig. Nicht ganz zufällig brüllen sie sich daher auch lieber Schmähungen und Befehle zu auf ihrer Plattform der 140-Zeichen-Beschränkten.

Der Begriff “Politik” geht gleich mit unter, in trauter Eintracht zu Grabe getragen von Parlamentariern und Twittersprallos, die sich vor allem und teils nur noch dadurch auszeichnen, dass sie jeden Zusammenhang in Stücke hacken, um aus den Resten Parolen zu schmieden. Aufmerksamkeit und Effekt sind alles, was zählt. Es geht nicht um Inhalte, nie, denn das hieße, sich auf die Suche nach den richtigen Fragen und ersten Antworten zu machen, zu zweifeln, auch und gerade an sich selbst, und sich beharrlich an Problemen abzuarbeiten. Wie viel leichter, schneller, lauter und bunter ist es da doch, sich mit ein paar Rüpeln zusammen zu tun und über andere herzufallen, die einem nicht passen.

ACHTUNGALARMAUFPASSEN Wachstum!

Die ‘parlamentarische’ Arbeit beschränkt sich derweil längst auf die ewige Wiederholung der immer gleichen Phrasen aus der PR-Abteilung. Entscheidungen werden nicht diskutiert, sondern im Nachhinein verschlagwortet. Dieses dogmatische Verfahren ist bei den Vögeln des Zwitschermobs schon Selbstverständnis, weil eine Debatte ohne Nebensätze gar nicht führbar ist und daher auch nicht gewollt von denen, die dort krakeelen. Wie sich in den Zentren realer Macht (hier allerdings relevante) professionelle Zirkel gebildet haben, die den Außenkontakt nur mehr in Form von Verkündungen abwickeln, findet auf Twitter ein Nichts statt zwischen aggressiven Narzissten, das wirkt, als sei ganz großer Alarm.

Dieses ständig blinkende, heulende und donnernde Nichts ergänzt als Aufmerksamkeitsmagnet den routinierten Nihilismus der Parteipolitik. Passt schon, wenn deren Nachwuchs sich dort rekrutiert. Wer das ernst nimmt, glaubt auch, ein “Ich bring’ dich um, du Drecksau” irgendwo ins Netz gerotzt, sei eine “Morddrohung”. Ich weiß, es sind eher weniger, die solch infantiles Getöse nicht ernst nehmen. Das ändert nichts daran, dass die Plärrer weitgehend unter sich bleiben. Ein Beleg dafür: Hier geht ja reichlich Traffic ein, aber von Twitter kommt quasi null. Ich habe dort selbstverständlich auch keinen Account.

Wir haben also ein doppeltes Problem, wenn wir so etwas wie “Politik”, zumal “linke Politik” auf die Beine stellen wollen. Die parlamentarischen Institutionen sind verseucht, weite Teile der Netzkommunikation ebenso. Eine Gesellschaft, in der Wirkungsmacht auf der persönlichen Ebene so attraktiv ist, weil alle Lebensbereiche von Machtstrukturen durchzogen sind, sägt an der Fähigkeit zu sprechen ebenso wie an der sich überhaupt zum Gespräch zu treffen. Vielleicht hängt vieles davon ab, Plattformen zu finden, auf der man wieder Zusammenhänge diskutieren kann, so dass sie Anschluss ans allgemeine Denken finden. Früher waren es Arbeitervereine, aus denen eine Bewegung entstand. Was könnte heute den Ausgebeuteten die Sprache zurückgeben?