Wer dieses Blog länger kennt, weiß dass ich aus einer Kritik des Neoliberalismus zu grundsätzlicheren Ansätzen gekommen bin, die keinen Anlass dazu übrig lassen, an so etwas wie soziale Marktwirtschaft zu glauben. Der Kapitalismus hat nicht etwa zufällig diese Spielart angenommen, sondern vielmehr zwangsläufig. Es liegt mir daher auch nichts daran, hier von ‘gerechten Löhnen’ oder Reformen innerhalb der ‘Marktwirtschaft’ zu fabulieren. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass das nicht funktionieren kann.

Nun sind da draußen nicht nur viele anderer Meinung, sondern vielleicht gerade diejenigen, die ich erreichen könnte, noch nicht so weit und interessieren sich vermutlich nicht für meine Abgesänge, weil sie dort noch Hoffnung sehen und sich womöglich darüber wundern, dass hier die empörenden Zustände des neoliberalen Zeitalters kaum mehr zur Sprache kommen. Das mag man durchaus denken, wenn man vergleicht, wieviel hier noch auf die konkrete Kritik neoliberaler Machenschaften aufgewendet wird und was andere alles dazu zu sagen haben.

Tatsächlich befasse ich mich lieber mit den Möglichkeiten von Alternativen, tiefer gehenden Analysen oder Klamauk, der mich notdürftig bei Laune hält. Das bedeutet aber keineswegs, dass ich nicht sehe, wie sich die schon grenzdebile Propaganda in die windigen Höhen einer Psychose steigert, gegen die das Politbüro der DDR volksnah und stramm realistisch wirkte. Ich müsste dazu eigentlich regelmäßig Links auf alte Artikel setzen, denn ich mag mich nicht wiederholen wie die Neusprechpuppen, ich schaffe das aber derzeit nicht und empfehle daher gelegentliche Besuche im Archiv, zum Beispiel so.

Alles bestens

Ich muss heute allerdings noch einmal zurücksteigen in den Ring, in dem der Irrsinn jeden Abend seine Gong Show zelebriert. Bemerkenswert, dass es immer wieder die Mittelschicht ist, um die es geht, die den treuen Kern der hoffnungswahnsinnigen Gesundbeter stellt, nachdem sie längst das dumpfe Brüllen im Schiffskörper hätten hören müssen. “Das ist kein Eisberg”, lassen sie sich beruhigen, “das ist nur eine temporäre hydrodynamische Erscheinung”, eine Folgeerscheinung arktischer Reformen.

Der Neusprech des Monats im verlinkten Artikel ist demnach auch so eine Erscheinung für die Mittelschicht: “gerechtes Wachstum“. Gerechtes Wachstum! Das ist so bescheuert, dass selbst die Kokshuren der Polit-PR-Industrie einige Jahre gebraucht haben, um ihre Hirne so sturmreif zu schniefen, dass sie diesen Stuss aus dem Giftschrank gekippt haben. Was kommt als nächstes? Saubere Börsen? Gerechter Großgrundbesitz? Faire Ausbeutung?

Sie behängen ihre Propagandablasen einfach mit kuscheligem Beiwerk. Seit Jahrzehnten dieses Gefasel von Arbeitsplätze®, Wachstum®, Reformen®, Verantwortung®, Marktwirtschaft®, dazu einfach etwas von sozial®, gerecht®, gut®, effizient® und erfolgreich® blubbern, fertig ist die Weihnachtsstimmung. Nicht ganz, weil das Braune, das so eklig riecht mit dem Lametta obendrauf immer noch aussieht wie Scheiße – nur mit Lametta.

Weihnachtswurst

Dabei ist “Wachstum”, von dem die Texter des Profits vermutlich ernsthaft glauben, das hielten alle für etwas richtig richtig Gutes, schlicht entlarvend. Was wächst denn, wenn alle “sparen” sollen? Wenn die Kohle, ohne dass irgendwer das anzweifelt, von immer mehr Menschen in immer weniger immer fettere Taschen fließt? Wenn ganze Generationen keine Aussicht mehr auf einen Erwerb haben, kürzlich noch reiche Kontinente mit zufriedenen Bürgern in ökonomische Mondlandschaften verwandelt werden? Da kratzt der letzte Ignorant doch an der Wahrheit: Dass es die letzten Profite der letzten Profiteure sind, die da wachsen und sonst nichts.

Ja, und dieses Paket kriegt jetzt das Schleifchen umgebunden. “Gerecht” heißt es. Gerechtes Wachstum für gerechte Milliardäre. Besorgt von den immer emsigen Besserverdienern, die ihren verdienten® Lohn durch faule Arbeitslose und Wirtschaftsflüchtlinge bedroht sehen. Na klar: Wenn es immer mehr Arbeitslose gibt, weil das faule Pack seiner Eigenverantwortung® nicht nachkommt, zahlt das die Mittelschicht. Immer zahlt die Mittelschicht, dabei sind das doch die einzigen Fleißigen und Aufrechten. Aber ruhig Blut, denn jetzt kommt es ja endlich: Das wahre echte gerechte Wachstum. Wenn wir nur fest genug daran glauben.