Sie ist nicht nur eine Geißel, sie ist auch in jeder Hinsicht völlig kontraproduktiv. Niemand braucht sie. Den einen macht sie zum Beißer, zum Schläger, Vorwärtsverteidiger, der vermeintlich präventiv handelt und damit permanent auslöst, was er eigentlich verhindern will: den Stressfall, Schaden, Verletzung, Kampf und Feindseligkeit. Der andere duckt sich scheinbar unter ihr hinweg, vermeintlich fliehend, um erst recht immer tiefer in ihren Bann gezogen zu werden, bis er bewegungsunfähig ist und doch in dem dringenden Sehnen nach Flucht dem Grauen erliegt, dem er sich entziehen wollte.
Es gibt keinen Grund. Es gibt nie einen Grund. Gerade diejenigen, die es wissen, können daran irre werden, wenn sie nach dem Schlüssel suchen, der Einsicht hinter dem Wissen, dass es gerade herzlich sinnlos ist zu grübeln und den Punkt zu finden, wo sich endlich die Ruhe einfindet, die sie doch haben müssten. Aber das verblödende Adrenalin und seine befreundeten Chemikalien treiben weiter an, als gelte es den letzten halben Kilometer des Marathons noch zu absolvieren. Den entscheidenden Punch zu setzen gegen einen lächerlichen Gegner, der einem nichts anhaben kann als den nächsten Tag zu versauen. Wahre Meisterschaft: Sollte dann endlich einmal Ruhe sein – die Zeitspanne ist irrelevant – eine Minute, ein Tag, eine Woche – kann man sich mit der Frage verdummen, warum denn plötzlich Ruhe ist und man sie sonst nicht findet.
Fick dich, Amöbe!
Langzeitverblödete schaffen es dann sogar, andere teilhaben zu lassen an vergangenen Episoden, sich aufzuplustern wie das Monster, von dem sie sie sich einst selbst verfolgt fühlten. Der Zwang zur Wiederholung lässt sie zu Tätern werden an unschuldigen Opfern, als könnten sie endlich den Kampf gewinnen. Ein einziger abartiger Hirnfick, Relikt aus der Zeit, als es so etwas wie Hirn gar nicht gab. Es braucht kein Hirn dafür, und ein Hirn braucht das nicht. Nutzlos, schädlich, widerwärtig. Die Klügsten sehnen sich nach Stumpfsinn, die Trotzigen begrüßen den Schmerz.
Kampf, Krieg, Gemetzel erscheinen tröstlicher als alles, was jenseits des Irrsinns zählte. Ein Freigeist des Lebens sah nur diesen Ausweg: den Krieg als Mittel zum Frieden lieben, um zu überwinden, was ihm mit Recht unerträglich erschien. Nietzsche propagierte den “Übermenschen”, ein Wesen ohne Angst. Ich weiß nicht, wie ich das einschätzen soll – als Suizid aus Angst vor dem Tod oder als Vision, dem Nachtmahr endlich zu entkommen, der jeder Aussicht auf wirkliche Freiheit mit seinen Ketten kommt. Wie dem auch sei, es bleibt nur der Trotz, sich nicht klein machen zu lassen. Sich nicht jeden Tag den Zentner in den Nacken legen zu lassen. Jeder Tag, an dem es sich aufrecht gehen lässt, ist ein guter Tag.
Mai 18th, 2014 at 21:25
41 Responses to “Die Bestie”
R@iner meint:
Mai 5th, 2014 at 23:52
Ich kaufe ein A. Edit: Oops, das Wort kommt ja schon vor. Besser in die Hiyah.
Peinhart meint:
Mai 6th, 2014 at 09:04
Wer braucht schon Hirn? Vermutlich wieder nur so ein Irrtum der Evolution. :p
Peinhart meint:
Mai 6th, 2014 at 09:14
Und die Bestie immer wieder nur ein ‘politischer Kollateralschaden‘…
L´Andratté meint:
Mai 6th, 2014 at 09:53
Dieser Text berührt mich sehr, er sagt so konzentriert, was ich denke, aber nie so sagen könnte.
Danke auch an Peinhart, für den Link.
“In diesen Ländern ist ein Völkermord nicht so wichtig.”
Mit welcher Leichtigkeit alle Menschlichkeit hinweggefegt werden kann.
Peinhart meint:
Mai 6th, 2014 at 12:40
Um noch die Brücke zur letzten Diskussion zurück zu schlagen – der unstillbare Hunger des Kapitals nach unendlicher Arbeit abseits aller Bedürfnisse macht auch immer wieder die Rüstung als ‘Verausgabungsort’ so interessant. Deren Waren verbrauchen sich schließlich und notfalls sogar ohne Gebrauch. Nur braucht es dazu in unseren ‘zufrieden-bequemen’ Gesellschaften – so oder ähnlich unser Oberhirte – immer mal wieder zumindest eine Kriegsgefahr. Leider ‘schlittert’ man dann manchmal auch etwas weiter rein als gewollt – darauf bereitet uns jedenfalls schon mal unser gleitfähiger Außenminister vor. Wir können aber sicher sein, dass beide es bedauern werden. Hinterher.
Und es sage bitte auch keiner, dass Bequemlichkeit und Zufriedenheit irgendwelche Lebensziele wären. Wo kämen wir denn da hin.
Markus meint:
Mai 6th, 2014 at 15:33
Was macht einen früher kaputt: Die über Generationen vererbbare Angst vor der Bestie, oder der (scheinbar) vergebliche Kampf gegen sie?
Solange wir Gefangene dieser Ängste sind, haben wir keine gedanklichen Freiäume – auch um uns über gesellschaftlich-grundsätzliche Änderungen (Zinskritik – Alternativen etc.) klar zu werden geschweige denn, diese tatsächlich irgendwann mal in die Tat umsetzen zu können.
Ein Text mit wahrlich beängstigendem Tiefgang……danke dafür…
Vogel meint:
Mai 6th, 2014 at 22:09
@L´Andratté(4)
Mich berührt noch mehr, dass ich in meinem weiten Umfeld offensichtlich der Einzige(!!) bin, der so tickt: “Ruhe bewahren, nich hetzen lassen, nich nach den Sternen greifen, zufrieden sein …”
Was vieles erleichter: “Wer ein interessantes Leben hat, strebt nicht nach materiellen Dingen!” (Yvon Quiniou) hat daher wenig Angst und viel Ruhe!
Frau Lehmann meint:
Mai 6th, 2014 at 23:05
@Vogel #7
Kommt immer drauf an, was man unter “interessant” versteht und woher das Interesse kommt, ob von innen oder von außen suggeriert.
Schon recht (aber traurig), ich kenne auch wenige Menschen, die in der Lage und willens sind, sich nicht hetzen zu lassen.
@Peinhart
“Und es sage bitte auch keiner, dass Bequemlichkeit und Zufriedenheit irgendwelche Lebensziele wären. Wo kämen wir denn da hin.”
Ach nenn es doch bitte nicht Bequemlichkeit. Das klingt so nach Faulheit. Nicht dass da noch ein Gauck(ler) um die Ecke kommt und uns missionieren will ob unserer “Glücks(Zufriedenheits)süchtigkeit”.
@flatter
Ein toller Text!
oblomow meint:
Mai 7th, 2014 at 11:18
etwas OT
Stephan Hebel, ein – zitat Hebel – “Büttel westlich-imperialistischer Welteroberer”, der freilich als solcher nicht erkannt und benannt werden möchte, schreibt einen (transatlantik)brückenbauensollenden artikel, der angst und völliges nichtverstehen (wollen?können?) offenbart: wenden die leser sich von der gedruckten ausgabe ab – laufen die abonnenten bereits davon – geht der arbeitsplatz flöten?
http://bit.ly/1uyX9NL
Das alte spiel der presse – ehedem gefordert und gefördert und heute verinnerlicht -, (nur einen aufmüpfigen leser hat man nicht auf dem schirm gehabt)
“unter den Deutschen eine zustimmende Begeisterung zu entzünden, welche zur Erleichterung der ihnen anzusinnenden Opfer mitwirke.” Ziel: “… daß der Übergang aus dem jetzigen Zustande in den Kriegszustand unter Umständen geschehe, die eine unbedingte Notwendigkeit des letztern als evidente Tatsache den Untertanen aller deutschen Staaten unabweislich vor die Augen rücken; was nach dem herrschenden Geiste unserer Zeiten nicht etwa bei einem Kriege um Prinzipien, worüber im Innern von Deutschland selbst Parteien sich streiten, sondern nur alsdann stattfinden wird, und sicher erwartet werden darf, wenn ein Angriff von seiten des Feindes alle Zweifel über jene Notwendigkeit des Krieges zerstreut und alle weitern desfallsigen Rechtsdeduktionen als überflüssig erscheinen läßt.”
(Denkschrift des preußischen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten, Graf Bernstorff: Über die Mittel, die Ruhe im Innern Deutschlands im Falle eines Krieges mit dem Auslande aufrechtzuerhalten, 1831, zitiert nach Börne, Menzel der Franzosenfresser – gelesen wegen Jarchow, dem russenfresser)
Büttel eben, was Stephan Hebel bemerkenswert offen erklärt, ohne das selbst zu bemerken – großer qualitätsjournalismus.
“Wie kann man mit Menschen siegreich rechten, die nie aus ihren Monologen heraustreten, die auf unsere Fragen keine Antwort geben, in die Luft antworten auf Fragen, die sie nicht gehört und auf ihre eigene Fragen keine Antwort annehmen?” (Ludwig Börne)
flatter meint:
Mai 7th, 2014 at 12:39
Das einzige, das mich an Hebels Artikel stört, ist die Verkennung des dilettantischen sogenannten “Außenministers”. Ich sehe durchaus auch das Problem, dass Putin als klügerer der beteiligten Drecksäcke zum guten Führer verklärt wird – man denke nur an diesen schleimtriefenden offenen Brief an “seine Exzellenz”.
oblomow meint:
Mai 7th, 2014 at 13:52
@flatter
Der schleimtriefende, unterwürfige ton des offenen briefes, d´accord; die den aufmüpfigen lesern von den medien gern unterstellte und unterschobene verklärung eines Putin zum “guten führer” ist genau das, was die verschweigende, keine fragen stellende und undifferenzierte berichterstattung der medien noch unerträglicher und verlogener macht, was dann in der tat in manchen kommentaren als reaktion zu einer quasi “erzwungenen überhöhung” Putins führt.
Propaganda wird in sachen Ukraine/Putin/Russland zunehmend – mein eindruck – als propaganda wahrgenommen. Die medien nehmen nicht wahr, dass sie sich selbst ihre legitimation entziehen, meiner meinung nach eine nicht mehr rückholbare entwicklung, die ich gut finde, ohne diesen prozess im hinblick auf andere z.b. innenpolitische themen überzubewerten.
Das unbehagen über kaum noch fragen stellende medien geht soweit, meine erfahrung, dass etwa bei der meldung über den plötzlichen tod und die todesursache nichterkannte diabetes des v-mannes Corelli mehrfach ein kommentar der marke “janee, is klar” kam.
Zum nichtverstehen oder auch zu selbstgefälligen, selbstgerechten und meinungs- und deutungsüberheblichen medien und als kontrast zum Krone-Schmalz interview ist empfehlenswert das interview mit Friedbert Meurer, Ressortleiter “Zeitfunk” beim Deutschlandfunk. Die mimik ist mindestens beeindruckend, die abwertenden unterstellungen richtung publikum auch (minute 9-10 z.b.). Die deutsche journaille besteht aus ignoranten, nicht wissen und nicht recherchieren wollenden – die bezeichnung erbärmliche lohnschreiberetc. ist mir zu gnädig.
http://bit.ly/1fTITLv
btw Steinmeier als dilettanten zu bezeichnen ist verdammt rücksichtsvoll.
Peinhart meint:
Mai 7th, 2014 at 14:57
Dazu hier ein Vergleich der beiden dominierenden ‘Erzählungen’ in Sachen Ukraine, und hier noch ein anderes schönes Beispiel für journalistisches Totalversagen. Ansatz zu wirklichem Optimismus würde das Versagen der ‘Propaganda’ aber auch nur dann bieten, wenn einfach nur das Gegenteil des Getrommelten ‘wahr’ wäre. Aber so einfach ist es eben auch nicht. Wir bräuchten einen anderen Journalismus, und der hätte erstmal mit der Erblast des jetzigen fertig zu werden.
Steinmeier habe ich bislang immer als jemand wahrgenommen, der gar nicht selber denken kann bzw will. Also trifft ihn auch keine Schuld. Man suche diejenige(n), die ihm sagen, was er machen soll…
Im übrigen möchte ich mich dem Verdikt gegen abgekürzte Links anschließen. In hrefs verpackt geht doch auch und stört den Text eher noch weniger.
maguscarolus meint:
Mai 7th, 2014 at 20:27
Wir Menschen werden von Psychopathen beherrscht weil nur Psychopathen andere Menschen beherrschen wollen.
Daraus folgt mehr oder weniger alles weitere …
DasKleineTeilchen meint:
Mai 7th, 2014 at 20:37
yep. @oblomow: bitte, *bitte* keine tiny-url; ich hab automatisch ne hemmung, auf solche links zu klicken & ich bin bestimmt nicht der einzige. und bitte auch keine diskussion über “vorteile”, die gabs hier schon zur genüge. really, no offense, aber *bitte* nicht; der aufwand, das als href zu verpacken, ist auch nicht grösser als die umwandlung in ne bitly/tiny.
R@iner meint:
Mai 7th, 2014 at 20:41
Ich schaue mir auch die Links vor dem Draufklicken seit Netscape Navigator 1.0 an. Es könnte sich um eine Zwangsstörung handeln, aber ich sage mir immer, dass ich auch nicht jeden in meine Wohnung lasse…der mit einer Skimaske vor der Tür steht.
DasKleineTeilchen meint:
Mai 7th, 2014 at 20:51
was den moderator vom deutschlandradio wohl geritten haben mag? haben die “anweisungen” erhalten oder was soll das? oder ist das nach den letzten “selbstmorden” schon panik um die eigene haut?
oblomow meint:
Mai 8th, 2014 at 12:35
Zwei lesenswerte artikel aus den usa via spiegelfechter zur presse und ukraine.
Kleiner test, danke habs begriffen. :-)
venice15 meint:
Mai 8th, 2014 at 16:53
Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen. (Adorno)
In diesem Sinne…..weiter denken, weiter sagen
Brissante meint:
Mai 9th, 2014 at 18:49
Wollt Ihr mal wissen was Euer Aller (Ich sag mal Linksblogger) Problem ist?
Die agronomisch nutzbaren Solarnazehen stehen in reziproger proporzionalität zur kapazität des produzenten.
Ausser Euch versteht das keiner, für den großen Rest (Das sind dann die CSU Wähler) ist euer gelaber irrelevant, weil zu kompliziert.
Immer feste so, das es keiner spannt auf den es ankommt. Den kleinen Deppen von der Strasse, der versteht dieses Deutsch nämlich NICHT.
PS.
aber der Artikel ist genial Flatter “I” love it
PPS: ;)
im großen und ganzen, neide ich euch allen diese Macht über die Deutsche Sprache. Ich habe es in dieser Form nie gelernt.
R@iner meint:
Mai 9th, 2014 at 20:16
@oblomow: Wenn man vom Teufel spricht – Heise-News, Passwortklau: Bitly warnt Nutzer
Razorback meint:
Mai 9th, 2014 at 20:42
“Wenn das Faustrecht der Träume
alle Sorgen in Tarnfarbe streicht…”
Heinz Rudolf Kunze
@flatter: depressiv aufbauender Text! Man fühlt sich gleich nich mehr so allein.
DasKleineTeilchen meint:
Mai 10th, 2014 at 07:26
@brissante: hehe, kann ich verstehen. mir geht’s zuweilen ähnlich; wenn ich mich bemühe, steig ich in der regel durch, aber es nervt mitunter gewaltigst.
L´Andratté meint:
Mai 10th, 2014 at 09:15
@19 Wen meinst du denn?
Das kommt mir ein bisschen vor wie ein Klischée.
Flatter schreibt eigentlich doch meist absichtlich verständlich (außer wenn er absichtlich unverständlich schreibt).
In der Blogroll finden sich verschiedenste Blogs, die man als “links” bezeichnen könnte, die ich auch alle gut verständlich finde (Burk´s, Schrottpresse, Unterwelt), ich rede hier von Verständlichkeit der Sprache.
Inhaltlich lassen sich manche Themen eben nicht immer ganz einfach auf den Punkt bringen, aber das hattest du ja wohl auch nicht gemeint…
Falls die Kommentarabteilung gemeint sein sollte, ok, da wird hier wirklich manchmal vom Leder gezogen(ist mir aber immer noch viiiel lieber als die übliche Selbstentwürdigung auf SPON,etc.) (;
L´Andratté meint:
Mai 10th, 2014 at 09:28
Um nochmal vllt. auf den Inhalt dieses Artikels zurückzukommen, hege ich in meinem Spatzenhirn den Glauben, daß paradoxerweise (zum Geschehen in der Welt), der Mensch in seinem(ihren!) Wesen, den Wunsch nach Frieden hegt.
Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel, ich würde es auch nicht anders wollen, aber ist es nicht so, daß mindestens 90% sich nach sozialer Anerkennung und Einbindung, einem einigermaßen angstfreien/gesicherten Platz im Leben, dem Betrachten ihrer Welt und dem Nachdenken über sie sehnen? Also nach einem “Dialog” mit der Welt?
Beziehungsweise sehnen würden, wenn sie noch irgendeine Chance darauf erkennen könnten, oder es ihnen nicht schon in frühester Kindheit ausgetrieben würde? Dann bleibt nur “Konflikt” übrig.
Hier liegt die große Chance, ein Ansatzpunkt, um vllt. ein klein bißchen was zum besseren zu verändern!
In meinem Umgang mit Menschen habe ich die Erfahrung gemacht, daß wenn es gelingt behutsam vorzugehen, selbst hartgesottene Fälle anfangen, mit sich reden zu lassen.
Es hat kein Sinn, immer nur Werturteile zu fällen, selbst wenn diese sich noch so aufzudrängen scheinen.
Ich hoffe, es ist einigermaßen nachvollziehbar was ich meine…
L´Andratté meint:
Mai 10th, 2014 at 09:35
Im Herzen ein Hippie harharhar!
DasKleineTeilchen meint:
Mai 10th, 2014 at 10:43
@L´Andratté: das bezieht sich mit sicherheit auf die kommentare; wat ist da so ne spezialistin für ;)
Amike meint:
Mai 10th, 2014 at 12:10
@ 19 ff:
Dazu mal eine kleine Anekdote. In der Berufsschule für Altenpflege hatte ich mal eine Deutschstunde in der die Klasse einen Text zu lesen bekam. Ich habe das Thema vergessen, aber er enthielt recht viel Fachsprache und Fremdwörter. Ich würde sagen, er war nicht unverständlich, allerdings hatte ich den meisten anderen dort gegenüber den Vorteil Abitur mit Deutsch als Leistungskurs gemacht zu haben. Die Lehrerin (eine sehr nette, sehr um ihre Schüler bemühte Frau) fragte, wie denn am besten mit so einem Text umzugehen sei. Nach wenigen Antworten aus der Klasse sagte sie: “So!” und zerriss das Blatt in der Luft.
Ich kann kaum sagen wie wütend mich das gemacht hat. Genau das ist das Gegenteil von Emanzipation. Sich freiwillig dumm halten lassen. Und andere dumm zu halten. Viele Texte sind schwierig zu verstehen. Das liegt daran, dass die Welt komplex und nicht leicht zu verstehen ist. Wenn man bei den kurzen Sätzen und einfachen Erklärungen stehen bleibt, dann bleibt man bei “XY ist schuld!” Und darauf folgt: wenn man doch nur die XY loswerden könnte…
Die Idee den “ungebildeten Massen” einfache Slogans hinzuwerfen, damit sie ja nicht überfordert werden, halte ich für genau das, was den Weg in eine bessere Welt versperrt (u.a.). Das heißt nicht, dass diejenigen, die viel gelesen und viel gedacht haben, von der Aufgabe sich verständlich auszudrücken entbunden sind.
Flatter z.B. könnte mit Sicherheit auch wesentlich akademischer schreiben und dann evtl. sogar Punkte mitnehmen, die hier manchmal zurückstehen müssen. Macht er aber nicht und ich finde das gut, denn er ist unschlagbar darin, Zusammenhänge verständlich und unterhaltsam zu formulieren, die einigen sonst vielleicht nicht sichtbar geworden wären. Aber ich glaube nicht, dass er sich absichtlich dümmer macht als er ist, nur um sich dem Niveau der Leser anzupassen.
Als ich z.B. angefangen habe hier zu lesen, habe ich sicherlich nicht alles verstanden und auch ordentlich was auf den Deckel gekriegt, wenn ich Mist erzählt habe in den Kommentaren. Aber ich denke, Fehler zu machen und etwas nicht oder nicht richtig zu verstehen gehört dazu. Emanzipation ist ein Weg und kein Zustand. Die Forderung kann nicht sein, nur das zu sagen, was jeder jetzt verstehen kann. Allerdings kann man fordern, jedem die Möglichkeiten dazu zu geben auch schwierige Texte verstehen zu können.
Übrigens kann man mit der Zeit auch unterscheiden, ob kompliziert scheinende Texte tatsächlich Substanz haben oder nur aufgeblasenes Buzzwordbingo sind. Das lernt man aber nur, wenn man viel liest, sowas ist nicht angeboren.
L´Andratté meint:
Mai 10th, 2014 at 12:36
“Mache die Dinge so einfach wie möglich – aber nicht einfacher.”
sagte mal wer…
Leselotte meint:
Mai 10th, 2014 at 12:58
Da R@iner schon das A kaufte, nehm ich das J.
Ja.
“Die kleine Schnecke / ganz langsam steigt sie hinauf / auf den Berg Fuji.”
“Ja, Schnecke, besteig den Fuji, aber langsam, langsam!”
Kobayashi Issa
flatter meint:
Mai 10th, 2014 at 14:42
@Amike: Danke für das Kompliment, aber du meinst bestimmt Peinhart ;-)
Peinhart meint:
Mai 10th, 2014 at 14:52
@flatter – Danke auch, aber danke nein. Außerdem mag ich gar keine Ölsardinen. :p
@Amike – Ich kann mir kaum vorstellen, dass du da die Klappe gehalten hast… Wie geht das überhaupt damit zusammen, dass man da ja wohl auch so was wie Anatomie lernen soll, mit diesem ganzen lateinischen Gewürge?
Amike meint:
Mai 10th, 2014 at 15:25
@ flatter: Nene, ich mein schon dich. Heißt ja nicht, dass Peinhart es nicht trotzdem drauf hätte. Hat er nämlich :)
@ Peinhart: (sorry für die Ölsardinen…) Nee, ich hab nicht meine Klappe gehalten. In der Ausbildung wurde relativ deutlich, dass man Handlungsanweisungen zu lernen hat. Man bekommt das Wie eingebleut und das Fragen nach dem Warum abgewöhnt. In akademischen Ausbildungen ist das ja auch immer mehr so, aber gerade in der Berufsschule ist das besonders deutlich hervorgetreten. Lateinisches Gewürge lernen ist dann auch ok, solange man (sich) nicht fragt warum…
Brissante meint:
Mai 10th, 2014 at 16:31
@ L´Andratté
Fast alle Kommentatoren ^^
Bitte bitte nicht in den falschen Hals kriegen, die Qualität liegt zu hoch nicht zu tief.
Ich denk mir halt oft, bei dem geschreibe der Mainstreampresse, das es als Taktik gelten muß sich derart “Michelverdaulich” außzudrücken.
Sinn des ganzen ist ja nur Meinung zu machen, hier ist nicht der Weg das Ziel.
Aber wie erreichst du den eher einfach gestrickten, Menschen.
………..so und nu komm ich ins rudern, was will ich? Einfache Linksgerichtete “Propaganda” um Massen zu bewegen, oder difisielere Analyse, die braucht einfach nen größeren Wortschatz……..
Peinhart meint:
Mai 10th, 2014 at 17:00
Deshalb gibt es ja auch dieses reaktionäre Dreckskonzept PISA…
DasKleineTeilchen meint:
Mai 10th, 2014 at 18:25
flatter, du und dein fucking understatement ;D
Wat. meint:
Mai 10th, 2014 at 18:36
@DKT(26)
Wat hab ick nu schon widda va-/erbrochen, odda den Ironie-Tag übersehen…^^
“Ein wirklich Großer kann die kompliziertesten Zusammenhänge einfach und verständlich erklären, vor allem kann er so zeigen, daß er sie tatsächlich selbst verstanden hat”.
Zitat so oder so ähnlich eines alten Lehrers von mir, wo er es her hatte, k. A., aber allemal gut gestohlen ;)
DasKleineTeilchen meint:
Mai 10th, 2014 at 20:52
nüscht wat, allet supa, komplexitätsmeistarin, eschtehrlisch ;)
Troptard meint:
Mai 10th, 2014 at 21:23
36, Wat
Den Schuh würde ich mir nicht anziehen, denn er passt bestimmt auch noch zu anderen Personen.
“Ein wirklich Grosser kann… .” Wobei es dann immer noch keine Garantie dafür gibt, dass die angesprochene Seite das “Einfache und Verständliche” dennoch als unqualifizierte Zumutung betrachtet.
Weil es für diese über das “Einfache und Verständliche” hinaus immer noch eine Steigerung gibt, das die Entlastung eigener Anstrengung bedient.
Ein schönes Beispiel für plumbes und primitives Denken in höchst anerkannten Kreisen unserer Gesellschaft von ” Milton Friedman und seinen Wiederkäuern” hat der Duderich mit seinem Video “Die Yesman regeln die Welt” gegeben.
Eigentlich müsste man sagen “Der Typ( der Friedman) ist Genial”: Mit soviel Schwachsinn in den Gehirnzellen hat er es sicher auch zu einem Nobelpreis gebracht.
Wenn man es selbst verstanden hat, gibt es noch keine Garantie dafür, dass auch die Angesprochenen es verstehen wollen.
“Bild” bildet!
DasKleineTeilchen meint:
Mai 11th, 2014 at 20:26
oha. ein erstaunlich lesbarer bericht über das referendum in der ostukraine in der FAZ. ich verlink mal auf die 2te seite, da der teil über die stimmung in Mariupol mir tatsächlich 1/2wegs objektiv vorkommt.
Peter Lange meint:
Mai 15th, 2014 at 19:42
Genialer Text, wirklich.
Und sehr ansprechend, auch wenn ich bei dem Tiefgang keine Beängstigung empfinde.
Interessieren würde mich, welche Kombinationen grade zu diesem Zeitpunkt zu einer solchen Eruption führten.
Denn an Anlässen mangelte es ja schon länger nicht, oder ?
Auf jeden Fall danke dafür – bei zB ‘Fick dich, Amöbe!’ hab’ ich herzlich gelacht.
Schon lange gerne und ab jetzt wieder still mitlesend
mit geniesserischen Grüssen
und einem aufmunterndem
Venceremos
flatter meint:
Mai 15th, 2014 at 20:09
Dem Interesse kann ich leider nicht dienen, weil sie primär privater Natur sind. Aber danke für das Kompliment.