Noch vor einigen Jahren wähnten sich einige Publizisten, die Blogs als alternative Medien für sich entdeckt hatten, auf einer Insel der Unabhängigkeit. Aus der Innenansicht hat sich daran grundsätzlich auch nicht allzu viel geändert. Wie nicht anders zu erwarten war, aber vielleicht naiv gehofft wurde, ließ das Kapital allerdings nicht lange auf sich warten, um mit der Planierraupe durch unsere Vorgärten zu schroten und ein Regime des Deppenterrors zu errichten.
Dabei ist man noch fast gut bedient, wenn breitbeinige Jungblogger/innen, die sogar im steten Bemühen um so etwas wie Schriftsprache hier und da ein gewagtes Komma setzen, jeden Konsumschrott mit ‘wow’ und ‘toll’ anpreisen, den eine Agentur ihnen zum Gutfinden anliefert. Ich musste mir tatsächlich erklären lassen, so gehe Bloggen heute – da sind wir mitten drin im “Heutzutage“, und die wenigen Glücklichen, die ein Jahr auf zwei aus der immer gleichen Satzstanze zu den immer gleichen Posen überteuerten Markenschund anbeten, halten sich gern für jemanden.
Tiefer als die Hölle
Meine realistische Einschätzung ihrer Zukunft werten sie als irrelevant und pessimistisch (im Sinne von depressiv, nehme ich an ). Am Ende bin ich vermutlich nur neidisch und eh Nullerjahre. Ein alter Freak halt, den der fröhliche Umzug nicht mitgenommen hat. Die Party läuft ohne dich, Opa. Ich muss wirklich schrecklich alt sein, denn ich kann mich über diese Art schnöseliger Hybris nicht einmal mehr aufregen.
Wie gesagt, ist man mit dieser Art Klientel noch gut bedient, denn zumindest die Simulation einer Kommunikation kann im günstigen Fall stattfinden. Nicht so mit denen, die in der Lotterie das Los des Asistars gezogen haben und auf Youtube unverständliches Zeug brabbeln, um Millionen von Halbhirnen damit zu begeistern, dass es da draußen noch einen Hirngünter gibt, dessen Schwachsinn sogar von Schwachsinnigen als Schwachsinn erkannt wird. Dazu trägt er sie es wiederum Logos, zeigt Spielzeuge mit Logos oder findet irgendwelche Marken einfach so krass geil töfte. Der Markenname ist dabei das Einzige, das deutlich intoniert wird.
Diese Inszenierungen sind wiederum die Schublade im Erdkern, drunter geht einfach nicht mehr. Ich habe mit Moral nichts am Zettel, davon will ich gar nicht anfangen. Was mich vielmehr beeindruckt, ist die Reinheit, mit der ein gestrippter Kapitalismus zutage tritt. Konsum ist hier Inhalt, Stil, Kommunikation, Sinn und Zweck ineins. Das Ideal, das dazu gebraucht wird, ist ein entkernter Restmensch ohne Verstand, Fähigkeiten oder auch nur Geschmack. Die Beliebigkeit wird nur durch ein einziges Element durchbrochen, nämlich den Privateigentümer, der zahlt; der Marke, die dessen Produkte repräsentiert.
Rock’n Roll ohne Rock und Roll
Das Perfideste an dieser erfolgreichen Strategie ist ihre integrative Wirkung. Jeder Idiot kann das, was die Superstars da machen. Jeder erkennt das. Alle sind vereint in ihrer totalen Inkompetenz und dem Traum vom absolut mühelosen Konsum. Der Depp als Star ist das neue Ideal, sein Status leitet sich unmittelbar ab von den Waren, die er erwirbt. Die eine halt im Päckchen von der Agentur, der andere für einen unverschämten Preis im Fachhandel.
Die Szene funktioniert wie Pop allgemein, nur eben ohne alles – ohne Musik, Sport oder sonstwas, wofür jemand noch etwas Spezielles tun müsste. Hysterische Teenager machen sich nass, weil ihr unreifer Narzissmus eben auf die personifizierte Beliebigkeit anspringt, weil die Industrie den Befehl gibt, das gut zu finden. Sex, Drogen und Rock’n Roll ohne Sex, Drogen und eben alles. Fetisch statt Sex, Konsum statt Drogen und nochmal Konsum statt Rebellion. Kurzum: Das Produkt ist hier Subjekt und die Konsumenten die Objekte.
Die gute Nachricht: Um in diesem Schlamm mit zu catchen, kann man nichts tun. Es gibt nichts, das man lernen kann, nichts, dass man tun oder lassen müsste. Vielleicht einen kennen, der gerade bei einer Agentur darüber entscheidet, wer in der nächsten Runde den Dorfdeppen gibt. An die könnte man sich ranzecken, falls die dazu nötige Intelligenz einen nicht schon wieder disqualifiziert.
März 30th, 2015 at 20:26
Mann, schreibst Du manchmal gut!
März 30th, 2015 at 23:08
Freut mich, wenns einem gefällt, zumal einem, der sich mit mir anlegt ;-)
März 31st, 2015 at 07:03
Gibt’s schon ‘ne Äpp für Feynsinn? Ich möchte dann doch auch mobil lesen und zwar “tarum – alle Informationen, alle Emotionen – tatam”!
März 31st, 2015 at 08:33
Boar ey, alles über 140 Zeichen ist tl;dr
(duckundweg zu dagibee)
März 31st, 2015 at 09:33
Hübscher Text, der mir den Tag versüßt.
Warum? Weil ich mir vorgekommen bin als würde ich die Beschreibung eines Indianerstammes am Amazonas lesen.
Ich denke das liegt an der genialen Möglichkeit des Netzes sich das Umfeld auszusuchen in dem man sich bewegen will.
Und seit ich adBlock installiert habe surft es sich noch entspannter.
Es ist wirklich entspannend nicht alles zu konsumieren (aktuell irgendwelche penetrant schockierte News zu irgendwelchen Flugzeugen die gegen irgendwelche Berge fliegen) und Dinge die nerven schnell mal auszublenden. Wenn ich doch mal was von irgend einem von Dir beschriebenen VollHonk mitbekomme habe ich das meist nach 20 Sekunden wieder vergessen. Lohnt nicht die graue Masse damit zu belasten. Vielleicht sind die Honks die dem hinterher lechzen in zehn Jahren ja auch vernünfiger.
März 31st, 2015 at 09:39
OT: Das Kapital drückt mal wieder einen Putschknopf.
Wachstum!!111!
März 31st, 2015 at 10:44
ich bin komischer weise auf solche blogger und youtuber erst durchs tv(!) aufmerksam geworden.
einen positiven aspekt hat es aber: wenn man sich gezielt zu einem produkt sowie dessen handhabung informieren möchte, ist das so sehr einfach möglich. WENN man denn bedenkt, dass hinter diesen beiträgen finanzielle interessen stehen.
schräg daran ist imho aufwand/nutzen für diese blogger. die stehen meist in keinem verhältnis zueinander. es sei denn, dass der fame für sie sehr hoch gewichtet ist.
das ist ein neuer, prekärer und unkontrollierter markt.
asistar x promotet produkt y. gleich danach gehen die verkaufszahlen bei amazon und co. durch die decke. x freut sich nen ast, dass er eine ausgabe von y für lau bekommen hat. und unsereins bekommt schläfenpochen.
März 31st, 2015 at 10:54
Nach Lesen des Artikels musste ich irgendwie an die neue McD Bacon Clubhouse Werbung denken, die ich gestern das erste Mal gesehen habe. Ich war mir nicht sicher, was mir verkauft werden sollte. Das auch die oberen 10% zu McD gehen, also quasi dazugehören? Oder das jeder von uns die Chance auf Reichtum hat (vorausgesetzt man isst regelmässig beim Schachtlwirt)? Vielleicht gings auch darum zu zeigen, dass man nicht reich sein muss, um “Gourmetessen” zu geniessen. Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung was die Botschaft(en) sein sollte.
März 31st, 2015 at 11:02
@flatter 09:39
Das ist die aktuell erfolgreiche Taktik:
da nicht alle Schweinereien durch den medialen Lärm verdeckt werden können, die Fussballweltmeisterschaften, Flugzeugabsürtze, Terroranschläge etc. erzeugen werden wir einfach mit Verordnungen und Gesetzesvorlagen zu geschissen.
Mag ja sein, das nach jahrelangem Kampf z.B. die übelsten Auswüchse von TTIP relativiert werden. Parallel werden schon die kleinen Verordnungen und unbedeutenden Gesetze ausgearbeitet, um die gefundene Kompromisse zu unterlaufen. Irgendwas davon kommt immer durch.
Das alles wird immer mehr zum Hase und Igel Rennen in dem “wir” (die betroffene Bevölkerung) keine Chance haben.
März 31st, 2015 at 11:09
@Umdenker
Die Botschaft der McDoof Werbung ist ganz einfach:
sex sells.
Halbwegs gut aussehende Blondine duschen und hübsch anziehen. Das wars. Die “lustige Geschichte” daneben ist noch ein zusätzlicher “Aufmerker” der im Gedächtnis bleibt.
Was suchst Du nach Botschaften in Werbungen die über das “eat it!” hinaus gehen? :)
März 31st, 2015 at 11:17
..spontane Assoziation zu McDoof und “eat it!”
https://www.youtube.com/watch?v=ZcJjMnHoIBI
;-)
März 31st, 2015 at 13:30
OT: Mspro: Einführung in den Fefismus.
März 31st, 2015 at 13:30
Logische Konsequenz, um den Status Quo für die herschende Schicht aufrechtzuerhalten bedarf es der unterminierund der “2ten Journalistischen Gewalt”.
Würd ich genauso machen.
Frei nach Sunzi: “Bekämpfe den Feind wo er nicht ist”
März 31st, 2015 at 13:39
@R@iner: “Mangelnde journalistische, moralische und diskursethische Integrität“? Fuck, warum macht mir niemand ein solches Kompliment? Muss ich weiterlesen?
p.s.: Und das sagt ein Heini, der für einen Großverlag bloggt, dabei Bilder klaut und nachher rumheult.
März 31st, 2015 at 13:41
OT but….. I love it Postillon ^^
März 31st, 2015 at 13:44
Ich nicht, aber der Link führt ja eh ins Nirwana :-P
März 31st, 2015 at 14:08
@r@iner: *kicher*. was für ein rant. hat fefe dem irgendwann mal nen lolli geklaut?!? unklar, das.
März 31st, 2015 at 16:45
Der Seemann hängt doch mit den ganze Expiraten rum. Die sind halt sauer weil die ganzen Pöstchen weg sind und sie wieder Nudeln essen müssen^^
März 31st, 2015 at 19:21
@ R@iner (13)
Was für eine Wurst ist der Typ denn? Muss man die Heulsuse kennen?
hätte ich mal direkt auf die “über”-Seite geguckt, dann hätte ich mir das Gewimmer sparen können *g*
April 1st, 2015 at 00:29
Wow, dieses Fefe- Gebashe in der taz war intellektuell allterunterste Schublade – kenne Fefe nicht, pfeif ich auch drauf, aber Beiträge, die es schaffen im engen Rahmen von zwei Absätzen (siehe “Komplexität”) inkoherent zu werden, braucht kein Mensch.
April 1st, 2015 at 09:11
Was suchst Du nach Botschaften in Werbungen die über das “eat it!” hinaus gehen? :)
Die gibt es aber, und zwar zu Hauf geballt. Wenn du etwas über die ‘Werte’ einer Gesellschaft erfahren willst – sieh dir ihre Werbung an. Was dort, und zwar gerade über das ‘eat it!’ hinaus, dargestellt und vermittelt wird, wurde sorgfältigt und aufwändig eruiert. Es gibt eine Menge Werbung ‘heutzutage’, bei der bis zur schlußendlichen Einblung des Logos vollkommen unklar ist, was man eigentlich fressen soll, die sich aber heftigst bemüht, ein bestimmtes ‘Lebensgefühl’ anzusprechen. Mein Favorit zZt ist die Werbung eines Schuh-Discounters, die es schafft, in kürzester Zeit den kompletten Lebensentwurf des perfekten neoliberalen Konsumidioten darzustellen. Auch hier erfahren wir erst ganz zum Schluß, wessen es bedarf, um ‘dazuzugehören’. Und das tun die wie gesagt durchaus nicht nur in’s Blaue hinein.
April 1st, 2015 at 10:20
Dazu gibt es ja u.a. das Heutzutage-Studium “Wirtschaftspsychologie”, in dem es nicht darum geht zu analysieren, wie krank das alles ist, sondern wie man die Krankheitsbilder in Profit verzaubert.
p.s.: Hier heute keine Scherze. Bin schon vor dem Kaffe angeödet.
April 1st, 2015 at 10:25
@flatter: Mit “Wirtschaftspsychologie” triffst Du einen wunden Punkt bei mir. Als mir die Tochter eines Freundes vor ein paar Jahren nach ihrem Abitur erzählte, dass sie das studieren würde, ich aber bereits wusste, dass sie damit helfen wollte, die Arbeitsbedingungen in der Industrie zu verbessern, brach ich spontan in schallendes Gelächter aus. Das hat zu wochenlangen Diskussionen mit ihrem Vater und zu allseitig schlechter Laune geführt.
Keiner mag mich. :(
Kein Witz: CERN researchers confirm existence of the Force
“Very impressive, this result is,”
April 1st, 2015 at 12:23
Haben wir nicht täglich 1.April?
April 1st, 2015 at 12:29
Wirtschaftspsychologie
Oha, war mir tatsächlich neu. Eine Disziplin findet zu sich selbst, oder was…?
April 1st, 2015 at 12:30
Haben wir nicht täglich 1.April?
Aber auf jeden!
April 1st, 2015 at 14:07
Hallo Leut’s
Etwas Off Topic: Ich komm net mehr auf den TodaMax. Was ist da los? Und wie kriegt man das weg?
http://blog.todamax.net/151-blocked.png
Grüßle, Micha
April 1st, 2015 at 15:33
Das ist der 01.04.. Der geht am 02. vorbei.
April 1st, 2015 at 17:01
Mann, bin ich heute uninspiriert. Kann mir mal wer eine langen?
April 1st, 2015 at 19:18
ich weiss nicht, ob die sperre bei mäx n witz ist; gestern abend um 19:00 wars das gleiche. wäre ja nicht das erste mal, daß n blog im zuge eine “säuberung” eines adressraumes im nirvana verschwunden wäre.
(fortinet/fortiguard; find da mal was verständliches zu, ist echt grausam; ich dachte zuerst, ich hätte mir was eingefangen)
April 1st, 2015 at 19:36
Nein, das sind die Illuminaten. Die haben ihm eine index.html. gebastelt, die index.php gelöscht und die grafik auf seinem Server gespeichert ;-)
April 1st, 2015 at 20:02
ah, okay. sounds plausible. *hail eris*
April 1st, 2015 at 20:20
Kann mir mal wer eine langen?
Bittesähr!
April 1st, 2015 at 21:12
Danke. Ich Maskuschwein lese davon nicht mal den zwoten Absatz.
April 1st, 2015 at 22:25
uärks. die geschwister domscheitberg. ausgerechnet. ausser unreflektierter beschimpfung würd *mir* da nix mehr einfallen.
April 2nd, 2015 at 09:41
@Flatter: Du spielst doch Stromgitarre? Da gips für Maskuschweine einen neuen Effekt:
April 2nd, 2015 at 10:31
Geil!
April 2nd, 2015 at 12:50
Der Zentralrat der Fliesentischbesitzer ist empört! Und erst jammern und dann wegducken – so lieben wir das…
April 11th, 2015 at 12:57
Da mich dieser Text mich da sehr daran erinnert, will ich kurz auf »tiqqun: Theorie vom bloom« hinweisen, die machen auf beeindruckende Art und weise eine sehr ähnliche Analyse, vielleicht nicht so kurzweilig wie hier, aber trotzdem lohnenswert weil sehr grundsätzlich.