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Bildquelle: Bundesarchiv, Bild 183-19917-0004 / CC-BY-SA 3.0

Die Einen schreien nach der vereinigten Linken, die anderen sehen überall Linksrutsche, wo Kriege geführt, Menschen ausgebeutet und Macht konzentriert wird. Es geht ein Gespenst um; ein Spuk, eine Halluzination. Es gibt keine Linke. Woran das liegt, ist offensichtlich. Was für ‘links’ gehalten wird, großenteils von denen, die sich damit identifizieren, ist ein Label, das man auf alles und jedes pappen kann. Die Parlamentarische Linke heißt so, weil sie dort sitzt, aus welcher schrägen Tradition auch immer, aber mit Inhalten hat das nichts zu tun. Spätestens die Animosität der beiden neoliberal-sozialdemokratischen Parteien gegen die Sozen nach Godesberger Art (“Die Linke”) bezeugt das.

Deren Theoretiker, die Keynesianer, sind ebenso wenig links, denn sie tun nichts anderes als die Neoliberalen, indem sie den Kapitalismus ‘retten’. Spätestens seit der alternativlosen Bankenrettung und der Nationalsubvention für Autohersteller aka “Abwrackprämie” ist das nicht einmal mehr halblinks. Wer für Soziologie zu dumm ist und deshalb CDU-geförderter Politologe wird, mag das einen “Linksrutsch” nennen, was aber keiner Nachfrage standhält. Was genau ist an der Subvention für Großkonzerne “links”?

Linksrutsch nach rechts

Nicht besser sehen die Splittergruppen fanatischer Halbhirne aus, die sich als irgendwie Linke begreifen und gern von rechten Simpeln dafür gehalten werden. Bürokraten, die gern alles verbieten möchten, was sie für ungerecht halten, selbsternannte Opfervertreter, die sprichwörtlich jedes Mittel für ihren fanatischen Kampf gegen die Realität nutzen, Sprachverhunzer, Twittertrolle, Kapuzenheinis, Gendersprallos. Ist das ‘links’? Kann man das “vereinen”? Will das irgendwer? Ist da irgend eine konsistente Theorie, ein gemeinsames Ziel, eine Methode, eine Analyse? Tja.

Der politisch-ökonomische Komplex hat ganze Arbeit geleistet, was eine der wenigen Alternativen anbelangt, nämlich einen konsequenten Sozialismus, Kommunismus, auch nur die Debatte darüber, was da ginge und was nicht. Das hat verheerende Folgen. Was heute von irgendwem als ‘links’ bezeichnet wird, hat fast flächendeckend panische Angst, mit Parolen wie “Mauer und Stacheldraht” oder “Kommunismus” in Verbindung gebracht zu werden.

Das ist strategisch ein doppelter Kahlschlag, denn das Verbot über die Frage, was da im Osten falsch gemacht wurde und vielleicht richtig gemacht werden könnte, führt unmittelbar zu dem Verbot, überhaupt eine Diskussion über Alternativen zu führen. Sobald die nämlich auch nur den Verdacht erregt, in diese Richtung zu laufen, fallen sie alle über einen her; vom Verfassungsschutz über die Bürgerlichen bis hin zu den Sozialdemokraten.

Keine Herren, keine Sklaven

Dabei ist es ja nicht so, dass es keine Gemeinsamkeiten gäbe. Wie oft werden die “99%” beschworen, die allesamt ausgebeutet werden? Treten wir einen Schritt zurück und trennen uns einen Moment vom Thema “Geld”, das ohnehin kaum wer begreift. Es ist ja nicht bloß die wirtschaftliche Ausbeutung am Werk, wo Löhne gezahlt werden; der Kapitalismus beutet das Wichtigste aus, was Lohnempfänger besitzen, nämlich ihre Solidarität. Ihre Arbeit füreinander, das Miteinander. Viele Jahrzehnte lang wurde das genutzt, indem Arbeitskolonnen Mehrwert schufen, Gruppen von ausgebeuteten Arbeitern, die aufeinander angewiesen waren. Die Kehrseite war, dass sich solche Arbeiter auch organisierten und ihre Solidarität nach außen eine gewisse Gegenmacht darstellte.

Je mehr sie aber vereinzelt, spezialisiert und mit sich allein beschäftigt wurden, desto mehr verschwand Solidarität als solche. In kleinen Teams wird sie nach wie vor ausgebeutet, in der großen Masse aber herrscht die Zersplitterung. Dass nach wie vor dennoch die große Masse, die 99%, systembedingt von einer kleinen Minderheit beherrscht wird, ist das Ergebnis.

Wie bekannt, ist für mich ‘links’ das, was der Blogtitel sagt: “Keine Herren, keine Sklaven!”. Das ist für mich völlig selbstverständlich die Essenz von Demokratie, Fürsorge und jeder Gesellschaft, der ich angehören möchte. Dennoch ist dieses Motto offenbar exotisch. Ich wage zu behaupten: Solange sich die Menschen diesem Prinzip nicht mehrheitlich anschließen, wird es keine Einigung geben. Vielleicht verschwindet die Linke deshalb, weil sie nur durch ein neues Selbstverständnis wieder aufleben könnte, das sie endgültig überflüssig machen würde.