Vernunft und ihre Säule “Logik” sind rhetorisch schwache Waffen – zumal in einer Atmosphäre, in der die Sache selbst nicht vor (geschürten) Emotionen geschützt, sondern einer Aufmerksamkeitsökonomie zum Fraß vorgeworfen wird. Der Fluch des Einzelfalls liegt über dem Diskurs. Etwas ist passiert. Jemand muss etwas tun. Etwas muss verhindert werden (mit allen Mitteln). Das Gute hat versagt, das Böse gesiegt; das darf nie wieder geschehen.
Die Lösung in gefühlt drei Vierteln aller Fälle: härtere Strafen®. Wäre jedes Mal, wenn sich die Schreihälse in den Medien und ihrer Politik darüber einig waren, das Strafrecht verschärft worden, wären die Straßen von baumelnden Leichen gesäumt. Immerhin haben wir aber inzwischen einen hübschen Überwachungsstaat, und die Tendenz im Strafrecht hat auch wieder das Territorium von Vergeltung und Disziplinierung betreten. Es ist nicht mehr die Frage, wie man möglichst effektiv Verbrechen verhindert, sondern wie man sie zünftig rächt.
Feindrecht
Eine freidrehende Moral, die in Deutschland ohnehin noch im Strafrecht lauert, geht dieser Rückreise ins Mittelalter zur Hand. Nicht nur Albernheiten wie eine “Schwere der Schuld” grätschen der Vernunft hier vehement in die Hacken, es gibt auch noch den Passus der “Heimtücke”, eine einst auf Juden zugeschnittene Kategorie. Moral verurteilt das Fremde gern hart. Der kriminelle Ausländer® (Flüchtling, Moslem, Jude) ist das wichtigste Vehikel der Rechtsextremen; deren politisch wichtigster Bezugsrahmen ist ihr Feindschema.
Die Formeln dieser Hetze (das ist ein Begriff aus der Jagd; das Ziel ist, die Beute zur Strecke zu bringen) sind: “Es darf nicht sein …”, “Soll das erlaubt sein? “Das kann man nicht durchgehen lassen.”. Doch, man kann und man muss. Wer Verbrechen nicht zulassen will, installiert das Verbrechen als Macht. Nur die brutalste Diktatur hat die härtesten Strafen, die schärfste Überwachung und kennt keine Gnade. Dennoch werden durch sie Verbrechen erst recht ermöglicht. Die Frage kann also niemals sein, wie man jeden Einzelfall verhindert, sondern welche man zulässt.
Mit allen Mitteln
Wenn ein Mensch zu Schaden kommt, meinetwegen ein Kind grausam zu Tode kommt, hat der Staat nicht automatisch versagt. Selbst wenn Fehler gemacht wurden – vermeintlich oder tatsächlich. Mehr Verurteilungen und längerer Freiheitsentzug verhindern dergleichen nicht. Im Gegenteil ist eine Gesellschaft gut beraten, alle Möglichkeiten zu nutzen, Schaden zu verhindern, mithin z.B. die Grenze zu finden, an der ‘härtere Strafen’ zu höheren Rückfallquoten oder zunehmender Brutalität führen, weil die Verurteilten sich endgültig von der Gesellschaft abwenden oder so hoffnungslos sind, dass (weitere) Morde für sie zum schlichten Kalkül werden.
Es ist ja auch nicht so, als hätten die Staaten nicht Jahrhunderte Erfahrung damit. Das ist nicht bloß eine Frage des Geschmacks oder der autoritären Gesinnung. Wer wirklich Kriminalität eindämmen will, weiß, dass Strafen das schlechteste Mittel sind und ‘harte’ Strafen fast durchweg kontraproduktiv. Das öffentliche Geschrei aber folgt wie alles andere einem Verwertungsinteresse. Wenn die Zeitung nach einem schlimmen Vorkommnis keine Empörung schürt, profitiert die Konkurrenz. Die damit einhergehende Verblödung sorgt dafür, dass der Reflex nur darauf wartet, bedient zu werden. Wer das kritisiert, handelt demnach unmoralisch und schützt die Täter von den Opfern. Inzwischen sieht das auch eine sogenannte “Linke” immer öfter so.
Januar 26th, 2018 at 15:30
Die sogenannte “Linke” hält sich aber immer noch ein Türchen offen; aktuell SPONt sie beispielsweise von “Rechtsnationalismus”, um ggf. künftig die Differenzen zum guten Linksnationalismus aufzeigen zu können:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/heinz-christian-strache-war-der-fpoe-politiker-gast-bei-der-burschenschaft-germania-a-1189928.html
Januar 26th, 2018 at 15:53
Ich weiß ja jetzt nicht, wo da die Linke ist (du meinst nicht ernsthaft SpOn selbst?!), aber der Begriff “Rechtsnationalismus” ist wieder ein schöner Neusprech. Ich vermute allerdings eher, dass sich das von einem iwie ‘guten’ Nationalismus abheben soll à la Schäubles “geläuterter Patriotismus”.
p.s.: Geht sogar noch besser: Gabriel kennt einen “sozialen Patriostimus”. Hatte ich glatt verpasst.
Januar 26th, 2018 at 16:01
Dem Twitterfeed des Verfassers des Artikels entnehme ich zumindest eine linksgerichtete Meinung (Neudeutsch: “Haltung”; als hätte Seehofer nicht auch eine).
Januar 26th, 2018 at 16:03
Soso; macht der auch Binnen-Is?
Januar 26th, 2018 at 16:11
Die Frage kann also niemals sein, wie man jeden Einzelfall verhindert, sondern welche man zulässt.
Mal wieder so grob vereinfacht betrachtet bzw gefragt: ist das nicht auch der Unterschied zwischen Recht und Regel? Während letztere die Ausnahme kennt und ihr Imperativ dementsprechend lautet ‘Überleg’s dir gut, ob du mich brechen willst – es kann Gründe geben, aber du wirst auf jeden Fall gefragt werden, welches deine waren’, darf das Recht keine kennen: ‘Tu das niemals nicht, du wirst in jedem Fall bestraft werden’. Die Elastizität der Regel, die Starrheit des Rechts – bis hin zum Richter, der bedauert, ein bestimmtes Urteil fällen zu müssen. ‘Verantwortung’ in diesem Kontext auch sehr interessant.
Januar 26th, 2018 at 16:22
Es geht mir gar nicht um solche Fälle (die kommen auch vor), in denen eine Handlung nicht von der Formulierung eines Gesetzes erfasst wird, sondern schlicht um Rechtsbrüche. Die verhindert man nicht durch ‘Härte’, sonst müsste die Todesstrafe ja jegliche Verbrechen verhindern, bei deren Ausübung sie droht.
Ich meine schlicht, dass man mit einer Kriminalitätsquote deutlich größer Null leben muss, egal, um welches Delikt es geht.
Januar 26th, 2018 at 17:48
Wer hindert mich daran, böse Dinge zu tun?
Januar 26th, 2018 at 18:06
Die Uhrzeit? Das Wetter?
Januar 26th, 2018 at 18:18
Das weiss ich doch nicht.
Januar 26th, 2018 at 19:43
Vielleicht eine eigenartige ‘VerinnerlICHung’? Diese Gesetze, allein schon ihre fordernde Ansprache, sind echt ein Witz. Die können es ja wohl nicht sein. Wie muss denn eine Kreatur bitte beschaffen sein, bzw. wie will man sie haben, dass sie sich auf sowas verständigt? Hallo!?! Die Ergebnisse sprechen für sich. In der Tat.
Es ist vielleicht eine eigenartige Fähigkeit, zu der man fähig sein muss? Sonst geht’s ja auch nicht so gut, gar viel erlebt man es. Mann, ich peile hier gar nichts.
Januar 26th, 2018 at 19:52
Na komm, so viel weißt du auch: Es gibt da Sachen, die “tut man nicht”, kriegst du in der Schule und zuhause eingebläut, und der gute Deutsche hält einen großen Sicherheitsabstand zu Tutmannicht. Früher wegen auf die Fresse, heute weil sonst Händieverbot (ganz früher wegen Höllenfeuer). Wird auch nicht mehr ewig funktionieren.
Warum du jetzt nicht ‘böse’ bist, musst du selbst explorieren. Ich mutmaße, dir ist der Aufwand zu hoch und es gibt eh nix zu gewinnen.
Januar 26th, 2018 at 19:53
Du bist gut.
Januar 26th, 2018 at 20:17
Wer meint auf eine strafverschärfende “tough on crime” Kriminalpolitk setzen zu müssen, überschätzt die Möglichkeiten des Strafrechts und verkürzt die Kriminalpolitk auf Strafrechtpolitik.
Kein Strafrecht kann Versäumnisse in allen sozialen Belangen des Miteinanders ausgleichen und schon gar nicht gesellschaftliche Gestaltungsdefizite ersetzen.
Ich bin aber auch nicht so naiv um zu glauben das es den Law-and-Order Typen darum ginge.
Januar 26th, 2018 at 20:24
“Tut man nicht” ist übrigens auch gut. Bravo. Tut-tut! Und sie lachen immer noch.
Januar 26th, 2018 at 22:04
@ Fred
Dieses Miteinander ist das gesellschaftliche Gestaltungsdefizit. Oder ist es nicht viel eher ein bestens organisiertes Gegeneinander?
Januar 27th, 2018 at 06:06
Moin Katze,
wie man’s nimmt. Aber flatter schrieb ja selbst, dass selbst er es einsieht das es gewisse “Grundregeln” geben muss um ein zivilisiertes Miteinander zu gestalten. Anderseits könnte man ja sonst gleich wieder die Keule rausholen und wer dann der stärkste ist, gewinnt dann eben.
Januar 27th, 2018 at 10:03
@flatter #6 – Es geht mir gar nicht um solche Fälle (die kommen auch vor), in denen eine Handlung nicht von der Formulierung eines Gesetzes erfasst wird [...]
Die meinte ich auch nicht, wenngleich dieser Zwang zur ‘präzisen Formulierung’, die möglichst alle Handlungen abdecken soll, auch ein Hinweis auf die Inelastizität des Rechts ist.
Ich meine schlicht, dass man mit einer Kriminalitätsquote deutlich größer Null leben muss, egal, um welches Delikt es geht.
Also etwa eine Haltung, wie sie hier zum Ausdruck kommt: “Ganz beseitigen könne man das Problem nicht, sagt Sarwar, keine Gesellschaft habe das geschafft. ‘Aber wir können zumindest mehr Prävention betreiben und so die Zahl der Delikte reduzieren.’”…?
Die Formulierung welche man zulässt finde ich allerdings problematisch bzw missverständlich. Vielleicht eher ‘wieviel man/eine Gesellschaft hinnehmen muss’, um in der Frage Sicherheit vs Freiheit – um die geht es dann ja – nicht die Balance zu verlieren und auf die schiefe Ebene eines Polizei- und Überwachungsstaates zu geraten. Ansonsten solltest du das ‘zulassen’ vielleicht noch etwas näher ausführen, denn eine explizit formulierte Ausnahme ist ja wohl eher nicht gemeint.
Januar 27th, 2018 at 10:18
Was hindert mich daran, böse Dinge zu tun?
Wir werden mit einem Gerechtigkeitsgefühl und einem moralischen Empfinden geboren. Das kann man schon bei ganz kleinen Kindern beobachten. Noch bevor sie sprechen können und ‘erzogen’ werden, reagieren sie heftig auf Ungerechtigkeit.
Sicher gibt es graduelle Unterschiede, aber das angeborene Empfinden war m.E. zuerst da. Die Gesetze und Regeln entstanden erst daraus.
Januar 27th, 2018 at 11:08
‘” Wer Verbrechen nicht zulassen will, installiert das Verbrechen als Macht”.
Damit sind wir bei der Sündenbockpsychologie. Die Mächtigen bestehlen die Bürger in nie dagewesenem Maße und bestrafen eine Kassiererin, die vergißt, einen Beleg für Flaschenpfand abzurechnen. Die wirklichen Bösen wissen, daß sie böse sind. Deshalb versuchen sie in der Projektion, dieses Böse im Anderen auszurotten. Mit der harten Bestrafung des Anderen bringen sie ihr eigenes schlechtes Gewissen zum Schweigen. Diese Tatsache ist ihnen vielleicht nicht immer bewußt, weil sie diese tief verdrängt haben. Aber da unten sitzt auch das verdrängte moralische Empfinden. Und alles, was unbewußt, aber bewußtseinsfähig ist, wird nach außen projiziert – DAMIT es einem bewußt werden kann. Denn, ob wir es wollen oder nicht, die menschliche Evolution ist auf Bewußtwerdung angelegt.
Januar 27th, 2018 at 12:28
@ Peinhart (17): “Die Formulierung welche man zulässt finde ich allerdings problematisch …” Ich hatte auch überlegt, so etwas wie “wie viele” zu schreiben, wäre vielleicht auch besser; das Abheben auf die Qualität (“welche”) betont hier mehr den Umstand, dass es eben Taten gibt, die man mit dem Strafsystem nicht verhindert, etwa weil Täter sich nicht um die Konsequenzen scheren.
In der Folge bedeutet das, man analysiert zunächst die Ereignisse und wägt dann die Möglichkeit des Verhinderns mit den nötigen Mitteln dazu ab. Was man mit tragbaren Mitteln dann nicht verhindern kann, ist das, was man “zulässt”.
Januar 27th, 2018 at 12:35
@pentimento (19): “Damit sind wir bei der Sündenbockpsychologie“. Nö, damit sind wir bei einem autoritäten Regime. Wie das straft, steht noch dahin, nur scheut es eben auch die extremen Mittel nicht.
Das Konzept des “Bösen” halte ich für falsch, mythologisch und fatal. Es ist das Eingangstor zu Feindrecht und Entwürdigung.
Wenn es etwas gibt, das eine Gesellschaft ablehnt und als inakzeptabel erkennt, muss sie das begründen können. Dieser Grund wiederum muss sich auf die Notwendigkeit ihrer Ordnung und Struktur beziehen, dann kann sie etwas verbieten und ggf. bestrafen. Wie schon oft hier gesagt, ist aus meiner Sicht Ethik (die Grundlage jeden Rechts) die Wissenschaft der sozialen Ordnung. Alles andere ist Moral, Religion, Mythologie.
Januar 27th, 2018 at 13:08
Nur halb OT – OXI hat gerade ein kleines Kontrastprogramm zur ‘Autorität’, aktueller Einstieg hier, und gleich unten verlinkt dann das da.
Januar 27th, 2018 at 14:01
@ pentimento [Januar 27th, 2018 at 10:18]
Tolle Sache, dieses Gefühl von Gerechtigkeit und erst dieses moralische Empfinden. Das man damit geboren wird, ist ja unheimlich praktisch. Bis es dann irgendwie verloren geht. Ja wo ist es denn hin?
Es gibt da wohl einige fundierte Untersuchungen zu. So hat man zum Beispiel kleine Kinder vor 2 Teller gesetzt, die mit einer Tellerglocke abgedeckt wurden. Als man die Glocke wegnahm, war ein Teller gefüllt, der andere war leer. Sogleich wurde umverteilt, fifty-fifty, für jeden. Bedingungen, die sich dadurch womöglich ergaben, wurden da noch nicht ausgehandelt. Das kommt später.
Januar 27th, 2018 at 18:01
@ Katze aus dem Sack #23
Dein Zweifel ist verständlich. Das Gerechtigkeitsgefühl äußert sich bei Kindern vor allem darin, daß sie heftig protestieren, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Daß dies auch für andere zu gelten hat, lernen sie erst allmählich.
Worauf ich eigentlich hinauswollte ist folgendes: dies angeborene Gefühl gibt Anlaß zu der Hoffnung, daß die 99% sich empören , und irgendwann überall gegen die Ungerechtigkeit aufstehen werden. Das wissen auch die 1%. Deswegen haben sie solche Angst, daß sie heute schon glauben, sich mit Panzerwagen gegen friedliche Demonstranten schützen zu müssen.
Wenn Du interessiert bist, kannst Du dazu etwas auf youtube finden:
ÖDP Vortrag von Prof. Rainer Mausfeld, 01.Mai 2017 // ” Wie werden Meinung und Demokratie gesteuert” – ziemlich am Ende.
Januar 27th, 2018 at 18:46
@flatter # 21
Dienen nicht die Begriffe von Gut und Böse allgemein als Teilaspekte einer Ethik? Was haben wir denn sonst für Kriterien, um das Verhalten der Menschen einzuordnen? Solange die westliche Gesellschaft sich nicht von der ewigen Dualität trennen kann, wird sie die Gegensätze irgendwie benennen müssen. Die Alternative wäre die m.E. bessere Philosophie des Taoismus von der Einheit oder Harmonie der Gegensätze wie sie in dem Zeichen des Yin und Yang bildlich dargestellt ist.
Interessant ist, daß viele westliche Menschen sich zu dieser Philosophie hingezogen fühlen. Erwiesen ist, daß manche ältere Menschen in ihrer Alterweisheit ganz natürlich zu einer, dem Taoismus ähnlichen Einstellung kommen. Vielleicht tendierst Du ja auch dazu? Dann wäre Deine kategorische Ablehnung des Begriffs des Bösen für mich nachvollziehbar. :)
Was das Rechtssystem in unserer Gesellschaft angeht, da denke ich wie Du. Es müßte völlig andere, eher erzieherische und für Straffällige hilfreiche Maßnahmen geben. Rache gehört da bestimmt nicht hin.
Januar 27th, 2018 at 19:25
@ pentimento
Eben weil ich interessiert bin, verfolge ich auch die Arbeiten dieses Professors. Diese Eliten und ihre Mitspieler sind schon ‘ne Marke. Keine Ahnung wie man die von da wegbekommt. Die Inuit sollen solche ja gleich getötet haben, wenn sie wie aus heiterem Himmel plötzlich auftauchten. Aber was ist mit unseren Tellerchen? Plötzlich teilt niemand mehr, man muss sich selbst nehmen. Verdient, versteht sich. Ach ja, und ehrlich soll es zugehen. Ehrlich.
Januar 28th, 2018 at 02:19
@ Fred
Der Stärkste gewinnt doch. Die Keule ist in diesem Fall ein systemischer Mechanismus, welcher die schwachen Mitwettbewerber von den starken Mitwettbewerbern trennt. Die Grundregeln können sich daher auch nur darauf beschränken, die zwangsläufigen Wettbewerbs-Verlierer in Schach zu halten.
Januar 28th, 2018 at 13:03
@pentimento (25):
“Dienen nicht die Begriffe von Gut und Böse allgemein als Teilaspekte einer Ethik?”
Merkwürdige Formulierung, aber nein. Sie sind Bestandteil religiöser Ethik, hier nämlich der christlichen. Das Böse ist des Teufels*, eine übertragbare Eigenschaft. Das Gute ist gottgefällig und ebenso eine Wertung. Ich brauche diesen Scheiß, um Schuld zuzuweisen, zu bewerten und Hokuspokus zu veranstalten, der ‘Sünder’ ängstigt.
Weniger mittelalterliche Ethiken haben dieses Konzept nicht. Du findest es weder im Kategorischen Imperativ noch in der Erklärung der Menschenrechte – wozu auch? Ethik hat das Ziel einer stabilen Gesellschaft, der Regelung von Beziehungen und der Trennung von Erwünschtem und Unerwünschtem. Letzteres als “böse” zu bezeichnen, mystifiziert eine schlichte Vereinbarung.
*So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz, das Böse nennt,
Mein eigentliches Element.
Januar 28th, 2018 at 13:13
OT: Paramilitärische Truppen schützen ein Parlament bei der Regierungsbilung. Woran erinnert mich das bloß?
Januar 28th, 2018 at 16:17
Auch OT: Ein insgesamt dann doch recht brauchbarer Koniczs. Und auch wieder auf tp, obwohl es da letztens offenbar ziemlich geknirscht hat.
Januar 28th, 2018 at 16:34
@flatter #28 – Im Falle der Menschenrechte melde ich da aber mal milden Zweifel an. Jedenfalls insoweit, als diese immer noch als ‘Naturrecht’ mystifiziert werden. Dabei handelt es sich auch ‘nur’ um eine Vereinbarung, eine Übereinkunft.
Dass es eine solche überhaupt gibt, ist aber wiederum Anlass zu verstohlenem Optimismus, dass es tatsächlich gelingen könnte, sich auf so etwas wie eine ‘universelle Ethik’ zu verständigen. Und zwar weder eine als ‘göttlich’ oder ‘natürlich’ mystifizierte, sondern eben ‘nur’ als schlichte Übereinkunft. Was wiederum die Voraussetzung dafür wäre, eine solche Ethik jenseits von Spekulation und Theologie – also ‘vernünftig’ – diskutieren und begründen zu können.
Januar 28th, 2018 at 16:58
Ähm, das betrifft aber meinen Kommentar nicht, in dem ich sage, dass man darin (in der AEMR) das Konzept des Bösen nicht mehr findet.
Zudem ist ja etwas, das mystifziert wird, dadurch noch nicht selbst eine Mystifzierung. Den einzigen Bezug auf Natur findest du dort bei der Familie als “natürliche Grundeinheit der Gesellschaft“.
Januar 28th, 2018 at 17:17
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ liest sich für mich immer noch wie die angesprochene Mystifizierung, die Formulierung hat ja auch eine Geschichte.
Ansonsten war der Kommentar auch weniger als Einwand denn als freundliche Erweiterung gedacht. Nicht hinsichtlich des Konzepts des Bösen, dem das des Naturrechts auch nicht entfernt das Wasser reichen kann, aber eben hinsichtlich einer unnötigen und im Zweifelsfall kontraproduktiven Mystifizierung.
Januar 28th, 2018 at 17:32
So weit einverstanden, aber gerade bei Bemühungen wie den Menschenrechten oder einigen Konzepten von Vernunft lese ich einen Aufforderungcharakter hinein, weil sie ohne diesen keinen Sinn ergeben. Insofern bedeutet das Zitat auch: Wer das anders sieht, ist raus.
Januar 29th, 2018 at 03:20
Deine gesamte Argumentation ist mir zu dünn. Will sagen, mir fehlt schlicht eine überzeugende Alternative, die einerseits dem Täter als handelndem Menschen aber andererseits auch der Realität in Form des menschlichen Unwesens gerecht wird.
Nur ein Beispiel: Die Leute telefonieren während der Autofahrt mit dem Handy und das verursacht Unfälle. Die zunächst milde Strafe reicht nicht aus, dieses Verhalten abzustellen. Erst eine drastische Erhöhung der Strafe sorgt für Abhilfe. Die Berücksichtigung der Schwere der Schuld sorgt nun dafür, dass derjenige, der einen Notruf absetzte, nun minderschwer oder garnicht bestraft wird.
In Thailand wirft niemand eine Kippe auf die Straße. Ich als Raucher wurde direkt nach Verlassen des Flughafens eindringlich ermahnt, das tunlichst bleiben zu lassen. Und es wirkte, da ich sonst genötigt worden wäre, sie aufzulecken.
Du musst Deine Ausführung auf gezielte Provokationen des Staates beschränken, der mit der Angst der Bürger spielend, seine Befugnisse in Richtung Polizei-Überwachungsstaat erweitert. Aber auch da bin ich mir nicht mehr sicher, was wirklich hinter den Kulissen stattfindet.
Die 103 Toten des jüngsten Bombenanschlags in Kabul würden Dir den Satz: “Es darf nicht sein …”, “Soll das erlaubt sein? “Das kann man nicht durchgehen lassen.” Doch, man kann und man muss.” nicht durchgehen lassen. Wobei, und damit liegst Du wieder richtig: Diesem Attentäter wäre selbst die Todesstrafe völlig gleichgültig gewesen.
Ich weiß nicht, wer mit der unkontrollierten Grenzöffnung mit welchen Absichten zu uns kommen konnte. Aber mir war sofort klar, dass ein IS sich diese Gelegenheit nicht würde entgehen lassen, zumal dessen Absicht, auch den Westen zu destabilisieren, aus den Videobotschaften klar hervorging.
Wie würdest Du mit dieser Erkenntnis, die von der Realität bestätigt wurde, umgehen, wenn Du für die Sicherheit Deutschlands verantwortlich wärest?
Januar 29th, 2018 at 09:51
Duke, darf ich mir den Kommentar zwecks zweitverwurstung mal kopieren?
Januar 29th, 2018 at 10:31
“Erst eine drastische Erhöhung der Strafe sorgt für Abhilfe“. Nein, tut sie nicht, und wenn du deinen eigenen Ausführen folgtest, kämest du auch zu dem Schluss. Zudem gehst du auf keines meiner Argumente ein. Das ist nicht diskussionstauglich.
Januar 29th, 2018 at 10:32
@pantoufle: Wenn du #35 meinst, musst du ggf. marabella fragen.
p.s.: Solltest du einen von mir meinen, dann ja.
Januar 29th, 2018 at 10:51
@marabella:
“Die Leute telefonieren während der Autofahrt mit dem Handy und das verursacht Unfälle…”
Man könnte ja auch einfach nur diejenigen bestrafen, welche sich durch rauchen, trinken, telefonieren…derart beeinflussen ließen, dass daraus ein Unfall entstand. Denn was ist eigentlich das Problem beim telefonieren? Doch nicht ernsthaft nur eine Hand am Lenkrad? Ist bspw. die Kombo aus Automatik, Freisprech und Coffee to go Becher inner Hand besser?
“In Thailand wirft niemand eine Kippe auf die Straße”
Ja und das bringt uns gesellschaftlich inwiefern weiter? Wie wäre es mit regelmäßiger Leerung der Aschenbecher und guter Erziehung?
“Wie würdest Du mit dieser Erkenntnis, die von der Realität bestätigt wurde, umgehen, wenn Du für die Sicherheit Deutschlands verantwortlich wärest?”
Ich denke, dass es Flatter um grundsätzliche Ansätze geht. Niemand fragt, wie und warum der sog. IS eigentlich entstanden ist. “Härtere Strafen” sind fast immer nur eine Reaktion auf etwas, dass man vorher schon irgendwie begünstigt hat.
Dabei wird auch gerne der Kontext und die Relationen ausgeblendet.
Januar 29th, 2018 at 11:36
Diskutieren wir jetzt ernsthaft über Grenzöffnungen und Muslime im Zusammenhang mit ‘härteren Strafen’? Das ist rechtes Agenda-Setting par excellence und hat mit dem Opener nichts zu tun.
Januar 30th, 2018 at 03:12
“flatter meint:
Januar 29th, 2018 at 11:36
Diskutieren wir jetzt ernsthaft über Grenzöffnungen und Muslime im Zusammenhang mit ‘härteren Strafen’? Das ist rechtes Agenda-Setting par excellence und hat mit dem Opener nichts zu tun.”
Nein, tun wir ganz sicher nicht. Das habe ich weder gefragt noch in Erwägung gezogen. Und ich habe auch nicht die Frage gestellt, warum und wie der IS entstand.
Wir diskutieren über Deinen Satz: “Es darf nicht sein …”, “Soll das erlaubt sein? “Das kann man nicht durchgehen lassen.” Doch, man kann und man muss.”
Den halte ich in seiner Aussage und Konsequenz für frag- aber auch diskussionswürdig. Mir geht es darum, wie Du denn mit der Realität, der gestiegenen Anzahl von Anschlägen (egal ob rechts, links oder islamistisch begründet) nämlich, umgehen würdest, so Du in verantwortlicher Position wärest.
Und ich nenne Beispiele, bei denen drastisch härtere Strafen eben doch zu Verbesserungen führten. Ich könnte auch noch Anschnallpflicht, Tempolimits, etc. anführen.
Deine Ausführungen haben mich zum Nachdenken angeregt aber ich komme angesichts der Gegenbeispiele zu etwas anderen Ergebnissen.
Januar 30th, 2018 at 10:09
Du hast also auf der einen Seite Beispiele wie Handyverbot am Steuer, Anschnallpflicht und Tempolimit – sogenannte ‘Ordnungswidrigkeiten’ – und möchtest von da aus dann sozusagen ‘übergangslos’ Massenmordanschläge diskutieren? Vielleicht hülfe ein wenig Differenzierung? Oder gehört das bei dir tatsächlich ‘alles in einen Sack’?
Januar 30th, 2018 at 10:34
@marabella: Deine Frage verbietet sich auch vollkommen mit dem Fokus auf “Anschläge”. Nicht nur kannst du dazu alles, was ich zu sagen hätte, bereits in diesem Blog lesen; es geht hier auch nicht um Geheimdienste und deren Anschlagslogistik. Man muss mit Mord und Totschlag in diversen Formen leben, ja. Das meine ich auch, wenn mein ungeborenes Kind davon betroffen ist oder ein Katzenbaby.
Januar 30th, 2018 at 13:56
Ich wollte einigen Aspekten im Artikel erst vehement widersprechen, aber nach dem Lesen der Kommentare und besonders der letzten Replik an marabella (#43) habe ich nun ein klareres Bild deiner Sicht und stimme dem auch zum Grossteil zu. Besonders der Verzicht auf Doppelmoral (oder ist dir Doppelethik lieber?) gefällt mir gut.
#35
“Ich weiß nicht, wer mit der unkontrollierten Grenzöffnung mit welchen Absichten zu uns kommen konnte. Aber mir war sofort klar, dass ein IS sich diese Gelegenheit nicht würde entgehen lassen, zumal dessen Absicht, auch den Westen zu destabilisieren, aus den Videobotschaften klar hervorging.”
1. Leider wird es bei solchen Themen eben oft sehr emotional und die Leute verlieren die Vernunft, Rationalität und Logik aus den Augen. Da müsste man nämlich Argumente wie “in Relation setzen” zulassen, also das die Zahl der Personen mit kriminellen Absichten höchstwahrscheinlich bei unter einem Prozent liegt. Nur leider ist abstrakte Angst meist stärker als solche Argumente.
2. Wenn jemand schon so fanatisch eingestellt ist, dass er für seine theologischen oder politischen Ideale auch vor Mord nicht zurückschreckt, den interessiert nicht ob die Grenzen gerade mehr oder weniger kontrolliert werden. Sie passen ihre Methoden, Wege, Vorsichtsmaßnahmen, … an, die Absichten ändern sich aber in keinem Fall. Oder gabs etwa nicht auch schon vor der Flüchtlingswelle zig Anschläge jeglicher Couleur? Nicht alles was international passiert wird ja auch (bei uns) berichtet. Da muss man dann schon oft international viele Medien konsumieren um Großteil mitzubekommen. Sonst entstehen auch hier verzerrte Bilder deiner sog. “Realität”. Die Überschrift “Der Sog des Einzelfalls” trifft womöglich auch auf dich zu.
Januar 31st, 2018 at 02:03
Hallo Peinhart (#30),
unterste Schublade.
Dieser Herr Konicz wird von TP wohl auf Grund gewisser Proporzinteressen ausgehalten. Die wollen offenbar den Sprung in die Hochglanzsparte vorbereiten.
Informatives zum Fall Konicz: https://tinyurl.com/y7kbgwkd
Einer wie Konicz hat definitiv grundsätzlichere Probleme. Wäre ich religiös, so widmete ich ihm ein Fürbittengebet.
Januar 31st, 2018 at 13:23
Ich kann in dem Artikel von Häring nichts Substanzielles gegen Konicz finden. Dass in einem Artikel über Rechtspopoulismus in der Linkspartei solche Vokabeln vorkommen, versteht sich; sie zu zählen, ist schlicht albern.
Feynsinn ist aber nach wie vor kein Ort, an dem wie im Fußballstadion Fronten gebildet und dann eine Seite gewählt wird. Hier zählt der konkrete Text, das konkrete Argument. Zwar kann sich ein Autor auch nachhaltig disqualifizieren, das bedarf aber stärkerer Belege als den einer Denunziation, in der Wörter gezählt werden.
Januar 31st, 2018 at 13:47
Feynsinn ist aber nach wie vor kein Ort, an dem wie im Fußballstadion Fronten gebildet und dann eine Seite gewählt wird. Hier zählt der konkrete Text, das konkrete Argument.
Schöne, klare Worte, die vielleicht auch noch die Aufnahme in die elf verdient hätten…
Januar 31st, 2018 at 14:32
“In die elf“; sophisticated, und wieder ein Rätsel gelöst :-)
Februar 1st, 2018 at 03:03
Herr Konicz hat genau die zwei Fans, die er verdient.
Februar 1st, 2018 at 10:22
Tja, da kann man sich dann wohl nur noch geschlagen geben.
Februar 1st, 2018 at 10:57
Herr Joker trollt hier immer hart am Rand der Bannliste, aber es ist doch toll, jemanden zu haben, der immer weiß, wer was wert ist und auf welcher Seite steht.