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August 2017


 
gz

Originaldatei: ©Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Die Basis der zeitgenössischen Politik sind die Geschichten, die erzählt werden. Probleme sind meist zu komplex, um sie allgemein verständlich zu machen, also kommt einer daher und bläst sich als Problemlöser auf. Erklären muss er nichts Genaues, denn die Leute haben schon auf ihn gewartet. In der parlamentarischen Demokratie sind sie darauf gedrillt, sich eine Autorität auszusuchen, nicht darauf, ihre Probleme zu verstehen, geschweige denn sie selbst zu lösen.

Der Schulz-Hype neulich war ein erschütterndes Beispiel. Da wird ein ausgerechnet sozialdemokratischer Bürokrat aus Brüssel aus dem Hut gezogen und als Messisasersatz präsentiert. Unser Obama, Corbyn, Kennedy! Hat vier Wochen gehalten, der Spuk, und plötzlich stand da ein öder Schwätzer mit schütterem Haar, der nicht einmal Merkel das Wasser reichen kann. Die Not muss groß sein, wo solche Kurzgeschichten aufgeführt werden.

Das Böse

Eine sehr viel längere ist die der DDR, einem Kulissendorf im Wilden Osten, in dem das Böse hauste und heute noch aus Tümpeln und Pfützen brodelt. Wie man weiß, ist hier nach dem Krieg der Faschismus entstanden. Mehrere Mauertote bezeugen, dass der Holocaust weiterging. Als im Westen längst die Freiheit über säuselnde Autobahnen rollte, litten die Brüder und Schwestern® unter Unrechtsstaat, Plattenbau und rumpelndem Transit. Hie Lavendel, dort Braunkohle. Hüben alles schön bunt, drüben aschgrau.

Tatsächlich ist die Siegerversion der Geschichte der DDR vor allem deshalb eine taugliche Erzählung, weil sie in die Ästhetik des Westens passt. Millionen Mordopfer des Naziterrors, dessen Befehlshaber in der BRD ihre Karrieren fortsetzten, verschwanden hinter den neuen Kulissen, weil das drüben alles so scheiße aussah. Luxus und Schönheit sind ein verständliches Mordmotiv, aber wer verteidigt Mauer und Stacheldraht®, wenn obendrein der Lebensstandard leidet? Das müssen sehr böse Menschen gewesen sein, die ihr Volk in solchem Elend hielten.

Unser Kampf

Ihre Nachkommen sind nicht besser. Sie wählen Pegida, gehen für AfD auf die Straße und plündern uns aus – ich sage nur “Soli”! Als die DDR abgewickelt wurde, waren sie uns da dankbar? Als sie befreit wurden, als wir ihnen Begrüßungsgeld und Mallorca gaben, wie haben sie es uns vergolten? Mit schierem Undank. Das jedenfalls ist die Geschichte, wie man sie kennt. Wie sie und von den Autoritäten überliefert wird. Von der Kanzlerin etwa, und die muss es wissen, schließlich hat sie dort gelebt.

Wer wird sich da mit den ganzen Details aufhalten? Es musste schließlich wiedervereint werden. Da kann man nicht jeden Pfennig umdrehen, der aus dem Unrecht stammt. Hätten wir die Ostrenten anerkannt, könnten wir ja gleich den Griechen welche lassen. Hartz IV im Westen ist allemal besser als eine Ostrente. So leben sie glücklich am Lebensende. Jetzt sind wir alle einig, vor allem im Kampf gegen die AfD, der neuen SED-Nachfolgepartei. Gegen die und die andere Seuche, eine Gewerkschaft namens GdL. Alles dasselbe Pack. Aber mit ihnen werden wir fertig.

 
lm

Ich habe aus den Texten zum “deutschen Narrativ” inzwischen einen zusammenhängenden von ca. 120 Seiten gemacht, die man so veröffentlichen kann. Darauf aufbauend kann man auch mehrere Bände machen; ich finde es fast schwieriger wegzulassen als aufzuschreiben, aber bis hierher ist das Format glaube ich ganz brauchbar.

Selbstverlag kickt mich irgendwie nicht so; ich fände es schön, wenn da jemand drüber schaute, der das kann, und so eine Infrastruktur ist ja auch nicht das Schlechteste. Ich kann auch über einen eigenen Server ein e-Book anbieten, aber auch da wäre es mir recht, wenn das Ganze Dunstkreis und Filterblase überschreiten würde.

Reichweite bringe ich fast schon selbst genug mit – der Artikel “Was ist ein Narrativ” (wahrlich nicht der beste, aber mit einem recht kugelfreundlichen Titel ;-) ist mit bislang 45.000 Direktaufrufen ziemlich weit vorn. Alsoo: Wer einen freundlichen Verleger kennt oder wen kennt, der einen kennt, sich verschafft oder in Umlauf bringt, sei gepriesen, wenn ich es erführe. Wenig hilfreich sind jetzt Zurufe, wie ich doch selbst eine Pappe rausbringe oder Adressen von Verlagen, zu denen kein Kontakt besteht. Okay, wenn jemand meint, da draußen gebe es einen, der das quasi veröffentlichen muss … aber nur dann! [Was hast du getan, Trottel? Säzzer]

Ich tu’ mal noch nen knappen Exposé dazu:

Das deutsche Narrativ

Der Text ist ein Versuch, möglichst kurz (er ließe sich auf ein Vielfaches ausweiten) eine Geschichte der Deutschen in ihrer Bundesrepublik darzustellen: das Selbstverständnis, wiederkehrende Elemente der großen Erzählung und ein Blick darauf, was dahintersteckt.

Zunächst wird versucht, das Wort „Narrativ“ zu erklären. Im Verlauf geht es dann um konkrete Teile der Erzählung: Wie die BRD aus dem Dritten Reich hervorging, wie in kürzester Zeit „Demokratie“ wurde, was kurz zuvor noch Nationalsozialismus war – mit demselben Personal; Ein Überblick über die Jahrzehnte von der Nachkriegszeit bis heute; die Geschichte eines Landes, das durch seinen Antikommunismus und seinen Wirtschaftsglauben zusammengehalten wird. Die großen politischen Ereignisse werden eingeordnet so wie der Weg von der „Sozialen Marktwirtschaft“ in den Neoliberalismus. Einen hohen Stellenwert wird die Auseinandersetzung mit dem Holocaust haben. Dieses und andere Themen finden sich nicht zuletzt in den großen Reden deutscher Politiker, von Konrad Adenauer über Philipp Jenninger bis hin zu Roman Herzog.

Im Hintergrund finden sich ungebrochene Traditionen und ideologische Momente, religiös wie politisch. Man kommt nicht umhin festzustellen, dass vor allem eine wirksame Auseinandersetzung mit dem Faschismus, seinen Wurzeln und seinen Hinterlassenschaften bis heute nicht stattgefunden hat.

Versuch macht kluch …

 
tr

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