Die Jugend ist reaktionär
Posted by flatter under best of , kunstlyriklamauk[46] Comments
26. Mrz 2015 17:24
Die Jugend war schon immer schlecht. Etwas hat sich aber geändert in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, und zwar hat ein Rollentausch stattgefunden. Inzwischen sind es nicht mehr die Alten, die auf die Unveränderlichkeit der Welt pochen und nichts davon wissen wollen, dass es noch etwas jenseits der eingefahrenen Bahnen gibt. Es ist vielmehr die Jugend, der jede Phantasie fehlt für eine Welt, in der sie nicht ganz selbstverständlich mit Spielzeugen versorgt und von ihnen unterhalten wird. Sinnfreier Konsum ist unterm medialen Overkill zur letzten Alternativlosigkeit geworden. Wir amüsieren uns nicht mehr nur zu Tode, wir sollen nicht mehr akzeptieren, auch nur eine Minute lang unbespaßt zu sein.
Ich muss natürlich zugeben, dass ich aus der Perspektive desjenigen spreche, der weder blöde an seinem Wählscheibentelefon hängen bleibt, weil ihm die geistige Flexibilität fehlt auf Knöpfe oder Tasten zu drücken, noch seine eigene Vergangenheit in der allgemeinen Geschichtslosigkeit vergraben hat. Im Gegenteil, das genau nervt mich nämlich bis zum Anschlag, dass die Jugend keine Zukunft sieht, weil sie unter organisierter Amnesie leidet und blöderweise auch noch stolz darauf ist. Reden wir einmal von diesen elektronischen Spielzeugen:
Keine Ahnung
Oppa hat selbst ein wenig Programmieren gelernt, verschiedene Sprachen gar. Oppa hat den Commodore bedient, den Atari, den PC. Oppa hat haufenweise Betriebssysteme kennengelernt, sie aufgesetzt, zerstört und repariert. Oppa kennt noch das genannte Ding mit der Wählscheibe, Telefonzellen, hat den Nummernblock gehabt, ein erstes Kabelloses, ja sogar Händies. Oppa kannte das Internet schon vor Google, kann heute noch Schnittstellen unterscheiden, Hard- wie Software, und weiß, dass ein ISA-Bus ihn nicht ins Heim fährt. Den ganzen Schnickschnack; analog, ISDN, DSL. Oppa kann einen PC mit verbundenen Augen zusammenschrauben. Was will Oppa damit sagen? Dass er nicht zu blöd ist, einen scheiß Glasstein zu streicheln, sondern dass er denkt, bevor er etwas tut.
Gern sogar weit in die Vergangenheit, lange bevor er selbst geboren war. Davon weiß er! Oppa kennt Sachen aus der Zeit von Uroppa, Ururoppa und Urururoppa. Deshalb hat er auch eine Ahnung, warum die Dinge sind, wie sie sind und sogar eine davon, wie sie werden. Scharen junger Triefnasen hingegen haben keinerlei Vorstellung von ihrer eigenen Zukunft, null Wissen über die Vergangenheit – nicht mal ihre eigene, maßen sich aber an, uns Senioren zu verzapfen, was “heutzutage” ist und was nicht. (Das Unwort “heutzutage” sollte man eh regelmäßig seinem jeweiligen Urheber in den Hals zurück wuchten). Sie kennen kein Gestern und kein Morgen, schwingen sich aber zu Experten fürs Heute auf. Ich finde, über die Prügelstrafe muss man an der Stelle ja wohl einmal reden dürfen.
Nichts weiß die Jugend mehr, gar nichts. Alles war schon immer so, und wer nicht mit der Zeit geht, den lässt sie halt zurück. Fragt einmal die Schnöselei Anfang-Mitte zwanzig, was sie in zehn Jahren tun werden. Die nehmen entweder die Beine in die Hand oder rufen die Bullen.
Was will der Irre? Zehn Jahre! Wen interessiert denn so’n Scheiß?!
Ja, wie soll man auch zwanzig Händies in die Zukunft gucken? Sag denen mal, dass es bald keine Händies mehr geben wird, nur so zum Spaß! Das Geschrei wird herzzerreißend sein, was bei Unbeteiligten wiederum nur den spontanen Reiz auslöst, neue Schuhe zu bestellen.
Wie jetzt?
Das Wort “warum” hat keine Bedeutung mehr, außer in “warum ich und nicht der” oder “warum die und nicht ich?“, aber auch da ist es kein Fragepronomen, sondern ein Statement. Es fragt auch niemand mehr: “warum tut’s das nicht?“. Das heißt: “Gib’ neu!“, und wenn das passiert, bevor ein neues Modell aus den Kolonien da ist, ist Revolte angesagt. “Geht nicht” geht gar nicht!
Nicht übrigens, dass das Frischgemüse im Vorfeld durch sein Verhalten etwas dazu beitrüge, dass ‘Ding tut’. Nö, Ding hat zu tun, ist gefälligst selbsterklärend, bunt, geil und vor allem mühelos! Wenn kaputt wegen mühelos, dann mühelos neu. „Wegen“ müssen wir hier allerdings schon streichen. Als würde etwas nicht funktionieren, weil man es einfach benutzt! Als gäbe es außer fetten hässlichen Nerds irgendwen, der durch sein Verhalten die Technik beeinflusst. “Verhalten” ist nämlich so was von Neunziger Jahre – oder eben eine Art Persönlichkeitsstörung.
Den kenn’ ich
Die Idiotengenerationen meiner Eltern und Großeltern haben uns Sprüche wie “Das tut man nicht!“, “Das war schon immer so.” und “Wenn es dir hier nicht gefällt, dann geh’ doch nach drüben!” in den Schädel geprügelt. Mann, müssen die glücklich gewesen sein, als denen endlich eine wandelnde Handtasche erklärt hat, dass es tatsächlich “keine Alternative” mehr gibt! Die Frage “Warum” aus unserer Richtung gab eine Extrarunde Wangenmassage. Es war zum Verzweifeln: Du konntest diesen Graupapageien nicht einmal beibiegen, dass da was gewesen war, ehe im Takt der Demokratie weitermarschiert wurde. Wollten sie nicht wissen. Eigentlich wollten sie gar nichts wissen, schon gar nicht von einer Zukunft, die ihnen geistige Flexibilität abverlangt hätte.
Und jetzt habe ich denselben Salat von der anderen Seite. Mein akademisches Interesse an dieser Geschmacksrichtung von Verzweiflung stellt mich am Ende nur vor die Frage, welche Generation die verkalktere ist und von wem ich eher erwarten darf, dass die Oberstube irgendwann noch einmal einen Tapetenwechsel erlebt. Wahrscheinlich gibt es nur eins, was beide noch aus den Schluffen brächte: Wir brauchen wohl einen neuen Hitler. Das ist eh der Einzige, von dem beide schon mal was gehört haben.
März 26th, 2015 at 19:04
Schon schlimm, die Jogend!
Mich kotzen ja ganz pauschal alle Altersgruppen an, aber manchmal empfind ich die jungen Leute doch als eine ehrlichere Version ihrer Elterngeneration.
Wir sind halt bloß triebgesteuerte Kohlenstoffeinheiten, getrieben von Egoismus und Lustgewinn, freies Denken und Entscheidung ein Größenwahn, man muß sich halt vermarkten können, denn unsere Bedeutung als Lebewesen übersteigt keinesfalls die einer beliebigen Ameise in einem beliebigen Ameisenhaufen. Und die Würde der Ameisen ist nicht unantastbar.
Die jungen Leute haben das begriffen und geben sich daher keine Mühe, ihre Armseligkeit so zu kaschieren wie das ihre Elterngeneration noch für nötig hielt.
Apple,Inc. hat das auch begriffen und bemüht sich daher mit sinnstiftender Technik diese Welt, deren Lohn Undank ist, noch ein klein bißchen länger zusammenzuhalten.
Alles klar?
März 26th, 2015 at 19:14
Fast. Ich hörte, dass Frauen von dieser Appleuhr schwanger werden können. Vielleicht ändert das alles …
März 26th, 2015 at 19:45
Erster Kommentar dort: “Burn it before it lays eggs plz”
März 26th, 2015 at 19:49
Da bist du leider falsch informiert, soweit ist die Technik noch nicht. Die Frauen im Großen und Ganzen auch nicht.
März 26th, 2015 at 19:51
@L´Andratté: Wie kommt es dann, dass ich auch davon erfuhr? Das geht jetzt. Echt.
März 26th, 2015 at 19:56
Und das mit den Chemtrails ist jetzt ja wohl auch bewiesen, mal ganz nebenbei!!11!
März 26th, 2015 at 19:58
Auf reddit heißt es dann immer TIL = today I learned.
In Spanien haben sie heute Nachmittag übrigens diese tollen Gesetze durchgewunken. Wenn man jetzt einen Spanier fragt, wie es ihm geht, dann wird er ab 1. Juli immer antworten, dass er sich nicht beschweren kann, weil ihm die finanziellen Mittel dazu nicht reichen. Amnesty meint: Spain: Two-pronged assault targets rights and freedoms of Spanish citizens, migrants and refugees
Hat ja auch eine gewisse Logik: Die einen klauen und sind korrupt und der Masse wird der Protest verboten.
März 26th, 2015 at 20:01
Ich lese meist nur den Aufguss (fefe).
März 26th, 2015 at 20:45
Nunja, wenn die Leute Anfang zwanzig so wahnsinnig angepasst sind an die Welt, die keinesfalls will, dass wer sein Hirn benutzt, dann heisst das ja eigentlich nur dass die Leute Anfang fünfzig einen guten Job als Eltern gemacht haben. Die Blagen erfolgreich sozialisiert, herzlichen Glückwunsch!
Und von allen Jugenden, die die schlimmste Generation seit Menschengedenken sind, ist die heutige Jugend ja wohl die allerschlimmste! (Und leise befürchte ich, dass da vllt was dran sein könnte. Ich kennen keinen in meinem Alter, der irgendwas will was nicht ins vorgeschriebene, erwartete, vorverdaute Workhardplayhard-Schema passt.)
März 26th, 2015 at 21:43
“Mühelos”, “bequem”, “umsonst” die drei Unwörter des Jahrtausends.
Ansonsten: Ritalin für die Jugend, guten Shit für unsereiner!
März 26th, 2015 at 22:20
Du meinst sicher Methylphenidat ratiopharm®.
März 26th, 2015 at 22:50
ich bin sicher, mit Cannabis Sativa bekommt man hyperaktivität auch in den Griff ;-)
man könnte ja mal eine Vergleichsstudie anregen.
März 26th, 2015 at 23:01
Naja, so unrecht hat @Amike nicht mit dem Erziehungserfolg, wie ich meine…
Ok, ich bin da außen vor aus Gründen, aber schon meine Eltern(generation) beschäftigte sich nicht mehr mit dem Spruch: Unseren Kindern soll es mal besser gehen. Sie wollten, daß es ihnen besser geht und die Kinder hatten selber dafür zu sorgen, daß es ihnen mal gut geht…
Wenn diese das dann jetzt ‘umkehren’, würd’ ich sagen: Erziehungsziel erreicht. Möglicherweise so ungewollt, aber so ist das halt mit dem “einen Schritt weiter denken”, auch bei den Alten, die (wir) ja ob (unserer) Erfahrungen gerade das wenigstens können sollten, odda so.
Jugend reaktionär?
Hm… sie wollen es doch erst einmal so haben bzw. kriegen, festhalten, also reaktionär sein, kann doch wer nur, wenn er sich an was klammert – an was klammern sie denn (wirklich).
An anderem als (vermutlich) ‘wir’, was wir nicht einmal so erfassen und benennen können.
Was sollten sie auch machen – die Alten sind im Jugendwahn, max. zu erkennen an ihren Gesundheitsschuhen… Schwarz tragen die Jungen, bunt gehen die Alten.
März 26th, 2015 at 23:01
@SB-Service: Ich schalte nicht dauernd neue Mailadressen frei. Such’ dir eine aus, am besten die zuletzt genutzte, sonst wird das hier nix.
Säzzer
März 27th, 2015 at 06:43
Sieh’s doch mal aus der anderen Perspektive, ich schlüpfe jetzt mal kurz in die Rolle eines Zwanzigjährigen:
Keiner hat mich gefragt, ob ich auf diese Welt möchte. Meine Eltern hatten bereits seit 1970 die Möglichkeit,aufgrund der wissenschaftlich fundierten Veröffentlichungen des Club Of Rome, die auch an Schulen diskutiert wurden, meine Geburt zu verhindern. Haben sie aber nicht. Weil sie egoistisch waren und nur an sich dachten.
Und jetzt bin ich hier in einer Welt des Klimawandels, der Umweltverseuchung und in der ausschließlich Profit regiert. Selbst wenn meine Eltern politisch motiviert waren, ändern konnten auch sie nichts.
Warum soll ich mir den Arsch aufreißen?
Ich lebe jetzt und hier und will meinen Spaß. Dass es ein Tanz auf dem Vulkan ist, schiebe ich mental so weit weg wie möglich
Wer bist du, mir das übel zu nehmen?
März 27th, 2015 at 08:14
Ein tl;dr, das habe ich mir nach so langer Enthaltsamkeit verdient ;)
Vielleicht ist die heutige Jugend (trotz aller vermeintlicher Sinnleere) folgerichtiges Resultat der Erfahrung so vieler Generationen vor ihr, dass nämlich der Kapitalismus vor allem eines schafft: Das Zerstören und – effektiver noch – das Vorenthalten historischer Möglichkeiten neben ihm.
Er hat bislang jeden Sinn entkernt, aus dem sich der Wille zum Anderssein nährte und in ein verwertbares Accessoire verwandelt. Die bunten Federn sind gerupft, die Träume ausgesaugt; sie zieren die Produkte und Dienstleistungen, die hohlen Versprechen der Politik, die schale Idylle seiner Milieu-Welten und die falsche Freundlichkeit in den Amtsstuben.
Der Kapitalismus hat keinen Sinn mehr, der ihn noch nähren könnte, wie sollte also Jugend anderes widerspiegeln als genau diese, seine mit fremden Federn geschmückte Leere, in der sie aufwächst?
Sie bietet ihm die widerstandslose Selbstoptimierung, das Gehorchen seiner Imperative, um jeder Biegung seines Laufs zu folgen und nicht an ihm zu stranden, versandet zum obskuren Accessoire (polit. Bewegungen) oder zu Grunde zu gehen als unnützer Balast (individ. Unvermögen).
Das Aufbegehren hat ausgedient, weil er alles Begehren als Accessoire vereinnahmt hat. Der Kapitalismus ist ein Souvenirladen, voll metaphysischer Andenken all dessen, was ihm entbehrt. Das I-Phone wird gestreichelt, das Straußensteak ist Freiheit, und Gruppenyoga ist Frieden.
Liebe, Freiheit, Frieden braucht keine Politik mehr, es gibt sie am Wühltisch. Die Frage nach dem “warum” hat ihre Glaubwürdigkeit verkauft.
Die Dekomposition (Delegitimierung) des Politischen trifft auf Widerstand nur noch in seiner Konstituenz, einer strukturbedingten Zähigkeit, die zunehmend ihren Halt verliert – und das gilt begleitend auch für seine Multiplikatoren, der Presse, welche zweifellos besteht, aber kaum mehr verkündet als das, was ohnehin ist.
Streeck meint: “Es sieht jedoch so aus, als desorganisiere der desorganisierte Kapitalismus nicht nur sich selbst, sondern gleichzeitig auch seine Gegenkräfte, wodurch er diese der Fähigkeit beraubt, ihn entweder zu überwinden oder, alternativ, zu retten.” – Soweit d’accord. – Und weiter: “Damit der Kapitalismus sein Ende findet, muss er deshalb selbst für seine Zerstörung sorgen – und genau das erleben wir heute.”
Das bezweifle ich. Der Kapitalismus braucht keine (Werte-)Organisation – im Gegenteil – er braucht nur die blinden Vereinzelten, welche den ihm einverleibten Souvenirs folgen. Der Kapitalismus ist nur der Boden, die Struktur, auf dem der rohe Trieb sinnlos zu sich selbst kommt. Dieser fragt nicht Warum, und er dreht sich auch nicht um.
März 27th, 2015 at 08:42
Man könnte mit Streeck (und Nyikos, siehe auch hier) also formulieren: diese Jugend zerstört den Kapitalismus, indem sie ihm völlig freie Bahn lässt, seine ‘Selbstzerstörung’ nicht behindert. Zu fragen wäre dann allerdings, was das mit diesen ‘Zerstörern’ macht, und wer sich um ein Warum dann noch scheren soll. Aber vielleicht liegt in einem ‘eh schon alles egal’ am Ende auch mehr Bereitschaft, etwas Neues zu probieren, mehr ‘Offenheit’ als in hergebrachten verbissenen Linksdikursen.
Edith meint, die Frage wäre dann wohl auch, ob man zerstörerische Prozesse wie zB solche wirklich einfach laufen lassen soll, kann, muss…
März 27th, 2015 at 08:58
Ich bilde Azubis aus. Die meisten davon sind xenophob, unsolidarisch, eiskalt, ungebildet und auf nichts anderes als den eigenen Vorteil bedacht. Die würden mir ihre eigene Oma zum schuften auf dem Acker verkaufen, würde sie das irgendwie weiterbringen.
Das Bild des Deutschlands, das dieses Mal in ganz anderer Manier als sonst den Kontinent verödet, es ist ihres. Sie mögen das so. Man hat sie jetzt dort wo man sie haben will.
Ich weiß nicht, wie beliebt es hier ist, Links zu wenig bekannten Blogs zu setzen, aber hier
http://dudentity.blogspot.de/2015/03/wider-den-weltschmerz.html
ist einer, der das auch so erlebt, den ein Student im Teamspeak mit seiner Sicht auf “faule Hartzer” konfrontiert, was den, der selbst Hartz bezieht, so ratlos zurücklässt, dass er es aufschreibt.
—
(Edit: Ja, die ersten beiden Sätze habe ich schon hinter dem Link gedroppt und schnöde kopiert. Bin nämlich fauler als es ein Hartzer je sein kann :)
März 27th, 2015 at 09:23
@Peinhart: diese Jugend zerstört den Kapitalismus, indem sie ihm völlig freie Bahn lässt, seine ‘Selbstzerstörung’ nicht behindert.
Vielleicht, und falls, dann als unbewusster Prozess, denn jede Intention hinterließe nur erneute Nahrung.
Ich schätze, die Dekomposition ist totaler, als sie Schreeck ins Auge fasst, nämlich nicht nur die institutioneller Organisiertheit sondern auch die Vereinzelten selber sitzen in dem Sturzbach, und wer ihm gewahr wird, wer innehält, oder gar nach Sinn rudert, wird in Stücke gerissen und leistet ihm nur eine weitere Dekade. Link(sverbissen)e sind freilich affirmativ – quasi durch die Hintertür ihrer Verwertbarkeit (i.e. sie sind kaptialist. längst kommensurabel). Vielleicht sollte man Marx verbieten? *lol*
Im Grunde formuliert Streeck falsch, wenn er sagt, der Kap. muss für seine Zerstörung sorgen. Denn gerade in dem er sich um Nichts mehr zu sorgen hat, hat er sich erfüllt/ erschöpft. (Vlt. bin ich hier auch etwas spitzfindig gegen Streecks Vokabular?!)
Was das bis dahin für die Individuen bedeutet – hmm, mitspielen (können) oder draufgehen, schätze ich; das ist nicht die Zeit für Romantismen und großes Sinnieren. Und was am Ende des Kap. vom Menschen noch bleibt, zeigt sich, falls er welche übrig lässt.
Zum Edith: Ich sehe sowieso keine Kraft, die derart Vorhaben aufhielte, allenfalls verzögerte und zum Dank für’s Opponieren wiederum den Überwachungsgelüsten in die Hände spielt. Ich sehe in unserer Zeit weder Halten noch Halt.
März 27th, 2015 at 09:30
Seeßlen passt auch zu Thema.
März 27th, 2015 at 11:30
@Kiezneurotiker: Eigentlich mag ich hier nur Links auf seriöse Quellen wie SpOn, welt.de und den Kopp-Verlag.
März 27th, 2015 at 13:30
Ich traue mich ja kaum, hier einen Kommentar zu schreiben, bei dem intel. Niveau.
Kleiner Exkurs: Unlängst habe ich mich bei einer Feier in eine Gruppe Jugendlicher eingeklinkt und die Leute mal gepikst, was Sie denn so spielen würden, FIFA oder WoW oder so. Das war ein 1A Steilpass, dann ging es natürlich ab und es wurde eine unglaubliche Fachsprache gepflegt, der ich mit etwas Abstraktionsvermögen gerade noch folgen konnte.
Zum Schluss meinte einer, so ein Techno-Aborigeni wie ich hätte ja eh keine Ahnung.
Daraufhin musste ich darauf hinweisen, dass es ja wohl meine Generation war, die das ganze Zeug erfunden, entwickelt und programmiert hätte. Da wurde es wieder etwas stiller. Diese unglaubliche Überheblichkeit der heute 20-Jährigen geht einem schon granatenmäßig auf den Senkel. Aber das nur am Rande.
Ich möchte hier nur meinen Vorrednern widersprechen, daß die ganze Situation durch den Kapitalismus entstanden sei. Wir ( 60er / 70er ) sind auch in einem prima Kapitalismus aufgewachsen, so groß war der Unterschied nicht. Das Einzige, was tatsächlich fehlte war der Umfang der Medien, ansonsten war alles identisch mit der heutigen Situation. Meiner Meinung.
Auch den Einfluss der erziehenden Generation ( Halbe Nazis, HJ-Mitglieder, Waffen SS usw. ) sehe ich nur als marginal, und wenn, dann abschreckend. Nein, ich sage, dass sich die Jugend mehr oder weniger selbst erzieht. Das wichtigste Momentum ist der Gruppendruck, der innerhalb der Kohorte aufgebaut wird. Dem gilt es zu folgen, alles andere ist unwichtig.
Wie nun die Richtung dieses Drucks entsteht ist die eigentliche Frage. Wer bestimmt, was wie gemacht wird ? Wer stellt die Vorbilder auf ? Der Kap. ist nur das Hintergrundrauschen.
Oder sind es doch die Medien, und damit der Kap., die Schlagetots der Filmindustrie, nach dem Motto, wer die meisten Leute umbringt fickt am Ende die schönste Frau ? Ich weiss es nicht.
Wehret den Anfängen hieß es damals. Jetzt sind Wir mitten drin.
März 27th, 2015 at 14:45
Auch von mir ein dickes Lob an die jetzige Generation, den Wegbereitern für die nachrückende Jugend.
März 27th, 2015 at 14:53
@Mitleser
Naja, Überheblichkeit ist das Privileg der jungen, das gibt sich mit der Zeit, war doch bei uns (oder zumindest bei mir) auch nicht anders. Aber ich war damals eher auf der Anarcho-Schiene und selbst die Mainstream-Teenies waren nicht so drauf wie das heute bei den Leistungsträgern der Zukunft üblich zu sein scheint.
Ich muss da Flatter absolut recht geben, die Vorzeichen sind heute vertauscht, die “Alten” sind die progressiven und die Jugend ist reaktionär geworden.
P.S.: “Ich traue mich ja kaum, hier einen Kommentar zu schreiben, bei dem intel. Niveau.”
Das denke ich mir hier auch meistens und halte mich dann lieber zurück :-)
März 27th, 2015 at 15:43
Das ist aber schade. Ich habe übrigens einen außerordentlich hohen Kontakt mit allen werktätigen Menschen!
März 27th, 2015 at 15:49
Ich weiß jetzt, warum alles so ist, wie es ist. Taz: Bremen erleichtert das Mitwählen
Als erstes Bundesland erleichtert Bremen Menschen mit Leseschwierigkeiten die Teilnahme an der Wahl. Erstmals sind Wahlunterlagen barrierefrei. [..] Einer Hamburger Studie zufolge verfügen rund 40 Prozent der Bevölkerung in der Bundesrepublik im Alter von 18 bis 64 über Lesefähigkeiten auf Grundschulniveau, erklärt Elisabeth Otto vom Büro für leichte Sprache der Lebenshilfe. [..]
Das war mir nicht klar.
@Mitleser, Farnsworth: Ich fürchte, da draußen gibt es noch mehr, die so denken. Das ist wirklich schade.
März 27th, 2015 at 16:02
Mir fällt da gerade eine Anekdote ein, die mein Vater hin und wieder zum besten gibt: ich sitze etwa dreijährig auf der Schaukel, mein Vater stösst die Schaukel an und erzählt mir von meiner Zukunft. Davon, dass ich jetzt in den Kindergarten gehe, dann auf die Schule, später dann aufs Gymnasium und auf die Uni, damit ich einen guten Job bekomme. Mein Reaktion darauf war wohl: Hör mir bloss auf, das wird mir alles zu viel. Grosses Gelächter (der Erleichterung vermutlich) heute, da es letztendlich tatsächlich so gekommen ist (bis zur Uni bisher, wenn auch auf etwas verschlungenen Wegen). Und von meinem Vater durchaus im Geiste des “Mein Kind soll es einmal besser haben als ich” geäussert – er hatte nie die Chance auf höhere Bildung, gar eine akademische Karriere.
Die, die heute zwanzig bis dreissig sind, deren Leben wurde schon von Anfang an auf nix anderes als Lohnarbeit und Konkurrenzgesellschaft ausgerichtet; alle Belohnungen und Visionen dessen, was erstrebenswert ist (Auto, Eigenheim, Urlaubsreisen, Unterhaltungselektronik, etc.) stehen im Kontext “Wenn du dich anstrengst, dann kannst du dir das leisten”. Und falls diese Konditionierung aus welchen Gründen auch immer erfolglos war, ist die Bestrafung hart. Das Abweichen vom vorgezeichneten Weg führt nicht zu einem anderen Ziel (wie es für die Vorgängergeneration evtl noch möglich war) sondern auf direktem Wege in die Perspektivlosigkeit (schonmal mit einem jungen Menschen mit Hauptschulabluss über seine Zukunftsaussichten gesprochen?). Davon zu sprechen, dass die Jugend sich selber so zugerichtet hätte, empfinde ich als Hohn.
März 27th, 2015 at 18:10
Aus der Serie "Die Jugend ist reaktionär" oder "Der Verzweifelte und das verkalktere Ende"
«Razzia im Schemen-Viertel »
flatter,
einer der verzagenden greisen Blogger, zog seine Kuckucksuhr auf, und eine große Gleichgültigkeit rann durch sein Herz, während über seine Stirn langsam ein Rätsel lief. „Dachte eben,” murmelte er, „wir sind die für uns selbst Verhüllten. In meiner Jugend war sinnfreier Konsum noch frischer. Das Bloggen macht schläfrig.”
Er setzte sich vor seinen Commodore.
Kuckuck, lachte die Uhr. ☀
Dem flatter war es wirklich nicht zum kuckucken ums Herz. “WTF” grummelte er, “die Medisance scharenweiser junger Triefnasen: sie ticktackt ‘heutzutage’ auch nicht mehr richtig.” Eine Fliege flog auf und summte: Da verzweifelte flatter wie nur Blogger verzweifeln: viele Worte, großes Gejammer — mechanisch, phlegmatisch, mürrisch, unsichtbar.
Er nahm er seine Tastaur und hämmerte mit starrem Eigensinn: “Ich finde, über die Prügelstrafe muss man an der Stelle ja wohl einmal reden dürfen.” Daraufhin pinkelte er einen dünnen Strahl in die Tastatur, führte sie in den Mund und zernagte sie mit seinem letzen Zahn.
Das dauerte sehr lange …
… inzwischen ein Oppa geworden, versuchte er nun knurrig die Welt auf den Kopf zu stellen, aber seine Worte waren nicht kraftvoll genug.
Vor Wut scharrte Oppa flatter eine handvoll Ruß aus dem Schornstein und färbte sein Anlitz schwarz, schmiss sein ISDN-Modem auf die Erde und goß Tinte darauf, zugleich sank Dunkelheit um ihn hernieder.
Der greise Oppa nahm nun auch seinen Atari auseinander.
Langsam verzweifelte er an seinem Verstand und warf den Rest des Selbigen aus dem Fenster, durch das ein feiner ironischer Regen sprühte. Als nun unverständiger Greis begann flatter mit gleichmütiger Miene langsam eine Art Menuett zu tanzen, bis er hinfiel. Der eine Flügel des Fensters schlug im Winde zurück. Da schlug er sich mit seiner Rechten etwa wie ein Berger seine Linken: keine Ahnung von nix, dafür aber gehörig.
Nicht lange lag er, da begann er sich zu wälzen, hin und her, her und hin, bis seine Sinne sich restlos verwirrten. Schließlich schrie er herzzereißend, nicht weil er mußte, sondern mit letztem Willen, immer hartnäckiger, bis sein Geschrei von selbst in ein Krächzen und Röcheln überging. Dazwischen stieß er Worte hervor wie: “Was will der Irre? Zehn Jahre! Wen interessiert denn so’n Scheiß?! Bald wird es keine Händis mehr geben!!!1111!!!” Nichts weiß die Jugend mehr, gar nichts?!
In der Tat, die Frage, welche Generation die verkalktere ist — nichts Müheloseres als darauf eine Anwort zu finden ;~)
Und die Kuckucksuhr schlug doch noch einmal … ☃
März 27th, 2015 at 18:32
Er war stets bemüht …
März 27th, 2015 at 22:00
Puh, und der Kinski erscht, wenn er Majakowskis >Geheimnis der Jugend< spricht…
http://www.dg-literatur.de/katalog/detail/product/88786/kinski-spricht-buechner-und-majakowski/
März 27th, 2015 at 22:10
Eine herrliche Persiflag auf die Ansichten, die Alternde halt so haben. Oder meinst du denn Quatsch ernst? Um Gottes Willen!
März 28th, 2015 at 00:24
Ich meine das 100%ig ernst, so wahr mir Gott helfe!
März 28th, 2015 at 08:12
So wie hier alle Altersgruppen von einem Früher stammeln fragt man sich doch zu welchem Zeitpunkt es besser gewesen sein soll. Meine Annahme wäre ja, dass vor 100 Jahren ein paar von uns stolz in diversen Schützengräben ausgeblutet wären, ganz ohne auch nur den Ansatz der Fähigkeit sich über diese Themen Gedanken zu machen. Nicht dass diese Fähigkeit nun zwingend was ändert, dennoch, ich bevorzuge jegliche Variante die mir hier geboten wird, dem gegenüber was man mir vermutlich bisher hätte bieten können. Ausserdem kommt man hierzulande sehr gut an Drogen, die einem die ganze Verbitterung und Verwunderung über die Zustände, die Unzulänglichkeiten des eigenen und fremden Daseins abnehmen. Welche das wären mag jeder für sich entscheiden, den meisten reicht ja die Aspirin.
März 28th, 2015 at 13:07
[OT] @Amike – mit allem d’accord. “Das Abweichen vom vorgezeichneten Weg führt [...] in die Perspektivlosigkeit”
Kann man so sehen, ist auch so. Materiell gibt es am unteren Rand keine Spielräume. Was bleibt, ist unendlich viel Zeit fürs Lesen, Schreiben, Denken, für Faulheit, für Rastlosigkeit, für Projekte, freilich alles ohne Geld, nicht mal fürs Gesundbleiben. Hin und wieder schreibe ich zB. ehrenamtlich Artikel, und kürzlich habe ich eines meiner Buchmanuskripte überarbeitet, oder zB. mit einem Straßen-Nachbarn tausche ich sporadisch Postkartengeschichten aus: die Länge bestimmt das Format, und der Kontakt passiert nur über den Briefkasten, wir sehen uns quasi nie. Das Vage daran gefällt mir sehr. Dann habe ich seit ‘ner Weile ein ‘Projekt’ am Laufen, ich fotografiere (fast) jeden Tag zur selben Uhrzeit die selbe belebte Passage. Ich sitze dazu auf einer Bank am Rande und manchmal gesellen sich Andere dazu und wir starren gemeinsam Löcher in die Luft. Wieder zuhause, schreibe ich ein paar Gedanken drunter, wie in dem Film “Smoke” von Wayne Wang, mir fehlt nur der Kiosk, in dem ich mehr faulenze als arbeite. ;) – Schöne Bilder, Menschen im Regen, im Sonnenlicht, in ihren Autos, mit Kinderwagen, verschlafen, gehetzt, …
Vielleicht sind das Ausgeburten der Perspektivlosigkeit, ja, sicher. Es ist jedenfalls anders als gemeinhin üblich: Ein Leben am Rand des Manegenrunds, ein Aufspüren im Gegebenen, von Situationen, Menschen, Stimmungen. Anläufe des Versöhnens, gelingend, verzagend; wiederholt in unendlichen Facetten. Ein Leben ohne vorgezeichnete Zielgerade. Ja, ich glaube, das wird allgemein als perspektivlos bezeichnet.
März 28th, 2015 at 14:35
Vielleicht hat die ‘Perspektive’ bzw der Stellenwert, der einer solchen (oder ihrem Fehlen) im Hier und Jetzt zugeschrieben wird, ja auch etwas spezifisch kapitalistisches und verweist im Grunde auf nichts anderes als den Profit. Und der wiederum auf den ins Diesseits geholten ‘himmlischen Lohn’ des Christentums. Wohl dem, der sich von derlei Mohrrübenchen nicht über Gebühr beanspruchen lässt. Santé!
März 29th, 2015 at 10:58
Oh oh…..
Der eine oder andere doch erst 20 ?? Na egal.
Was ich noch loswerden wollte: Warum glaubt ihr alles zu wissen ?
Der Sohn meines Nachbarn kriegt echt nix gebacken, und wenn man ihm mal helfen will wenn er ratlos vor seinem Mofa steht, daß um`s verrecken nicht anlaufen will sagt er ständig “ich weiß”……
Er weiß es aber nicht. Als mir damals ein freundlicher älterer Herr in der gleichen Situation geholfen hat habe ich die Fresse gehalten und die Ohren aufgesperrt.
Und weiß die Lektionen heute noch anzuwenden.
Meine Fresse !
März 29th, 2015 at 15:46
@ reinplatzer: “Ein Leben am Rand des Manegenrunds, ein Aufspüren im Gegebenen, von Situationen, Menschen, Stimmungen. Anläufe des Versöhnens, gelingend, verzagend; wiederholt in unendlichen Facetten. Ein Leben ohne vorgezeichnete Zielgerade. Ja, ich glaube, das wird allgemein als perspektivlos bezeichnet.”
Ich persönlich empfinde ja die Perspektive der Perspektivlosigkeit, des außenstehenden Beobachters am Manegenrand manchmal als sehr befreiend. Wenn da nicht die ständige Repression und Existenzangst dazu gehören würde, würde ich es jedem einmal, zumindest für eine zeitlang, empfehlen.
Dein Fotoprojekt finde ich btw eine tolle Idee, vielleicht mach ich sowas auch bald mal, allein schon um mal wieder regelmäßig unter Leute zu kommen.
[ot] hat eigentlich einer hier mal Bakunin gelesen? Oder Kropotkin? was ich so bei wikipedia rausfinden konnte klang für mich recht interessant. Lohnt es sich mal was von denen zu lesen?
März 29th, 2015 at 16:00
@ Farnsworth
Lohnt es sich im Regen raus zu gehen, um dabei nass zu werden?
März 29th, 2015 at 16:14
:D Vielleicht hätte ich anders formulieren sollen. Sind die beiden… ach, weißt du was, du hast recht. Ich geh nächste Woche in die Bibliothek, gucke ob die sich da finden lassen und mache mir selbst ein Bild.
März 29th, 2015 at 18:00
Ja, das ist schon irre praktisch mit diesem Smartfons. Einfach ein Bild machen. Früher mussten wir das alles lesen ;-P
März 30th, 2015 at 20:13
[...] Ich musste mir tatsächlich erklären lassen, so gehe Bloggen heute – da sind wir mitten drin im "Heutzutage", und die wenigen Glücklichen, die ein Jahr auf zwei aus der immer gleichen Satzstanze zu den [...]
April 8th, 2015 at 10:35
@ Reinplatzer: Entschuldige die späte Antwort, ich war für eine Weile in der internetlosen Welt verschwunden.
Die Situation für jüngere Leute (ganz dreist gehe ich davon aus, dass du eher dem Altersdurchschnitt hier entsprichst) sieht allerdings ein bisschen anders aus. Schonmal ein U25-Jobcenter von innen gesehen? Nicht schön. Der junge Lohnarbeitslose kann sich nicht damit trösten die mangelnde materielle Teilhabe am Leben (und das fängt nunmal schon beim Essen an, wenn man auch den nächsten Tag noch erleben möchte – es sei denn, das ist dann auch wieder zu viel “Perspektive”) durch mehr Zeit auszugleichen. Der wird von einem Bewerbungstraining ins nächste gejagt, solange sich nicht noch eine andere sinnlose Massnahme finden lässt. Das wichtigste ist ja, dass der junge Mensch früh aufsteht und sich genauso sinnlos durch den Tag malocht wie die Lohnarbeitenden, nur dass er halt dabei das Stigma Arbeitslosigkeit herumträgt. Gerne auch mit Sozialtickets für den öffentlichen Nahverkehr oder ähnlichem, damit es auch Wirkung zeigt. Oder halt einfach durch generell abgetragene Kleidung, Schuhe u.ä.. Da geht es nicht darum, lieber mit den neusten Markenklamotten Status zeigen zu wollen, sondern allein darum, dass das Stigma auch ja deutlich sichtbar zu sein hat.
Ich finde die beobachtende Existenz am Manegenrand, wie du schreibst, auch interessanter als die Teilnahme am Zirkus, den man gefälligst als erfüllendes Dasein zu betrachten hat. Allerdings laufen manche dabei Gefahr vom Rand nach innen gezerrt und einmal quer durch die Manege geschleift zu werden, als warnendes Exempel. Ich kenne sowohl die U25-Jobcenter als auch das Verfahren mit Ü-50-Arbeitslosen (die früher gearbeitet haben) und mit den Älteren wird definitiv eine ruhigere Schiene gefahren als mit den Jüngeren. Es gibt die Möglichkeit einer “Aussenseiterexistenz” nicht wirklich, wenn man nicht sein ganzes Leben damit verbringen will, sich mit dem Jobcenter herumzuschlagen und alternative Wege (die letzten Endes meistens keine tatsächliche Alternative, d.h. gesellschaftlich erweiterbar, sind, sondern meistens nur unter bestimmten persönlichen Umständen funktionieren) zu beschreiten, seine materielle Existens zu sichern. Adorno muss ich nun nicht wirklich zitieren, oder?
Ansonsten interessant, wie auch hier unter den “Aufgeklärten” der Reflex auf die Jugend zu schimpfen, der schon von Jahrtausenden genauso dämlich war wie heute, verbreitet ist (das geht jetzt ausdrücklich nicht an @Reinplatzer). Da muss noch die dümmlichste Anekdote als Beweis für die Verkommenheit anderer herhalten.
Sorry, die jüngere Generation ist nur das, was ihr selber hinterlassen habt.
April 8th, 2015 at 12:51
Ich bin ja der Ansicht, dass uns alle das Kapital hinterlassen hat. Wenn ich trotz aller Ironie den Generationenkonflikt tatsächlich unter verkehrten Rollen beobachte, ist das ein weiteres Symptom für das, was hier als ‘Kultur’ gilt.
Es ist in Deutschland (sicher auch woanders, aber für ‘meine’ Kultur kann ich das sicher sagen) ungemein schwierig, zu beschreiben, Symptome zu benennen, Verhalten zu analysieren, ohne dass die Resultate sofort als Wertung aufgefasst werden. Ich kann mich dem nicht entziehen und ‘löse’ das Problem oft, indem ich Widerspruch provoziere.
April 8th, 2015 at 20:53
Es gibt die Möglichkeit einer “Aussenseiterexistenz” nicht wirklich
Oder vielleicht gibt es nur noch Außenseiterexistenzen?
Je mehr die Schutzbarriere (Sozialsystem) zw. Markt und Einzelnem dem Kapitaldruck zum Opfer fällt, hat ausnahmslos ein Jeder sich der Konkurrenz auszusetzen. Auch Hartz-IV ist in dieser Hinsicht nichts weiter als Einübung ins Konkurrentendasein zwischen Existenzangst, Durchsetzungsvermögen und Erniedrigung, freilich mit geringst möglicher Ausschüttung, und freilich besonders ausgeprägt beim jungen Nachwuchs.
In allseitiger Konkurrenz sind Außenseiter Bedrohung, weil sie Ressourcen/ Optionen verschlingen, die der potentiellen Gewinnmarge abgehen (Gewinn heißt im Kapitalismus stets Existenzsicherung). Zugleich ist aber auch jeder Konkurrent unter Konkurrenten ein Außenseiter, der ihren Gewinn zu schmälern droht.
Das Manegendasein ist daher für Jeden zugleich Außenseiter- und Teilnehmerposition. Es gibt zuweilen ruhigere Plätze, einen geschützten Bereich gibt es indes auf keiner Ebene.
Das hat sich extrem verschärft im Bürgerdasein: die unumwundene Auslieferung des Selbst ans Konkurrenzsubjekt; die Verhältnisse gestatten immer weniger Schlupfwinkel.
Was die Mehrheit einigt, ist der Wunsch nach solchen Schlupfwinkeln. Das Konkurrieren bietet das nicht: Wer heute auf vermeintlich sicherer Seite steht, kann morgen schon pleite sein; und wer anderen das Wasser abgräbt, muss auch selbst damit rechnen; und wer Asylantenheime abbrennt, schafft ein Milieu, in dem auch er um sein Haus fürchten muss; und wer nicht allseitig Frieden will, dem wird der Krieg an die Haustür geliefert etc.
Das alles sind selbstverstärkende Konkurrenzsituationen, Aufrüstungsspiralen, und das, obwohl doch jeder das Gegenteil damit erreichen will: gesicherte Schlupfwinkel, Frieden und Wohlstand. All das gibt es aber nur durch’s Umdenken, durch Verabschiedung vom konstitutierten Konkurrenzprinzip.
April 8th, 2015 at 21:33
@ flatter: Mein Kommentar bezog sich nicht auf deinen Artikel, ich dachte irgendwie, das wäre klar, aber war es wohl doch nicht. Habe nur schon öfter beobachtet, dass du bestimmte Themen ironisch aufgreifst (auch wenn du dabei Symptome beschreibst, die es durchaus so gibt, ich hab ja an deiner Diagnose grundsätzlich nix auszusetzen) und dann in den Kommentaren vollkommen ironie- und merkbefreit das Stammtischgesabbel losgeht. Ist schon klar, dass deine Generation genauso hier in dem Irrenhaus ausgesetzt wurde, wie meine. Allerdings habt ihr halt durchaus auch Vermittlungsarbeit geleistet. Und ja, das ist pauschalisiert, genauso wie der Spruch über “die Jugend” und ja, ich bin mir bewusst, dass sich das Vermitteln von gesellschaftlichen Zwangsverhältnissen als Vater oder Mutter nicht vermeiden lässt, so lange die Verhältnisse selbst nicht überwunden werden. Der Kapitalismus ist ja kein pädagogisches Problem. Ein Mindestmass an Polemik sollte mir dann ab und an auch zugebilligt werden, nix anderes war mein letzter Satz oben ;-)
@Reinplatzer: Ich kann und mag dir da in gar nix widersprechen. Ich möchte nur hinzufügen, dass man den Luxus zu solchen Einsichten zu gelangen halt erst mal haben muss. Wie du selbst schreibst, gestatten die Verhältnisse immer weniger Schlupfwinkel – auch für die Gedanken, möchte ich hinzufügen. Das wirkt sich eben auch auf die Menschen aus, die in den Zeiten schwindender Schlupfwinkel aufwachsen. Ausserdem kann sich so ein Leben verdammt lang anfühlen, wenn man schon mit zwanzig keine andere Möglichkeit sieht als sich am Manegenrand einzurichten. Aber den Graben zwischen Generation X und Y zu ziehen ist m.E. auch ziemlich unnötig. We’re in this together. Zusammen ist man offenbar genauso allein.
April 8th, 2015 at 21:47
Ja,so isser. Mir war klar, dass du das nicht so gemeint hattest, Indem ich es trotzdem so beantwortet habe, gewinne ich aber noch eine andere Perspektive – und was ich dir nicht erklären muss, ist anderen vielleicht weniger deutlich.