Es gibt sehr offensichtlich unterschiedliche Vorstellungen davon, was ein gutes Argument sei. Wer die Macht hat, eine große Propagandamaschine zu betreiben, dem gilt vielleicht die dumpfe Wiederholung beliebigen Blödsinns als solches, denn die wirkt schließlich. Putinputinputin! Ganz unabhängig von langfristiger Wirkung und Kriterien wie Schlüssigkeit, Wahrheit und Plausibilität wird auch gern alles genommen, was den eigenen Standpunkt und seine Anhänger bestätigt. Schaalke!
Ich werde aber nicht müde zu lesen, was geschrieben steht, zu sehen, was ist und das nach reproduzierbaren Regeln miteinander zu verbinden. Das tut oft ziemlich weh. Bei Reizthemen durchzudringen mit jeglicher Differenzierung oder Korrektur im Dienste der Wirklichkeit, eine Sisyphusarbeit. Wohlan!
Zum Beispiel Feminismus. Aus sehr unterschiedlichen Gründen sind sie schon auf der Palme, wenn man es nur sagt: “Feminismus”! Feuer! Schnellschnell! Volle Deckung! Ich persönlich verwehre mich gegen jede Form von Sexismus, weswegen mir auch das, was sich heute als sektenartige Empöreria und Sprachpolizei Aufmerksamkeit verschafft, zuwider ist. So wie der solchem Sexismus assoziierte Rassismus, bei dem der weiße Mann böse ist, weil er weiß ist. Dafür muss mir niemand ‘Argumente’ liefern. Ich lehne das ab. Punkt.
Böser Sexist
Ein paar Beispiele, wie man damit umgehen kann oder nicht: Da ist etwa die propagandistische Wiederholung des Vorwurfs von “Sexismus” gegen Leute, deren Meinung man nicht mag. Prominenter Fall: James Damore. Er hat in seinem berüchtigten Memo wissenschaftliche Studien zitiert, die zu dem Schluss kommen, dass Männer und Frauen unterschiedlich sind.
Diese Unterschiede hat er benannt, ohne sie zu bewerten und hat Möglichkeiten aufgezeigt, wie man diese Unterschiede verringern oder mit ihnen umgehen kann. Damore argumentiert strikt wissenschaftlich und lässt erkennen, dass er weiß, was eine statistische Verteilung ist. Was er sagt, hat Hand und Fuß, ist belegt und reproduzierbar. Man kann mit derselben Wissenschaftlichkeit dagegen halten, wenn es widersprechende Erkenntnisse gibt. Ist das Sexismus? Ist es ‘Ableismus’, wenn man keine Rücksicht auf die Argumente von Idioten nimmt?
Männerhasserweib
Ein Beispiel, wie man genauso schnell beleidigt sein kann wie diejenigen, denen man das implizit vorwirft, hat Kollege Epikur vorgelegt. Der wirft Margarete Stokowski vor: “In ihren Artikeln trieft es regelrecht vor Männerhass. Schuld an allem Übel auf der Welt sind -wie könnte es anders sein- Männer.” Dann folgen drei Zitate.
Nun, wäre es nicht passend gewesen, ihr den Hass und die Beschuldigung wenigstens ansatzweise nachzuweisen? Soll das Hass sein, wenn wer eine andere Meinung hat und die (obendrein dezent) polemisch äußert? Ich halte Stokowski für eine der wenigen Autoren, die man noch lesen kann beim ‘Spiegel’, womöglich für die einzige. Sie ist bissig, sie hat Meinung, sie ist absolut nicht beleidigend und sie kann schreiben. Wer ihre Polemik als “Hass” etikettiert, sollte sich sich im Keller verschanzen und sich vor Wattebäuschen hüten.
Dasselbe in schwarz
Wo Substanz ist, Verständnis und Geschichtsbewusstsein, wird es regelmäßig kompliziert. Wie Rassismus, Chauvinismus und Ausbeutung zusammenhängen, erklärt nachgerade schön in seinem Tiefsinn Achille Mbembe (ein alter schwarzer Mann, ist der jetzt eigentlich gut oder schlecht?). Zitat:
“Die Eigenschaft, ein Mensch zu sein, wurde nicht allen menschlichen Individuen zugesprochen, sondern nur einer weißen Person, genauer: dem weißen Mann, nicht etwa Frauen. Der weiße Mann galt als herausragend. Alle anderen waren anders, sie mochten menschliche Wesen sein, aber sie waren nicht wie wir, zwischen ihnen und uns existieren Grenzen.”
Das ist exakt das, wogegen sich vorgeblich der o.g. neue Sexismus und Rassismus wenden. Mbembe zeigt hier aber ganz andere Wege und Denkmuster auf, wie man dem begegnen kann. Ausdrückliche Leseempfehlung.
März 11th, 2018 at 17:38
Olle Kamellen frisch aufgewärmt.
März 11th, 2018 at 19:13
Der alte schwarze Mann ist gut. Ich kann auch seine ‘Kritik der schwarzen Vernunft’ nur nochmal empfehlen. Und auch die ‘Politik der Feindschaft’ scheint mir vielversprechend, harrt aber noch.
Eine mehr persönliche Frage – kannst du denn mit dem Begriff des ‘schuldig sein’ wie er ihn da verwendet, etwas anfangen?
März 11th, 2018 at 20:14
Ich gehe davon aus, dass der Text eine Übersetzung ist, deshalb weiß ich erst mal gar nicht, wie er ihn genau benutzt. Ich würde das anders formulieren, zumal wenn es um Universalismus geht und alle allen “etwas schuldig” sind. “Verpflichtet” wäre ein zu deutsches Wort, vielleicht aber auch nicht ganz unpassend, “verbunden” ist wohl nicht verbindlich genug. Ich würde den Satz wohl anders konstruieren oder gleich auf eine universelle Solidarität verweisen, die für tragfähige Gesellschaftskonzepte unerlässlich ist. Sollte er wirklich etwas im Sinne von Schuld meinen, müsste ich das kritisieren.
März 11th, 2018 at 20:17
Würde ich exakt genau so sehen, und ‘Verpflichtung’ wäre auch das erste, was mir dazu eingefallen wäre.
Verpflichtung übrigens auch als wirkliches ‘Gegenstück’ zum Egoismus, statt des platt konstruierten ‘Altruismus’.
März 12th, 2018 at 14:01
Moin Flatter,
meinst du Ableismus oder Abelismus, so von Kain und Abel her:)
März 12th, 2018 at 14:19
Gute Frage; meine krummen Finger waren offenbar auf Mord gepolt, was ja oft entscheidet. Die höhnische Verhöhnung eines Tippgehandicaptain ist jedenfalls eindeutig Ersteres.
März 12th, 2018 at 14:44
Nanana, das war keine Verhohnepipelung.
Musste erst mal selber nachschlagen. Danke, wieder was dazu gelernt.
Und das von einem der nur den Partisanenanschlag beherrscht.
März 12th, 2018 at 15:44
Das Wesentliche steht doch schon im ersten Satz. Warum noch die vielen Anderen ? :D
All die Kolummnenweiber bei SPON, ob das jetzt die Stokowski ist oder die Berg oder die Schmitter können ja kaum noch ein anderes Thema bedienen, als Feminismus. Sie könnten einem fast Leid tun bei dem so einseitig verschwendeten Talent, denn schreiben können sie und ich lese eigentlich jede Kolumne der Damen. Das mit dem Hass hätte ich jetzt nicht so genau genommen, ich verstehe es mehr dahingehend dass diese ständige Wiederholung unendlich nervt, womit ich sogar die Kurve zum zweiten Satz dieses Artikels kriege *lach*. Sich am Hass aufzuhängen ist bezogen auf den Inhalt des Artikels kleinlich. Natürlich ist das kein Hass, die Stokowski ist einfach nur nervig – wie Frauen halt so sind. ^^
März 12th, 2018 at 16:27
Ich kann mir den Job auch ganz schön scheiße vorstellen. “Wir brauchen was mit Feminismus, sagt unsere Zielgruppenanalyse. Stokowski, machen Sie das mal!”; und dann hast du den am Arsch und musst liefern. Selbständig hat schon was für sich ;-)
März 12th, 2018 at 19:47
Ja, dieser Vorstellung kann man(n) sich total gemein hingeben… :D
Etwas Später kommt die Stokowski zu dem Analysetyp und meint sie hätte etwas über das Wirtschaftsprogramm der SPD geschrieben und ob er sich das nicht mal ansehen will. Der Typ winkt ab und sagt: “SPD macht der Augstein und Wirtschaft der Fricke.” Nach einem mitleidigen Blick in das enttäuschte Gesicht fügt er dann gönnerhaft hinzu: “Aber Du kannst was mit dem alten weißen Mann machen. Wollte ich eigentlich der Schmitter geben, aber die hat die Grippe. Am besten hängst Du es an Melania auf, da hast Du gleich den ersten alten weißen Mann dazu.” Die Stokowski schnappt nach Luft: “Ich wollte eigentlich mal was and… ähhh, Melania ? Nee, bei der krieg ich die Krätze. Gib das besser der Berg, die findet wahrscheinlich eher was an der…” Der Typ zuckt mit den Schultern. “jo, stimmt, da hast Du wahrscheinlich recht, wie wäre es dann mit der gläsernen Decke ? Oder gibt es was neues bei meetoo ??” Die Stokowski fast heulend: “Aber ich habe noch was über chinesische Datensammelwut und Überwachung im I-Net.” Der Typ rollt mit den Augen. “Mensch Stokowski, willst Du dem Lobo in die Suppe spucken ? Jetzt geh schon und recherchier einfach mal welcher Schauspielerin an irgendeinem Set der Hintern begrapscht wurde. Das kann ja wirklich nicht so schwer sein. Kommt jeden Tag vor…” Die Stokowski gibt auf, schmeißt ihren Wirtschaftsartikel in die Ablage Rund und zockelt zu ihrem Verschlag im Großraumbüro… ;)
März 13th, 2018 at 11:17
@illu
;-)
Danke für das lustige Stück!
flatter hat recht: Selbst und das auch noch ständig, dess isses.
März 13th, 2018 at 11:53
Was ein X (ob flatter oder Stokowski) zum Feminismus zu sagen weiß, ist so sehr Meinung/Seinung/Ihrung wie das, was ein Y zum Katholizismus oder zum Marxismus zu sagen weiß.
Mit Argumenten das nichts zu tun, weil es dabei nicht um Sachverhalte geht, sondern um Werthaltungen.
Noch ein paar Sachverhalte zum Thema aus der Sammlung der froschgrafiken:
Wann Paare sich trennen:
http://marx-forum.de/Forum/gallery/index.php?image/236-wann-paare-sich-trennen/
Suizide von Frauen nach Altersgruppen
http://marx-forum.de/Forum/gallery/index.php?image/915-suizide-von-frauen/
Haushaltsgrößen in Deutschland
http://marx-forum.de/Forum/gallery/index.php?image/364-vereinzelung/
Kapitalismus und Frauenemanzipation
http://marx-forum.de/Forum/gallery/index.php?image/485-emanzipation/
Ungleichstellung der Frauen
http://marx-forum.de/Forum/gallery/index.php?image/495-frauengleichstellung/
März 13th, 2018 at 14:02
Danke Vogel. Ich dachte schon ich hätte die Teilnehmer hier verschreckt… ;)
Selbst und ständig ist schön – wenn es Spaß macht und auch noch erfolgreich ist. Dann kann ich mir vorstellen, dass es sich so wenig nach Arbeit anfühlt, dass das auch mit 70 noch nichts ausmacht. Kann man sich auch bei nichtselbstständig vorstellen. Leider haben nur wenige so viel Glück.
März 14th, 2018 at 12:10
OT: “Dass mit Wladimir Putin der Gewinner schon feststeht, scheint nur wenige zu stören” – unfassbar, dieser Machthaber, und der lässt sich dauernd wiederwählen!!1¹!!
März 14th, 2018 at 14:54
Wo hingegen wir doch so völlig demokratisch ergebnisoffen zur Wahl gestratzt sind – und erst die Spannung danach! Da steht nichts fest, ist nichts stabil – oh, hab ich getzt was falsches…?