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Mai 2015


 
cch

Es ist es:publica und ich bleibe daheim, wie immer. Was soll ich auch da? Hat diese Veranstaltung je etwas Relevantes hervorgebracht? wäre mir entgangen. Was mir keineswegs entgangen ist, sind jene Sternchen dort, die sich ziemlich genau in dem Maße für wichtig halten wie sie irrelevant sind.

Der Clown mit der Frisur zum Beispiel, der sich seit Jahren in Ironie versucht, indem er sich selbst als den darstellt, der er ist. Er wird gefragt, wenn es um Neuland geht, von den komplett Ahnungslosen, die dabei nichts lernen und beim nächsten Mal dieselben dämlichen Fragen am Thema vorbei stellen. Der ist dieses Jahr übrigens nicht mehr der Vorturner, vielleicht findet er sich inzwischen selbst langweilig. Oder der Herr Netzpolitik, der zwar inzwischen ganz gut den Standort Berlin beobachten lässt, was aber letztlich unter Entertainment verbucht wird und keinen weiteren Einfluss hat. Werfe ich ihm nicht vor, notiere ich nur pflichtbewusst.

Irre: relevant

Auch nicht mehr dabei ist der Verräterpirat und Leistungsschutzexperte Lauer, der sich von Springer hat kaufen lassen. Gestern noch hat er inhaltsleeres Rebellentum gemimt, heute verurteilt er dasselbe. Inhalt ist sein Ding nie gewesen, dafür kann er Preise gut. Was soll ich jetzt davon halten? Ist es ein gutes Zeichen, wenn eine solche Billignutte das Flair nicht weiter prägen will? Oder ist es eine Ratte, die das sinkende Schiff verlässt? Ihr habt völlig recht: Das ist irrelevant.

Da lobe ich mir doch den Bloggerkongress von 2011, an dem ich teilgenommen habe, und zwar nicht nur deshalb. Das linksliberale Spektrum, das (sich) dort gefeiert hat, fand auf dem Höhepunkt der Zusammenarbeit einen Termin, hatte Spaß miteinander und sich in der Folgezeit konsequent in seine Einzelteile zerlegt. Ich persönlich wollte nicht fünf weitere Jahre Neoliberalismus kritisieren und bin weitergezogen. Andere haben sich an der Stelle eingegraben, wieder andere trollen lieber freihändig oder sind im Gedärm transatlantischer Gemütlichkeit verschwunden.

Der Kongress

Das Leben geht weiter, wenn auch ohne Linksliberale. Es wird weiter gehen mit einer traurigen Veranstaltung in der Hauptstadt, weil es die Hauptstadt ist und die drittklassigen Adabeis sich schon riesig fühlen, wenn sie “ich auf der pre:publica” sagen können. Das ist wie irgendwas zwischen Hipster sein und Opernball. Oder Silvesterfeuerwerk im April. Jahresrückblick im Oktober. Günter Jauch. Jägerschnitzel. Diese Kategorie.

Es gibt für mich nur noch einen Kongress, den zwischen den Jahren. Was sich da an Fachkompetenz, Kreativität und Bewegung findet, trägt sich selbst, auch noch die nächsten zehn Jahre und vielleicht die nächsten fünfzig. Da musst du gar nicht posen und versuchen, wer zu sein, das fällt nämlich auf. Da solltest du besser etwas zu sagen haben oder halt einfach zuhören. Da kannst du so viel lernen, dass deine Hirnrinde qualmt. Womit wir bei der entscheidenden Frage sind: Was lerne ich denn auf der re:pubica? Was?

 
stairs

Mit Frank Schirrmacher hat die FAZ nicht nur einen Zweifler und Diskursmotor verloren, sondern jedes Niveau. Die Cleverles werden jetzt sagen, dass das Blatt mit oder ohne Schirrmacher rechts war, schon immer auf der Seite der Reichen und ihres strebsamen Gefolges, und dass ein redaktionelles Feigenblatt daran auch zu besseren Zeiten nichts ändert. Damit mögen sie grundsätzlich recht haben.

Es scheint mir aber, als kröchen derzeit die Hanswurste eifrig an die Oberfläche, bauten sich auf, ohne jede Scham oder Reste von Anstand, um sich quasi zu rächen für die Zeit, als sie sich aus Gründen einer gewissen Kultur zurückzuhalten hatten. Was ich heute von Reinhard Müller gelesen habe, ist selbst für ihn und die anderen Hetzer im Sturzflug über die rote Linie gerauscht. Ich kann das nicht mehr lesen.

Losgelassen

Schon die Überschrift “Deutschland setzt sich matt” ist keine zufällige Hommage an die rassistische Propaganda eines Sarrazin. Der Einstieg mit der Assoziation, typisches Stilmittel der Rechtsradikalen, spricht sie alle an, von Pegida über AfD bis NPD. Wenn man so einsteigt, ist der Verzicht auf jede Logik ebenso Programm wie der auf jedes Maß und jeden Abgleich mit der Wirklichkeit. Kein einziger Anschlag seit 2001, derweil eine Aufrüstung zum Überwachungsstaat, und was schließt er daraus? Na klar: Mehr Überwachung, mehr Panikproduktion.

Die zentrale Säule der Rechtsextremen, ohne die sie nicht auskommen, ist der Feind. Feindrecht ist ihre Vorstellung vom gerechten Staat, wer nicht für sie ist, ist gegen sie und dagegen wiederum jedes Mittel recht. Sie nennen das dreist sogar “Demokratie” oder “Rechtsstaat”, weil sie meinen, es sei ihr Staat, ihr Recht auf ihre Macht im Sinne ihres Weltbildes. Dabei kommen sie seit ehedem mit einem nicht zurecht, was sie schwerlich loswerden: Artikel 1 GG.

Der Obermensch doziert

Sie wähnen sich in der Rolle derjenigen, die bestimmen, wen das Recht schützt und wen nicht, wer dazugehört und wer nicht, wer hinein darf und wer nicht. Wenn ihr Boot voll ist, ist definiert, wer Mensch ist und wer nicht: Die draußen sind keine. Die sind Bedrohung, sei es als „Terroristen“, sei es als “Ansturm aufs Gemeinwesen“, sprich: Flüchtlinge – sie sind alle “Angreifer“, gegen die “man sich wehren” muss. Nicht minder übrigens Menschen, die protestieren. Die werden erst auf Gewalttäter heruntergebrochen und dann gemeinsam zum “Horrortrip” erklärt.

Ist der Fanatiker im Zwirn des Lohnschreibers erst einmal in Fahrt auf diesem seinem Trip, malt er als nächstes die Teufel aus dem Internet an die Wand. Diese Sphäre der Unabhängigkeit, die sie zwanghaft kontrollieren wollen, ist ihnen ein einziges Inferno, dominiert von “Todesdrohungen” gegen die Aufrechten und ihre “Sichtweisen“. Unfreiwillige Komik darf nicht fehlen im rechten Rant: Die Sichtweisen der Gleichschrittmacher sind es, die in der Tat vom Tode bedroht sind, wo sie sich einer offenen Diskussion stellen. Was Müller meint, ist aber natürlich die Drohung gegen Sprallos wie ihn selbst.

Wort und Tat

Dazu wird dann mal eben die Buchstabensuppe eines schlecht gelaunten Trolls mit einer geladenen Waffe am Kopf einer Geisel gleichgesetzt. Alles „Todesdrohungen“. Das muss er so machen, das ist der Faden, der sein rottes Patchwork zusammenhält: Alles furchtbar, beängstigend, feindlich. Das muss weg! Es darf nur bleiben, was im rechten “Glauben” steht, im “Krieg” auf der richtigen Seite. Es gibt “zehntausende gutorganisierte Fanatiker“, weiß er. Ach, sind das doch so viele, der Mob der schreibenden Halbhirne?

Dies war nur ein Schnelldurchlauf durch einen Text, den nur jene lesen wollen, die im Hass vereint sind und im riesigen Fundus des Fremden unzählige Feinde finden. Die kann man dann entrechten, verbannen und auf jede erdenkliche Weise dem Tod überantworten. Tröstlich: Im Gegensatz zu Müller weiß ich, dass diese Schwätzer nicht den Mumm haben, ihrer Hetze Taten folgen zu lassen. Dumm aber, dass sie diejenigen ermutigen, die noch immer ihre Opfer gefunden haben. Aber das ist ja kein „Terror“, trifft es doch nur die „Angreifer“ aufs Gemeinwesen, gegen die sich der gestiefelte Fortsatz der Hetzer „wehrt“.

Diesen Dreck ertrage ich nicht mehr. Die FAZ ist raus.

 
magron

Es ist so seine Mischung aus Déjà-vu und Verzweiflung, die mich beschleicht, wenn ich in die politische Ödnis starre, über der ich einmal dieses Blog aufgeschlagen habe. Der nicht mehr zu steigernde Skandal rund um die Geheimdienste und -polizeien dreht Runde um Runde, der Überwachungsstaat strahlt aus allen Ritzen, und es begegnet ihm Lethargie. Diese ist teils gewollt, sogar aufreizend inszeniert, teils speist sie sich aus der Wahrheit über Artikel 20 Absatz 4. Es hilft nichts anderes und auch das nicht. Widerstand ist zwecklos. Es ist ein Pudding!

Deutschlands Leitmedium schlechthin, die bleierne Allgemeine, singt uns Lalelu, “Wir brauchen fähige Geheimdienste“. Als sei es dasselbe wie die Wahrheit in doppelter Verneinung: Wir brauchen keine unfähigen. Schon gar keine rechtsextremen oder solche, die sich jeder Kontrolle entziehen. Nein, wir brauchen gar keine mehr, das ist die Lehre aus allen, die wir hatten. Einmal mehr Propaganda. Sucht schnell wen, der jetzt “Lügenpresse” sagt und schließt daraus, dass ihr alles richtig macht!

No Shit, Sherlock

Wo ist Behle die Kanzlerin? Pinguine streicheln. Nein, das ist nicht witzig, kein Witz und auch nicht mehr zu fassen. Ihre Sprecher tun derweil, was sie tun müssen: Sagen, dass sie nichts sagen. Sagen, dass es keine “geheimen Absprachen” gibt, weil “nicht öffentliche Absprachen” nicht geheim sind. Sage doch wer jetzt “Lügenpressesprecher”, damit sie wissen: Wer gegen uns ist, ist Verschwörungstheoretiker. Alles bestens.

Große Koalition, großes Kino: “Koalitionäre” fordern. Sie fordern Politik, und zwar von sich selbst, und zwar eine, die ihre grundgesetzlichen Pflichten erfüllt. Geil, ich werde demnächst auch das Fenster meiner Karre runter kurbeln, brüllend eine Straßenverkehrsordnung fordern und bei Rot Fußgänger umnageln. Danach analysiere ich, dass wir rücksichtsvollere Autofahrer brauchen und werde heftig mein Gaspedal kritisieren. Was sagt ihr, ich soll das besser selbst kontrollieren? Schweigt stille, ihr Fahranfänger!

Der Einzige, der kein Mandat hat Politik zu machen, zeigt stattdessen seine ungepflegten Zähne und diktiert: Zahlen wir den Griechen doch ein bisschen Entschädigung! Das macht ihn zum Querdenker. Er liegt zwar aalglatt auf Stromlinie und hat nichts zu sagen, weiß sich aber derart Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Augustus spricht

Guter Mann, gute Einrichtung, dieses Grüßaugustinum. Gefällt es der Herrschaft, ruft sie “hört hört”, gefällt es ihr nicht, ignoriert sie’s halt. Wiederwahl eh gesichert, weiter geht die wilde Fahrt durchs Neoliberallatal. Das mögen die Grünen ganz dolle, denn sie wollen mit jedem: CDU/CSU und Gauck, FDP, AfD oder ADAC, mit Schlucken, von hinten und ins Knie. Okay, nicht ganz Gallien – die Roten müssen natürlich draußen bleiben.

Was sonst so? Ach ja: Die GDL streikt, lang und hart. Das findet die Einheitsfront gar nicht sexy, aber das Nahles hat ja schon die Soziale Gerechtigkeit® auf den Weg gebracht und wird den zweiten Meilenstein setzen, nach all der Zeit. Kleine Gewerkschaften werden künftig einfach nicht mehr gefragt. Marktkonform sind die eh nicht. Einmal eingestielt, schreitet man Seit’ an Seit’ über mittel nach groß voran, bis es nur noch eine gibt. Eine einige Einheitsgewerkschaft mit einem Führer, der weiß, dass es besser ist, sich zu fügen. Das ist viel besser fürs Wachstum. Wissens’ schon.

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