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Die Jugend war schon immer schlecht. Etwas hat sich aber geändert in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, und zwar hat ein Rollentausch stattgefunden. Inzwischen sind es nicht mehr die Alten, die auf die Unveränderlichkeit der Welt pochen und nichts davon wissen wollen, dass es noch etwas jenseits der eingefahrenen Bahnen gibt. Es ist vielmehr die Jugend, der jede Phantasie fehlt für eine Welt, in der sie nicht ganz selbstverständlich mit Spielzeugen versorgt und von ihnen unterhalten wird. Sinnfreier Konsum ist unterm medialen Overkill zur letzten Alternativlosigkeit geworden. Wir amüsieren uns nicht mehr nur zu Tode, wir sollen nicht mehr akzeptieren, auch nur eine Minute lang unbespaßt zu sein.

Ich muss natürlich zugeben, dass ich aus der Perspektive desjenigen spreche, der weder blöde an seinem Wählscheibentelefon hängen bleibt, weil ihm die geistige Flexibilität fehlt auf Knöpfe oder Tasten zu drücken, noch seine eigene Vergangenheit in der allgemeinen Geschichtslosigkeit vergraben hat. Im Gegenteil, das genau nervt mich nämlich bis zum Anschlag, dass die Jugend keine Zukunft sieht, weil sie unter organisierter Amnesie leidet und blöderweise auch noch stolz darauf ist. Reden wir einmal von diesen elektronischen Spielzeugen:

Keine Ahnung

Oppa hat selbst ein wenig Programmieren gelernt, verschiedene Sprachen gar. Oppa hat den Commodore bedient, den Atari, den PC. Oppa hat haufenweise Betriebssysteme kennengelernt, sie aufgesetzt, zerstört und repariert. Oppa kennt noch das genannte Ding mit der Wählscheibe, Telefonzellen, hat den Nummernblock gehabt, ein erstes Kabelloses, ja sogar Händies. Oppa kannte das Internet schon vor Google, kann heute noch Schnittstellen unterscheiden, Hard- wie Software, und weiß, dass ein ISA-Bus ihn nicht ins Heim fährt. Den ganzen Schnickschnack; analog, ISDN, DSL. Oppa kann einen PC mit verbundenen Augen zusammenschrauben. Was will Oppa damit sagen? Dass er nicht zu blöd ist, einen scheiß Glasstein zu streicheln, sondern dass er denkt, bevor er etwas tut.

Gern sogar weit in die Vergangenheit, lange bevor er selbst geboren war. Davon weiß er! Oppa kennt Sachen aus der Zeit von Uroppa, Ururoppa und Urururoppa. Deshalb hat er auch eine Ahnung, warum die Dinge sind, wie sie sind und sogar eine davon, wie sie werden. Scharen junger Triefnasen hingegen haben keinerlei Vorstellung von ihrer eigenen Zukunft, null Wissen über die Vergangenheit – nicht mal ihre eigene, maßen sich aber an, uns Senioren zu verzapfen, was “heutzutage” ist und was nicht. (Das Unwort “heutzutage” sollte man eh regelmäßig seinem jeweiligen Urheber in den Hals zurück wuchten). Sie kennen kein Gestern und kein Morgen, schwingen sich aber zu Experten fürs Heute auf. Ich finde, über die Prügelstrafe muss man an der Stelle ja wohl einmal reden dürfen.

Nichts weiß die Jugend mehr, gar nichts. Alles war schon immer so, und wer nicht mit der Zeit geht, den lässt sie halt zurück. Fragt einmal die Schnöselei Anfang-Mitte zwanzig, was sie in zehn Jahren tun werden. Die nehmen entweder die Beine in die Hand oder rufen die Bullen.
Was will der Irre? Zehn Jahre! Wen interessiert denn so’n Scheiß?!
Ja, wie soll man auch zwanzig Händies in die Zukunft gucken? Sag denen mal, dass es bald keine Händies mehr geben wird, nur so zum Spaß! Das Geschrei wird herzzerreißend sein, was bei Unbeteiligten wiederum nur den spontanen Reiz auslöst, neue Schuhe zu bestellen.

Wie jetzt?

Das Wort “warum” hat keine Bedeutung mehr, außer in “warum ich und nicht der” oder “warum die und nicht ich?“, aber auch da ist es kein Fragepronomen, sondern ein Statement. Es fragt auch niemand mehr: “warum tut’s das nicht?“. Das heißt: “Gib’ neu!“, und wenn das passiert, bevor ein neues Modell aus den Kolonien da ist, ist Revolte angesagt. “Geht nicht” geht gar nicht!

Nicht übrigens, dass das Frischgemüse im Vorfeld durch sein Verhalten etwas dazu beitrüge, dass ‘Ding tut’. Nö, Ding hat zu tun, ist gefälligst selbsterklärend, bunt, geil und vor allem mühelos! Wenn kaputt wegen mühelos, dann mühelos neu. „Wegen“ müssen wir hier allerdings schon streichen. Als würde etwas nicht funktionieren, weil man es einfach benutzt! Als gäbe es außer fetten hässlichen Nerds irgendwen, der durch sein Verhalten die Technik beeinflusst. “Verhalten” ist nämlich so was von Neunziger Jahre – oder eben eine Art Persönlichkeitsstörung.

Den kenn’ ich

Die Idiotengenerationen meiner Eltern und Großeltern haben uns Sprüche wie “Das tut man nicht!“, “Das war schon immer so.” und “Wenn es dir hier nicht gefällt, dann geh’ doch nach drüben!” in den Schädel geprügelt. Mann, müssen die glücklich gewesen sein, als denen endlich eine wandelnde Handtasche erklärt hat, dass es tatsächlich “keine Alternative” mehr gibt! Die Frage “Warum” aus unserer Richtung gab eine Extrarunde Wangenmassage. Es war zum Verzweifeln: Du konntest diesen Graupapageien nicht einmal beibiegen, dass da was gewesen war, ehe im Takt der Demokratie weitermarschiert wurde. Wollten sie nicht wissen. Eigentlich wollten sie gar nichts wissen, schon gar nicht von einer Zukunft, die ihnen geistige Flexibilität abverlangt hätte.

Und jetzt habe ich denselben Salat von der anderen Seite. Mein akademisches Interesse an dieser Geschmacksrichtung von Verzweiflung stellt mich am Ende nur vor die Frage, welche Generation die verkalktere ist und von wem ich eher erwarten darf, dass die Oberstube irgendwann noch einmal einen Tapetenwechsel erlebt. Wahrscheinlich gibt es nur eins, was beide noch aus den Schluffen brächte: Wir brauchen wohl einen neuen Hitler. Das ist eh der Einzige, von dem beide schon mal was gehört haben.