‘KI’ und Kapitalismus (3): Potential
Posted by flatter under kapital , ki[29] Comments
10. Jan 2018 14:30
Quelle: Pixabay
Um zu ahnen, wie sich ‘KI’ weiter entwickeln wird, muss man selbstverständlich schauen, was bisher konstruiert wurde und nach welchen Kriterien diese Produktion stattfindet. Da wird es wenig überraschen, dass es dieselben Kriterien sind wie bei allen anderen Produkten: Sie müssen sich verkaufen lassen, sie müssen dem Käufer einen Nutzen bringen (zumindest muss das suggeriert werden) und sie unterliegen den allgemeinen Erwartungen an Effizienz. “Roboter”, also Arbeitsmaschinen, müssen billiger sein als adäquate ‘Human Resources’, also Menschen.
Das ist oft nicht schwierig, weil Maschinen präzisere Bewegungen bei weniger Verschleiß und geringeren Aufwand an Energie und Geld bieten, wo sie körperliche Arbeit tun. Hierin besteht ggf. der größte Unterschied zwischen KI und Mensch. Denken wir uns einen Dartroboter, also etwas, das kleine Pfeile auf Ziele wirft. Es ist leicht, eine Maschine zu konstruieren, die das mit totaler Perfektion schafft, den Pfeil immer an die gewünschte Stelle fliegen zu lassen. Ein Mensch an deren Stelle hat vorwiegend mit einem Problem zu kämpfen, das die Maschine nicht kennt: die Komplexität des menschlichen Organismus.
Beherrsche dich
Ein Mensch muss so viel wie irgend möglich seiner Fähigkeit zu komplexen Bewegungen unterdrücken, wenn er wirft. Präzision heißt hier vereinfachen, stumpf die exakt selbe Bewegung vollführen und Billionen anderer Optionen zu filtern. Höchste Konzentration, um das Potential nicht auszuschöpfen. Derweil ist er sogar damit beschäftigt, noch sein überflüssiges Denken zu betäuben. Sogar Atmung und Puls, die Prozesse zur Energieversorgung, müssen auf den Akt zugerichtet werden. Ein einziger Akt sprichwörtlicher Subjektivität – Selbstunterdrückung.
Aus solchen Erfahrungen, dem ständigen Spiel des Filterns, Unterdrückens und daraus entstehenden Prozessen, bildet sich die menschliche Selbststeuerung. Dies geht einher mit dem Beobachten ähnlicher Prozesse bei anderen Individuen, mit Lust und Leid. Dimensionen, die man einer Maschine gar nicht beibringen kann, zumal solange man den Versuch einer Simulation menschlicher Unzulänglichkeit meidet. Was hätte man auch von einem solchen Versuch? Er widerspräche jedem Verwertungsinteresse und wäre verbranntes Geld.
Das perfekte Programm
Zudem muss man sich deutlich machen, dass die Rationalität, die Menschen aus ihrer Entwicklung und ihren geistigen Fähigkeiten gefiltert haben, eben ein Auszug davon ist. Ein reduzierter, kontrollierter Bruchteil ihrer Fähigkeiten und Fehler. Die Fehlerlosigkeit und die höhere Effizienz von Maschinen, ihr schieres Tempo bei der Arbeit, bescheren Maschinen große Vorteile bei der Lösung einfacher, unterkomplexer Aufgaben. Das befähigt sie aber keineswegs zu Lösungen komplexer Probleme, zumal solcher von der unfassbaren Komplexität lebendiger Organismen. Von denen haben ihre Schöpfer ja kaum einen Schimmer. Man stelle sich nur einmal vor, man sollte aus der Struktur der DNA erklären, warum ein Vogel fliegt wie er fliegt.
Die Angst, Maschinen seien ‘besser’, ist völlig berechtigt, soweit der Mensch Sklave ist und sich seine erbärmliche Existenz durch Arbeit verdienen soll. Sie ist ebenso berechtigt, wenn man Angst hat, Tötungsmaschinen im Kampf zu begegnen. Sie ist ebenso falsch in Form der Vorstellung ‘intelligenterer’ Maschinen. Allein deren Produktion ist völlig ausgeschlossen, weil es einer breiten Grundlagenforschung bedürfte, die gegen alle Kriterien kapitalistischer Verwertung verstieße. Sie setzte auch voraus, viel mehr über die eigene ‘Intelligenz’ zu wissen. Schließlich: Wieso gibt es eigentlich keine ‘KI’, die zuverlässig Bugs aus Programmen filtert? Nicht einmal das kriegen sie hin.
Alle Artikel zum Thema in Reihe gibt es hier.
Januar 10th, 2018 at 16:41
Die Angst, Maschinen seien ‘besser’ [...] ist ebenso berechtigt, wenn man Angst hat, Tötungsmaschinen im Kampf zu begegnen.
Vielleicht tatsächlich das größte Potential der ‘KI’ – das Gewalt- und Vernichtungsarsenal noch einmal kräftig aufzustocken. Dieses ‘Vermögen’ – wie ja auch schon andere – in’s nur noch absurd unermessliche zu steigern. Und zu steigern. Und zu steigern…
Sehr guter Text, so nebenbei bemerkt.
Januar 10th, 2018 at 18:39
Yup, wirklich ungewöhnlich schöne Ausdifferenzierung im sonstigen polarem Low- oder High-Flatlinebetrieb zum Thema. Nix zu meckern.
Januar 10th, 2018 at 20:19
Auch mal nur so nebenbei bemerkt – ‘wir’ sind echt gut darin, Technikfolgen abzuschätzen:
Die Wissenschaftler, die die oben erwähnte Studie zur Anhäufung von Plastikabfällen auf dem Planeten veröffentlichten, haben gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass der Mensch es versäumt hat, sich vor der massenhaften Einführung dieser Errungenschaften des Fortschritts über mögliche Folgen im Klaren zu werden und Konzepte für einen adäquaten Umgang mit Kunststoffen nach dem Ende des Lebenszyklus’ eines Produktes zu entwickeln. Stattdessen ist er nun Teilnehmer eines außer Kontrolle geratenen, weltweit ablaufenden Experiments, bei dem sich Milliarden von Tonnen Plastik über alle terrestrischen und aquatischen Ökosysteme hinweg ausbreiten und anreichern. (Quelle)
Januar 10th, 2018 at 21:37
Solche Fortsetzungsdinger sind ja echt gut- wo man anfangs noch vllt. den Finger heben möchten tut klärt sich dann doch alles immer mehr. Bin gespannt auf die nächsten Teile.
Btw. Wo iss’n eigentlich @R@iner? Und: Was macht das Narrativ-Dingens?
@Peinhart: “dass der Mensch es versäumt hat, sich vor der massenhaften Einführung dieser Errungenschaften des Fortschritts über mögliche Folgen im Klaren zu werden und Konzepte für einen adäquaten Umgang mit Kunststoffen nach dem Ende des Lebenszyklus’ eines Produktes zu entwickeln.” Sach bloß? Das war früher aber besser, oder?
Januar 10th, 2018 at 21:47
Danke für (1), (2) und (3).
Januar 11th, 2018 at 09:32
Ein sehr großes Potenzial in KI sehe ich im Kulturbereich und hier insbesondere in der Musikkunst. Das falsche Zusammenspiel vom Orchester und Missinterpretation der vom Komponisten vorgegebenen Komposition ließe sich da zuverlässig vermieden – und somit z. B. ein Konzert der Münchner Philharmoniker, welches bei mir zuweilen “Ohrenkrebs” erzeugt, wieder zum Kunstgenuss werden ;-)
Januar 11th, 2018 at 12:39
@Voltaire
Das kann doch wohl nich Dein Ernst sein: Musik immer gleich – ohne (individuelle) Seele? *Bäääh* Gerade in Kunst und Kultur (erst Recht Musik) hat KI weniger als garnix zu suchen! Das sollte aus dem Bisherigen klar geworden sein.
Januar 11th, 2018 at 13:01
@Voltaire: insbesondere in der Musikkunst
there you go: “while the other [lullaby-tune] is the product of a machine that used artificial neural networks and didn’t get any help from a human.” november 2017
https://www.youtube.com/watch?v=GcKTUCKHBfk
Januar 11th, 2018 at 16:45
@ 7. und 8.
o. k. ich gebe mich geschlagen!
Es reicht schon aus, dass KI bereits als Einparkhilfe – selbstverständlich für Frauen – in PKWs realisiert ist… ;-) & (-;
Mein linkes Augenzwinkern an “Vogel” und das rechte an “DasKleineTeilchen”.
Januar 11th, 2018 at 17:01
….ich finde die Einparkhilfe ganz gut….
Januar 11th, 2018 at 17:22
war eh alles unter /s einzuordnen ;) und is ja eh bezeichnend, dasses erst ma mit ner einschlafnummer probieren, die künftigen KI-overlords…
Januar 11th, 2018 at 17:23
@Vogel (4): Narrativ hab ich wohl verlegt. Müssen wir noch ein Weilchen warten wohl. Vielleicht hat aber auch R@iner das gefressen? Dem ist ja alles zuzutrauen. Was man sich über den so alles erzählt …
Januar 11th, 2018 at 19:15
Narrativ gefressen? Der braucht ein mit der Zeitung übergezogen, was Andres wirkt doch gar nicht bei so einem!
Januar 11th, 2018 at 19:31
Au ya, härtere Strafen!!1¹!
Januar 11th, 2018 at 19:41
Und du bist jetzt auch Verleger? Find’ ich gut!
Januar 12th, 2018 at 10:57
Half OT: Was ist mit deiner Blockchain-Geschäftsidee? Scheint, als müsstest du dich ranhalten. Geradezu berückend finde ich die Idee, ‘consent with sexual intercourse’ in einer Blockchain abzulegen. Der Witz an dem Ding ist ja, dass es seine gesamte ‘Transaktions-Historie’ immer mit sich führt, bis an’s Ende aller Tage… das will man doch nicht mal selbst mehr alles wissen!!1¹!
Sagte ich schon, dass ich mir keine Sorgen mehr mache…?
Januar 12th, 2018 at 14:33
Voll OT: Wie finde ich raus, ob ich aus einem Scheißlochland komme? Sind deren Staatschefs automatisch Regierungswichser? Darf man denen an die Fotze greifen? Komm, das ist doch keine Satire mehr, das ist dock blanker Antiamerikanismus!
Januar 12th, 2018 at 15:50
Er bemüht sich eben intensiv darum, us-amerikanischen Einfluss in der Welt zurückzufahren und den Aufbau einer multipolaren Welt voranzutreiben. Wirklich nicht schön, aber offenbar ziemlich effektiv…
Januar 13th, 2018 at 00:56
Weiter OT: Kann man noch über die Spezis schreiben? Einer tut’s.
Januar 13th, 2018 at 08:37
19: Verantwortung übernehmen – Klimaschutz und Gerechtigkeit – Bürgerversicherung.
https://tinyurl.com/ycpvmmwn
Gudrun Ensslin: „Wir können die Herrschenden und ihre Handlanger nicht dazu zwingen, die Wahrheit zu akzeptieren; aber wir können sie dazu zwingen, immer unverschämter zu lügen.”
(Er kann es nicht lassen.) Nachdem ich den Püntes-Text las, ging es mir dermaßen dreckig, dass meine Frendin überlegte, den Notarzt anzurufen. Schnappatmung, Herpes und Blutdruck am Anschlag. HF 160.
Januar 13th, 2018 at 09:58
@Niedergang der Sozialdemokratie
Das demonstrative Leiden an der SPD ist ewiges Schimpfen über die Ex.
Und sowieso treffen eure Beschwerden die Falschen, denn es handelt sich hier um ein strukturelles Problem in Europa, nicht um Personalfragen in Deutschland:
http://marx-forum.de/Forum/gallery/index.php?image/993-niedergang-der-sozialdemokratie/
Januar 13th, 2018 at 10:12
21: Stimme nur zu einem kleinen Teil zu. Verantwortlichkeiten und Entscheider haben Namen und Gesichter.
Strukturen kann man nicht zur Rechenschaft ziehen. Außerdem leugnest Du damit (strukturell) die besondere Rolle der deutschen Sozialdemokraten.
Januar 13th, 2018 at 11:03
Okay, ich bin abgewatscht. Ich bin halt nur alt, aber nicht autonom. Wer zu den grafisch aufbereiteten Fakten trotzdem noch meine Argumente lesen will:
http://marx-forum.de/Forum/index.php?thread/761-niedergang-der-sozialdemokratie/&postID=4583#post4583
Januar 13th, 2018 at 11:36
Wal B.: Ich wollte Dich nicht abwatschen. Das war nur ein Widerspruch, genauso, wie ich zu Deinem Begleittext, der ja nur ein Fazit darstellt und auf Wahlergebnisse abstellt, ohne die Ursachen zu analysieren, einiges zu kritisieren hätte. Mit Respekt vor dem Blogbetreiber, der ja ein anderes Thema vorgegeben hat und diskutieren möchte, bleibt es zunächst dabei. Kein weiterer Kommentar, es sei den flatter läßt dies ausdrücklich zu.
(Ich empfehle zu diesem Thema das Narrenschiff oder Kay Sokolowsky (Link unter Nr. 19), falls weitere Bedarf besteht.)
Januar 13th, 2018 at 11:44
Ach macht mal, hier ist ja sonst eh nix los, und ich hab keinen Bock, über diese Spaten noch etwas zu schreiben.
Januar 13th, 2018 at 13:24
Man könnte 19-26 auch nach ‘Erbärmlich’ verlegen – da wären sie wengstens ‘on topic’… ;)
Ansonsten auch immer wieder schön zu sehen, wie lieb Wirtschaftsliberalismus und Faschismus sich doch haben. Schon Mises fand letzteren als ‘Notbehelf des Augenblicks’ ja durchaus ‘hinnehmbar’, Hayek hat in Chile dann so richtig in’s Volle gelangt. Da wächst nicht erst, da war schon immer.
Januar 13th, 2018 at 13:42
Und wieder on topic: Erstmal ein ganz guter Ansatz zur Problematik heute bereits implementierter ‘KI’ – und dann wieder die Landung als etwas, was mir auch als Bettvorleger deutlich zu dünn wäre.
Januar 13th, 2018 at 14:08
“ist es wichtig, eine Kultur zu schaffen, die die Einbeziehung von Interessensgruppen fördert” passt zum neuen Opener. Das Ziel ist wohl , den dann freiwilligen Opfern ein Zertifikat abzuringen. “Kultur schaffen” – leck’ mich am Arsch …
Januar 13th, 2018 at 15:18
Nun hab ich’s ja bekanntlich auch mit der ‘Kultur’ – allerdings nicht in einem solch verdruckst-verkümmerten Verständnis derselben. ‘Kulturen schaffen’ in diesem Sinne ist eine allfällige Parallele zu den ‘Freiheiten’, die wir ‘geniessen’, oder auch zum ‘Sozialen Frieden’ im Sinne von ‘rest in peace’…
Edith: yo, passt.